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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Streitig sind der Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Firma M und die Steuerbarkeit und Steuerfreiheit einer (Werk-)Lieferung, deren (Zweit-)Erwerber in Russland ansässig war.
3Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in C. Gegenstand der Klägerin ist […]. Die Klägerin ist dabei vorwiegend auf dem osteuropäischen (insbesondere dem russischen) Markt tätig.
4Für das Streitjahr 2007 erklärte die Klägerin in ihrer am 31.10.2008 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 eine Umsatzsteuer in Höhe von -xxx €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
5Für das Streitjahr 2008 erklärte die Klägerin in ihrer am 07.09.2009 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 eine Umsatzsteuer in Höhe von -xxx €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
6Für das Streitjahr 2009 erklärte die Klägerin in ihrer am 28.07.2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 eine Umsatzsteuer in Höhe von -xxx €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
7Für das Streitjahr 2010 erklärte die Klägerin in ihrer am 24.04.2011 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 eine Umsatzsteuer in Höhe von -xxx €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung ebenfalls zu.
8Ab dem Jahr 2011 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J (GKBP-FA) eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 2007 bis 2010 bei der Klägerin durch. Im Rahmen der Betriebsprüfung erkannte der Prüfer den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der von Frau JT betriebenen Firma M (Sitz in O, anderes Bundesland) in Höhe von 38.923,40 € (2007), 34.798,50 € (2008), 30.533,00 € (2009) und 33.839,00 € (2010) wegen unzureichender Leistungsbeschreibungen nicht an (Tz. 2.11 des BP-Berichts vom 22.10.2015). Die Leistungen waren vielfach durch Herrn NT, der der Ehemann der Frau JT und zugleich Mitarbeiter der Firma M ist, erbracht worden. Herr NT war darüber hinaus auch als Angestellter für die in der Schweiz ansässige Firma N AG tätig, zu der die Klägerin ebenfalls in Geschäftsbeziehungen stand. Die N AG vermittelte der Klägerin u.a. Aufträge im Russlandgeschäft und erhielt hierfür eine 20%-ige Provision, teilweise wurden der Klägerin Nachlässe gewährt. Die von der Firma M berechneten Beträge rechnete die Klägerin auf die Provisionsansprüche der N AG an (Tz. 2.11 des BP-Berichts).
9Zudem ermittelte der Prüfer, dass die Klägerin im Rahmen eines Reihengeschäfts eine … an die Firma N AG mit Sitz in der Schweiz veräußert hatte und diese Anlage direkt vom Kunden der N AG, der in Russland ansässigen Firma H, bei der Klägerin abgeholt worden war. Die Abrechnung durch die Klägerin erfolgte dabei wie folgt:
10Zahlungen |
Re-Nr. |
Re-Datum |
Betrag |
1. Anzahlung |
xyz |
11.12.2009 |
271.526,00 € |
2. Anzahlung |
xyz |
27.05.2010 |
261.384,74 € |
3. Anzahlung |
xyz |
30.06.2010 |
118.008,12 € |
Restzahlung |
xyz |
10.09.2010 |
283.077,63 € |
Gesamtpreis |
933.996,49 € |
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass im Rahmen des vorgenannten Reihengeschäfts die erste Lieferung als ruhende Lieferung in Deutschland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sei. Die Beförderung sei der zweiten Lieferung, also der Lieferung der N AG an die Firma H zuzuordnen (Tz. 2.13 des BP-Berichts). Die Umsatzsteuer 2010 sei daher um 149.125,49 € (19% herausgerechnet aus 933.996,49 €) zu erhöhen.
12Auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes vom 22.10.2015 ergingen am 13.05.2016 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen der Beklagte die Umsatzsteuer nunmehr abweichend in Höhe von -xxx € (2007),-xxx € (2008), -xxx € (2009) bzw. -xxx € (2010) festsetzte. Zugleich hob er jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf (Bl. 31 ff. der Rechtsbehelfsakte).
13Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2016 Einspruch ein und wandte sich in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht gegen die Prüfungsfeststellungen gem. Tz. 2.11 und 2.13 des Betriebsprüfungsberichtes vom 22.10.2015.
14Mit Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 änderte der Beklagte die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 dahingehend, dass er die Umsatzsteuer 2009 nunmehr auf-xxx € und die Umsatzsteuer 2010 auf -xxx € festsetzte. Diese Änderung beruhte darauf, dass die erfolgte 1. Abschlagszahlung aus dem Reihengeschäft in Höhe von 271.526 € im Jahr 2009 in Rechnung gestellt worden war und deshalb die hierin enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von 43.352,89 € nicht in 2010, sondern in 2009 zu erfassen sei. Hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 und 2008 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
15Der Klägerin stehe kein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma M zu, da sich aus den Rechnungen keine genauen Leistungsbeschreibungen ergäben, so dass sich die in Rechnung gestellten Beträge weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehen ließen. Es sei nicht möglich, den tatsächlichen und wirklichen Leistungserbringer und Leistungsempfänger zu identifizieren. Zudem seien zunächst an die Firma M geleistete Provisionen auf Forderungen der N AG angerechnet worden.
16In Bezug auf das Reihengeschäft sei die erste Lieferung als ruhende Lieferung in Deutschland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig, da der russische Endkunde alle Anlagenteile abgeholt habe.
17Mit ihrer am 28.04.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren gerichtlich weiter. Die Firma M sei ein langjähriger Geschäftspartner der Klägerin und die Art der Rechnungslegung sei in vorangegangenen Außenprüfungen nicht beanstandet worden. Es gebe keine rechtliche Grundlage dafür, dass es zwingend eine vertragliche Grundlage für die Entgeltermittlung geben müsse. Ein Rahmenvertrag könne zwar, müsse aber nicht geschlossen werden. Da die Aufgabenstellung der Klägerin an die M von dem jeweils konkreten Rechtsgeschäft der Klägerin abhänge, ergebe ein Rahmenvertrag, der alle Eventualitäten regele, keinen Sinn, da dieser über die langen Zeiträume der Abwicklung von …werken als komplexe Industrieanlagen jedes Mal neu gefasst werden müsse. Es seien auch keine Provisions- und Vermittlungsverträge vorhanden, da es sich bei den erbrachten Leistungen um tatsächliche Leistungen handele. Die Vereinbarungen seien jeweils mündlich und objektbezogen getroffen worden. Eine Mehrfachabrechnung sei nicht möglich, da die Leistungen objektbezogen bezeichnet seien. Aus Vereinfachungsgründen seien jeweils Pauschalzahlungen für die jeweilige Leistung vereinbart worden.
18Bezüglich des Reihengeschäfts lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kunde die Ware abholen sollte. Vielmehr sei durch die vorgelegten Dokumente, die hinreichende Ausfuhrnachweise i.S.v. § 6 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) sowie §§ 6 bis 11 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) darstellten, die Auslieferung nach Russland an den Kunden durch die Klägerin belegt. Es liege im Übrigen ein Werklieferungsvertrag vor, weil die Anlage von der Klägerin in Russland zusammengebaut werden sollte. Die Leistung sei daher erst in Russland bewirkt worden.
19Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 25.05.2017 zahlreiche Unterlagen, u. a. korrigierte Rechnungen der Firma M vor, auf die Bezug genommen wird (Gerichtsakte Bl. 14 ff.).
20Die Klägerin beantragt,
21den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 13.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerfestsetzung um 38.923,40 € vermindert wird.
22den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 13.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerfestsetzung um 34.798,50 € vermindert wird.
23den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 13.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerfestsetzung um 73.885,89 € (30.533,00 € + 43.352,89 €) vermindert wird.
24den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 13.05.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerfestsetzung um 139.611,60 € (33.839,00 € + 105.772,60) vermindert wird,
25hilfsweise für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen,
28hilfsweise für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.
29Aus der Bestätigung der N AG vom 28.04.2017 gehe hervor, dass die „Abholung der Anlage ab Firma T GmbH (…) direkt durch den Endkunden erfolge“. Die Klägerin hätte die Herstellung der Anlage, das Verpacken in Container und die Bereitstellung zur Abholung auf ihrem Betriebsgelände (Lieferklausel …, vgl. Anlage …, Nr. …) übernehmen sollen. Die N AG hatte entweder Gefahr und Kosten des Transports zu übernehmen oder hatte diese vielmehr gem. der Bestätigung an den russischen Endkunden weitergegeben. Lediglich die nachfolgenden Lieferungen zwischen der N AG und dem russischen Endkunden hätten beim Nachweis der Voraussetzungen des § 6 UStG als Ausfuhrlieferungen steuerfrei sein können. Die Lieferungen der Klägerin an die N AG seien als ruhende Lieferungen jeweils in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig, da sie der Beförderungslieferung vorangingen. Die Klägerin habe trotz mehrfacher Aufforderung keine Nachweise über die Beauftragung einer Spedition vorgelegt. Selbst im Falle einer Ausfuhr durch die Klägerin fehle es an einer Vorlage der Ausfuhrnachweise nach § 6 Abs. 4 UStG sowie §§ 8 bis 11 UStDV. Bei den vorgelegten Dokumenten handele es sich lediglich um Ursprungs- bzw. Konformitätsurkunden. Auch das „Ausfuhrbegleitdokument“ enthalte weder amtliche Vermerke noch Informationen, wer tatsächlich die Versendung in Auftrag gegeben habe.
30Auch die korrigierten Rechnungen der Firma M enthielten keine hinreichenden Angaben i.S.v. § 14 Abs. 4 Nr. 5 und 6 UStG zum Umfang der von der Fa. M abgerechneten Leistungen. Es liege insbesondere keine vertragliche Grundlage (weder Rahmenvertrag noch Provisions- oder Vermittlungsvertrag) zwischen der Klägerin und der Firma M vor. Für keine der in Rechnung gestellten Leistungen seien Unterlagen über konkrete Beauftragungen, Korrespondenzen sowie konkrete Projekt- und Arbeitsaufträge vorgelegt worden. Zudem werde lediglich in runden Summen mit nicht nachvollziehbaren Einzelpreisen abgerechnet, deren Wertfindung nicht überprüfbar sei.
31Mit Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), dem Klägervertreter zugestellt am 17.04.2020, hat der Berichterstatter die Klägerin aufgefordert bis zum 20.05.2020:
321. Durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, dass die Klägerin den Transporteur, die Firma L, mit dem Transport der Ware (…) an die Firma H beauftragt hat.
332. Die vollständigen Verträge und Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der N AG sowie der Klägerin und der Firma H, insbesondere den im Ursprungszeugnis genannten Vorgang Nr. xyz, vorzulegen.
34Hieraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.05.2020 diverse Unterlagen übersandt, wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 161 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Unter anderem befindet sich dabei ein Frachtbrief (Gerichtsakte Bl. 164), auf dem die Klägerin als Absender eingetragen ist mit dem Hinweis „On behalf of N AG…“.
35Im Schreiben vom 05.07.2020 vertritt die Klägerin nunmehr die Auffassung, dass es sich nicht um ein Reihengeschäft, sondern um einen Werklieferungsvertrag handele. Die N AG habe lediglich die Aufgabe eines Vermittlers auf Honorarbasis wahrgenommen. Der Werklieferungsvertrag sei bis heute nicht erfüllt, da der Käufer der Klägerin nicht mitgeteilt habe, wann und an welchem Standort er die Anlage aufgebaut habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin vom 05.07.2020 (Bl. 244 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
36Ferner trägt die Klägerin mit Schreiben vom 26.08.2020 vor, sie habe bereits im Jahr 2007 direkt mit der Firma H einen Auftrag für eine … mit der Nummer xyz abgeschlossen. Dieser Auftrag sei im Jahr 2009 durch Lieferung erledigt worden. In dem Vertrag sei auf Seite 82 darauf hingewiesen worden, dass die … bauseits gestellt werden solle. Im Verlauf der Auftragsabwicklung habe der Kunde festgestellt, dass die … nicht so einfach beizustellen sei. In Erfüllung sei dann das streitgegenständliche Geschäft über die Lieferung der … geschlossen worden. Die zuvor verkauften Anlagen seien ohne die … nicht funktionsfähig gewesen.
37In der Sache hat am 27.08.2020 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, dabei sind die Geschäftsführer der Klägerin, die Herren JG und NG, angehört worden. Es wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39Die Klage hat keinen Erfolg.
40Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2007, 2008, 2009 und 2010, jeweils vom 13.05.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017, sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
411. Der Klägerin steht kein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma M zu.
42Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in ordnungsgemäßen Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL). Der Steuerpflichtige, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs (EuGH, Urt. vom 18.07.2013 - C-78/12 „Evita-K.“, HFR 2013, 857 Rdn. 37; BFH, Beschluss vom 03.02.2016 - V B 35/15, BFH/NV 2016, 794).
43Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die dem Unternehmer erteilte Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen (BFH-Urteil vom 02.09.2010 - V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl. II 2011, 235). Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat daher u.a. Angaben gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG über den Umfang und die Art der sonstigen Leistung (Leistungsbeschreibung) sowie nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG über den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung bzw. der Vereinnahmung des Entgelts zu enthalten, sofern dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist (Leistungszeitpunkt).
44Nach ständiger Rechtsprechung muss die Rechnung Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH, Urt. vom 15.10.2019 – V R 29/19, BFH/NV 2020, 298 m.w.N.).
45a) Im Streitfall ist der Vorsteuerabzug bereits aus formellen Gründen zu versagen, da die Rechnungen der Firma M nicht den gesetzlichen Anforderungen für den Vorsteuerabzug entsprechen.
46Nach der Rechtsprechung des EuGH muss die Rechnung nach Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL die Angabe von Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen enthalten. Der Wortlaut dieser Bestimmung impliziert somit nach Auffassung des EuGH, dass es erforderlich ist, Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen zu präzisieren; darin heißt es jedoch nicht, dass die konkreten erbrachten Dienstleistungen erschöpfend beschrieben werden müssen (EuGH, Urt. vom 15.09.2016 – C-516/14, HFR 2016, 1031, „Barlis 06“, Rdn. 26). Der EuGH hat dabei entschieden, dass die Bezeichnung als „juristische Dienstleistungen“ den Anforderungen nicht entspreche, da dieser Begriff ein weites Spektrum von Dienstleistungen abdecke und so allgemein sei, dass sich der Umfang der erbrachten Dienstleistungen hieraus nicht entnahmen lasse (EuGH, Urt. vom 15.09.2016 – C-516/14, HFR 2016, 1031, „Barlis 06“, Rdn. 28).
47Allgemeine Sammelbezeichnungen für Dienstleistungen wie z.B. „technische Beratung und Kontrolle“, „Personalgestellung“ oder „Schreibarbeiten“ sind dabei nach der Rechtsprechung des BFH ebenfalls zu unbestimmt (BFH, Urt. vom 15.05.2012 - XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836; BFH, Urt. vom 08.10.2008 - V R 59/07, BStBl. II 2009, 218; Korn, in: Bunjes, UStG, 18. Auflage 2019, § 14 Rdn. 83).
48Der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG bzw. Art. 226 Nr. 7 MwStSystRL stets anzugeben und zwar auch dann, wenn dieser Zeitpunkt mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt (Korn, in: Bunjes, UStG, § 14 Rdn. 87). Eine Rechnung mit fehlendem Leistungszeitpunkt berechtigt grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug (BFH, Urt. vom 17.12.2008 – XI R 62/07, BStBl. II 2009, 432; Leipold, in: Sölch/Ringleb, UStG, Rdn. 520). Eine sonstige Leistung ist erbracht, wenn die Leistung in vollem Umfang bewirkt ist. Bei Dauerleistungen ist Beginn und Ende des Leistungszeitraums anzugeben (Leipold, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 14 Rdn. 515). Als Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistungen kann der Kalendermonat angegeben werden, in dem die Leistung ausgeführt wird (§ 31 Abs. 4 UStDV).
49Eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung wirkt dabei auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (EuGH, Urt. vom 15.09.2016 C-518/14, HFR 2016, 1029, „Senatex“; BFH, Urt. vom 05.09.2019 – V R 12/17, BFH/NV 2020, 248).
50aa) Im Streitfall stellen die ursprünglichen Rechnungen nach Auffassung des Senates zwar grundsätzlich berichtigungsfähige Rechnungen dar, es fehlt aber auch in den im Klageverfahren vorgelegten berichtigten Rechnungen nach wie vor an der Abgabe des Leistungszeitpunktes. Die Rechnungen enthalten nur ein Rechnungsdatum, aber keinen Leistungszeitpunkt oder ein Leistungsdatum bzw. einen Leistungszeitraum. Die Angabe des Leistungszeitraums ist im Streitfall auch deshalb unverzichtbar, weil die Bezeichnung des Leistungsgegenstands, selbst wenn man diesen – entgegen der Auffassung des Senates (siehe dazu unten unter bb) – für sich allein als ausreichend ansehen würde, durchaus vage ist. Eine Überprüfung, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind, ist ohne die Angabe des Leistungszeitpunkts/-zeitraums nicht möglich.
51bb) Auch die Leistungsbeschreibung in den berichtigten Rechnungen genügt nach Auffassung des Senates den gesetzlichen Anforderungen nicht. Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass jegliche vertragliche Vereinbarungen und Aufzeichnungen (wie z.B. Stundenzettel und Arbeitsvermerke) fehlen und der Ehemann der Inhaberin derFirma M, Herr NT, sowohl für die Firma M als auch für die Firma N AG tätig war. In diesem Fall muss zumindest die Leistungsbeschreibung in den Rechnungen aussagekräftig sein, um eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung zu gewährleisten.
52b) Darüber hinaus sind nach Auffassung des Senates auch die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs im Streitfall nicht nachgewiesen.
53Der den Vorsteuerabzug begehrende Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast dafür, dass Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind (FG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2014 – 1 V 3235/13, juris; Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rdn. 148). Zudem trägt der Steuerpflichtige die Beweislast dafür, dass keine Scheinlieferungen bzw. -leistungen vorliegen, sondern tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge (Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rdn. 144, 148). Nur dann, wenn die in Rede stehenden Leistungen tatsächlich bewirkt worden sind, kann das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht versagt werden (EuGH, Urt. vom 27.06.2018 – C-459/17 und C-460/17 „CGI“, BFH/NV 2018, 1070 Rdn. 38 ff.; EUGH EuGH, Urt. vom 06.12.2012 – C-285/11 „Bonik“, HFR 2013, 192 Rdn. 33; BFH, Beschluss vom 26.02.2014 – V S 1/14 (PKH), BFH/NV 2014, 917; BFH, Beschluss vom 08.07.2015 – XI B 5/15, BFH/NV 2015, 1444; Rothenberger, UStB 2014, 227, 228).
54Der Senat ist im Streitfall nicht davon überzeugt, dass die Firma M tatsächlich Leistungen an die Klägerin erbracht hat. Vielmehr schuldete die Klägerin der Firma N AG für ihre Vermittlungsleistungen grundsätzlich eine Provision in Höhe von 20% (abzüglich teilweise im Einzelfall gewährter Nachlasse). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Zahlungen an die Firma M auf diese Provisionsforderungen angerechnet und die Firmen N AG und M somit letztlich als eine Einheit behandelt wurden, zumal weder eine vertragliche Grundlage (kein Rahmen-, Provisions- oder Vermittlungsvertrag) zwischen der Klägerin und der Firma M noch Unterlagen über konkrete Beauftragungen, Korrespondenzen sowie konkrete Projekt- und Arbeitsaufträge vorgelegt worden sind. Der Beklagte hatte diese Umstände bereits im Betriebsprüfungsbericht vom 22.10.2015 unter Tz. 2.11 (Bl. 8 ff. der Betriebsprüfungsakte) sowie erneut im Einspruchs- und Klageverfahren gerügt. Die feststellungsbelastete Klägerin hat hierzu nicht substantiiert Stellung bezogen.
552. Die Lieferung der … durch die Klägerin an die N AG ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.
56a) Es liegt keine Werklieferung i. S. v. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG vor. Im Falle einer Werklieferung wäre die Leistung der Klägerin endgültig erst in Russland bewirkt worden und damit in Deutschland nicht steuerbar. Nach den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 05.05.2020 vorgelegten Unterlagen (Gerichtsakte Bl. 193) bestand die Leistung der Klägerin aber entgegen den ursprünglichen Planungen nicht mehr in der Lieferung und Montage der Anlage, sondern die Montage sollte auf Wunsch des Käufers gesondert vereinbart werden. Auch die Geschäftsführer der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass eine Montage durch die Klägerin in gesonderten Verträgen zu vereinbaren ist. Im Streitfall ist eine solche Vereinbarung jedoch nicht abgeschlossen worden, jedenfalls hat die Klägerin hierüber keine Vertragsunterlagen vorgelegt. Auch die Tatsache, dass eine Montage der … unstreitig nicht erfolgt ist, spricht gegen das Vorliegen einer solchen Vereinbarung. Die hier zu beurteilende (tatsächlich erbrachte) Leistung der Klägerin besteht zur Überzeugung des Senats in einer bloßen Lieferung.
57b) Die Klägerin hat keine warenbewegte Lieferung durchgeführt, d.h. der Lieferort lag gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG in Deutschland, so dass die Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG „im Inland“ steuerbar ist.
58Die Lieferungen der Klägerin an die N AG (erste Lieferung) und der N AG an dieFirma H (zweite Lieferung) bilden zusammen ein sogenanntes Reihengeschäft gemäß § 3 Abs. 6 S. 5 UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift ist die Beförderung oder Versendung eines Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen, wenn mehrere Unternehmer über den Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat (§ 3 Abs. 6 Satz 6 UStG).
59Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die N AG auch nicht lediglich ein Geschäft zwischen der Klägerin und der Firma H vermittelt. Vielmehr haben die Klägerin und die N AG einen Kaufvertrag über die … geschlossen (Vertrag vom 07.12.2009, Bl. 166 der Gerichtsakte). Die Tatsache, dass die N AG gem. ihrem Schreiben vom 28.04.2017 (Bl. 21 der Gerichtsakte) am Erfüllungsgeschäft bzw. an der Lieferung als solcher nicht beteiligt war, ändert nichts daran, dass hier ein Reihengeschäft vorliegt. Denn bei einem Reihengeschäft ist es gerade typisch, dass beim Erfüllungsgeschäft der mittlere Unternehmer nicht selbst tätig wird, weil die Sache in Erfüllung beider Liefergeschäfte unmittelbar vom ersten Unternehmen an den letzten Abnehmer gelangt. Auch die Beförderung/Versendung bei einem Reihengeschäft kann insoweit (ohne Beteiligung des mittleren Unternehmers) durch den ersten Unternehmer oder den letzten Abnehmer erfolgen bzw. von diesen in Auftrag gegeben werden. Es kann auch dahinstehen, ob die Klägerin zuvor eine … direkt – ohne Zwischenerwerb der N AG – an die Firma H verkauft hat. Denn jedenfalls im Streitfall hat die Klägerin die … mit Vertrag vom 07.12.2009 an die N AG veräußert. Einen Vertrag über eine direkte Veräußerung an die Firma H hat die Klägerin dagegen nicht vorgelegt. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass es sich bei dem Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der N AG lediglich um ein Scheingeschäft gehandelt hat. Vielmehr haben die Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Befragung dargelegt, dass sich die Beteiligten an den Vertrag mit der N AG gebunden gefühlt hätten und der Vertrag deshalb abgeschlossen worden sei, weil diese Firma vom Beklagten im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin zunächst zu Unrecht als Domizilgesellschaft angesehen worden sei. Bei der N AG handele es sich aber um ein gewerblich tätiges Unternehmen. Auch der Klägervertreter hat diesen Umstand in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt und mitgeteilt, dass er selbst in die Schweiz gefahren sei und sich dort vor Ort von der gewerblichen Tätigkeit der N AG überzeugt habe.
60Wird bei einem Reihengeschäft der Gegenstand durch einen der Beteiligten befördert oder versendet, kann nach der Konzeption des § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG nur für eine der Lieferungen von einer Beförderungs- oder Versendungslieferung (bewegte Lieferung) ausgegangen werden. Die anderen Lieferungen sind als sog. ruhende Lieferungen zu behandeln, für diese bestimmt sich der Ort der Lieferungen nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG (Leonard, in: Bunjes, UStG, § 3 Rdn. 207).
61Die Zuordnung ist deshalb entscheidend, weil nur hinsichtlich der Beförderungslieferung (bewegte Lieferung) eine steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG bzw. eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vorliegen kann (Leonard, in: Bunjes, UStG, § 3 Rdn. 207).
62Die Finanzverwaltung stellt für die Entscheidung welcher der Lieferungen im Reihengeschäft der Warentransport zuzurechnen ist, auf die Transportverantwortung ab (Abschn. 3.14 Abs. 7 UStAE).
63Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BFH (EuGH-Urteile vom 27.9.2012 - C-587/10, „VStR“ ,BFH/NV 2012, 1919; vom 16.12.2010 - C-430/09, „Euro Tyre Holding“, BFH/NV 2011, 397; vom 26.7.2017 - C-386/16, „Toridas“, UR 2017, 678; vom 21.2.2018 - C-628/16, „Kreuzmayr“, BFH/NV 2018, 461; BFH-Urteile vom 11.03.2020 – XI R 18/18, juris; vom 25.2.2015 - XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769; vom 25.2.2015 - XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772; vom 28.5.2013 - XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524) steht die Auffassung der Finanzverwaltung, die allein auf die Transportverantwortung abstellt, jedoch in Widerspruch zum Unionsrecht. Statt dessen kommt es für die Frage, wem gem. § 3 Abs. 6 S. 6 UStG die sogenannte bewegte Lieferung zuzuordnen ist, darauf an, ob die tatsächliche Verfügungsmacht, d.h. die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, an den Liefergegenständen bereits vor dem Warentransport noch im Herkunftsland (im Streitfall Deutschland) auf den Letzterwerber übergegangen ist. Ist dies der Fall, wird ausnahmsweise die Lieferung des Zwischenerwerbers an den Letzterwerber (zweite Lieferung) als die sogenannte bewegte Lieferung angesehen.
64Diese zu innergemeinschaftlichen Lieferungen entwickelten Grundsätze sind nach Auffassung des Senates bei Ausfuhrumsätzen in gleicher Weise anwendbar (ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 14.08.2019 – 7 K 7161/15, EFG 2019, 1851; FG Düsseldorf, Urt. vom 04.05.2018 – 1 K 2413/16, EFG 2018, 1306, bestätigt durch BFH, Urt. vom 11.03.2020 – XI R 18/18, juris; Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 499).
65Die Frage des Übergangs der Verfügungsmacht ist nach der Rechtsprechung unter umfassender Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles zu beantworten. Maßgeblich sind bei richtlinienkonformer Auslegung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die objektiven Umstände.
66Für die Zurechnung der Beförderung oder Versendung zu einer bestimmten Lieferung kann dabei auch die Antwort auf die Frage sprechen, wer den Transport veranlasst hat, d.h. wer den Transportauftrag im eigenen Namen erteilt hat (Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 490a). In den Fällen, in denen der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung beim ersten Lieferer persönlich abholt, wird regelmäßig dem Zweiterwerber Verfügungsmacht verschafft, so dass die Warenbewegung der zweiten Lieferung zuzuordnen ist (BFH, Urt. vom 25.02.2015 – XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769, Rdn. 35; Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rdn. 2244.8). Gleiches gilt dann, wenn der letzte Abnehmer die Versendung beauftragt (Leonard, in: Bunjes, § 3 Rdn. 214b; Michel, in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rdn. 129; Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rdn. 2244.9). Das Kriterium der Transportverantwortung stellt mithin – auch wenn es nicht allein maßgeblich ist – jedenfalls ein Indiz für die Frage der Übertragung der Verfügungsmacht dar (FG Düsseldorf, Urt. vom 04.05.2018 – 1 K 2413/16 U, EFG, 2018, 1306; FG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 20.11.2019 – 3 K 308/18, EFG 2020, 866 mit Anm. Wackerbeck).
67Im Streitfall ist der Senat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze davon überzeugt, dass die Verfügungsmacht an der Ware bereits in Deutschland mit der Übergabe an den Spediteur auf den Zweiterwerber, die Firma H, übergegangen ist.
68Die Zwischenerwerberin, die N AG, hat im Schreiben vom 28.04.2017 dargelegt, dass sie zu keiner Zeit am Erfüllungsgeschäft beteiligt gewesen sei und keinerlei Verpflichtungen im Rahmen der Lieferung der in Frage stehenden … gehabt habe (Bl. 21 der Gerichtsakte).
69Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verfügungsmacht im Streitfall bereits vor der zweiten Lieferung auf den Letzterwerber, die Firma H, übergegangen ist. Der Firma H ist die tatsächliche Verfügungsmacht durch die Klägerin über die N AG verschafft worden (Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rdn. 2244.8). Weder aus der Bescheinigung der N AG noch aus den sonstigen Umständen ergibt sich, dass die Klägerin und die Firma H die Versendung gegen den Willen der N AG durchgeführt haben.
70Die Tatsache, dass sich aus dem Ursprungszeugnis eine Lieferung EXW (ex works) ergibt, also die Verpflichtung, dass der Verkäufer seine Ware ab Werk verkauft und der Kunde diese von dort abholen muss (Abholklausel), spricht dafür, dass die Verfügungsmacht auf die Firma H bereits in Deutschland übergegangen ist (Bl. 14 der Gerichtsakte). Zwar hat die Klägerin trotz der Aufforderung des Berichterstatters nur eine Packliste mit der Nummer xyz, nicht aber den dazugehörigen Vertrag zwischen ihr und der Firma H vom 30.10.2009 vorgelegt. Jedoch hat die Klägerin auch in den bisherigen/früheren Verträgen mit der H explizit eine Lieferung EXW vereinbart (siehe Vertrag Nummer xyz Klausel ....., Bl. 72 des Band 2 der Akte der GKBP J und Nachtrag Nr. 1 zum Vertrag Nummer xyz Klausel …., Bl. 173 des Band 2 der Akte der GKBP J), so dass der Senat davon überzeugt ist, dass die Informationen im Ursprungszeugnis die vertraglichen Abreden zutreffend widerspiegeln. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die internationalen Handelsklauseln (incoterms) Regelungen zur Gefahrtragung/zum Gefahrübergang darstellen und keine Regelungen zum Eigentumsübergang treffen. Nach aus Sicht des erkennenden Senates zutreffender Auffassung kann jedoch aus diesen Gefahrtragungsregeln geschlossen werden, wo und wann die Befähigung übertragen wurde, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen (Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 485 und Rdn. 490a; Leonard, in: Bunjes, UStG, 18. Aufl. 2019, § 3 Rdn. 16; a.A. FG Berlin Brandenburg, Urt. vom 14.08.2019 – 7 K 7161/15, EFG 2019, 1851; differenzierend FG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 20.11.2019, EFG 2020, 866 mit Anm. Wackerbeck: nur mittelbares Indiz für die Verschaffung der Verfügungsmacht).
71Auf die Aufforderung des Berichterstatters hat die Klägerin ferner nicht durch geeignete Unterlagen nachgewiesen, dass sie die Transportfirma bzw. -firmen mit dem Transport der Ware (…) an die Firma H beauftragt hat. Der Senat schließt hieraus, dass der Transport – im Einklang mit den Regeln des Gefahrübergangs/entsprechend der vertraglichen Abholverpflichtung – jedenfalls nicht durch die Klägerin veranlasst worden ist. Hierfür spricht auch, dass der Geschäftsführer der Klägerin, Herr NG, im Schreiben vom 29.09.2011 dem Finanzamt N mitgeteilt hat, dass bei dem Projekt „… Firma H“ keine Transportkosten entstanden seien, da der russische Kunde alle Anlagenteile in C abgeholt habe (Fach 49.5 des Band 5 der Akte der GKBP J). Nach allgemeinen Grundsätzen der Logik wird dem Zweiterwerber bei Abholung des Liefergegenstandes die Verfügungsmacht durch den Erstverkäufer über den Zwischenerwerber/Ersterwerber verschafft (Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3, Rdn. 2244.8). Dies gilt auch in den Fällen einer Abholung durch einen vom Zweiterwerber beauftragten Spediteur (Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rdn. 2244.9).
72Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der abholende Spediteur als unmittelbarer Besitzer der Ware, allenfalls seinem Auftraggeber den Besitz gemittelt hat, so dass die Klägerin mit der Übergabe an den Spediteur keinen Besitz und keine Besitzverschaffungsmacht behalten hat (vgl. Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 484, Beispiel 2). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Frachtbrief als Absender eingetragen ist. Eine Versendung i.S. des § 3 Abs. 6 Satz 3 UStG setzt Rechtsbeziehungen im weitesten Sinne zwischen dem Versender und dem selbstständig Beauftragten voraus. Eine Unternehmerin ist nicht allein deswegen Versenderin von Waren geworden, weil sie auf dem Frachtbrief als "Absender" eingetragen ist, wenn feststeht, dass die Unternehmerin keinen Frachtvertrag mit dem Spediteur abgeschlossen hat, und überhaupt keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Unternehmerin mit der die Versendung der Waren ausführenden Spedition irgendwelche Rechtsbeziehungen hatte (FG Münster, Urteil vom 12.06.2019 – 5 K 1360/16 U, EFG 2020, 558, Rev. anhängig, XI R 1/20). Im Streitfall ist die Klägerin im Frachtbrief „on behalf N AG“ eingetragen. Die Klägerin war daher auch nach dem Frachtbrief nicht selbst Absenderin, sondern ist namens und im Auftrag der N AG tätig geworden.
733. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen § 115 Abs. 2 FGO), weil eine Einzelfallentscheidung unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliegt. Das anhängige Revisionsverfahren XI R 1/20 rechtfertigt keine Revisionszulassung, weil im Streitfall die Klägerin auf dem Frachtbrief nicht selbst, sondern lediglich im Namen und Auftrag der N AG als Versender eingetragen ist.