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Die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf die Kapitalertragsteuer vom 2.9.2016 über 26.375 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.7.2017 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, welche Folgen bei einer rückwirkenden Einbringung nach § 20 UmwStG dadurch entstehen, dass im Rückwirkungszeitraum eine Gewinnausschüttung auf eine eingebrachte Beteiligung vorgenommen wurde.
3Die Klägerin ist eine GmbH. Sie gehört zu einer Unternehmensgruppe, die …-lösungen sowie weitere Dienstleistungen für den …-sektor entwickelt und vertreibt.
4Das Unternehmen der Klägerin wurde ursprünglich durch Herrn B in Form eines Einzelunternehmens unter der Firma „C“ betrieben.
5Zum Betriebsvermögen des vorgenannten Einzelunternehmens gehörten auch die Anteile (100 %) an der D GmbH, welche im Jahr 1996 gegründet worden war und bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrags am 5.7.2016 als E GmbH firmierte. Zwischen dem Einzelunternehmen und der E GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung, bei welcher das Einzelunternehmen das Besitzunternehmen war. Das Einzelunternehmen hatte das von der E GmbH genutzte Betriebsgebäude, Lizenzen für Softwareprodukte, einen Kundenstamm und Knowhow an die E GmbH verpachtet.
6Unter dem Datum vom 24.8.2016 fasste Herr B als alleiniger Gesellschafter der E GmbH einen Gesellschafterbeschluss. In diesem heißt es, der Gewinnvortrag der Gesellschaft belaufe sich zum 1.1.2016 auf 5.643.332,23 €. Es werde beschlossen, aus diesem Gewinnvortrag einen Betrag i.H.v. 2.750.000 € an den Gesellschafter auszuschütten. Die Ausschüttung diene dem Zweck, die hingegebenen Darlehen von 2.000.000 € zu tilgen. Insoweit erfolge keine Zahlung.
7Die E GmbH behielt von dem vorgenannten Bruttobetrag von 2.750.000 € Kapitalertragsteuer i.H.v. zusammen 725.312,50 € ein (Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % = 687.500 €, Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % hierauf bzw. 1,375 % = 37.812,50 €).
8Hinsichtlich der o.g. Verrechnung liegt ein Ausdruck aus der Buchhaltung des Einzelunternehmens vor (Konto 1551 „Darlehen C e.K.“). Es ist dort eine Buchung unter dem Datum vom 24.8.2016 ersichtlich, mit welcher das dort ausgewiesene bisherige Darlehen von 2.000.000 € um diesen Betrag verringert wurde (Buchungstext „Gewinnausschüttung VERRG DARLEHEN“).
9Es verblieb so ein Betrag i.H.v. 24.687,50 € (2.750.000 € ./. 725.312,50 € ./. 2.000.000 €), den die E GmbH mit Wertstellung zum 24.8.2016 auf das betriebliche Bankkonto von Herrn B bzw. des Einzelunternehmens überwies (Verwendungszweck „Gewinnausschüttung“).
10Herr B überwies daraufhin zwei Beträge von dem vorgenannten betrieblichen Bankkonto des Einzelunternehmens auf sein privates Bankkonto (73.625 € mit Wertstellung zum 25.8.2016 und 1.030.750 € mit Wertstellung zum 26.8.2016). Für den erstgenannten Betrag von 73.625 € liegt ein Kontoauszug des betrieblichen Bankkontos vor. Dort ist als Verwendungszweck der Überweisung „Ausschüttung“ angegeben.
11In der Folge gliederte Herr B mit notarieller Urkunde vom 29.8.2016 sein Einzelunternehmen auf die hierbei gegründete Klägerin aus (Ausgliederung zur Neugründung nach § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 152 UmwG). Er wurde dadurch alleiniger Gesellschafter der Klägerin. Der Ausgliederungsvertrag enthielt die Regelung, dass der Ausgliederung die Bilanz des Einzelunternehmens zum 1.1.2016 zugrunde gelegt und die Übertragung des Vermögens des Einzelunternehmens mit Wirkung vom 2.1.2016, 0.00 Uhr erfolge.
12Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Ausgliederung steuerlich nach Maßgabe von § 20 Abs. 2 UmwStG als Einbringung unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte und mit steuerlicher Rückwirkung auf den 1.1.2016 als steuerlichen Übertragungsstichtag i.S.v. § 20 Abs. 5, 6 UmwStG erfolgt ist. Entsprechende Anträge stellten Herr B und die Klägerin mit Schreiben vom 29.8.2016 gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt –FA--).
13Herr B hatte vor den vorgenannten Vorgängen unter dem Datum vom 24.6.2016 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt. Gegenstand des Antrags waren die beiden Fragen, ob die o.g. Ausgliederung bzw. Einbringung nach § 20 UmwStG steuerneutral zu Buchwerten möglich und ob die o.g. Gewinnausschüttung der E GmbH an Herrn B durch die steuerliche Rückwirkung der o.g. Ausgliederung bzw. Einbringung (nachträglich) nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerbefreit sei. Mit Schreiben vom 12.8.2016 hatte das FA die Auskunft gegeben, dass die zweitgenannte Frage zu bejahen sei. Auf die erstgenannte Frage erteilte es die Auskunft, die Ausgliederung bzw. Einbringung sei nach § 20 UmwStG zu Buchwerten möglich. Zugleich führte es jedoch aus, derjenige Anteil der o.g. Gewinnausschüttung durch die E GmbH, welcher Herrn B im Rückwirkungszeitraum zufließe, sei nicht als Entnahme i.S.v. § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG zu werten, sondern als durchgeleitete Ausschüttung Herrn B selbst zuzurechnen. Dort unterliege sie der Besteuerung mit dem Teileinkünfteverfahren nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG. Hierzu führte das FA an, die Gewinnausschüttung der E GmbH sei aufgrund der rückbezogenen Einbringung der Klägerin zuzurechnen. Die Weiterleitung des Ausschüttungsbetrags bzw. dessen Vereinnahmung durch Herrn B stehe mit der vorgenannten Gewinnausschüttung im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang. Sie sei daher als weitere Ausschüttung zu qualifizieren (Hinweis auf Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz 318; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rz 230 [zitiert aus der 1. Aufl. 2008; die Fundstelle entspricht Rz 468 in der aktuellen 3. Aufl. 2019]).
14Nach dem Vorbringen der Klägerin (s. Einspruchsschreiben vom 19.9.2016) ging diese unter Berücksichtigung der vorgenannten Auskunft zunächst davon aus, dass die beiden o.g. Überweisungen i.H.v. 73.625 € und 1.030.750 € vom betrieblichen auf das private Bankkonto von Herrn B als Gewinnausschüttungen von ihr an Herrn B zu behandeln sind und der Kapitalertragsteuer unterliegen. Später sei sie dann zu ihrer jetzigen Auffassung gekommen.
15Die Klägerin übermittelte dem FA dementsprechend am 2.9.2016 zwei Anmeldungen zur Kapitalertragsteuer. Diese wiesen zwei Gewinnausschüttungen der Klägerin aus, und zwar i.H.v. 100.000 € und i.H.v. 1.400.000 €. Als Datum des Gewinnverwendungsbeschlusses und der Auszahlung war jeweils der 25.8.2016 angegeben.
16Zu den vorgenannten Steueranmeldungen übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 5.9.2016 zwei „Gesellschafterbeschlüsse“. Diese wiesen das Datum vom 25.8.2016 aus. In ihnen heißt es, Herr B als Gesellschafter der Klägerin habe beschlossen, aus dem vorhandenen Kapital einen Betrag von 100.000 € bzw. 1.400.000 € an den Gesellschafter auszuschütten.
17Beide Beteiligte gingen davon aus, dass die beiden o.g. Steueranmeldungen nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 19.9.2016 jeweils Einspruch gegen ihre beiden o.g. Steueranmeldungen bzw. die darin liegenden Steuerfestsetzungen ein. Sie machte geltend, die o.g. Überweisungen seien Entnahmen i.S.v. § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG. Mangels Kapitalertrag i.S.v. § 20 EStG bestehe daher keine Kapitalertragsteuerpflicht.
18Das FA entschied mit Einspruchsentscheidung vom 12.7.2017 über den Einspruch gegen die Steueranmeldung, welche die o.g. Überweisung i.H.v. 73.625 € betraf. Es wies den Einspruch als unbegründet zurück. Den Einspruch gegen die Steueranmeldung, welche die o.g. weitere Überweisung i.H.v. 1.030.750 € betraf, brachte das FA im Einvernehmen mit der Klägerin zum Ruhen. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die vorgenannte Einspruchsentscheidung.
19Sowohl im Einspruchs- als auch im vorliegenden Klageverfahren machte bzw. macht die Klägerin Folgendes geltend:
20In der Überweisung vom betrieblichen auf das private Bankkonto von Herrn B am 25.8.2016 liege keine Gewinnausschüttung an diesen durch die Klägerin. Vielmehr handele es sich um eine Entnahme im Rückwirkungszeitraum, welche nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG nicht aufgrund der Rückwirkung in eine Gewinnausschüttung oder „Weiterausschüttung“ umzuqualifizieren sei.
21Dass zeitlich kurz zuvor eine Gewinnausschüttung der E GmbH erfolgt und diese aufgrund der kurz darauf erfolgten rückwirkenden Einbringung der Klägerin zuzurechnen und dort nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerbefreit sei, ändere daran nichts. Der Wortlaut der Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG besage nichts dazu, dass es in diesem Fall doch nicht bei einer Entnahme bleibe, sondern diese als „Weiterausschüttung“ zu qualifizieren sei. Weder diese Regelung noch die Legaldefinition der Entnahme in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG knüpften an die Herkunft der entnommenen Wirtschaftsgüter oder Geldbeträge an. Es müsse sich lediglich um dem Betriebsvermögen zugehörige Wirtschaftsgüter oder Geldbeträge handeln. Aus welchen betrieblichen Einnahmequellen (z.B. Vermietung, Veräußerung, Zins- oder Beteiligungserträge) sie stammten, sei für das Vorliegen einer Entnahme unerheblich. Auch der Zweck des § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Regelung solle vermeiden, dass durch die Anwendung körperschaftlicher Regelungen im Rückwirkungszeitraum Vorgänge als verdeckte Gewinnausschüttungen besteuert würden, welche ohne Rückwirkung im Einzelunternehmen eine Entnahme wären (Hinweis auf BFH-Urteil vom 23.4.1096 I R 178/82, BStBl II 1986, 880). Diese Vorgänge sollten daher Entnahmen bleiben und damit nicht der Kapitalertragsteuer und auch nicht der unmittelbaren Besteuerung beim Anteilseigner unterliegen. Stattdessen führten die Entnahmen nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG zu einer Kürzung der Anschaffungskosten für die erhaltenen Anteile, wodurch sie sich erst später bei einer Veräußerung der Anteile im Rahmen der Besteuerung nach § 17 EStG auswirkten.
22Es sei auch nicht erkennbar, warum die weiteren Entnahmen des Jahres 2016 (z.B. Entnahme einer Ausschüttung in Millionenhöhe im April 2016, Entnahme von privaten Einkommensteuervorauszahlungen im März und im Juni 2016) anders zu beurteilen seien als die hier in Rede stehende Entnahme im August 2016. Auch die Liquidität, die für die vorgenannten Entnahmen zur Verfügung gestanden habe, habe aus betrieblichen Erträgen resultiert, welche zum Teil im Rückwirkungszeitraum angefallen seien und von der E GmbH gezahlt worden seien (u.a. Mieterträge aus der Vermietung einer Ferienimmobilie).
23Es liege auch kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor. Zum einen sei bereits keine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden. Für die Umstrukturierung hätten nämlich gewichtige außersteuerliche Gründe bestanden (Absicherung der Betriebsaufspaltung, Vorbereitung der Unternehmensnachfolge, Vermeidung von Strafzinsen aufgrund hoher Bankguthaben der GmbH). Zum anderen sei es auch nicht zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil gekommen. Dadurch, dass sich nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile vermindert hätten, sei eine spätere Besteuerung der Beträge sichergestellt. Dass diese Besteuerung zeitlich möglicherweise erst sehr viel später eintrete, sei unerheblich. Der Gesetzgeber habe nämlich genau diese Rechtsfolge in § 20 Abs. 5 Satz 2 und 3 UmwStG vorgesehen.
24Insoweit verweist die Klägerin auch auf das BFH-Urteil vom 7.3.2018 (I R 12/16). Dort sei es so gewesen, dass die Entnahmen i.S.v. § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG zu negativen Anschaffungskosten führten. Entgegen der Auffassungen der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts (Sofortbesteuerung des Negativsaldos) habe der BFH dieses Ergebnis für zutreffend gehalten und damit ausdrücklich eine zeitversetzte Besteuerung der Entnahmen erst bei der späteren Veräußerung der Anteile akzeptiert.
25Die Klägerin beantragt,
26die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf die Kapitalertragsteuer vom 2.9.2016 über 26.375 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.7.2017 aufzuheben,
27hilfsweise,
28die Revision zuzulassen.
29Das FA beantragt,
30die Klage abzuweisen,
31hilfsweise,
32die Revision zuzulassen.
33Sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im vorliegenden Klageverfahren machte bzw. macht das FA Folgendes geltend:
34Es sei keine Entnahme nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG anzunehmen, sondern eine „Weiterausschüttung“ der aufgrund der rückwirkenden Einbringung der Klägerin zuzurechnenden Gewinnausschüttung der E GmbH an Herrn B.
35Hierzu sei die Situation mit und ohne die Rückwirkung zu vergleichen. Ohne Rückwirkung wäre die Gewinnausschüttung der E GmbH im Einzelunternehmen des Herrn B als Betriebseinnahme zu erfassen und nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern gewesen. Die nachfolgend am 25.8.2016 vorgenommenen Überweisungen vom betrieblichen auf das private Bankkonto wären dann Entnahmen gewesen. Mit Rückwirkung sei dagegen die Gewinnausschüttung der E GmbH der Klägerin zuzurechnen und bleibe nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerfrei. Blieben die Überweisungen nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG Entnahmen, würde die vorherige Besteuerung der Gewinnausschüttung mit dem Teileinkünfteverfahren auf der Ebene von Herrn B als natürlicher Person fehlen. Das würde zu Verwerfungen führen. Das in der Totalperiode „richtige“ Ergebnis beim Anteilseigner würde sich erst bei der Veräußerung der Beteiligung durch diesen einstellen, weil bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S.v. § 17 EStG die Anschaffungskosten der Anteile nach § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG um die Entnahmen gekürzt worden wären.
36Zwar seien die o.g. Überweisungen vom 25.8.2016 an sich Entnahmen. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG seien jedoch keine Entnahmen, sondern „Weiterausschüttungen“ der nunmehr der Klägerin zuzurechnenden Gewinnausschüttung der E GmbH an den tatsächlichen Empfänger anzunehmen, soweit dieser die Ausschüttung tatsächlich behalte.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die angefochtene Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf die Kapitalertragsteuer über 26.375 €, welcher die entsprechende Steueranmeldung der Klägerin zugrunde liegt, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
39I. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterliegen offene und verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) der Kapitalertragsteuer. Im Streitfall ist es in der Folge der Gewinnausschüttung durch die E GmbH am 24.8.2016 jedoch nicht zu einer der Kapitalertragsteuer unterliegenden weiteren offenen Gewinnausschüttung oder vGA der Klägerin an Herrn B gekommen, und zwar weder durch die Ausschüttung der E GmbH am 24.8.2016 selbst noch durch die einen Tag später, also am 25.8.2016, vorgenommenen Überweisung der 73.625 € vom betrieblichen auf das private Bankkonto von Herrn B.
401. Bevor es am 29.8.2016 zur rückwirkenden Einbringung des Einzelunternehmens in die Klägerin kam, waren die in Rede stehenden Vorgänge wie folgt zu beurteilen: Die Gewinnausschüttung der E GmbH an Herrn B vom 24.8.2016 war – da sich die Anteile an der GmbH im Betriebsvermögen befanden – als Betriebseinnahme des Einzelunternehmens zu erfassen und mit dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d zu besteuern. Die am nächsten Tag, dem 25.8.2016, vorgenommenen Überweisungen der beiden Beträge vom betrieblichen auf das private Bankkonto von Herrn B waren Entnahmen aus dem Einzelunternehmen, und zwar in Form der in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich genannten Barentnahmen. Durch die Überweisungen wurden die entsprechenden Geldmittel vom betrieblichen in den privaten Bereich überführt.
412. Am 29.8.2016 hat Herr B dann sein Einzelunternehmen u.a. mit der o.g. Beteiligung an der E GmbH nach § 20 UmwStG in die Klägerin eingebracht, und zwar nach § 20 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung auf den 1.1.2016.
42a) Diese Konstellation, in welcher der eingebrachte (Teil-)Betrieb Anteile an einer Kapitalgesellschaft enthält, und es im Rückwirkungszeitraum zu einer Gewinnausschüttung durch diese gekommen ist, wird im Schrifttum wie folgt beurteilt:
43Zunächst wird – soweit ersichtlich einhellig – angenommen, dass aufgrund der steuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG die Gewinnausschüttung nicht mehr dem Einbringenden, sondern der übernehmenden Gesellschaft zuzurechnen ist und dort nach den § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG zu behandeln und so grundsätzlich zu 95 % steuerbefreit ist (so Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz 318; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, 3. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 468; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski, 5. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 658; Widmann in Widmann/Mayer, § 20 UmwStG Rz 363).
44Zu der Frage, welche Folgen sich im Verhältnis zwischen der übernehmenden Gesellschaft und dem Einbringenden ergeben, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
45Zum Teil wird angenommen, dass die Gewinnausschüttung zwar rückwirkend der übernehmenden Gesellschaft zuzurechnen (s.o.), jedoch zugleich eine „Weiterausschüttung“ an den Einbringenden anzunehmen sei, wenn bzw. soweit dieser die Ausschüttung endgültig behält. Ist der Einbringende eine natürliche Person, unterliege die „Weiterausschüttung“ dort der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (so Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz 318; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, 3. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 468). Eine Entnahme i.S.v. § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG liege in der „Weiterausschüttung“ nicht. Die Ausschüttung des Gewinns durch eine Kapitalgesellschaft an ihren einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner (also an eine andere Person) sei keine Entnahme i.S.d. Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, nämlich keine Verwendung oder Überführung von Wirtschaftsgütern oder Mitteln aus dem betrieblichen in den privaten Bereich desselben Steuerpflichtigen (so Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz 318, unter Verweis auf Friedrichs in Haritz/Benkert, 2. Aufl. 2000, § 20 UmwStG Rz 275).
46Zum Teil wird demgegenüber (und u.a. unter Hinweis auf § 159 BGB) angenommen, dass im Grundsatz und bei Fehlen anderslautender Vereinbarungen der Einbringende (zivilrechtlich) verpflichtet sei, den ausgeschütteten Betrag mit dem jeweils der Einbringung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vorgang (z.B. einer Sacheinlage) der übernehmenden Gesellschaft zu überlassen. Mache er das, ergäben sich keine weiteren Folgen. Solange es noch nicht zur Überlassung des ausgeschütteten Betrags gekommen sei, sei in der Bilanz der übernehmenden Gesellschaft eine entsprechende Forderung gegen den Einbringenden anzusetzen. Werde diese nicht angemessen verzinst oder auf sie verzichtet, könne das zu einer vGA führen. Werde jedoch in dem der Einbringung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vorgang (z.B. einer Sacheinlage) vereinbart, dass der Einbringende den ausgeschütteten Betrag behalten dürfe, liege insoweit die Gewährung eines anderen Wirtschaftsgutes neben der Gewährung der Gesellschaftsrechte i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 UmwStG vor (so Widmann in Widmann/Mayer, § 20 UmwStG Rz 363; knapper, jedoch i. Erg. ebenso Menner in Haritz/Menner/Bilitewski, 5. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 658; laut Friedrichs in Haritz/Benkert, 2. Aufl. 2000, § 20 UmwStG Rz 275 sollte der übernehmenden Gesellschaft ein Wahlrecht zustehen, hiervon oder von einer „Weiterausschüttung“ auszugehen). Diese Beurteilung hätte zur Folge, dass das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der „sonstigen Gegenleistung“ anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG) und deren gemeiner Wert bei der Bemessung der Anschaffungskosten der gewährten Anteile abzuziehen ist (§ 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG). Hiergegen wird angeführt, für diese Sichtweise bzw. das zuvor angenommene Wahlrecht bestehe kein Spielraum, weil sich die rechtliche Einordnung der Zahlung alleine nach dem Ausschüttungsbeschluss richten müsse (so Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, 3. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 468 Fn 1753).
47b) Hiervon ausgehend beurteilt der Senat den vorliegenden Streitfall wie folgt:
48aa) Nach Auffassung des Senats sind die Beteiligten zutreffend davon ausgegangen, dass die Gewinnausschüttung der E GmbH aufgrund der rückwirkenden Einbringung nicht mehr dem Einzelunternehmen von Herrn B, sondern der Klägerin zuzurechnen war. Das ergibt sich aus § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG bzw. der dort angeordneten steuerlichen Rückwirkung. Danach sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen wäre. Wäre das Einzelunternehmen von Herrn B mit der darin befindlichen Beteiligung an der E GmbH bereits mit Ablauf des 1.1.2016 auf die Klägerin übergegangen, wäre auch die Gewinnausschüttung am 24.8.2016 der Klägerin zuzurechnen gewesen, da sie dort bereits Anteilseignerin der E GmbH gewesen wäre (vgl. hierzu auch Widmann in Widmann/Mayer, § 20 UmwStG Rz 363). Dass zivilrechtlich die Gewinnausschüttung unverändert an Herrn B vorgenommen wurde und dieser zivilrechtlich auch noch Gesellschafter der E GmbH war, ändert daran nichts. Für die steuerliche Beurteilung ist nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG gerade nicht die zivilrechtliche Lage, sondern die o.g. steuerliche Rückwirkungsfiktion zugrunde zu legen. Die Beteiligten gehen hierzu des Weiteren zutreffend davon aus, dass die Gewinnausschüttung nunmehr nach § 8b Abs. 1, 5 UmwStG zu 95 % steuerbefreit ist, da sie mit der Klägerin nunmehr einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen ist.
49bb) Im Hinblick auf die weiteren Folgen der Gewinnausschüttung im Verhältnis der Klägerin zu Herrn B ist der Senat der Auffassung, dass es dort entgegen der Beurteilung des FA nicht zu einer weiteren Gewinnausschüttung gekommen ist, welche der Kapitalertragsteuer unterliegt.
50(1) Nach Auffassung des Senats hat die Gewinnausschüttung der E GmbH i.H.v. 2.750.000 € vom 24.8.2016 und deren nunmehrige rückwirkende Zurechnung an die Klägern jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Streitfalls nicht als solche dazu geführt, dass mit dieser Gewinnausschüttung unmittelbar am 24.8.2016 eine zusätzliche „Weiterausschüttung“ durch die Klägerin an Herrn B anzunehmen ist.
51Aufgrund der rückwirkenden Einbringung des Einzelunternehmens in die Klägerin liegt am 24.8.2016 begrifflich keine offene Gewinnausschüttung oder vGA an Herrn B mehr vor. Legt man die o.g. Fiktion des § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG zugrunde, dass das Einkommen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft so zu ermitteln sind, als wäre der (Teil-)Betrieb bereits mit Ablauf des 1.1.2016 übergegangen, hat Herr B nämlich nichts erhalten, was eine Ausschüttung begründen konnte. Tatsächlich hat er zwar den ausgeschütteten Betrag dadurch empfangen, dass dieser am 24.8.2016 zum Teil mit einer Darlehensforderung des Einzelunternehmens verrechnet und zum Teil auf dem betrieblichen Bankkonto gutgeschrieben wurde, dessen zivilrechtlicher Inhaber er war. Wäre das Einzelunternehmen jedoch bereits mit Ablauf des 1.1.2016 auf die Klägerin übergegangen, hätte das auch die verrechneten Darlehensforderungen und das betriebliche Bankkonto erfasst. Dann wäre der ausgeschüttete Betrag bereits nicht mehr Herrn B, sondern der Klägerin zu Gute gekommen.
52Nach der Situation unmittelbar nach der Gewinnausschüttung am 24.8.2016 bestand auch nach der Systematik des Körperschaftsteuerrechts kein Bedürfnis dafür, unmittelbar und für den gesamten Betrag der 2.750.000 € eine „Weiterausschüttung“ durch die Klägerin an Herrn B anzunehmen. Zwar wurde durch die rückwirkende Einbringung der vorher eingreifenden Besteuerung der Gewinnausschüttung bei Herrn B mit dem Teileinkünfteverfahren rückwirkend die Grundlage entzogen. Stattdessen war diese nunmehr nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerbefreit. Jedoch war es durch die steuerliche Rückwirkung so, dass durch die bloße Ausschüttung am 24.8.2016 der ausgeschüttete Betrag steuerlich noch nicht in den Bereich von Herrn B als natürlicher Person gelangt ist, sondern noch bei der Klägerin als Kapitalgesellschaft verblieben ist. Das galt zum einen für den mit den Darlehensforderungen verrechneten Betrag, zum anderen aber auch für den auf das betriebliche Bankkonto gutgeschriebenen Betrag, wenn man die am nächsten Tag vorgenommene Überweisung auf das private Bankkonto außer Betracht lässt. Ohne diese hätte der ausgeschüttete Betrag nur durch eine nochmalige offene Gewinnausschüttung oder vGA von der Klägerin an Herrn B gelangen können, welche – entsprechend der Systematik des Körperschafteuerrechts – dann zur Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren geführt hätte.
53Auch das FA sowie die o.g. Äußerungen im Schrifttum gehen offenbar nicht davon aus, dass stets und ohne Weiteres für den gesamten Betrag einer Gewinnausschüttung der hier in Rede stehenden Art eine „Weiterausschüttung“ anzunehmen ist. Vielmehr beschränken sie diese Annahme offenbar auf denjenigen Betrag einer solchen Gewinnausschüttung, der nicht an die übernehmende Gesellschaft gelangt, sondern beim Einbringenden verbleibt. Aus dem Umstand der bloßen Gewinnausschüttung am 24.8.2016 als solcher ergab sich aber nach Eintritt der steuerlichen Rückwirkung noch nicht, welcher Teil der Ausschüttung bei der Klägerin verbleiben und welcher Teil an Herrn B gelangen sollte.
54Angesichts der vorstehenden Beurteilung kann im Streitfall dahinstehen, ob eine etwa unmittelbar für den 24.8.2016 und für den gesamten Betrag der Gewinnausschüttung von 2.750.000 € anzunehmende „Weiterausschüttung“ in verfahrensrechtlicher Hinsicht überhaupt herangezogen werden könnte, um die vorliegend angefochtene Steuerfestsetzung zu rechtfertigen. Für die Kapitalertragsteuer wird der Gegenstand der Steuerfestsetzung nämlich nicht durch den Veranlagungszeitraum, sondern sachverhaltsbezogen bestimmt (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2011 I R 108/09, BStBl II 2013, 328, unter II.6.). In der Steueranmeldung, welche das FA akzeptiert hat und die damit zu der hier angefochtenen Steuerfestsetzung geführt hat, ist aber nicht eine unmittelbar am 24.8.2016 anzunehmende „Weiterausschüttung“ (über insgesamt 2.750.000 €), sondern die am nachfolgenden Tag, dem 25.8.2016, vorgenommene Überweisung der 73.625 € auf das private Bankkonto von Herrn B als kapitalertragsteuerpflichtiger Vorgang angeführt. Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, ob der solchermaßen bestimmte Sachverhalt, welcher Gegenstand der Steuerfestsetzung geworden ist, auch eine etwa unmittelbar für den 24.8.2016 anzunehmende „Weiterausschüttung“ erfassen würde.
55(2) Nach Auffassung des Senats hat auch die Überweisung der 73.625 € am 25.8.2016 vom betrieblichen Bankkonto auf das private Bankkonto von Herrn B nicht zu einer offenen Gewinnausschüttung oder vGA der Klägerin an diesen geführt, welche der Kapitalertragsteuer unterliegen würde.
56Bevor es zur rückwirkenden Einbringung des Einzelunternehmens in die Klägerin gekommen ist, war in dieser Überweisung eine Entnahme aus dem Einzelunternehmen i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zu sehen (s.o. unter I.1.).
57Durch die rückwirkende Einbringung des Einzelunternehmens wäre diese Entnahme nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG an sich rückwirkend als vGA zu beurteilen, da bei einer Übertragung des Einzelunternehmens bereits mit Ablauf des 1.1.2016 die Überweisung als eine solche der Klägerin anzusehen wäre (s. zu dieser regelmäßigen zu treffenden Beurteilung, wenn § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG nicht gelten würde, etwa Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, 3. Aufl. 2019, § 20 UmwStG Rz 482).
58Nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG bleibt es aber dabei, dass die Überweisung als Entnahme und nicht als vGA zu qualifizieren ist. Danach gilt die Rückwirkungsfiktion des § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG nicht für Entnahmen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Um eine solche handelt es sich hier.
59Nach Auffassung des Senats besteht auch keine Ausnahme von der vorgenannten Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG für den vorliegend gegebenen Fall, dass der Entnahme der Geldmittel eine ebenfalls im Rückwirkungszeitraum vorgenommene Gewinnausschüttung auf eine mit dem (Teil-)Betrieb eingebrachte Beteiligung vorangegangen ist.
60Eine solche Ausnahme kann nicht im Wege der Auslegung in § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG hineingelesen werden. Der Wortlaut der Regelung erfasst ohne weitere Einschränkung Entnahmen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Die Regelung bietet ihrem Wortlaut nach keinen Ansatzpunkt für ein ergänzendes Tatbestandsmerkmal i.S.d. o.g. Ausnahme.
61Eine entsprechende Ausnahme könnte daher nur durch eine telelogische Reduktion begründet werden. Nach Auffassung des Senats liegen jedoch die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine planwidrige Regelungslücke i.S. einer planwidrig zu weit gefassten Regelung vorliegt.
62Zwar kann durchaus angenommen werden, dass aufgrund der Überweisung der 73.625 € am 25.8.2016 und der darin liegenden Entnahme aus dem Einzelunternehmen nach der Systematik des Körperschaftsteuerrechts ein Bedürfnis dafür besteht, insoweit statt einer Entnahme eine vGA anzunehmen. Durch die rückwirkende Einbringung war nämlich die Gewinnausschüttung der E GmbH nunmehr nach § 8b Abs. 1, 5 KStG zu 95 % steuerbefreit (s.o. unter I.2.a und I.2.b aa). Daher führt die Qualifizierung der nachfolgenden Überweisung als Entnahme (statt als vGA) dazu, dass der ausgeschüttete Betrag an eine natürliche Person (nämlich an Herrn E) gelangt ist, ohne dass es hierbei zu einer Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren gekommen ist. Eine solche Besteuerung bei der „letzten“ Ausschüttung an eine natürliche Person sieht die Systematik des Körperschaftsteuerrechts aber im Grundsatz vor.
63Andererseits trifft – wie die Klägerin geltend macht – die Vorschrift des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG eine Regelung, durch welche eine Besteuerung von nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG entnommenen Beträgen erreicht wird, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Veräußerung der dem Einbringenden gewährten Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nach § 17 EStG kommt. § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG ordnet hierzu an, dass die Anschaffungskosten der vorgenannten Anteile um den gemeinen Wert der Entnahmen zu mindern sind. Hierdurch erhöht sich entsprechend ein späterer Veräußerungsgewinn, der dann nach dem Teileinkünfteverfahren (s. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) zu besteuern ist. Dadurch wird die unterbliebene Besteuerung des entnommenen Betrags als vGA nachgeholt, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt und zudem lediglich potentiell.
64Angesichts dessen kann nach Auffassung des Senats für die vorliegende Konstellation nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 20 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 UmwStG bereits bestanden, bevor der Gesetzgeber mit der Umstellung des Körperschaftsteuersystems auf das Halb- und inzwischen das Teileinkünfteverfahren ab dem Jahr 2001 die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1, 5 KStG in ihrer seitherigen Form geschaffen hat. Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass sich allein durch das Hinzutreten der neuen Regelung des § 8b Abs. 1, 5 KStG nunmehr auch der Regelungsgehalt des § 20 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 UmwStG in der Weise geändert hat, dass die Reichweite der Vorschrift durch eine teleologische Reduktion und einen hierzu zu formulierenden „Ausnahmetatbestand“ einzuschränken ist. Hiergegen spricht zum einen, dass der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, durch die eine nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG entfallende unmittelbare Besteuerung der Entnahme als vGA ersetzt wird. Zum anderen spricht dagegen, dass es sich bei der vorliegenden Konstellation, in welcher es im Rückwirkungszeitraum zu einer Gewinnausschüttung auf eine eingebrachte Beteiligung gekommen ist, nicht um eine außergewöhnliche oder kaum vorherzusehende Konstellation handelt. Vielmehr handelt es sich um einen naheliegenden Sachverhalt, der durchaus häufig verwirklicht werden dürfte. Er wird dementsprechend im Schrifttum auch bereits seit längerem behandelt (s. hierzu die unter I.2.a angeführten Nachweise). Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber bei Einfügung des § 8b Abs. 1, 5 KStG in seiner heutigen Form eine entsprechende Ausnahmeregelung in § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG aufgenommen hätte, wenn er eine solche Ausnahme hätte begründen wollen.
65Dass die Klägerin einen „Gesellschafterbeschluss“ beim FA eingereicht hat, welcher das Datum vom 25.8.2016 auswies und nach dem Herr B als Gesellschafter der Klägerin einen Betrag von 100.000 € auszuschüttet, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Ein solcher Gesellschafterbeschluss hat einen zivilrechtlichen Charakter. Er konnte daher am 25.8.2016 noch keine Rechtswirkungen haben, da zivilrechtlich zu diesem Zeitpunkt die Klägerin noch gar nicht bestand. Zwar konnten die Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung die näheren Umstände des vorgenannten „Gesellschafterbeschlusses“ nicht aufklären. Sie haben lediglich erklärt, sie hätten hiervon keine Kenntnis, da die seinerzeitige laufende Beratung nicht von ihnen wahrgenommen worden sei. Angesichts der vorstehenden Beurteilung kommt es jedoch auf die vorgenannten näheren Umstände nicht an.
66(3) Die Annahme im Schrifttum, für den beim Einbringenden verbliebenen Teil der Gewinnausschüttung liege die Gewährung eines anderen Wirtschaftsgutes neben der Gewährung der Gesellschaftsrechte i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 UmwStG vor (s.o. unter I.2.a), spielt im Streitfall keine Rolle. Eine solche Gewährung liegt nämlich allenfalls dann vor, wenn in dem der Einbringung zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vorgang (z.B. einer Sacheinlage) vereinbart wird, dass der Einbringende den ausgeschütteten Betrag behalten darf (s. ebenfalls oben unter I.2.a). Im Streitfall ist es jedoch nicht zu einer solchen Vereinbarung gekommen, sondern vielmehr hat Herr B als Einbringender einen Teil des ausgeschütteten Betrags bereits vor Abschluss des Ausgliederungsvertrags am 29.8.2016 aus seinem Einzelunternehmen entnommen. Diese Entnahme galt zivilrechtlich nach Ziff. I.3. Satz 2 des Ausgliederungsvertrags vom 29.8.2016 als für Rechnung der Klägerin vorgenommen und war daher von Herrn B nicht etwa an die Klägerin herauszugeben. Angesichts dieser Sachverhaltsverwirklichung im Streitfall kam daher nach Auffassung des Senats statt der vorgenannten Regelungen in § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 UmwStG die o.g. Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 2, 3 UmwStG über Entnahmen im Rückwirkungszeitraum zur Anwendung. Im Übrigen würde auch eine Heranziehung der Regelungen in § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 UmwStG nicht zu einem kapitalertragsteuerpflichtigen Vorgang führen, welcher im vorliegenden Verfahren allein von Relevanz ist. Vielmehr wäre nach § 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG auch hier der gemeine Wert der anderen gewährten Wirtschaftsgüter von den Anschaffungskosten der dem Einbringenden gewährten Anteile abzuziehen. Das entspricht im Ergebnis der nach Auffassung des Senats im Streitfall eingreifenden o.g. Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG.
67II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
68III. Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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