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Der Umsatzsteuerbescheid für 2017 vom 18.02.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf xxx € festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Umsatzsteuergesetz (UStG).
3Der Kläger kreiert Klavierkurse per Video zum Erlernen des freien Klavierspiels. Seit 2009 bietet er u. a. Videokurse mit eigenen Kompositionen auf seiner Website xxx an, mit denen interessierte Klavierspieler sich das freie Klavierspiel selbst erarbeiten bzw. es erlernen und erweitern können. Seine Videos können vom Kunden im „…-Bereich“ angesehen und heruntergeladen werden. Kategorisiert in unterschiedliche Musikrichtungen sollen die Schüler das Klavierspiel nach Akkorden und letztlich ohne Noten erlernen. Durch das spontane Abrufen eines ansprechenden Klavierspiels, z.B. für die Liedbegleitung, soll das persönliche Klavierspiel des Schülers ebenfalls weiterentwickelt werden. Bevor der Kunde vertragliche Vereinbarungen mit dem Kläger eingeht, muss er erst den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustimmen, welche unter xxx/allgemeine-geschaeftsbedingungen-agb-und-widerrufsbelehrung einsehbar sind und auf die vorliegend Bezug genommen wird (Gerichtsakte Bl. 39 ff). Darüber hinaus veranstaltet der Kläger Online-Webinare, die auf eine größere Zahl an Teilnehmern ausgerichtet sind, und bietet ein Online-Tastentraining an, in denen er Stücke vorträgt und gezielt auf die Bedürfnisse der Schüler mittels eines 1:1-Unterrichts eingeht. Mit letzterem bringt der Kläger interessierten Klavierschülern das Klavierspielen individuell bei bzw. erweitert deren Fähigkeiten. Schließlich begleitete der Kläger den Chor Z am Klavier, für deren vier Auftritte im Streitjahr 2017 er pro Auftritt xxx € erhalten hat.
4Der Kläger stellte weder den …-Kunden noch dem Chor Rechnungen aus.
5In dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, den der Kläger am 16.03.2010 beim Finanzamt einreichte, gab er als Art der ausgeübten Tätigkeit „Klavierlehrer/Gartenbau, Schwerpunkt: Verkauf von Klaviervideos“ an.
6Für die Jahre 2015 und 2016 erklärte der Kläger die Umsätze aus den Klavierkursen, Online-Webinaren und Online-Tastentrainings zunächst zum Regelsteuersatz. Mit Schreiben vom 17.04.2018 beantragte er die Änderung der Umsatzsteuern 2015 und 2016 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Fälschlicherweise habe er diese Umsätze dem Regelsteuersatz unterworfen. Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis habe er nicht erstellt. Den Änderungsantrag für 2015 und 2016 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2018 ab. Es handele sich um eine unterrichtende Tätigkeit, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sei. Der Kläger trug daraufhin vor, dass er zum Großteil künstlerische Leistungen erbringe, welche dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Die Umsätze seien aufzuteilen. Hierzu könne man die Videokurse aufteilen in „Ideenentwicklung/kreative Schaffenskraft/Dokumentation (Handbuch, Noten)“ 90 %, „Produktion (Videodreh, Schnitt, DVD-Erstellung, Onlinepräsenz)“ 5 % und „Vermarktung“ 5 %. Der Kläger kündigte die Erstellung einer Excel-Tabelle an, aus der sich die Aufteilung ergeben sollte. Als der Kläger eine solche Excel-Tabelle nicht vorlegte, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 26.11.2018 mit, dass es bei der ablehnenden Entscheidung verbleibe. Er bleibe dabei, dass der Kläger hier vor allem einer Lehrtätigkeit nachgehe. Im Übrigen scheine der vom Kläger avisierte Aufteilungsmaßstab von 90 zu 10 lediglich im Schätzungswege ermittelt worden zu sein. Mit Schreiben vom 18.12.2018 machte der Kläger nochmals geltend, dass er künstlerische Leistungen erbringe. Die Nebenleistungen würden das Schicksal der Hauptleistung teilen, sodass es keiner Aufteilung der Umsätze bedürfe.
7In seiner Umsatzsteuerjahreserklärung für 2017 vom 18.12.2018 meldete der Kläger die Umsätze aus den Klavierkursen, Online-Webinaren und Online-Tastentrainings zum ermäßigten Steuersatz (xxx € zzgl. xxx € Umsatzsteuer) und eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H.v. xxx € an. Der Beklagte stimmte der nach § 168 Satz 2 AO zustimmungsbedürftigen Steueranmeldung nicht zu und erließ am 18.02.2019 einen erstmaligen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid für 2017, mit dem er die Umsatzsteuer auf xxx € festsetzte. Anders als der Kläger berücksichtigte er die Umsätze aus den Klavierkursen zum Regelsteuersatz von 19 %, und zwar i.H.v. xxx € zzgl. xxx €. Im Erläuterungstext verwies der Beklagte auf sein Schreiben vom 26.11.2018 bezüglich der Änderungsanträge für die Umsatzsteuer 2015 und 2016.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019 wies der Beklagte den gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 18.02.2019 gerichteten Einspruch als unbegründet zurück. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ er bestehen. Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG scheide vorliegend aus. Die Tätigkeit des Klägers werde als unterrichtend und nicht als künstlerisch eingestuft. Das Erstellen und Produzieren der Klaviervideos stelle kein Konzert als solches dar. Insbesondere werde auch keine Eintrittsberechtigung benötigt und die Lernvideos würden zum Zweck des Unterrichts gefertigt. Eine ggf. erfolgte Einräumung und Übertragung von urheberrechtlichen Befugnissen würden nur Nebenleistungen darstellen. In den Videos spiele der Kläger Klavierstücke vor, die nicht ausschließlich selbst komponiert seien. Die vom BVerfG und BFH geforderte eigenschöpferische Gestaltungsweise sei in den Lernvideos nicht wiederzufinden, zumal die Lernvideos mit ähnlichen Klaviertutorien anderer Künstler vergleichbar seien. Zum anderen würden die produzierten Videos keinen Raum für die Darstellung der individuellen Erfahrungen und Eindrücke des Klägers bieten. Der wesentliche Aspekt der Darstellung der individuellen Persönlichkeit des Künstlers sei in einem Videotutorium nicht ausreichend umsetzbar. Ein solches bringe weder die Eindrücke noch die Erfahrungen oder Erlebnisse des Künstlers zur unmittelbaren Anschauung. Zudem seien die produzierten Videos für den Gebrauch des Klavierunterrichts bestimmt.
9Hierauf hat der Kläger Klage erhoben. Hauptbestandteil seien selbst komponierte, schöpferisch entstandene Kreationen, in denen individuelle Erfahrungen und Eindrücke wiedergegeben würden. Er, der Kläger, erstelle Musikstücke, Tonfolgen und in diesem Zusammenhang Computerprogramme. Die Eigenkompositionen seien eigenständige und einmalige Entwürfe mit künstlerischem Anspruch. Die Klavierkurse seien nicht nur auf Videos beschränkt, sondern enthielten zu den vermittelten Inhalten Handbücher mit Notenbeispielen und individuellen Beschreibungen. Durch die Individualität handele es sich nicht um den Verkauf sogenannter Massenware. Im Gegensatz zum reinen Produzieren von Kursen würden die Kurse des Klägers auf Video aufgezeichnet und auf der Website ausgestrahlt. Er erbringe Online-Konzerte.
10Seine Umsätze unterfielen zudem dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG. Die individuellen Kompositionen, anhand derer die Musikschüler das Klavierspielen erlernen sollen, würden dem Urheberrecht unterfallen. Im Leistungsumfang eines Kurses sei die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte für den Käufer inbegriffen, was auch aus seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hervorgehe, welche der jeweilige Kunde vor Bestellung vertraglich bestätigen müsse. Die Kurse würden als umsatzsteuerliche Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung, der Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte, teilen.
11Der Kläger beantragt,
12den Umsatzsteuerbescheid für 2017 vom 18.02.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf xxx € festgesetzt wird.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019 und führt ergänzend wie folgt aus:
16Es handele sich nicht um Darbietungen ausübender Künstler im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG. Freie Kunst zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass sie keinen Gebrauchszweck beinhalte und auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sei. Die Klavierkompositionen des Klägers seien auf das Erlernen und Erweitern des freien Klavierspiels sowie auf die Weiterentwicklung des persönlichen Klavierspiels ausgerichtet und fielen somit nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG, zumal der Kläger darüber hinaus in den Lehrvideos nicht ausschließlich selbstkomponierte Stücke vorspiele.
17Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG könne nicht allein deshalb Anwendung finden, weil mit Vertragsabschluss urheberrechtliche Nutzungsrechte der Klavierkompositionen übertragen würden. Die Einräumung und Übertragung von urheberrechtlichen Befugnissen stelle nur eine Nebenleistung dar, die das Schicksal der Hauptleistung teile.
18Die Sache ist am 17.06.2021 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20I. Die Klage ist überwiegend unbegründet.
21Der Umsatzsteuerbescheid für 2017 vom 18.02.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat die streitigen Umsätze – mit Ausnahme der Umsätze aus der Klavierbegleitung des Chors – zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen, die Umsatzsteuer jedoch fälschlich nicht aus dem hierfür erklärten Bruttoumsatz herausgerechnet.
221. Der Steuersatz beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz grundsätzlich 19 % der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 UStG). Die Steuer ermäßigt sich abweichend davon auf 7 % der Bemessungsgrundlage u.a. für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG) und für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Die Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers zur ermäßigten Besteuerung ergibt sich aus Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 26.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf bestimmte Waren und Dienstleistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden. Da es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz handelt, dass für Leistungen der normale Steuersatz gilt, sind die Bestimmungen eng auszulegen, wobei die Auslegung grundsätzlich nach der gewöhnlichen Bedeutung zu erfolgen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18.01.2001, Rs. C-83/99, Kommission/Spanien, HFR 2001, 385, Rn. 20; BFH, Urteil vom 09.10.2003, V R 86/01, BFH/NV 2004, 984).
23Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt die Entscheidung über die Ausübung dieses Rechts zwar in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Diese haben aber bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten. Dieser Grundsatz verbietet insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Vielmehr ist auf solche Waren oder Dienstleistungen ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden. Der nationale Gesetzgeber hat daher auch nicht die Freiheit, den Kreis derer, deren Leistungen dem ermäßigten Satz unterliegen, willkürlich zu beschränken (EuGH, Urteil vom 23.10.2003, Rs. C-109/02, Kommission / Deutschland, BStBl II 2004, 337; vgl. auch BFH, Urteil vom 18.08.2005, V R 50/04, BStBl II 2006, 101).
242. Entgegen der Auffassung des Klägers stellen die streitigen Umsätze mit Ausnahme der Klavierbegleitung bei den Auftritten des Chors keine im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG „den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler“ dar.
25a) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG beruht auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 und 9 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten berechtigt sind, auf die „Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen“ bzw. „Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie diesen geschuldete urheberrechtliche Vergütungen“ einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. Auf diese Weise sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, durch einen niedrigeren Steuersatz zugunsten der Besucher kultureller Veranstaltungen eine Preiserhöhung zu vermeiden (vgl. hierzu BFH, Urteile vom 25.02.2015, XI R 35/12, BStBl II 2015, 677; vom 09.10.2003, V R 86/01, BFH/NV 2004, 984; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2005, 12 K 459/00, EFG 2005, 911; Hessisches FG, Urteil vom 08.07.2009, 6 K 3559/08, juris). Bei der Auslegung der nationalen Begriffe „Theater“ und „den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbare Darbietungen“ sind speziell diejenigen Leistungen einheitlich zu behandeln, die aufgrund ihrer Gleichartigkeit in einem Wettbewerb stehen (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 08.07.2009, 6 K 3559/08, juris).
26b) Der Senat erkennt in der Tätigkeit des Klägers betreffend seiner Klavierkurse etc. – unabhängig von einer Wertung, ob er sich hier als ausübender Künstler betätigt – insbesondere keine mit einer Theatervorführung vergleichbare Darbietung.
27Zu betrachten ist vorliegend das fertige Werk, wofür die Kunden bzw. Schüler das jeweilige Entgelt zahlen. Denn diese zahlen das Entgelt vorliegend dafür, ein fertiges Produkt zu erhalten, mithilfe dessen sie ihr Klavierspiel weiterentwickeln bzw. das Klavierspielen erlernen können. Dass für den Kläger ein Großteil seiner Arbeit in der Entwicklung, Komposition und Aufnahme der Klavierstücke und damit in einer künstlerischen Tätigkeit besteht und der Verkauf nur den kleineren Teil seiner Arbeit ausmacht, ist deshalb vorliegend unbeachtlich.
28Unter dem Begriff Theatervorführungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sind nicht nur die Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten (also Theatervorführungen im engeren Sinne) zu verstehen, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés bis hin zu den Puppenspielen (BFH, Urteile vom 25.02.2015, XI R 35/12, BStBl II 2015, 677, Rz. 20; vom 19.10.2011, XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798, Rz 33; vom 10.01.2013, V R 31/10, BStBl II 2013, 352, Rz 42 vom 26.04.1995, XI R 20/94, BStBl. II 1995 und vom 09.10.2003, V R 86/01, BFH/NV ;2004, 984). Unter die Begünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG fallen daher nicht nur Schauspiel-, Tanz- und Musikaufführungen, sondern auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietung, wobei maßgebend für die Vergleichbarkeit mit diesen begünstigenden Darbietungen allein der Inhalt der jeweiligen Vorführung ist und nicht der Ort (Schauspielhaus, Stadion, Konzerthalle usw.) oder die sachlichen Voraussetzungen eines Theaters, z.B. Ensemble und Spielplan (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 08.07.2009, 6 K 3559/08, juris). Auch eine Unterhaltungsshow kann eine Theatervorführung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen (BFH, Urteil vom 09.10.2003, V R 86/01, BFH/NV 2004, 984).
29Die Leistungen des Klägers in Form der Klavierkurse, Online-Webinare und Online-Tastentrainings sind vorliegend nicht als theaterähnlich einzustufen. Den oben aufgeführten Vorführungen, die als Theatervorführung im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG anzusehen sind, ist gemein, dass der ausübende Künstler vor einem aus mehreren Personen bestehenden Publikum auftritt und dieses Publikum, welches kulturelle Dienstleistungen konsumieren möchte, unterhält. Der Kläger erbringt jedoch mit den Klavierkursen, Online-Webinaren und Online-Tastentrainings keine unterhaltenden, kulturellen Darbietungen vor einem solchen Publikum. Auch wenn die Leistungen des Klägers darbietende Elemente wie Klaviervorspiele selbst komponierter Stücke enthalten, steht doch nicht der unterhaltende, kulturelle Konsum, sondern der unterrichtende Charakter im Vordergrund. Den Kunden bzw. Schülern geht es bei den eingekauften Leistungen um ihren Unterrichtserfolg, weniger aber um die künstlerische Form der Darbietung, welche für eine Theatervorführung elementar ist. Dies ergibt sich auch aus den auf der Homepage des Klägers eingestellten Kommentaren. Demnach braucht der Kläger auch weniger Wert auf Elemente zu legen, die im Theater oftmals besondere Bedeutung erlangen, wie z.B. Beleuchtung und Bühnenbild. Zudem fehlt es an einem aus mehreren Personen bestehenden Publikum, soweit der Kläger vorträgt, dass er den einzelnen Kunden Videos zur Verfügung stellt oder in Online-Tastentrainings sogar 1:1 unterrichtet. Aufgrund der bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zu einer Theatervorführung gebietet auch das im Mehrwertsteuerrecht geltende Neutralitätsgebot keine Gleichbehandlung des Klägers mit den künstlerischen Darbietungen bei Theatervorführungen.
30c) Die Leistungen des Klägers in Gestalt der Klavierbegleitung bei Auftritten des Chors (brutto xxx €) unterfallen hingegen dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG. Der Kläger hat seine Leistungen dem Chor gegenüber erbracht, da er nur mit diesem in vertraglicher Beziehung stand und von diesem bezahlt wurde. Diesem gegenüber hat er sich durch die Klavierbegleitung als „ausübender Künstler“ betätigt. Für Solokünstler ist es nicht erforderlich, dass sie selbst Veranstalter der Konzerte sind. Seine Leistungen an den Veranstalter unterliegen als den Konzerten vergleichbare Leistungen dem ermäßigten Steuersatz (Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG, Rn. 41). Dies ist zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch unstreitig gestellt worden.
313. Entgegen der Auffassung des Klägers unterfallen die streitigen Umsätze auch nicht der Regelung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.
32a) Begünstigt werden hiernach u.a. die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Satz 2 UrhG). Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen (vgl. BFH, Urteil vom 25.11.2004 – V R 25/04, V R 26/04, BStBl II 2005, 419).
33Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG setzt voraus, dass der Rechteinhaber dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung sein (BFH, Urteil vom 25.11.2004 – V R 4/04, BStBl II 2005, 415, m.w.N.).
34Nach ständiger Rechtsprechung ist jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (siehe zum Ganzen z.B. BFH-Urteile vom 30.06.2011, V R 44/10, BStBl II 2011, 1003; vom 21.10.2009, V R 8/08, BFH/NV 2010, 476; vom 15.01.2009, V R 9/06, BFH/NV 2009, 863, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung)
35Ob die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte Hauptbestandteil einer einheitlichen Gesamtleistung ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach dem Inhalt der Vereinbarungen und im Zusammenhang damit, wofür die Gegenleistung erbracht wird (vgl. BFH, Urteil vom 14.02.1974, V R 129/70, BStBl II 1974, 261, 262; vom 7.10.1987, X R 21/80, BFH/NV 1989, 608). Deshalb reicht es nicht aus, wenn im Rahmen eines Umsatzes auch Rechte nach dem Urheberrecht übertragen werden, wenn dies nicht der Schwerpunkt des umsatzsteuerbaren Vorgangs ist (BFH, Urteil vom 3.12.2015, V R 61/14, BStBl II 2020, 797, mit Hinweis auf BFH, Urteil vom 21.10.2009, V R 8/08, BFH/NV 2010, 476; Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.02.2021, 5 K 268/20 U, AO, EFG 2021, 888; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2017, 5 K 5052/15, EFG 2017, 958; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 18.07.2017, 4 K 64/16, EFG 2018, 155). Ist der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs auf die Anwendung der Software o.ä. durch den Leistungsempfänger gerichtet, unterliegt der Umsatz daher dem regelmäßigen Steuersatz (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.2004, V R 25/04, V R 26/04, BStBl II 2005, 419 zu einer Bankensoftware; BFH-Beschluss vom 24.08.2000, V B 87/00, BFH/NV 2001, 213, zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch BFH-Urteil vom 13.03.1997, V R 13/96, BStBl II 1997, 372, zur Veräußerung von Standardsoftware; FG Hamburg, Urteil vom 22.05.1997, II 209/94, EFG 1997, 1557; FG Köln, Urteil vom 19.05.1999, 4 K 1135/96, EFG 1999, 1159). Hiervon ist auszugehen, wenn sich aus der Art der Leistung und aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich der Leistungsempfänger die Benutzung des z.B. für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms gesichert hat und der Leistende dem Leistungsempfänger die Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet hat, diese aber objektiv nicht erstrebt ist.
36b) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erbringt der Kläger mit der Überlassung der streitgegenständlichen Video-Lernkurse, Webinar-Reihen, Computerprogramme und Handbüchern sowie Notenbüchern etc. gegenüber seinen Kunden jeweils Leistungen, deren Schwerpunkt nicht in einer (ermäßigt zu besteuernden) Übertragung der Nutzungsrechte lag.
37aa. Die Klaviervideos und Handbücher etc. und die insoweit dem Kläger zustehenden Nutzungsrechte, welche er jeweils bei Vertragsabschluss auf der Grundlage seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen an seine Kunden übertragen hat, fallen unter das Urheberrechtsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6, §§ 73 ff. sowie § 15 ff. UrhG).
38bb. Der Kläger erbringt gegenüber seinen Kunden jeweils einheitliche Leistungen. Sie umfassen, je nach Vertrag mit dem Kunden bzw. je nach bestelltem Produkt im Einzelnen variierend, die Überlassung und Nutzung der Videos, Computerprogramme, Handbücher etc. und jeweils die Übertragung der Nutzungsrechte hieran. Die einzelnen Elemente greifen ineinander und betreffen aus Sicht eines Durchschnittskunden den einheitlichen Prozess der zur Verfügungstellung der bestellten Klavierkurse o.ä. Die einzelnen Elemente bilden nach außen hin eine zusammenhängende Leistung, die vom Kläger grundsätzlich als Paket angeboten und von den Kunden als Paket nachgefragt wird. Eine Aufspaltung des Pakets in die Überlassung des Produkts an sich und die Übertragung des Nutzungsrechts hieran wäre vorliegend wirklichkeitsfremd. Der Kläger vereinbart mit seinen Kunden auch nur ein einheitliches Entgelt für die jeweilige Gesamtheit der Einzelleistungen. Auf seiner Homepage bietet er die Zuverfügungstellung/Download und die Übertragung der Nutzungsrechte auch als Paket an.
39cc. Der Schwerpunkt der einheitlichen Leistungen des Klägers liegt in der Gewährung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Produkte zum Erlernen oder Verbessern des eigenen Klavierspiels. Offensichtlich bezweckt und gestattet ist die Nutzung der Produkte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch. Da das Produkt ohne Übertragung der Nutzungsrechte für die Kunden nutzlos wäre, hat der Kläger den automatischen Übergang der urheberrechtlichen Nutzungsrechte mit Vertragsabschluss bereits in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt. Auch wenn der Kläger die Verwertung durch Vervielfältigung und Weiterverkauf in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht explizit ausgeschlossen hat, ist die Vervielfältigung und Verbreitung durch die Kunden objektiv nicht erstrebt – weder vom Kläger, der seine Produkte nur selbst verkaufen möchte, noch regelmäßig vom Kunden, der sein eigenes Klavierspielen erlernen oder verbessern möchte. Diese Wertung entspricht auch den auf der Website des Klägers befindlichen Kommentaren. Der Übertragung der Nutzungsrechte kommt deshalb im Vergleich zur Überlassung der Videos o.ä. aus Sicht des Senates als Nebenleistung eine nur untergeordnete Bedeutung zu.
404. Die Umsatzsteuer war aus den Bruttoumsätzen herauszurechnen und nicht aufzuschlagen. Denn die Preise des Klägers beinhalteten ausweislich seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits jeweils die gesetzliche Umsatzsteuer. Auch für die Klavierbegleitung des Chors hatte er Bruttobeträge vereinbart.
41Der Kläger hatte die streitigen Umsätze in Höhe von xxx € zzgl. xxx € Umsatzsteuer erklärt, so dass sich Bruttoumsätze in Höhe von xxx € ergeben. Hiervon unterfallen hinsichtlich der Klavierbegleitung des Chors Z brutto xxx € dem ermäßigten Steuersatz, so dass sich diesbezüglich eine herausgerechnete Umsatzsteuer von xxx € ergibt. Die herauszurechnende Umsatzsteuer auf die verbleibenden, zu 19% zu besteuernden Bruttoumsätze in Höhe von xxx € beträgt xxx €. Hiernach ergibt sich die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer um xxx € auf eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von xxx €.
42II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.