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Die Beklagte wird unter Änderung des Ablehnungsbescheids vom 23.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2018 verpflichtet, Kindergeld für O. S. für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2018 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt zu 90 v.H. und die Klägerin zu 10 v.H. die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Zu entscheiden ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Sohn der Klägerin ab Februar 2015 zu Recht abgelehnt hat.
3Der am 29.06.1994 geborene Sohn O. S. absolvierte von September 2011 bis zum 30.01.2015 eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Nach dem Ausbildungsabschluss beschäftigte ihn sein Arbeitgeber im Rahmen einer Vollzeittätigkeit (35 Stunden/Woche) - zunächst befristet - weiter. Bereits während der Ausbildung wurden mehrere Gespräche mit dem Arbeitgeber über Studienmöglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung geführt. Eine interne Bewerbung für eine Stelle im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums reichte O. S. gegen Ende seiner Ausbildung bei seinem Arbeitgeber ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der H-GmbH vom 01.03.2019 verwiesen.
4Am 08.06.2015 (Datum der Unterschrift der T-AG war der 28.05.2015) schloss O. S. mit der T-AG einen Studienvertrag zur Aufnahme eines Hochschulstudiums, der die Immatrikulation an der Fachhochschule (FH) zur Voraussetzung hatte. Die Studiengebühren betrugen 2.010 EUR pro Semester. Der Studierende hatte das Recht, die Regelstudienzeit zu überschreiten. In diesem Fall entstanden weitere Studiengebühren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Studienvertrag vom 08.06.2015 ergänzend Bezug genommen. Seit dem 01.09.2015 ist O. S. an der FH immatrikuliert und absolviert ein berufsbegleitendes Studium International Management with Engineering (Abschlussziel Bachelor of Arts). Dieses Studium ist kein Präsenzstudium, sondern ein Studium neben dem Beruf oder der Berufsausbildung mit Veranstaltungen an Samstagen. Diese Veranstaltungen werden von externen Bildungsträgern angeboten und mit Lernbriefen der Fachhochschule begleitet. Das Verhältnis Selbststudium zu Präsenz beträgt ungefähr 1/3 zu 2/3. Der 01.09.2015 war der frühestmögliche Immatrikulationszeitpunkt für diesen Studiengang. Der Bewerbungszeitraum für den Studiengang erstreckt sich von Mitte Mai bis zum 15.07. eines Studienjahres. Zugangsvoraussetzung für dieses Studium ist das Abitur bzw. die Fachhochschulreife, welche O. S. mit Beendigung seiner Ausbildung erlangt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Internetseite der FH Südwestfalen (Internetadresse: www4.fh-swf.de) verwiesen.
5Am 22.12.2017 beantragte die Klägerin Kindergeld für O. S. bis zum 01.02.2019. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Kindergeldbescheid vom 23.01.2018 ab Februar 2015 ab. Zur Begründung führte sie aus, O. S. habe eine erste Berufsausbildung bzw. ein Erststudium abgeschlossen und befinde sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung. Da O. S. einer Erwerbstätigkeit nachgehe, könne er gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2, 3 EStG nicht mehr berücksichtigt werden.
6Mit dem hiergegen am 14.02.2018 eingelegten Einspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, O. S. habe sich fortlaufend in einer Berufsausbildung befunden, die erst mit dem Abschluss zum Bachelor of Arts beendet werde. Er habe von Anfang an das Berufsziel „Bachelor of Arts“ gehabt. Bei den aufeinanderfolgenden Ausbildungen zum Industriemechaniker/Fachhochschulreife in Abendschule und Bachelor of International Management with Engineering handele es sich um eine mehraktige Ausbildungsmaßnahme, die Teil einer einheitlichen Erstausbildung seien. Sie seien zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses unmittelbar fortgesetzt werden solle und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden könne. Die Ausbildung zum Bachelor of Arts setze eine Berufsausbildung voraus. Diese Voraussetzung habe O. S. erfüllt. Ein Anspruch auf Kindergeld sei auch nicht wegen der Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vollzeittätigkeit im betroffenen Zeitraum ausgeschlossen. Mangels Abschlusses einer erstmaligen Berufsausbildung sei die Erwerbstätigkeit im Streitzeitraum nicht anspruchsausschließend. Maßgeblich sei, dass O. S. sein Studium ernsthaft und nachhaltig betrieben habe.
7Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.04.2018 (wegen Kindergeld ab Februar 2015) als unbegründet zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass regelmäßig mangels notwendigem engen Zusammenhang keine einheitliche Erstausbildung vorliege, wenn die weiterführende Ausbildung eine Berufstätigkeit voraussetze oder das Kind vor Beginn der weiterführenden Ausbildung eine Berufstätigkeit aufnehme, die - wie im Streitfall - nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung diene. O. S. habe eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen. Außerdem gehe er einer mehr als 20 Wochenstunden umfassenden Tätigkeit nach.
8Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
9Die Klägerin beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2018 zu verpflichten, Kindergeld für O. S. für den Zeitraum Februar 2015 bis April 2018 festzusetzen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen sowie hilfsweise,
13die Revision zuzulassen.
14Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass sich O. S. seit September 2015 in einer Zweitausbildung befinde, die allerdings wegen der in Vollzeit ausgeübten Erwerbstätigkeit keinen Kindergeldanspruch bewirke (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
15Die Streitsache ist am 07.03.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist unbegründet, soweit sie den Zeitraum Februar bis April 2015 betrifft. Im Übrigen (für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2018) ist die Klage begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 23.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2018 ist insoweit rechtswidrig. Die Klägerin hat für diesen Zeitraum Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn O. S..
18Der Sohn der Klägerin ist für den Zeitraum Februar 2015 bis April 2015 nicht zu berücksichtigen, da für diesen Zeitraum kein Kindergeldtatbestand erfüllt ist. Er befand sich in diesen Monaten nicht in einer Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG). Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung für diesen Zeitraum wegen einer Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG scheidet ebenfalls aus. Zwar handelt es sich insoweit um einen Zeitraum, der zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt, da die Ausbildung zum Industriemechaniker im Januar 2015 endete und das Studium für Maschinenbau im September 2015 begann. Jedoch überschreitet dieser Zeitraum die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG genannte Höchstdauer von vier Monaten. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kommt bei einem Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 22.12.2011 III R 41/07, BStBl. II 2012, 681). Überdies liegen auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG nicht vor, weil für den Zeitraum Februar 2015 bis April 2015 keine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz/ein Studium dargelegt und nachgewiesen wurden. Der Studienvertrag mit der T-AG ist erst am 28.05.2015 bzw. 08.06.2015 unterschrieben worden.
19Für den Zeitraum Mai 2015 bis August 2015 ist O. S. gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG zu berücksichtigen, weil er seine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht fortsetzen konnte. Der 01.09.2015 war der frühestmögliche Zeitpunkt, um mit dem Studium zu beginnen. O. S. hatte sich auch bereits zu einem frühen Zeitpunkt um die Aufnahme des Studiums bemüht. Der Studienvertrag mit der T-AG datiert vom 28.5.2015/08.06.2015, so dass ab diesem Zeitpunkt feststand, dass er zum 01.09.2015 mit dem Studium beginnen würde.
20Für den Streitzeitraum September 2015 bis April 2018 ist der Sohn der Klägerin zu berücksichtigen, da er in diesem Zeitraum eine Ausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG absolvierte.
21Gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld unter anderem für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Handelt es sich um eine Ausbildung nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, wird das Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aber nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ist u.a eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit unschädlich.
22In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des „angestrebten“ Berufs geeignet sind. Hierbei braucht die Ausbildungsmaßnahme die Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen. Insoweit wird der Tatbestand der Berufsausbildung auch nicht durch eine daneben ausgeübte Teilzeit- oder Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen, wenn die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird (BFH-Urteile vom 02.04.2009 III R 85/08, BStBl. II 2010, 298; vom 21.01.2010 III R 68/08, BFH/NV 2010, 872 und vom 08.09.2016 III R 27/15, BStBl. II 2017, 278).
23So liegt es im Streitfall. Das Bachelorstudium im Bereich International Management with Engineering (Abschlussziel Bachelor of Arts) an der FH stellt eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG dar. Die Erlangung des akademischen Grades „Bachelor of Arts“ ist das Ausbildungsziel von O. S.. Das Studium vermittelt ihm die hierzu erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Grundlage des anvisierten Ausbildungsziels sind. Dies ist den Informationen über das Bachelorstudium auf der Internetseite der FH zu entnehmen.
24Der Kindergeldanspruch ist auch nicht wegen der Erwerbstätigkeit von O. S. im Umfang von 35 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit ausgeschlossen, denn O. S. hatte im Streitzeitraum noch keine erstmalige Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen. Das Bachelorstudium stellt vielmehr einen Teil der Erstausbildung dar. Mangels Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG war die Erwerbstätigkeit nicht anspruchsausschließend und eine Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG entfällt.
25Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand „Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung“ nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z. B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein. Dies folgt unter anderem aus einer gegenüber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG („Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird“) engeren Auslegung des Berufsausbildungsbegriffs (vgl. BFH-Urteile vom 03.07.2014 III R 52/13, BStBl. II 2015, 152; vom 03.09.2015 VI R 9/15, BStBl. II 2016, 166 und vom 08.09.2016 III R 27/15, BStBl. II 2017, 278; BFH-Beschluss vom 29.08.2017 IX B 57/17, BFH/NV 2018, 22).
26Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum „Verbrauch“ der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 04.02.2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615 und vom 15.04.2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163; BFH-Beschluss vom 29.08.2017 IX B 57/17, BFH/NV 2018, 22).
27Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte oder derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist es erforderlich, dass auf Grund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (vgl. BFH-Urteile vom 04.02.2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615 und vom 15.04.2015 V R 27/14, BStBl. II 2016, 163).
28Der BFH hat insoweit entschieden, dass der notwendige enge Zusammenhang regelmäßig nicht mehr vorliegt, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts voraussetzt, dass vorher eine Berufstätigkeit bzw. berufspraktische Erfahrung ausgeübt wurde (BFH-Urteil vom 04.02.2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615, betreffend ein Studium an der VWA, welches eine berufspraktische Tätigkeit von in der Regel nicht unter einem Jahr voraussetzte). Gleiches gilt, wenn das Kind den zweiten Ausbildungsabschnitt erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, welche nicht nur der zeitlichen Überbrückung dient (BFH-Urteile vom 11.04.2018 III R 18/17, BStBl. II 2018, 548 und vom 04.02.2016 III R 14/15, BStBl. II 2016, 615; BFH-Beschluss vom 29.08.2017 XI B 57/17, BFH/NV 2018, 22).
29Hiernach hat der erste berufsqualifizierende Abschluss von O. S. zum Industriemechaniker noch nicht zu einem „Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung“ im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG geführt. Das Bachelorstudium International Management with Engineering (Abschlussziel Bachelor of Arts) steht in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur ersten berufsqualifizierenden Maßnahme als Industriemechaniker. Um den Abschluss „Bachelor of Arts“ zu erlangen, war O. S. auf ein weiterführendes Studium angewiesen, das auf seiner Ausbildung als Industriemechaniker aufbaut. Dass dies bezogen auf das von ihm absolvierte Bachelorstudium der Fall ist, ergibt sich aus den Informationen zu den Studieninhalten auf der Internetseite zum Bachelorstudiengang International Management with Engineering (Abschlussziel Bachelor of Arts). Der Studiengang bietet neben einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung auch ingenieurwissenschaftliche Studienanteile, welche sich mit naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagenfächern befassen.
30Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung als Industriemechaniker und dem Bachelorstudium an FH Südwestfalen ist ebenfalls gegeben. O. S. hat sich nach Beendigung seiner Ausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. für das Wintersemester 2015/2016 an der FH Südwestfalen immatrikuliert. Insoweit hatte er (spätestens) im Mai Kontakt mit der T-AG aufgenommen, die als Kooperationspartnerin der Fachhochschule fungierte.
31Als objektives Beweiszeichen dafür, dass O. S. die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem Abschluss der Ausbildung zum Industriemechaniker beendet hatte, ist die Arbeitgeberbescheinigung der H-GmbH vom 01.03.2019 zu qualifizieren. Hierin bestätigt die H-GMBH, dass bereits während der Ausbildung zum Industriemechaniker mehrere Gespräche mit O. S. über Studienmöglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung geführt worden seien. O. S. hat sich in diesem Zusammenhang auch intern bei der H-GMBH auf eine Stelle im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums beworben. Dies verdeutlicht, dass O. S. schon vor Abschluss der Ausbildung zum Industriemechaniker seine Absicht, die Ausbildung im Rahmen eines Studiums fortzusetzen, kundgetan und einen akademischen Abschluss angestrebt hat.
32Auch die zwischenzeitlich (allein) ausgeübte praktische Tätigkeit ist nicht schädlich, weil sie der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn des Studiums diente. Das Erfordernis einer Berufstätigkeit vor Ergreifen des Studiums sieht der Studiengang nicht vor. Vielmehr ist lediglich das Abitur bzw. die Fachhochschulreife Zugangsvoraussetzung für das aufgenommene Studium. Die allgemeine Hochschulreife hatte O. S. mit dem Abschluss der Ausbildung zum Industriemechaniker erworben. Schließlich ist der Umstand, dass O. S. das Studium berufsbegleitend absolviert, unschädlich. Der BFH erkennt an, dass von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.1999 VI R 33/98, BStBl. II 1999, 701). Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 24.06.2004 III R 3/03, BStBl. II 2006, 294). Insoweit wird der Tatbestand der Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG auch nicht durch eine daneben ausgeübte Teilzeit- oder Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen, wenn die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 08.09.2016 III R 27/15, BStBl. II 2017, 278 m.w.N.).
33Das BFH-Urteil vom 11.12.2018 III R 26/18 konnte bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden, weil die Veröffentlichung erst am 13.03.2019 erfolgt ist.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
35Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Beim Bundesfinanzhof sind derzeit mehrere Revisionsverfahren zu der Frage anhängig, ob eine während des zweiten Ausbildungsabschnitts parallel ausgeübte Erwerbstätigkeit eine schädliche Zäsur bildet, die eine Erstausbildung entfallen lässt.
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