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Die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten vom 15.5.2014 betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 9.12.2015 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer für 2010 vermindert um 1.186,56 € auf 0,00 € und die Umsatzsteuer für 2011 vermindert um 2.007,08 € auf ./. 26.284,27 € herabgesetzt werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Klägerin gegenüber dem eine Biogasanlage betreibenden B V eine Entsorgungsleistung durch die Abholung von Gärresten erbracht hat.
3Die Klägerin bewirtschaftet die landwirtschaftlichen Betriebe ihrer Gesellschafter. An der Klägerin sind – ausgehend von den Stimmrechten – B V zu 50 % als Komplementär, F P zu 48 % als Komplementär, B I zu 1 % als Kommanditistin und G P ebenfalls zu 1 % als Kommanditist beteiligt. Die Klägerin veräußert Mais an ihren Gesellschafter B V, der den Mais als Rohstoff für den Betrieb seiner Biogasanlage verwendet. Nach der Vergärung in der Biogasanlage bezieht die Klägerin den Gärrest und bringt diesen als Dünger auf den bewirtschafteten Flächen aus.
4Beginnend im Oktober 2013 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Der Prüfer traf, ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 25.4.2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Die Gesellschaft betreibe Ackergemischtwirtschaft (Getreide, Ölfrüchte, Energiemais) und beliefere unter anderem die Biogasanlage des Gesellschafters B V. Bis zum 31.12.2010 habe die Klägerin ihre Umsätze der Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterworfen. Zum 1.1.2011 sei sie zur Regelbesteuerung übergegangen (Ausübung der Option gemäß § 24 Abs. 4 UStG). Über den von der Klägerin gelieferten Mais habe B V im Gutschriftswege wie folgt abgerechnet:
52010 |
Menge |
Preis in € |
Netto in € |
USt-Satz |
USt in € |
Brutto in € |
Mais ab Feld |
2.055 t |
30,20 |
62.061 |
10,70 % |
6.640.53 |
68.701,53 |
Gärrest-vergütung |
2.167 m³ |
5,00 |
10.835 |
10,70 % |
1.159,35 |
11.994,35 |
Gutschrifts-betrag |
80.695,88 |
|||||
Gärrest-abnahme |
2.167 m³ |
5,00 |
./. 10.835 |
7,00 % |
./. 758,45 € |
./. 11.593,45 |
verbleiben |
69.102,43 € |
2011 |
Menge |
Preis in € |
Netto in € |
USt-Satz |
USt in € |
Brutto in € |
Mais ab Feld |
4.098,64 t |
34,00 |
139.353,76 |
7,00 % |
9.754,76 |
149.108,52 |
GPS / Grünroggen |
580,24 t |
73,57 |
42.688,26 |
7,00 % |
2.988,18 |
45.676,44 |
Gärrest-vergütung |
3.981 m³ |
5,00 |
19.905 |
7,00 % |
1.393,35 |
21.298,35 |
Gutschrifts betrag |
216.083,31 |
|||||
Gärrest-abnahme |
3.981 m³ |
5,00 |
./. 19.905 |
7,00 % |
./. 1.393,35 |
./. 21.298,35 |
verbleiben |
194.784,96 € |
Neben dem Entgelt für den gelieferten Mais werde der Klägerin eine Gärrestvergütung gewährt. Hierbei handele es sich um einen tauschähnlichen Umsatz, der einerseits in einer Entsorgungsleistung der Klägerin gegenüber der Biogasanlage und andererseits in der Lieferung des Gärrestes durch die Biogasanlage an die Klägerin bestehe. Die Entsorgungsleistung der Klägerin sei eine sonstige Leistung gegenüber der Biogasanlage. Diese falle nicht unter die Durchschnittsatzbesteuerung des § 24 UStG, da es sich nicht um eine landwirtschaftliche Dienstleistung handele. Das Entgelt für die Entsorgungsleistung unterliege dem Regelsteuersatz. Es sei eine Entsorgungsleistung anzunehmen, da der Biogasanlagenbetreiber gesetzlich verpflichtet sei, das bei der Biogasproduktion anfallende Abfallprodukt zu entsorgen. Da der Anlagenbetreiber über keine eigenen Flächen verfüge, sei er darauf angewiesen, dass die maisanliefernden Landwirte die Gärreste abnehmen würden. Bei der Lieferung der Gärreste als Dünger an die Klägerin handele es sich gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 45 der Anlage 2 zum UStG um ein pflanzliches bzw. tierisches Düngemittel, für das der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei, wie eine unverbindliche Zolltarifauskunft bestätigt habe. Da auf die Gärrestvergütung der Regelsteuersatz anzuwenden sei, müssten die Umsatzsteuerfestsetzungen für 2010 und 2011 wie folgt geändert werden:
8Umsatzsteuer 2010 |
|
Gärrestvergütung brutto |
11.994,35 € |
Umsatzsteuer 19 % |
1.915,06 € |
Netto |
10.079,29 € |
Vorsteuerabzug |
./. 758,45 € |
Zahllast |
1.156,61 € |
Umsatzsteuer 2011 |
|
Gärrestvergütung brutto |
21.298,35 € |
Umsatzsteuer 19 % |
3.400,58 € |
Netto |
17.897,77 € |
Umsätze zu 7 % |
./. 19.905,00 € |
Umsatzsteuer zu 7 % |
./. 1.393,35 € |
Zahllast |
2.007,23 € |
Während des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin einen Vertrag über „den Anbau von Silomais (Energiemais)“ mit B V, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zu den Verwaltungsvorgängen, in dem es heißt:
11„1 Gegenstand
12Der Auftragnehmer verpflichtet sich 60-70 ha Silomais für den Auftraggeber als nachwachsender Rohstoff für den Einsatz in dessen Biogasanlage anzubauen und frei Betriebsstätte des Auftraggebers anzuliefern.
13Der Auftraggeber verpflichtet sich, die Maiserntemenge von dieser Anbaufläche abzunehmen.[…]
14§ 4 Preisfindung
15Die Abrechnung erfolgt auf der Basis der gelieferten Frischmasse. Der Verrechnungspreis für die Ernte 2010 beträgt … * .. € je Tonne Frischmasse zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer. Für folgende Erntejahre ist der Preis gesondert zu vereinbaren.
16Desweiteren erhält der Anbauer einen Bonus für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe in Höhe von 1,81 €/t Frischmasse bei einem Durchschnittsertrag von 55 t/ha.
17* Der Verrechnungspreis wird in gegenseitigem Einvernehmen erst vor der Ernte gemeinsam festgelegt. […]
18§ 6 Gärsubstratrücknahme
19Der Auftragnehmer verpflichtet sich anfallendes Gärrest-Substrat im Umfang von ca. 35% der gelieferten Rohstoffmengen – dies wären bei 60 ha Anbaufläche und 55 t FM unterstelltem ha-Ertrag dann ca. 1200 m³ Gärrest – kostenfrei ab Gärrestlager des Auftraggebers abzuholen und als Dünger auf seinen Anbauflächen zu verwerten.
20Die Abnahmeverpflichtung ist innerhalb von 12 Monaten nach der Lieferung des Silomais zu erfüllen.
21Die Abnahmetermine sind zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich mit einer Frist von einer Woche festzulegen. Hierbei sind die Lagerkapazitäten der Biogasanlage sowie die Pflanzenverfügbarkeit der Nähstroffe und die Befahrbarkeit der Nutzflächen sowie die gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen.
22Der Abnahmepreis beträgt 5,- €/m³ ab Anlage zuzüglich der gesetzl. Mehrwertsteuer. Der Rechnungsbetrag wird mit der Silomaisgutschrift verrechnet.“
23Eine vom Beklagten eingeholte gutachterliche Stellungnahme des amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 27.3.2015, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ergab, dass das Gärsubstrat im vieharmen Bereich C, dem Betriebsort der Biogasanlage, grundsätzlich einen Wert von 18 €/m³ habe, es bei der Preisbildung aber auch auf das Verhandlungsgeschick beim Einkauf ankomme.
24Die Klägerin reichte für 2010 keine Erklärung und für 2011 eine Umsatzsteuererklärung mit einer Umsatzsteuer von ./. 26.284,27 € ein. Der Umsatzsteuererklärung für 2011 wurde durch Mitteilung vom 19.7.2013 zugestimmt. Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung – unter Kürzung der in der Außenprüfung ermittelten Vorsteuern um 30 € – setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 15.5.2014 die Umsatzsteuer für 2010 (erstmals) auf 1.186,56 € fest und erhöhte die Umsatzsteuer für 2011 um 2.007,08 € und setzte diese damit auf ./. 24.277,19 € fest. Dagegen legte die Klägerin Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9.12.2015 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und der Biogasanlage drei getrennt zu beurteilende Umsätze umfasse. Nämlich die Lieferung des Maises von der Klägerin an die Biogasanlage, die Lieferung der Gärreste der Biogasanlage an die Klägerin und die Entsorgungsleistung der Klägerin gegenüber der Biogasanlage bezüglich der Gärreste. Da es sich hierbei nicht um eine landwirtschaftliche Dienstleistung handele, sei auf das Entgelt für diese Leistung, das in den Abrechnungen als Gärrestvergütung bezeichnet worden sei, der Regelsteuersatz anzuwenden.
25Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass entgegen der Auffassung des Beklagten nur zwei Leistungen vorliegen würden. Zum einen ihre (einheitlichen) Maislieferungen, die lediglich zwei Entgeltbestandteile umfassen würden, nämlich die Vergütung für den Mais als Rohstoff für die Energieerzeugung und eine Zusatzvergütung für die im Mais nach dessen Vergärung enthaltenen und als Dünger verwertbaren Inhaltsstoffe. Zum anderen liefere die Biogasanlage den als Dünger verwertbaren Gärrest an sie zurück. Eine Entsorgungsleistung liege nicht vor, da entsprechend der eindeutigen vertraglichen Vereinbarung zwischen ihr und B V eine Vergütung für die Entsorgung nicht vorgesehen sei. Nach der schriftlichen vertraglichen Vereinbarung habe sie, die Klägerin, sich verpflichtet, den Gärrest kostenfrei abzuholen und darüber hinaus einen Preis von zurzeit 5 €/m³ für den Dünger zu bezahlen. Die Entsorgungsleistung habe keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung. Diese Beurteilung möge in viehstarken Regionen anders zu beurteilen sein. In ihrer Region sei dem Gärrest ein Wert beizumessen, da dieser als Dünger im landwirtschaftlichen Produktionsprozess eingesetzt werde. Bei der an sie gezahlten „Gärrestvergütung“ habe der Biogasanlagenbetreiber sich an die Abrechnungsweise der Zuckerfabrik … gehalten. In deren Abrechnungen würde den Rübenlieferanten eine zusätzliche Schnitzelvergütung gezahlt, unabhängig davon, ob später Rübenschnitzel abgeholt würden. Auch bei ihr als Maislieferantin sei diese Vergütung gezahlt worden. Die Zahlung dieser Vergütung habe nicht unter der Bedingung gestanden, dass sie Gärreste abnehme. Es könne sich daher nicht um die Vergütung einer Entsorgungsleistung handeln. Auch seien die Vorgaben nach Abschn. 3.16 Abs. 2 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) erfüllt, da der Gärrest einen positiven Marktwert habe und in einem Produktionsprozess verwendet werde. Die Landwirtschaft sei, entgegen der Auffassung des Beklagten, ein Produktionsprozess wie die Darstellungen der Universität Hohenheim bzw. der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zum Nährstoffkreislauf in der Landwirtschaft, auf die wegen der Einzelheit verwiesen wird, belegen würden.
26Die Klägerin beantragt,
27die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten vom 15.5.2014 betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 9.12.2015 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2010 vermindert um 1.186,56 € auf 0,00 € und die Umsatzsteuer für 2011 vermindert um 2.007,08 € auf ./. 26.284,27 € festgesetzt werden,
28hilfsweise, die Revision zuzulassen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Ergänzend zur Einspruchsentscheidung führt der Beklagte aus, dass eine Berufung auf Abschn. 3.16 Abs. 2 UStAE nicht in Betracht komme, da sich ein Produktionsprozess durch die Be- oder Verarbeitung von Rohstoffen wie Papier, Altmetalle oder Schrott sowie durch die Nutzung als Brennstoff auszeichne. Düngung stelle hingegen keinen unmittelbaren Produktionsprozess dar. Der Dünger sei nur ein dem Boden zugeführter Stoff, um dessen Nährstoffangebot zu erhöhen bzw. dessen Fruchtbarkeit und Ertragsfähigkeit zu fördern.
32Außerdem werde zur Einordnung der Entsorgungsleistung durch die Landwirte auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.1.2013 XI R 27/11 (Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 240, 422, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013, 458) zur Klärschlammabfuhr und vom 24.1.2013 V R 34/11 (BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460) zur Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen verwiesen.
33B V hat mit Schriftsatz vom 1.8.2019 im Verfahren 15 K 1050/16 U eine exemplarische berichtigte Gutschrift eingereicht, in der es heißt: „hiermit berichtige ich die Gutschrift Nr. 01/2009 vom 31.10.2009 nach Maßgabe des § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i. V. mit § 31 Abs. 5 UStDV wie folgt: Änderung der Leistungsbezeichnung in TZ 3 der Gutschrift:
34nicht „Gärrestvergütung",
35sondern; „Bonus für in der Frischmasse enthaltene Nährstoffe"
36Gleichzeitig hat er versichert, dass alle Gutschriftsberichtigungen des Zeitraums 2009 bis 2011 der eingereichten exemplarischen Gutschrift entsprächen und den Gutschriftsempfängern zugesandt worden seien.
37Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
38Entscheidungsgründe
39I. Die Klage ist begründet.
40Die Umsatzsteuerbescheide des Beklagten vom 15.5.2014 betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 9.12.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Klägerin hat keine dem Regelsteuersatz unterliegende Entsorgungsleistung gegenüber dem die Biogasanlage betreibenden B V erbracht, sondern im Besteuerungszeitraum 2010 unter die Durchschnittsatzbesteuerung fallende landwirtschliche Erzeugnisse geliefert (1.) und im Besteuerungszeitraum 2011 eine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegende Leistung, nämlich die Anlieferung des Maises einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe, erbracht (2.). Außerdem hat B V keine einen unrichtigen Steuerausweis i. S. des § 14c Abs. 2 UStG der Klägerin begründend Gutschriften ausgestellt (3.).
411. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung wird für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze die Steuer für die nicht näher bezeichneten „übrigen Umsätze“ auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den „übrigen Umsätzen“ zuzurechnen sind, auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG). Durch diese Regelungen gleichen sich die Steuer aus den Umsätzen und die Vorsteuer aus.
42§ 24 UStG beruht auf Art. 295 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) wonach die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung auf Schwierigkeiten stoßen würde, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden dürfen.
43Nach Auffassung des erkennenden Senats hat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände dieses Einzelfalls die den Mais für den Betrieb der Biogasanlage anliefernde Klägerin lediglich eine einzige Leistung, nämlich die Anlieferung des Maises einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe, erbracht (a)), die unter die Durchschnittsatzbesteuerung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG fällt (b)).
44a) An tatsächlichen Vorgängen ist festzustellen, dass die Klägerin an B V Mais geliefert und nach Verwertung des Maises in der Biogasanlage die als Dünger verwendbaren Gärreste abgeholt hat. B V hat der Klägerin hierfür einen Geldbetrag überwiesen. Eine isolierte Würdigung dieser tatsächlichen Vorgänge erlaubt für sich genommen keinen Rückschluss darauf, ob zwischen der Klägerin und dem die Biogasanlage betreibenden B V eine, zwei oder gar drei Leistungen ausgetauscht wurden. Die Beurteilung, wie viele verschiedene Leistungen ausgetauscht wurden, folgt aus den vertraglichen Vereinbarungen. Nur aus den vertraglichen Vereinbarungen ist erkennbar, ob einer der Vertragspartner bereit war, für die Handlung des anderen am Vertrag Beteiligten bzw. für den Erhalt eines Gegenstands vom Vertragspartner ein Entgelt zu entrichten. Erst die vertragliche Vereinbarung stellt den für den Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung her und löst in seiner Folge die Umsatzsteuerschuld des Leistenden aus. Erst die Bezogenheit der Gegenleistung auf eine Handlung bzw. den Erhalt eines Gegenstands begründet damit auch dessen Eigenschaft als Leistung.
45Bei der Beurteilung der Frage, was zwischen den Beteiligten vereinbart wurde, gibt vor allem der schriftliche Vertrag zwischen der Klägerin und B V Aufschluss. Auch der Rechnungsinhalt und sonstige außerhalb der Vereinbarung liegende tatsächliche Umstände sind bei der Beantwortung der Frage, was tatsächlich vereinbart wurde, zu berücksichtigen. Fallen Vereinbartes und Abrechnung auseinander, ist allerdings die Abrechnung grundsätzlich an das Vereinbarte und nicht umgekehrt das Vereinbarte an die Abrechnung anzupassen. Die Abrechnung hat das Entgelt für die vereinbarten ausgetauschten bzw. auszutauschenden Leistungen abzubilden und gibt nicht vorrangig Maß, welche Leistungen tatsächlich vereinbart wurden.
46Nach Auffassung des erkennenden Senats sind aus der vertraglichen Vereinbarung und den letztlich korrigierten Gutschriften zwischen der Klägerin und B V zwei Leistungen abzuleiten, nämlich einerseits eine Lieferung von Mais einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe von der Klägerin an B V und andererseits eine Lieferung des Gärrestes (Dünger) durch B V an die Klägerin.
47Dies ergibt sich aus der schriftlichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und B V, in der es heißt, dass „die Abrechnung auf der Basis der gelieferten Frischmasse [erfolgt und] der Verrechnungspreis […] … * .. € je Tonne Frischmasse zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer [beträgt]. Desweiteren erhält der Anbauer einen Bonus für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe in Höhe von 1,81 €/t Frischmasse bei einem Durchschnittsertrag von 55 t/ha.“ Daraus ist erkennbar, dass die Klägerin lediglich Mais geliefert hat und ihr zwei Entgeltbestandteile für diese eine Lieferung vergütet wurden. Die Bezeichnung „Bonus für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe“ kann jedenfalls eindeutig nicht als „Entgelt für die Entsorgung des Gärrestes“ angesehen werden. Sofern in den ursprünglichen Gutschriften B V‘s mit der Bezeichnung „Gärrestvergütung“ noch eine missverständliche Bezeichnung in der Abrechnung gewählt wurde, hat er diese mit der Bezeichnung „Bonus für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe“ in den korrigierten Gutschriften berichtigt. Außerdem wurde in den schriftlich niedergelegten Verträgen ausdrücklich vereinbart, dass „[d]er Auftragnehmer sich verpflichtet anfallendes Gärrest-Substrat im Umfang von ca. 35 % der gelieferten Rohstoffmengen – dies wären bei 5 ha Anbaufläche und 55 t FM unterstelltem ha-Ertrag dann ca. 100 m³ Gärrest – kostenfrei ab Gärrestlager des Auftraggebers abzuholen“ (Hervorhebung durch den Senat). Mit dieser Klausel haben die Vertragspartner ausdrücklich vereinbart, dass für die Entsorgung kein Entgelt zu entrichten ist.
48Die zwischen der Klägerin und B V getroffene Vereinbarung widerspricht auch nicht der wirtschaftlichen Interessenlage der Vertragspartner, sondern korreliert vielmehr mit dieser. Nach den Ermittlungen des Beklagten handelt es sich bei dem in der Biogasanlage entstandenen Gärsubstrat um ein werthaltiges Abfallprodukt, dessen Wert im Bereich des Betriebs der Biogasanlage und den bewirtschafteten Flächen der Klägerin, wie die eingeholte gutachterliche Stellungnahme des amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 27.3.2015 belegt, mit 18 €/m³ bewertet wird. Auch wenn die gutachterliche Stellungnahme ausführt, dass es bei der Preisbildung auf das Verhandlungsgeschick des Einkäufers ankommt, geht der erkennende Senat in Anbetracht des Düngewertes davon aus, dass die Abnahme des Gärsubstrats durch die Klägerin in ihrem Interesse lag und diese mit einer Vergütung von 5 €/m³ einen angemessenen Preis bezahlt hat. Unter Berücksichtigung des Gutachtens geht der Senat davon aus, dass es sich nicht um wertlosen Abfall gehandelt hat. Bei diesem Umsatz stand nicht das Entsorgungsinteresse B V‘s im Vordergrund, sondern das Interesse der Klägerin, das Gärsubstrat zu erhalten.
49Bei einer derartigen Interessenlage geht auch die Finanzverwaltung in Abschn. 3.16 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 UStAE davon aus, dass von „einer bloßen Abfalllieferung durch den Abfallerzeuger/-besitzer an den Entsorger auszugehen“ ist.
50Dieser Beurteilung widersprechen auch nicht die Urteile des BFH vom 23.1.2013 XI R 27/11 (BFHE 240, 422, BStBl II 2013, 458) zur Klärschlammabfuhr und vom 24.1.2013 V R 34/11 (BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460) zur Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen. In den diesen Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalten hatte jeweils der Lieferer der Abfälle ein Entgelt für die Abholung bezahlt und die Entsorgung stand in deren Interesse. An beidem fehlt es im Streitfall.
51b) Die (einheitliche) Leistung, nämlich die Anlieferung des Maises einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe, fällt unter die Durchschnittsatzbesteuerung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Der Anbau und die anschließende Lieferung von Feldfrüchten, im Streitfall Mais, fallen in den Kernbereich landwirtschaftlicher Tätigkeit (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.10.1994 V R 24/92, Rn. 10, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1995, 928). Da es sich bei der Vergütung für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe nur um einen Entgeltbestandteil für die Lieferung von Mais handelt, bedarf es keiner Beurteilung, ob – abgesehen vom Mais – eine etwaige weitere Leistung unter § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG fällt. Der erkennende Senat sieht in der Zahlung für die in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe nämlich lediglich einen Entgeltbestandteil für eine einzige Leistung, wie z.B. auch eine Vergütung zuzüglich einer Tantieme oder eines Bonusses für eine Arbeits- bzw. Dienstleistung nur zwei Entgeltbestandteile für eine einzige Leistung darstellen.
522. Nachdem die Klägerin für das Streitjahr 2011 gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG zur Regelbesteuerung optiert hat, sind sämtliche Maislieferungen in 2011 gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt zu besteuern. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. mit Nr. 13 der Anlage 2 zum UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für „Getreide“. Zum Getreide i.S. der Nr. 13 gehört auch Mais. Dabei ist gleichgültig, ob er zum Verbrauch oder zur Saat bestimmt ist (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.2002 V R 5/02, BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, Rn. 17). Nach der Auffassung des erkennenden Senats, kommt es betreffend den „Verbrauch“ nur auf die Verwendungsfähigkeit („Eignung“) als Futtermittel an, nicht auf die tatsächliche Verwendung als Futtermittel. Somit unterliegen auch die Lieferungen von Futterpflanzen und von Silagen von Futterpflanzen an Betreiber von Biogasanlagen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 13 der Anlage 2 zum UStG (so auch die Oberfinanzdirektion – OFD – Karlsruhe, 3.8.2009 S 7221, juris, unter Hinweis auf eine unverbindliche Zolltarifauskunft ZT 0270 8029/2006/1 - T21 der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt – ZPLA – Hamburg vom 2.8.2006). Wie bereits unter I. 1. a) und b) ausgeführt, hat die Klägerin lediglich Mais angeliefert und hierfür ein Entgelt, bestehend aus zwei Entgeltbestandteilen, erhalten. Die Lieferungen des Maises durch die Klägerin an B V sind Lieferungen von Getreide und fallen damit unter § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 13 der Anlage 2 zum UStG.
533. Die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen erweisen sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 14c UStG als rechtmäßig.
54aa) Gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet ein Unternehmer den Umsatzsteuer-Mehrbetrag, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis) hat. Gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG schuldet die Umsatzsteuer, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis). Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Regelungen beruhen auf Art. 203 MwStSystRL wonach die „Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet [wird], die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.“
55Zwar werden die – vereinbarungsgemäß – von B V für die Klägerin erteilten Gutschriften nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG den Rechnungen gleichgestellt. Es liegt aber kein unrichtiger Umsatzsteuerausweis i. S. des § 14c UStG vor. In den Gutschriften hat B V, wie unter I. 1. und 2. ausgeführt, die geschuldete Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe (10,7 % in 2010 und 7 % in 2011 auf die zwischen den Beteiligten unstrittige Bemessungsgrundlage) ausgewiesen.
56bb) Es liegt auch in der vormaligen Leistungsbeschreibung „Gärrestvergütung“ keine Abrechnung über eine „nicht ausgeführte Leistung“ vor. Die Bezeichnung „Gärrestvergütung“ genügt zwar nicht den Anforderungen an eine hinreichende Leistungsbeschreibung i. S. des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG und würde den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ausschließen, wenn die Rechnungen – anders als im Streitfall – nicht korrigiert würden. Die Leistungsbeschreibung „Gärrestvergütung“ bezeichnet aber auch keine völlig andere als die erbrachte Leistung, d.h. die Lieferung von Mais einschließlich der in der Frischmasse enthaltenen Nährstoffe, so dass nicht von einer Nichtabrechnung über die eigentliche Leistung und eine zusätzliche Abrechnung über eine tatsächlich nicht ausgeführte Leistung auszugehen wäre.
57cc) Von lediglich einer Lieferung, nämlich einer Gehaltslieferung (§ 3 Abs. 5 UStG), und damit zwangläufig eines unrichtigen Steuerausweises i. S. d. § 14c UStG, geht der erkennende Senat nicht aus, da weder die Vereinbarung zwischen Klägerin und B V noch die Abrechnungen einen Hinweis darauf enthalten, dass nur von Seiten der Klägerin an B V geliefert werden sollte. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem der Entscheidung des BFH vom 10.8.2017 V R 3/16 (BFHE 258, 573, BStBl II 2017, 1264) zugrundeliegenden Sachverhalt.
58II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
59III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
60IV. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.