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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides, insbesondere um die Höhe der vom Antragsgegner in Ansatz gebrachten Säumniszuschläge.
2Der Antragsgegner erließ am 10.03.2020 einen (geänderten) Abrechnungsbescheid, in dem er entstandene Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer August 2018 in Höhe von insgesamt X € auswies (angefallene Säumniszuschläge vom 11.10.2018 bis zum 10.11.2018 auf Umsatzsteuer betreffend August 2018). Die im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Forderungen sind durch Aufrechnung vollständig erloschen.
3Der Antragsteller wandte sich am 17.03.2020 mittels Einspruch gegen den geänderten Abrechnungsbescheid und begehrt die Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides, soweit darin Säumniszuschläge höher als X € ausgewiesen sind. Zur Begründung führt er aus, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Rückschlüsse darauf zuließe, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 1% auf der Grundlage von § 240 der Abgabenordnung (AO) verfassungswidrig hoch sei. Die Säumniszuschläge wiesen einen Druck- und einen Zinscharakter auf. Der Druckcharakter gehe in verschiedenen Fällen ins Leere, was zur sachlichen Unbilligkeit führe und sodann zum Erlass der Säumniszuschläge führen könne, jedoch im Hinblick auf den bestehenden Zinscharakter, der dem Säumniszuschlag ebenfalls innewohne, nur zur Hälfte. Um den Druckcharakter gehe es ihm, dem Antragsteller, insoweit nicht. Vielmehr gehe es ihm darum, dass sich aus der Rechtsprechung des BFH zur Erlasshöhe bei wegfallendem Druckcharakter Rückschlüsse auf die im Säumniszuschlag enthaltenen Zinsanteile ermitteln ließen. Der Zinsanteil werde in Höhe der Hälfte, d.h. 0,5% pro Monat, als dem Säumniszuschlag innewohnend angesehen. Diesen Umstand begründe der BFH in seiner ständigen Rechtsprechung im Wesentlichen damit, dass ein 0,5% Zinsanteil auch bei späterer Festsetzung der Steuern erhoben werde, wobei Zinsen lediglich für vollendete Monate und Säumniszuschläge für angebrochene Monate entstünden, was jedoch vom BFH nicht weiter thematisiert worden sei. Die Zinshöhe von 0,5% werde jedoch seitens des BFH als verfassungsrechtlich bedenklich hoch eingestuft und insoweit sei Aufhebung der Vollziehung seitens des BFH gewährt worden. Dies betreffe ausdrücklich auch den Zeitraum von Oktober bis November 2018. Wenn jedoch die Zinsen für 6% für herausgeschobene Steuerzahlungen verfassungswidrig hoch seien, könne für die Zinsen im Rahmen von Säumniszuschlägen grundsätzlich nichts anderes gelten. Da dieses eine generelle Frage und keine Frage der persönlichen oder sachlichen Billigkeit sei, sei ihm insoweit Aufhebung der Vollziehung zu gewähren.
4Der Antragsgegner lehnte den Antrag des Antragstellers im Schreiben 24.03.2020 mit der Begründung ab, dass – entgegen der Ansicht des Antragstellers – die Rechtsprechung bestätigt habe, dass der Säumniszuschlag in Höhe von 1% je angefangenem Monat der Säumnis dem Grunde nach verfassungsgemäß sei und insbesondere keinen Zinsanteil enthalte. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt, dass Säumniszuschläge eine Art Zwangsgeld darstellten, um die Zahlung der festgesetzten Steuerschuld zu erreichen. Sie seien weder Nebenleistungen noch verdeckte Zinszahlungen für die Steuerschuld. Aufgrund dieser Annahme der Rechtsprechung könnten auch die Grundsätze der Rechtsprechung zum hälftigen Erlass von Säumniszuschlägen bei Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung auch nicht auf die allgemeine Anwendung des § 240 AO übertragen werden. Es handele sich insoweit um eng begrenzte Einzelfälle, die einer Übertragung auf die allgemeine Anwendung entgegenstünden. In Bezug auf den Primärzweck des § 240 AO als Druckmittel zur Zahlung der Steuerschuld, den der Säumniszuschlag im Falle des Antragstellers zu erfüllen habe, sei die Höhe des Säumniszuschlages sachgerecht und begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen.
5Über den Einspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
6Mit seinem gerichtlichen Antrag vom 24.03.2020 verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er ergänzt, dass es nicht überzeuge, dass Säumniszuschläge nur dann auch als Entgelt für hinausgeschobene Zahlungen anzusehen seien, wenn Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliege. Es sei nicht zu erkennen, warum bei einem strukturell niedrigen Zinsniveau der Druckcharakter der Säumniszuschläge steigen solle. Die vom Antragsgegner angesprochenen Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 1986 und des BFH aus dem Jahre 2004 beleuchteten dieses im Hinblick auf ein strukturell niedriges Zinsniveau bislang nicht.
7Der Antragsteller beantragt,
8die Vollziehung des Abrechnungsbescheides vom 10.03.2020 bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens oder dessen anderweitigen Erledigung insoweit aufzuheben, als dieser nur Säumniszuschläge in Höhe von X € auszuweisen habe.
9Der Antragsgegner beantragt,
10den Antrag abzulehnen.
11Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im Schreiben vom 24.03.2020. Aber auch, wenn das Finanzgericht (FG) entgegen der Rechtsprechung des BVerfG zu dem Ergebnis gelange, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids hinsichtlich der Höhe der verwirkten Säumniszuschläge bestünden, könne die Aufhebung der Vollziehung nicht gewährt werden, da der Antragsteller kein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung geltend bzw. glaubhaft gemacht habe.
12Grundsätzlich seien an die verfassungsrechtlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes keine strengeren Anforderungen zu stellen, als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung. Im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes, zu denen zweifelsfrei auch die Regelung des § 240 AO gehöre, müsse der Antragsteller grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes haben.
13Geboten sei eine Interessenabwägung zwischen der einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung entgegenstehenden Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine Aussetzung der Vollziehung sprechenden individuellen Interessen des Antragstellers an der Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes.
14Der Antragsteller habe keinerlei Angaben dazu gemacht, warum er ein berechtigtes Interesse an der Gewährung der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung habe, das Vorrang vor einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung habe.
15Auch der Beschluss des BFH vom 25.04.2018 führe nicht dazu, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass in jedem Fall bei der Festsetzung der Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO ein berechtigtes individuelles Interesse des Steuerpflichtigen vorliege, das Vorrang vor einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung habe. In diesem Beschluss habe der BFH den Interessen der Antragsteller an einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung insbesondere aufgrund der Höhe der Zinszahlung (ca. 240.000,00 €), Vorrang gegeben. Dieser Vorrang aufgrund der Höhe des streitigen Betrages dürfte bei der vom Antragsteller begehrten Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung in Höhe von X € offensichtlich nicht gegeben sein. Zumal die verwirkten Säumniszuschläge in Höhe von X € bereits durch Zahlung bzw. Aufrechnung im Oktober 2010 getilgt worden seien.
16Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die übersandten Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte verwiesen.
1. Der Antrag des Antragstellers ist als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung zu werten, da die im angefochtenen Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Forderungen bereits erloschen sind und die Aufrechnung unstreitig zu Recht erfolgt ist.
182. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
19a. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
20Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn bei der Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Für eine Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (z.B. BFH-Beschluss vom 23.08.2007 VI B 42/07, BStBl II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (z.B. BFH-Beschluss vom 11.06.1968 VI B 94/67, BFHE 218, 558, BStBl II 1968, 657).
21Die Prüfung, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts vorliegen, erfolgt im Rahmen einer lediglich summarischen Prüfung. Dabei beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und andere präsente Beweismittel. Weitere Maßnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts muss das Gericht nicht ergreifen (BFH-Beschluss vom 14.02.1989 IV B 33/88, BStBl II 1989, 516).
22b. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die begehrte Aufhebung der Vollziehung nicht zu gewähren.
23(1) Bei dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 10.03.2020 handelt es sich, soweit darin erstmalig Säumniszuschläge ausgewiesen werden, um einen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 69 FGO.
24(a) Abrechnungsbescheide sind vollziehbar, soweit in ihnen das Bestehen eines Anspruchs gegen den Steuerpflichtigen festgestellt wird (BFH-Urteil vom 15.06.1999 VII R 3/97, BStBl II 2000, 46). Er ist regelmäßig nicht die Grundlage der Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Das sind nur die in § 218 Abs. 1 AO genannten Bescheide und Verwaltungsakte. Zu ihnen gehört der Abrechnungsbescheid grundsätzlich nicht und ist folglich auch in der Regel nicht vollziehbar (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Mai 2010, § 69 FGO Tz. 24 unter „Abrechnungsbescheid“). Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn sich die Wirkung eines Abrechnungsbescheides nicht auf eine Negation beschränkt, sondern er entweder selbst eine positive Regelung enthält oder eine in einem Bescheid enthaltene positive Regelung aufhebt (BFH-Beschlüsse vom 20.07.2009 VII S 22/09, BFH/NV 2009, 1599; vom 08.11.2004 VII B 137/04, BFH/NV 2005, 492). In diesen Fällen kann der Abrechnungsbescheid erstmalig eine Leistungspflicht begründen und selbst Grundlage der Verwirklichung eines Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis sein, so dass die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung dann ausnahmsweise möglich ist (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Februar 2015, § 218 AO Tz. 28).
25Da Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO kraft gesetzlicher Anordnung entstehen, sind Einwendungen gegen ihren Ansatz und ihre Höhe mit einem Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) geltend zu machen (BFH-Beschluss vom 06.07.2015 III B 168/14, BFH/NV 2015, 1344).
26(b) Nach den unstreitigen Angaben der Beteiligten wurden die im angefochtenen Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge darin erstmalig ausgewiesen, so dass es sich bei dem Abrechnungsbescheid insoweit um einen vollziehbaren Verwaltungsakt i.S.v. § 69 FGO handelt. Gegenstand des geänderten Abrechnungsbescheides ist u.a., dass Säumniszuschläge im Umfang von X € auf die im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Umsatzsteuerforderungen aus August 2018 entstanden sind.
27(2) Es bestehen nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO) an der Feststellung des Antragsgegners, dass die im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge in Höhe von X € nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO in Ansatz zu bringen sind.
28(a) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf eines Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO).
29Säumniszuschläge sind ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten und kraft Gesetzes sofort zu leistenden Steuerschuld anhalten soll, so dass sie insoweit eine Art Zwangsmittel darstellen (BFH-Urteil vom 26.01.1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695). Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (BFH-Urteil vom 30.03.2006 V R 2/04, BStBl II 2006, 612; BFH-Beschluss vom 02.03.2017 II B 33/16, BStBl II 2017, 646).
30(b) Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 240 AO (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 30.01.1986 2 BvR 1336/85, Deutsche Steuerzeitung Eildienst, 1986, 101 sowie BFH-Urteil vom 20.05.2010 V R 42/08, BStBl II 2010, 955 und zuletzt Beschluss des FG München vom 13.08.2018 14 V 736/18, EFG 2018, 1608 sowie Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Oktober 2019, § 240 AO Rn 4f.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Februar 2020, § 240 AO Rn 19, jeweils m.w.N.).
31Nach Auffassung des Senats hat sich dies auch nicht deswegen geändert, weil inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (siehe hierzu BFH-Beschlüsse vom 25.04.2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415 sowie vom 03.09.2018 VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279).
32Aufgrund des vorrangigen Zwecks der Säumniszuschläge als Druckmittel zur pünktlichen Entrichtung der Steuerschuld stellen verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich der im Gesetz angeordneten Zinshöhe nicht zugleich die grundsätzliche Vereinbarkeit der in § 240 AO angeordneten Höhe der Säumniszuschläge von 1% je Monat in Frage (vgl. ebenso Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 240 AO, Stand Februar 2020; Beschluss des FG München vom 13.08.2018 14 V 736/18, EFG 2018, 1608).
33Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO einen Zinsanteil in Höhe von 50% enthalten (siehe hierzu insbesondere in jüngerer Zeit z.B. Steinhauff, AO-StB 2019, 290 sowie Streck DStZ 2019, 143), so dass nach den vom BFH in den Beschlüssen vom 25.04.2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415 sowie vom 03.09.2018 VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279 genannten rechtlichen Erwägungen ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken am vollen Ansatz der Säumniszuschläge bestünden, folgt der Senat dieser Auffassung nicht.
34Säumniszuschläge sind in erster Linie ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern. Sie sind weder Zinsen noch Strafen, sondern ein Mittel, den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anzuhalten (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Oktober 2019, § 240 AO Rn 1). Soweit den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, dass der Finanzausschuss dem Säumniszuschlag den Charakter eines „Zinsersatzes“ zuweisen wollte (BT-Drucks 7/4292, S.15), hat sich diese Auffassung nicht durchgesetzt. Im Gesetzgebungsverfahren vertrat der Bundesrat die Auffassung, die Säumniszuschläge den verwaltenden Körperschaften zufließen zu lassen, weil mit ihnen zu einem erheblichen Teil Verwaltungsaufwendungen abgegolten würden, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgerecht zahlt (BT-Drucks 7/4495). Dieser Auffassung hat sich die Rechtsprechung und die h.M. in der Literatur letztlich angeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 29.08.1991 V R 78/86, BStBl II 1991, 906 m.w.N.).
35Der den Säumniszuschlägen innewohnende Zinseffekt stellt lediglich einen Nebeneffekt dar und aktualisiert sich erst in den Fällen, in denen der Normzweck des Druckmittels nicht eingreift und der Zweck der Verzinsung in den Vordergrund tritt (wie im Fall der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit, siehe hierzu Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Februar 2020, § 240 AO Rn 19; FG München Beschluss vom 13.08.2018 14 V 736/18, EFG 2018, 1608). Erst in den Situationen, in denen der Säumniszuschlag nicht mehr als Druckmittel fungiert, entsteht die Situation, dass lediglich der Verzinsungszweck das Erheben von Säumniszuschlägen rechtfertigt. Dies offenbart sich indes erst im Einzelfall und kann keine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 240 AO im Allgemeinen begründen (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Februar 2020, § 240 AO Rn 19).
36Für diese Einordnung spricht auch, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 233 Satz 1 AO nur dann verzinst werden dürfen, soweit dies ausdrücklich vorgeschrieben ist. Die Vorschrift des § 240 AO ist hier nicht zu verorten, da sie in einem eigenen Unterabschnitt im Zweiten Abschnitt des Erhebungsverfahrens einzuordnen ist (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Oktober 2019, § 240 AO Rn 1).
37Die Erhebung von Säumniszuschlägen in der vom Antragsgegner im Abrechnungsbescheid vom 10.03.2020 angesetzten Höhe auf der Grundlage von § 240 AO ist daher – weiterhin – auch unter Berücksichtigung der derzeit bestehenden Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des in § 238 AO angesetzten Zinssatzes – verfassungsgemäß.
38(c) Der Antragsgegner hat schließlich die Vorschrift des § 240 AO korrekt angewendet. Die ausgewiesenen Säumniszuschläge sind mit insgesamt X € durch den Antragsgegner korrekt berechnet worden.
39II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.