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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) als Grundlagenbescheid über eine Steuerbefreiung entschieden wurde und ob deshalb im streitgegenständlichen Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid zu Recht Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde. Zum anderen streiten sie über eine diesbezügliche Billigkeitsregelung.
2Der Kläger, ein Kirchenkreis in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, war zunächst zu 50 % an der Evangelisches Kinderheim – Jugendhilfe I-Stadt und X-Stadt – gemeinnützige GmbH (im Folgenden: gGmbH) mit Sitz und Geschäftsleitung in I-Stadt beteiligt. Die gGmbH war und ist Eigentümerin bzw. Erbbauberechtigte mehrerer Grundstücke, die ganz überwiegend im Gebiet der Stadt I-Stadt und im Übrigen in D-Stadt und M-Stadt liegen. Der damalige Mitgesellschafter des Klägers, ein eingetragener Verein (im Folgenden: Verein), übertrug (nach seiner Auflösung und vertreten durch die Nachtragsliquidatoren) seinen 50 %-Anteil an der gGmbH mit Vertrag über die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils vom 13.03.2013 (UR-Nr. xxx des Notars C., I-Stadt) auf den Kläger. Der Kläger war nicht Mitglied des Vereins.
3Im Vertrag heißt es in § 3:
4„Der Veräußerer tritt den Vertragsgegenstand mit sofortiger dinglicher Wirkung an den dies annehmenden Erwerber ab. Die Übertragung erfolgt in Folge der Auflösung des Veräußerers und in Auslegung des Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 27.02.2002 in Verbindung mit den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vom 25.10.2008 und vom 06.11.2008. Nach den vorgenannten Beschlüssen ist das Grundvermögen (Vermögen) auf den Erwerber zu übertragen.“
5In der Satzung des Vereins heißt es in § 8: Bei Auflösung […] ist das Vereinsvermögen für steuerbegünstigte (diakonische) Nachfolgezwecke in X-Stadt zu verwenden.
6Der Erwerbsvorgang wurde dem Beklagten am 26.03.2013 durch den Notar und am 27.03.2013 durch den Kläger angezeigt. Im Vertrag hieß es, dieser bedürfe der Genehmigung durch die Landeskirche in C-Stadt. Die Genehmigung wurde am 18.04.2013 erteilt. Der Notar teilte auf Nachfrage am 21.05.2013 mit, der Vertrag sei am 06.05.2013 rechtswirksam geworden. Der Kläger übersandte am 31.05.2013 eine Ausfertigung der Genehmigung vom 19.04.2013 in beglaubigter Kopie. Mit Schreiben vom 13.08.2013 hörte der Beklagte den Kläger an. In dem Schreiben heißt es: „Die Abtretung des Geschäftsanteils, durch die alle Anteile in Ihrer Hand vereinigt werden, unterliegt hinsichtlich des Grundbesitzes der Ev. Kinderheim und Jugendhilfe I-Stadt und X-Stadt gGmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage sind die noch festzustellenden Grundbesitzwerte i.S. des § 138 Abs. 2 bis 4 Bewertungsgesetz (BewG) anzusetzen. In Kürze werden Ihnen die Erklärungsvordrucke für die entsprechenden Feststellungen zugesandt. Ich gebe Ihnen vorab Gelegenheit zu einer Stellungnahme (rechtliches Gehör).“ In einem Telefonat, dessen Inhalt handschriftlich auf der Verfügung zu diesem Schreiben vermerkt ist, teilte Herr I., der in den Schreiben des Klägers als Ansprechpartner aufgeführt wurde, dem Beklagten telefonisch mit, er habe mit einer Grunderwerbsteuerpflicht gerechnet. Der Beklagte erläuterte ihm ausweislich des Vermerks „den weiteren Ablauf (ges. Feststellung etc.)“.
7Am 25.09.2013 erging ein Feststellungsbescheid über Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auf den 13.03.2013. Die Feststellung wurde laut den Ankreuzungen auf dem Bescheidformular getroffen, weil es sich um einen Anteilsübertragungsvertrag handelte, der sich auf mehrere Grundstücke bezog, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter lag, sowie weil es sich um eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG handelte. Der Bescheid wurde nicht angefochten. Nach Erlass des Bescheids fiel dem Beklagten (im Jahr 2014) auf, dass einige Grundstücke nicht erfasst worden waren. Nachdem der Kläger eine ergänzte Grundstücksliste übermittelt hatte, erging am 07.10.2014 ein nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderter Feststellungsbescheid, der Feststellungen auch zu diesen weiteren Grundstücken traf. Auch dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
8Beide Bescheide enthielten als Anlage (die im Bescheid und in der Anlage selbst als Bestandteil des Bescheids bezeichnet wird) ein mehrseitiges, ausgefülltes, tabellenförmiges Formular. In der Fußzeile wird dieses bezeichnet mit „Gesonderte Feststellung – Anlage gem. § 17 GrEStG 1983“. Die Zeilen der Tabelle enthielten die jeweiligen Grundstücke/Erbbaurechte. Die Spalten trugen folgende Überschriften:
9Spalte 1: Laufende Nummer
10Spalte 2: Bezeichnung des Grundstücks o. Grundstücksteils
11Spalte 3: Gegenleistung/Wert des Grundstücks/EUR
12Spalte 4: Steuerbegünstigt (von Spalte 3) nach § _ GrEStG
13Spalte 5: Steuerbegünstigt (von Spalte 3)/EUR
14Spalte 6: Der Besteuerung zugrunde zu legen/EUR
15Spalte 7: Zuständiges Finanzamt
16Die Spalten 3 bis 5 waren auf jeder Seite von der untersten Zeile in Spalte 3 bis zur obersten Zeile in Spalte 5 (ohne Überschriftszeile) durchgestrichen. In Spalte 6 war in der jeweils ersten Zeile des jeweiligen Tabellenblatt eingetragen „Grundstückswert nach § 138 Abs. 2-4 BewG“ und in den folgenden Zeilen „w.v.“ In Spalte 7 wurde das Finanzamt (mit seinem Sitz) bezeichnet. Für weitere Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen.
17Für die in der Stadt I-Stadt belegenen wirtschaftlichen Einheiten erließ der Beklagte am 19.12.2017 Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf den 13.03.2013. Die kumulierten Werte betrugen 9.003.661 EUR. Die Bescheide wurden nicht angefochten.
18Am 23.01.2018 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid über Grunderwerbsteuer in Höhe von 450.183 EUR. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 02.02.2018 Einspruch ein und führte zur Begründung aus: Die Übertragung stelle eine Anteilsvereinigung dar. Diese sei aber nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Übertragung sei unentgeltlich und mit dem Willen zur Freigebigkeit erfolgt. Insbesondere stehe der Freigebigkeit keine satzungsmäßige Anfallsberechtigung entgegen; dies ergebe sich aus § 8 der Vereinsatzung. Mit Blick auf die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte vom 19.12.2017 hieß es im Einspruch, diese beträfen nur „die Feststellung der Höhe der Grunderwerbsteuer“ und enthielten keine Regelung zur Steuerfreiheit des Vorgangs. Im Einspruchsverfahren stimmte der Beklagte dem Kläger zu, dass in den Grundbesitzwertfeststellungsbescheiden keine Entscheidung über Steuerbefreiungen getroffen worden sei, wies aber darauf hin, dass eine Entscheidung über die Grunderwerbsteuerbefreiung in den Bescheiden vom 25.09.2013 und 07.10.2014 getroffen worden sei. Der Kläger nahm dazu nicht mehr Stellung.
19Mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 wurde der Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt: Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid könnten nur durch Anfechtung des Grundlagenbescheids, nicht des Folgebescheids angegriffen werden. In den Bescheiden vom 25.09.2013 und vom 07.10.2014 sei über das Vorliegen einer Steuerbefreiung dem Grunde und der Höhe nach entschieden worden. Diese Bescheide seien bestandskräftig geworden.
20Mit der am 10.10.2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
21Bereits am 05.07.2018 – während des Einspruchsverfahrens gegen den Grunderwerbsteuerbescheid – stellte der Kläger einen Antrag nach §§ 163, 227 AO wegen Unbilligkeit und führte aus:
22- Offensichtlich und eindeutig unrichtige Festsetzungen seien im Billigkeitsverfahren sachlich zu überprüfen, wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren, sofern die Unrichtigkeit des Bescheides nicht auf ein nachlässiges Verhalten des Steuerpflichtigen zurückzuführen sei. Unbilligkeit liege vor, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes unvereinbar erscheine, wenn also der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfülle, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufe.
23- Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen treffe Regelungen über die Zuständigkeiten der Finanzämter. Auch könnten die Steuerschuldnerschaft, die Bemessungsgrundlage, deren Aufteilung im Verhältnis der einzelnen Grundstücke oder auch die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs gesondert festgestellt werden. Es sei aber für ihn, den Kläger, nicht ersichtlich gewesen, dass im Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 solche weiteren Feststellungen getroffen worden seien. Denn in den Bescheiden heiße es: „Das für die Steuerfestsetzung jeweils zuständige Finanzamt wird die Feststellung des Grundstückswerts veranlassen und der Festsetzung zu Grunde legen.“
24- Es sei zu berücksichtigen, dass er, der Kläger, bei Bekanntgabe der Feststellungsbescheide steuerlich nicht beraten gewesen sei. Aufgrund der genannten Passage sei er davon ausgegangen, dass mit den Feststellungsbescheiden nur eine Zuständigkeitsentscheidung getroffen worden sei. Dieses Verständnis sei durch das Durchstreichen der Spalten 3, 4 und 5 in der Anlage zum Bescheid gestützt worden. Diese Streichung habe er, der Kläger, dahingehend verstanden, dass keine Regelung zur Frage der Steuerpflicht des Vorgangs habe getroffen werden sollen. Die Spalten 4 und 5 seien missverständlich, da diese augenscheinlich nur dann auszufüllen seien, wenn eine Gegenleistung oder der Wert des Grundstücks in Spalte 3 erfasst würden. Ihm, dem Kläger, sei dadurch der Eindruck vermittelt worden, dass erst mit der Feststellung des Grundstückswertes eine Entscheidung auch über die Steuervergünstigung getroffen werde. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren.
25- Die Verletzung der Grundsätze von Treu und Glauben gestatte eine Berücksichtigung von Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren. Für den Beklagten habe Anlass bestanden, ihn, den Kläger, auf eine nicht beantragte, aber naheliegende Steuerbefreiuung aufmerksam zu machen. Der Beklagte hätte im vorliegenden Fall erkennen müssen, dass die Beteiligten der Anteilsabtretung allesamt steuerbegünstigte Körperschaften seien.
26- Aus Vereinfachungsgründen hätte das Finanzamt nach § 17 Abs. 4 GrEStG von einer gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen absehen können, da der Vorgang ohnehin steuerfrei gewesen sei. Diese Prüfung sei vom Finanzamt nicht vorgenommen worden.
27- Des Weiteren sei eine sachliche Unbilligkeit gegeben, wenn die festgesetzte Steuer einer Verwaltungsübung widerspreche und der Steuerpflichtige dadurch nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile erlitten habe, die ohne das Verhalten der Behörde nicht eingetreten wären. Hätte das Finanzamt die Prüfung nach § 17 Abs. 4 GrEStG vorgenommen, wäre die Steuerfreiheit des Vorgangs erkannt worden. Der wirtschaftliche Nachteil in Höhe von 450.183 EUR wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Höhe nicht eingetreten.
28Der Antrag wurde mit Bescheid vom 06.09.2018 abgelehnt. Zur Begründung führte der Beklagte aus:
29- Die Feststellung, dass der Vorgang nicht steuerfrei sei, sei jedenfalls nicht offenkundig und eindeutig unrichtig. Ohne rechtliche Prüfung könne darüber nicht entschieden werden.
30- Ein Fall des § 17 Abs. 4 GrEStG liege nicht vor, weil eine eventuelle Befreiung gerade nicht sofort erkennbar, klar und eindeutig gewesen sei. Bei Befreiungen nach § 3 Nr. 2 Satz 2, Nr. 3, Nr. 8 GrEStG und nach den §§ 5-7 GrEStG sei stets eine Feststellung durchzuführen (Hinweis auf GrESt-Kartei NW § 17 Karte 2).
31- Zudem sei dem Kläger die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 13.08.2013 rechtliches Gehör gewährt worden. Herr I. habe als Vertreter überdies telefonisch mitgeteilt, mit einer Steuerpflicht gerechnet zu haben.
32- In den Feststellungsbescheiden sei darauf hingewiesen worden, dass ein auf diesem Feststellungsbescheid beruhender Grunderwerbsteuerbescheid nicht mit der Begründung angefochten werden könne, dass die in dem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen unzutreffend seien. Einwendungen gegen diese Feststellungen könnten nur durch Einspruch gegen diesen Feststellungsbescheid innerhalb der Rechtsbehelfsfrist geltend gemacht werden.
33- Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, inwieweit der Feststellungsbeschied missverständlich sei. Die Spalten 3 bis 5 seien gestrichen und eine Steuerbegünstigung danach nicht vorgesehen. Nach Spalte 6 habe der Grundstückswert im Sinne des § 138 Abs. 2-4 BewG der Besteuerung zugrunde gelegt werden sollen.
34Am 17.09.2018 erhob der Kläger Einspruch gegen die Ablehnung des Billigkeitsantrags und verwies auf die Begründung seines Erlassantrags. Der Einspruch gegen den Bescheid über die Ablehnung des Billigkeitsantrags wurde mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde wie folgt begründet:
35- Das Steuerrecht gehe davon aus, dass es Sache des Steuerpflichtigen sei, seine Rechte und Interessen durch fristgerechte Einlegung von Rechtsbehelfen selbst zu wahren. Mangelnde Rechtskenntnisse stellten keinen Umstand dar, um wegen sachlicher Unbilligkeit von einem bestandskräftigen Bescheid abzuweichen. Der Gesetzgeber habe – im Bewusstsein, dass die breite Mehrheit keine steuerrechtliche Vorbildung besitze – das Risiko einer nicht fristgerechten Rechtsbehelfseinlegung dem Steuerpflichtigen auferlegt. Der Kläger könne sich also auf fehlende rechtliche Beratung nicht berufen, sondern hätte seine fehlenden Rechtskenntnisse zum Anlass nehmen müssen, sich steuerlich beraten oder vertreten zu lassen.
36- Der Verzicht auf einen Rechtsbehelf sei auch nicht durch eine fehlerhafte Belehrung des Finanzamts verursacht worden. Die Darlegung des materiellen Standpunkts des Finanzamts, selbst wenn er fehlerhaft gewesen sein sollte, stelle keine fehlerhafte Belehrung dar. Denn das Finanzamt könne dem Steuerpflichtigen gegenüber nur die Ansicht vertreten, die es selbst im Zeitpunkt der Feststellung gehabt habe. Der Steuerpflichtige habe diese Rechtsauffassung kritisch nachzuprüfen.
37- Die Feststellungsbescheide seien auch hinreichend bestimmt. Es sei durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu ermitteln, ob der betreffende Erwerbsvorgang hinreichend bestimmt bezeichnet sei. Entscheidend sei der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben habe verstehen können. Es sei nicht allein auf den Tenor des Bescheids abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung. Die Feststellungsbescheide ließen bei sachgerechter Auslegung hinreichend deutlich erkennen, dass besteuerter Sachverhalt die Übertragung des Geschäftsanteils an der gGmbH gewesen sei, zumal ausdrücklich auf den maßgeblichen Übertragungsvertrag hingewiesen worden sei. Die Anlage zum Feststellungsbescheid lasse zudem unzweifelhaft erkennen, dass eine Freistellung nicht gewährt worden sei. Der Aufbau und die inhaltliche Darstellung des Bescheids seien so eindeutig, dass der vom Kläger dargestellte Eindruck nicht haben entstehen können.
38Gegen den Ablehnungsbescheid vom 06.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 hat der Kläger am 24.12.2018, einem Montag, Klage erhoben. Die Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen 8 K 3945/18 geführt worden ist, ist mit Beschluss vom 21.12.2020 mit dem hiesigen Klageverfahren verbunden worden.
39Der Kläger trägt zur Begründung der gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichteten Klage vor:
40- Die Feststellungsbescheide vom 25.09.2013 und vom 10.10.2014 seien nicht hinreichend bestimmt. Es sei für ihn, den Kläger, nicht ersichtlich gewesen, dass diese Bescheide eine Regelung über die Verteilung der Zuständigkeiten hinaus haben treffen sollen. So ergebe sich etwa aus dem Hinweis auf der zweiten Seite der Bescheide, dass die für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzämter die Feststellung des Grundstückswerts veranlassen und der Festsetzung zu Grunde legen würden, dass nur eine Regelung zur Zuständigkeit habe getroffen werden sollen.
41- Der Tenor treffe lediglich eine Aussage zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Soweit der Bescheid in seiner Begründung, aber eben nicht im Tenor dennoch weitere Ausführungen zu einer angeblichen Steuerbelastung bzw. Versagung einer Steuerbefreiung treffe, sei er in sich widersprüchlich, mindestens aber mehrdeutig und mithin auslegungsbedürftig.
42- Die Auslegung habe derart zu erfolgen, dass die ihn, den Kläger, am geringsten belastende Auslegungsvariante vorzuziehen sei. Dabei sei auch die Anlage als Bestandteil des Bescheids heranzuziehen. Es sei auf den objektiven Empfängerhorizont des Erklärungsempfängers abzustellen. Aufgrund der Streichung in der Anlage zum Bescheid und der Tatsache, dass keine Beträge genannt worden seien, habe er, der Kläger, davon ausgehen müssen, dass in dem Grundlagenbescheid noch keine Regelungen über die Steuerpflicht der Anteilsvereinigung getroffen worden seien.
43- Dieser Eindruck werde dadurch verstärkt, dass die Spalten 3 bis 5 in der Anlage zum Feststellungsbescheid mit den Spaltenüberschriften „Gegenleistung/Wert des Grundstücks/EUR“, „Steuerbegünstigt (von Spalte 3) nach § _ GrEStG“ und „Steuerbegünstigt (von Spalte 3)/EUR“ durchgestrichen worden seien. Da es in Spalte 4 und 5 außerdem „Steuerbegünstigt (von Spalte 3)“ heiße, erwarte der Adressat, dass diese Spalten nur ausgefüllt würden, wenn Spalte 3 ausgefüllt werde.
44- Mangels Bestimmtheit des Grundlagenbescheids entfalte dieser keine Bindungswirkung, weshalb im angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid über die Steuerbefreiung hätte entschieden werden müssen.
45Nach einem dahingehenden Hinweis des Berichterstatters ergänzt der Kläger:
46- Die Festsetzungsfrist sei abgelaufen. Die Festsetzungsfrist werde auch durch eine teilweise unvollständige oder unrichtige Erklärung in Gang gesetzt. Etwas anderes gelte nur, wenn eine Erklärung derart lückenhaft sei, dass dies praktisch einem Nichteinreichen der Erklärung gleichkomme. Sowohl der Notar als auch der Kläger selbst hätten im Jahr 2013 eine Anzeige mit Angaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG eingereicht. Die „nacherklärten“ Grundstücke seien auf Anforderung des Beklagten angezeigt worden; dies zeige, dass die unvollständigen Anzeigen im Jahr 2013 eine Bearbeitung des Steuerfalles bereits ermöglicht hätten. Daher habe die Festsetzungsfrist am 31.12.2017 geendet. § 171 Abs. 10 AO komme nicht zur Anwendung, weil sowohl die reguläre Festsetzungsfrist (mit Ablauf des 31.12.2017) als auch die Frist zur Umsetzung der Feststellungsbescheide vom 25.09.2013 und 07.10.2014 (am 07.10.2016) abgelaufen gewesen sei. Daher sei es nicht zu einer (weiteren) Ablaufhemmung durch den Erlass der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte vom 19.12.2017 gekommen.
47Zur Begründung des auf eine Billigkeitsentscheidung gerichteten Klageantrags wiederholt der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. In der Klagebegründung zur begehrten Billigkeitsentscheidung macht der Kläger ergänzend unter der Überschrift „Persönliche Unbilligkeit“ Ausführungen zur Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen.
48Nach Aufforderung des Berichterstatters ergänzt er dies wie folgt: Im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Bewertung der klagegegenständlichen Anteilsvereinigung habe der Beklagte ihm, dem Kläger, mitgeteilt, dass es auch auf Seiten der Finanzverwaltung zunächst Unklarheiten hinsichtlich des Vorgehens gegeben habe. Es sei erforderlich gewesen, dass sich die beteiligten Finanzämter über die jeweiligen Zuständigkeiten einigten. Dieser Umstand verdeutliche, dass ihm, dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt steuerlich nicht beraten gewesen sei, die Einlegung eines Einspruchs nicht möglich und zumutbar gewesen sei. Dazu hätte er den Feststellungsbescheid so verstehen müssen, dass darin bereits über die Grunderwerbsteuerpflicht der Anteilsvereinigung entschieden werden sollte. Aufgrund der im Vorhinein getätigten Aussage des Beklagten, dass die Zuständigkeit geklärt werden müsse, habe er, der Kläger, annehmen müssen, dass der Feststellungsbescheid lediglich die erfolgte Einigung hinsichtlich der Zuständigkeiten regele.
49Der Kläger beantragt sinngemäß,
501. den Bescheid über die Festsetzung von Grunderwerbsteuer vom 23.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 aufzuheben;
2. a) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 zu verpflichten, aus Billigkeitsgründen die mit Bescheid vom 23.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 festgesetzte Grunderwerbsteuer abweichend auf 0 EUR festzusetzen, diese Steuer zu erlassen oder die im Feststellungsbescheid vom 23.09.2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 07.10.2014 getroffene Feststellung zur Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs aus Billigkeitsgründen abweichend auf 0 % festzustellen;
b) hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 zu verpflichten, über den Billigkeitsantrag vom 05.07.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden;
543. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
57die Klage abzuweisen.
58Mit Blick auf das Verfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid verweist er auf seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus:
59Die Festsetzungsfrist sei noch nicht abgelaufen. Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG sei Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und den Grunderwerbsteuerbescheid. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke sei zudem (bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid. Die Grundbesitzwertfeststellungen seien am 19.12.2017 noch nicht verjährt gewesen, da deren Feststellungsfrist frühestens mit Ablauf des 31.12.2017 abgelaufen sei. Demzufolge habe gemäß § 171 Abs. 10 AO die Grunderwerbsteuer noch bis zum Ablauf des 19.12.2019 festgesetzt werden können.
60Auch zum Billigkeitsantrag nimmt der Beklagte auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug. Er wiederholt insbesondere seinen Hinweis auf das Anhörungsschreiben vom 13.08.2013 und den handschriftlichen Vermerk der Sachbearbeiterin. Im Anhörungsschreiben werde ausdrücklich ausgeführt, dass die Abtretung des Geschäftsanteils der Grunderwerbsteuer unterliege und als Bemessungsgrundlage die noch festzustellenden Grundbesitzwerte anzusetzen seien. In dem Gesprächsvermerk habe die Bearbeiterin zudem festgehalten, dass Herr I., der seitens des Klägers angerufen habe, auch mit einer Grunderwerbsteuerpflicht gerechnet habe und dass ihm der weitere Verfahrensablauf erläutert worden sei.
61Der Feststellungsbescheid sei eindeutig. Insbesondere heiße es in Spalte 6 mit der Überschrift „Der Besteuerung zugrunde zu legen": „Grundstückswert i.S. des § 138 Abs. 2-4 BewG". Er sei auch mehrfach auf das Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid hingewiesen worden. Klarer und eindeutiger könne man es nicht zum Ausdruck bringen. Der Feststellungsbescheid sei trotzdem nicht angefochten worden.
62Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass bei einem Fehlen der Entscheidung über die Steuerfreiheit im Grundlagenbescheid auch der Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO in Betracht komme. Ein Anfang 2019 gestellter Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids wurde vom Beklagten abgelehnt. Das dagegen anhängige Einspruchsverfahren wurde mit Blick auf das hiesigen Klageverfahren ruhend gestellt.
63Der Berichterstatter hat die Sache (pandemiebedingt) im Wege der Telefonkonferenz mit den Beteiligten erörtert. Auf den Vermerk vom 09.11.2020 wird Bezug genommen.
64Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Auch die auf eine Billigkeitsregelung gerichtete Klage hat keinen Erfolg; der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung oder eine abweichende Feststellung oder den Erlass der Steuer noch auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 101 FGO.
66Dem am 23.01.2018 erlassenen Bescheid stand nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Die Festsetzungsverjährung endete nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Grundbesitzwertfeststellungsbescheide vom 19.12.2017.
67Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt frühestens mit Ablauf des Jahres der Steuerentstehung, § 170 Abs. 1 AO. Ist eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG ist gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine Steuererklärung im Sinne der AO. Die Anzeigen müssen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Bezeichnung des Grundstücks enthalten. Eine Anzeige nach § 19 GrEStG beendet die Anlaufhemmung jedenfalls dann nicht, wenn ihr die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben vollständig fehlen (BFH, Beschluss vom 17.08.2009, II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970). Entscheidend für den späteren Fristbeginn ist, ob durch eine unvollständige Angabe die Bearbeitungszeit der Behörde verkürzt wird.
68Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2013 oder (jedenfalls hinsichtlich der Grundstücke, die der Kläger erst im Jahr 2014 bezeichnet hat) erst mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen hat. Denn selbst unter der Annahme, dass die Festsetzungsfrist schon mit der unvollständigen Erklärung im Jahr 2013 (teilweise) in Gang gesetzt worden wäre, wäre jedenfalls der nach der regelmäßigen Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) zum Ende des Jahres 2017 eintretende Fristablauf durch den Erlass der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 19.12.2017 gehemmt worden. Nach § 171 Abs. 10 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
69Der streitgegenständliche Grunderwerbsteuerbescheid beruht auf mehreren Grundlagenbescheiden, nämlich den Feststellungsbescheiden vom 25.09.2013 bzw. 07.10.2014 und den Bescheiden über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 19.12.2017. Auch die Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert lösen die Ablaufhemmung aus (so ausdrücklich Hofmann, GrEStG, vor § 15 Rn. 18; offengelassen in BFH, Urteil vom 15.03.2017, II R 36/15, BStBl II 2017, 1215). Dafür spricht Folgendes:
70- Der Erlass der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte erfüllt dem Wortlaut des § 171 Abs. 10 AO nach die Voraussetzungen für eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist. Insbesondere ist die Hemmung nicht dadurch eingeschränkt, dass nach § 171 Abs. 10 AO die Hemmung nur soweit eintritt, wie der Grundlagenbescheid bindend ist. Daraus lässt sich nicht schließen, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nur mit Blick auf die Bemessungsgrundlage gehemmt wäre. Der Begriff „soweit“ ist nicht so zu verstehen, dass er eine Umsetzung von Grundlagenbescheiden nur insoweit zulässt, als im Folgebescheid abweichende Regelungen getroffen wurden (etwa im Fall eines Feststellungsbescheids über den Grundbesitzwert, der nach Erlass eines Grunderwerbsteuerbescheids mit geschätzten Grundbesitzwerten ergeht). Vielmehr endet die Festsetzungsfrist auch insoweit nicht, als andere Regelungen, die Gegenstand des Folgebescheids sind, dort erstmals getroffen werden. Das „soweit“ beschränkt die „Breite“ der Ablaufhemmung, hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist also nicht mit Blick auf Regelungen im Folgebescheid, die nicht in Zusammenhang mit den Regelungen des Grundlagenbescheids stehen (die Festsetzungsfrist läuft also beispielsweise ab mit Blick auf Grundstücke, die nicht Gegenstand des Feststellungsbescheids über den Grundbesitzwert sind). Das „soweit“ beschränkt aber nicht die „Tiefe“ der Ablaufhemmung, lässt also Regelungen im Folgebescheid zu, die zur Umsetzung des Grundlagenbescheids getroffen werden müssen. Dies bezieht im Streitfall die Umsetzung der Feststellungsbescheide vom 25.09.2013/07.10.2014 als weitere Grundlagenbescheide mit ein.
71- Die entspricht auch der gesetzlichen Systematik und dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 10 AO. § 171 Abs. 10 AO flankiert § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wonach ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. In der Alternative „erlassen“ kommt zum Ausdruck, dass § 171 Abs. 10 AO der Verwaltung eine Frist zur Umsetzung von Grundlagenbescheiden einräumen will, die nicht auf die Änderung bereits ergangener Bescheide beschränkt ist. Die Finanzverwaltung ist vor Erlass eines Grundlagenbescheids zwar nach § 155 Abs. 2 AO berechtigt, nicht aber verpflichtet, einen Folgebescheid auf Basis einer Schätzung zu erlassen.
72- Es muss nicht geprüft werden, ob die Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert ihrerseits rechtmäßig sind, weil die Zweijahresfrist des § 171 Abs. 10 AO auch durch einen rechtswidrigen Grundlagenbescheid ausgelöst wird, wenn und solange dieser bindend ist (BFH, Beschluss vom 07.06.2006, II B 129/05, BFH/NV 2006, 1616; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rn. 197; a.A. Cöster in Koenig, AO, § 171 Rn. 146). Mit Blick auf den Stichtag, auf den die Werte festgestellt wurden (13.03.2013), ist dieser bindend durch den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 23.09.2013/07.10.2014 festgestellt.
73Der Grunderwerbsteuerbescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig. Er setzt die bindenden Feststellungen des Feststellungsbescheids und der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer zutreffend um.
74- Sämtliche Grundlagenbescheide sind dem Kläger bekannt gegeben worden.
75- Sie sind auch (mangels Anfechtung endgültig) bindend für den Grunderwerbsteuerbescheid. Nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Nach § 179 Abs. 1 AO werden abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der Abgabenordnung oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Rechtsgrundlage für den Erlass des Feststellungsbescheids vom 25.09.2013/07.10.2014 ist § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Danach werden die Besteuerungsgrundlagen unter anderem in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück betroffen wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
76Mit dem (nach erteilter Genehmigung wirksamen) Anteilsabtretungsvertrag wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Steuer, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 %der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. Dies war der Fall: Zum Vermögen der gGmbH gehören mehrere inländische Grundstücke. Durch den Vertrag über die Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils vom 13.03.2013 erwarb der Kläger einen Anspruch auf die Übertragung dieses Anteils, wobei nach der Übertragung 100 % der Anteile in seiner Hand vereinigt würden. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG kommt nicht in Betracht, weil die gGmbH keine Personengesellschaft ist.
77Die Geschäftsleitung der gGmbH ist in I-Stadt und somit im Bezirk des Beklagten (§ 2 Abs. 3 Nr. 25 der Finanzamtszuständigkeitsverordnung NRW).
78Die gGmbH verfügt auch über Grundbesitz außerhalb der Stadt I-Stadt (des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten).
79§ 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG geht, wie § 17 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zeigt, § 17 Abs. 2 GrEStG vor (Pahlke, GrEStG, § 17 Rn. 20; Hofmann, GrEStG, § 17 Rn. 11; vgl. BFH, Urteil vom 21.09.2005, II R 33/04, BFH/NV 2006, 609).
80- Rechtsgrundlage für die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 BewG. Danach sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Dies ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG der Fall, wonach die Steuer in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG – mithin wie im Streitfall – nach den Grundbesitzwerten im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen wird.
81Zuständig für die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung ist gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BewG das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt. Dies ist jedes Finanzamt, in dessen Bezirk ein Grundstück liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), im Streitfall also der Beklagte für alle in der Stadt I-Stadt gelegenen Grundstücke.
82Dem Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 151 BewG steht auch nicht entgegen, dass Besteuerungsgrundlagen bereits nach § 17 Abs. 3 GrEStG gesondert festzustellen sind. Denn nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die gesonderte Feststellung nach Abs. 3 nicht die Grundbesitzwerte im Sinne des § 151 Ab. 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 157 Abs. 1 bis 3 BewG aufzunehmen, wenn die Steuer – wie im Streitfall – nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bemessen ist.
83Der Grunderwerbsteuerbescheid setzt insbesondere zutreffend die bindend im Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 festgestellte Besteuerungsgrundlage um, dass die Anteilsübertragung ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist und nicht (etwa nach § 3 Nr. 2 GrEStG) von der Steuer befreit ist. Der Kläger konnte die Feststellungsbescheide nicht so verstehen, dass darin keine Entscheidung über die Steuerfreiheit getroffen werden sollte. Die Bescheide sind insbesondere gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt. Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn er den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt, so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Kann der Regelungsgehalt durch Auslegung nicht hinreichend bestimmt werden, ist der Verwaltungsakt jedenfalls rechtswidrig; wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, kann er auch nach § 125 Abs. 1 AO nichtig sein (BFH, Urteil vom 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Die Frage, welche Feststellungen ein Bescheid enthält und ob ein Feststellungsbescheid lückenhaft ist, d.h. eine notwendig zu treffende Feststellung nicht enthält, ist durch Auslegung dieses Bescheids zu beantworten (BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649). Bei der Auslegung ist entsprechend der §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen, wie der Adressat des Bescheids (Feststellungsbeteiligter) die Erklärungen der Behörde nach den ihm bekannten Umständen sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 11.03.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446; BFH, Urteil vom 11.05.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446; BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649). Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde und müssen, soweit noch möglich, durch Erlass eines Ergänzungsbescheids behoben werden (BFH, Urteil vom 14.07.1993, I R 71/92, BStBl II 1994, 91; BFH, Urteil vom 11.05.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446). Nach dieser Maßgabe regelt der Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 inhaltlich hinreichend bestimmt, dass der Rechtsvorgang nicht steuerfrei ist. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
84- Der Bescheid enthält in Spalte 6 unter der Überschrift „Der Besteuerung zugrunde zu legen“ zu jedem Grundstück die Aussage: „Grundstückswert nach § 138 Abs. 2-4 BewG“ bzw. „w.v.“ für „wie vor“. Dies kann nur so verstanden werden, dass im Festsetzungsbescheid der Grundbesitzwert in voller Höhe, ohne Kürzungen oder Befreiungen, angesetzt werden sollte. Mit dem Verständnis des Klägers – dass keine Feststellung zur Steuerfreiheit getroffen wurde, sondern eine solche dem Folgebescheid vorbehalten bleiben sollte – ist die Eintragung hingegen nicht in Einklang zu bringen. Denn die Regelung, dass der Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll, würde dann gerade nicht umgesetzt, wenn das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt zum Ergebnis käme, dass der Erwerbsvorgang steuerfrei war.
85- Nichts anderes ergibt sich daraus, dass in den Spalten 3 bis 5 die Felder, in denen Eintragungen hätten vorgenommen werden können, durchgestrichen sind. Zwar kann ein Durchstreichen je nach Einzelfall unterschiedlich ausgelegt werden; möglich ist einerseits das Verständnis, dass der Strich für ein Absehen von einer Erklärung (Nicht-Erklärung, „keine Angabe“) steht, und andererseits das Verständnis, dass der Strich für eine Erklärung negativen Inhalts (etwa „0“, „nein“, „nicht gegeben“ oder ähnlich) steht. Im Streitfall kann der Strich jedenfalls vor dem Hintergrund der Eintragung in Spalte 6 nur als Erklärung negativen Inhalts („nicht gegeben“) verstanden werden. Dafür spricht auch, dass nur die Felder, nicht aber die Überschriftszeilen der Spalten gestrichen wurden: (Nur) Wenn die Überschriftszeilen gestrichen worden wären, hätte dies als Nicht-Erklärung verstanden werden können (und müssen).
86- Hinzu kommt, dass eine solche Auslegung auch gerade nach dem Verständnishorizont des Klägers nahelag. Nach Aktenlage ist der Kläger über den Verfahrensablauf informiert worden (Schreiben vom 13.08.2013 und Telefonat zwischen der Sachbearbeiterin des Beklagten und Herrn I. vom 22.08.2013). Zwar ergibt sich aus dem Schreiben und der Telefonnotiz nicht zwingend, dass der Beklagte sich zur Prüfung einer Steuerfreiheit gerade im Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid berufen fühlte. Dem Kläger war aber jedenfalls bekannt, dass es verschiedene Bescheide geben würde, weshalb eine besondere Sorgfalt bei der Auslegung des Bescheids angezeigt war.
87- Überdies spricht bereits die Tatsache an sich, dass die Spalten 4 und 5 des amtlichen Formulars – „Steuerbegünstigt (von Spalte 3) nach § … GrEStG“ und „Steuerbegünstigt (von Spalte 3) EUR“ – Eintragungen zur Steuerfreiheit vorsahen, dafür, dass mit dem Durchstreichen eine inhaltliche Aussage getroffen werden sollte. Wenn ein amtliches Formular Felder enthält, die Eintragungen zur Steuerfreiheit vorsehen, ist zu erwarten, dass mit einer Eintragung durch die Behörde (im Streitfall mit dem Strich) eine Aussage getroffen und nicht von einer im Formular vorgesehen Aussage abgesehen wird. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Spalte 3 des Formulars noch auf der Rechtslage vor Einführung des § 17 Abs. 3a GrEStG beruht, indem diese Spalte einen betragsmäßig (wie das Formular durch die Angabe „EUR“ deutlich macht) zu beziffernden Wert des Grundstücks vorsieht. Nach § 17 Abs. 3a GrEStG ist die Wertfeststellung indes gerade nicht mehr Regelungsgegenstand des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 GrEStG, sondern eines gesonderten Feststellungsbescheids über den Grundbesitzwert. Insofern ist zwar der Strich durch Spalte 3 tatsächlich als Nicht-Erklärung und nicht als Erklärung negativen Inhalts zu verstehen. Hinzu kommt, dass auch die Spalten 5 und 6, soweit sie eine Eintragung in EUR vorsehen, noch auf der überholten Rechtslage beruhen. Allerdings wurde der Kläger sowohl im Bescheid selbst als auch vor Erlass des Feststellungsbescheids mehrfach darauf hingewiesen, dass gesonderte Bescheide über die Feststellung der Grundbesitzwerte ergehen würden. Nach dem Empfängerhorizont war damit hinreichend klargestellt, warum in den Spalten 3, 5 und 6 keine betragsmäßigen Angaben erfolgten. Zudem bleibt es dabei, dass in Spalte 6 eine Bemessungsgrundlage festgestellt wird, was mit dem Auslegungsergebnis des Klägers, der Bescheid sei so zu verstehen, dass die Entscheidung über die Steuerfreiheit erst im Grunderwerbsteuerbescheid getroffen werden solle, nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.
88- Der Vortrag des Klägers, der Beklagte sei selbst unsicher über das Vorgehen gewesen und habe sich mit den beteiligten Finanzämtern über die Zuständigkeiten einigen müssen, ändert an dieser Auslegung nichts. Selbst wenn man annimmt, der Beklagte hätte solche Unsicherheiten über die Zuständigkeiten zum Ausdruck gebracht, durfte der Kläger daraus nicht schließen, dass der Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 sich in der Regelung der Zuständigkeiten erschöpfte. Ansonsten hätten die Eintragungen in Spalte 6 („Der Besteuerung zugrunde zu legen“) keinen Sinn ergeben, weil diese keinen Bezug zur Frage der Zuständigkeit aufweisen.
89- Soweit der Kläger vorträgt, aus dem Bescheid – etwa aus dem Tenor oder Hinweis auf der zweiten Seite der Bescheide, dass die für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzämter die Feststellung des Grundstückswerts veranlassen und der Festsetzung zu Grunde legen würden – ergebe sich, dass nur eine Regelung zur Zuständigkeit habe getroffen werden sollen, ist nicht zu erkennen, woraus sich die Beschränkung auf eine bloße Zuständigkeitsregelung ergeben soll.
90Dass der Feststellungsbescheide vom 25.09.2013/07.10.2014 eine (negative) Regelung zur Steuerfreiheit enthält, entspricht auch der gesetzlichen Vorgabe. Über die Frage, ob Steuerbefreiungsvorschriften eingreifen, ist im Bescheid über gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zu entscheiden. Dies gilt sowohl für Steuerbefreiungen dem Grunde nach als auch für Steuervergünstigungen, die zu einer teilweisen Steuerfreiheit führen. Hierüber besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19, BStBl. II 2020, 344: Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG; BFH, Urteil vom 15.10.2014, II R 14/14, BStBl. II 2015, 405: Steuerbegünstigung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG; Hofmann, GrEStG, § 17 Rn. 17: im Feststellungsbescheid sei stets verbindlich zu entscheiden „über die Frage nach dem Eingreifen einer Steuervergünstigung, also danach, ob der Vorgang nach §§ 3, 4, 6a oder sonstigen Vorschriften steuerfrei ist oder ob und inwieweit die Steuer nach §§ 5 bis 7 nicht zu erheben ist“; Pahlke, GrEStG, § 17 Rn. 33; Wachter in Behrens/Wachter, GrEStG, § 17 Rn. 83). Dies entspricht zudem dem Sinn und Zweck der Vorschrift: Die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG soll das Besteuerungsverfahren vereinfachen, die Entscheidung durch das Finanzamt mit der größten Sachnähe sicherstellen und widersprüchliche Entscheidungen in den (z.T. durch andere Finanzämter) zu erlassenden Grunderwerbsteuerbescheiden vermeiden (BFH, Urteil vom 31.03.2004, II R 54/01, BStBl. II 2004, 658).
91Ob die Feststellung zur Steuerfreiheit im Ergebnis zutreffend war, ist wegen der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 25.09.2013/07.10.2014 nicht von Bedeutung. Die Feststellung, dass keine Steuerbefreiung vorliegt, ist bindend. Der Grunderwerbsteuerbescheid weicht schließlich auch nicht von den in den Bescheiden vom 19.12.2017 bindend festgestellten Werten ab.
92Eine Aussetzung des Verfahrens gegen den Grunderwerbsteuerbescheid nach § 74 FGO mit Blick auf das Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO ist nicht geboten. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Aussetzung des Verfahrens u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind. Im Streitfall entspricht eine Aussetzung nicht den Interessen der Beteiligten. Zum einen haben die Beteiligten jenes auf den Erlass eines Ergänzungsbescheids gerichtete Verfahren gerade mit Blick auf das hiesigen Klageverfahren ruhend gestellt. Zum anderen ist im hiesigen Verfahren gerade festgestellt worden, dass über die Steuerfreiheit bereits (negativ) entschieden worden ist, sodass die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Ergänzungsbescheids zu Recht erfolgt ist und mit dem Erlass eines Ergänzungsbescheids daher nicht zu rechnen ist. Zum dritten ist es auch im Interesse der Beteiligten, dass im hiesigen Verfahren eine Entscheidung ergeht, weil nur im hiesigen Verfahren die Frage der Festsetzungsverjährung geklärt werden kann.
93Keinen Erfolg hat auch der Antrag des Klägers, den Beklagten zum Erlass der festgesetzten Steuer aus Billigkeitsgründen zu verpflichten oder dazu, darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Erlass der Grunderwerbsteuer oder eine abweichende Steuerfestsetzung oder eine abweichende Feststellung aus Billigkeitsgründen. Da die Entscheidung des Beklagten frei von Ermessensfehlern ist, besteht auch kein Anspruch auf erneute Entscheidung über eine Billigkeitsregelung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
94Das Gericht legt den Antrag des Klägers im Verwaltungs- und Klageverfahren so aus, dass er eine Billigkeitsentscheidung – sei es in Form einer abweichenden Steuerfestsetzung (§ 163 AO) oder einer abweichenden Feststellung (§ 163 AO analog) oder in Form eines Erlasses (§ 227 AO) – begehrt. Die so verstandene Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es hinsichtlich keines dieser alternativ gestellten Anträge an einem Vorverfahren. Auch der Beklagte hat nämlich zwischen den verschiedenen alternativen Tatbeständen nicht differenziert und zwar von einem Antrag auf Erlass gesprochen, zugleich aber auf § 163 AO abgestellt.
95Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Der Senat kann über diese verschiedenen Billigkeitsregelungen einheitlich entscheiden, weil bei der (analogen) Anwendung dieser Vorschriften dieselben Maßstäbe anzusetzen sind. Insbesondere geht der Senat davon aus, dass sich der Billigkeitsantrag nach § 163 AO in der streitgegenständlichen Situation, in der die für den Erlass des Feststellungsbescheids zuständige Behörde auch für den Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids zuständig ist, sowohl auf den Folgebescheid als auch auf den Grundlagenbescheid beziehen kann, dass dabei aber die Maßstäbe für eine Billigkeitsregelung in beiden Fällen die gleichen sein müssen und deshalb insbesondere ein unterlassener Einspruch gegen den Grundlagenbescheid nicht dazu führen kann, dessen bestandskräftige Bindungswirkung durch eine Billigkeitskorrektur des Folgebescheids zu unterlaufen.
96Die Entscheidung über den Billigkeitsantrag ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur wenn der Ermessensspielraum der Behörde derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, kann das Gericht nach § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zum Erlass bzw. zur abweichenden Steuerfestsetzung aussprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil vom 12.12.2013, X R 39/10, BStBl II 2014, 572 m.w.N.).
97Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist frei von Ermessensfehlern. Eine Billigkeitsregelung ist weder aus persönlichen noch aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt und die Ausführungen des Beklagten dazu nicht zu beanstanden.
98Persönliche Billigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Ausführungen, die der Kläger unter dieser Überschrift in der Klagebegründung macht, betreffen nicht persönliche Billigkeitsgründe, sondern die Möglichkeit und Zumutbarkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014. Persönliche Billigkeitsgründe sind hingegen solche, die sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen ergeben, dessen wirtschaftliche Existenz das Steuerrecht nicht vernichten darf (vgl. Oosterkamp in Beck’scher Onlinekommentar AO, § 163 Rn. 83).
99Auch sachliche Billigkeitsgründe liegen nicht vor. Hinsichtlich sachlicher Billigkeitsgründe ist zu beachten, dass durch Billigkeitsanträge nicht die Bestandskraft eines Bescheids unterlaufen werden soll. Bei einem nach Bestandskraft eines Bescheids gestellten Billigkeitsantrag ist eine Korrektur der Steuerfestsetzung im Billigkeitswege nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit des Bescheids rechtzeitig zu wehren (vgl. BFH, Urteil vom 11.03.1988, III R 236/84, BFH/NV 1989, 432; BFH, Beschluss vom 04.08.2009, V B 26/08, BFH/NV 2009, 174). Es müssen besondere Umstände, die im konkreten Verhältnis zur Behörde ihre Grundlage haben, vorliegen (BFH, Urteil vom 11.08.1987, VII R 121/84, BStBl II 1988, 512). Solche Umstände können mit Blick auf eine Korrektur eines Grundlagenbescheids insbesondere in einem Verhalten der Finanzbehörde liegen, aus dem der Steuerpflichtige schließen kann, dass ein bestimmter Sachverhalt im Folgebescheidsverfahren berücksichtigt werden wird (BFH, Urteil vom 19.01.1989, IV R 2/87, BStBl II 1989, 393; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 227 AO Rn. 175).
100Nach dieser Maßgabe hat der Beklagte eine Billigkeitsregelung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
101- Soweit der Kläger vorträgt, dass der Bescheid die Ablehnung einer Steuerfreiheit nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht habe, hat der Beklagte dem zu Recht entgegengehalten, dass der Bescheid, wie dargelegt, hinreichend bestimmt ist. Im Übrigen käme eine Billigkeitsregelung aufgrund mangelnder Bestimmtheit auch deshalb nicht in Betracht, weil der Feststellungsbescheid, wenn er keine hinreichend bestimmte Feststellung zur Steuerfreiheit getroffen hätte, lediglich unvollständig wäre. Diese Unvollständigkeit wäre nicht im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens zu beseitigen, sondern im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass eines Ergänzungsbescheids. Eine Billigkeitsregelung käme nur dann in Betracht, wenn ein Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids keine Aussicht auf Erfolg mehr hätte und ein rechtzeitiger Antrag nicht möglich und zumutbar gewesen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger im Januar 2019 und damit rechtzeitig vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids gestellt. Der Ergänzungsbescheid ist Teil des Feststellungsbescheids und kann nach § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO noch ergehen, solange die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 AO bezieht sich nur auf eine „selbstbezügliche“ Ablaufhemmung durch den unter Anwendung von § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO erlassenen Bescheid, steht also der durch die Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert ausgelösten Anwendung des § 171 Abs. 10 AO nicht entgegen. Somit lief wegen des Erlasses der Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Bescheide vom 19.12.2017 ab. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2019 war die Frist noch nicht abgelaufen. Ab der Antragstellung ist der Fristablauf nach §§ 171 Abs. 3, 181 Abs. 1 Satz 1 AO gehemmt.
102- Auch soweit der Kläger geltend macht, die Versagung der Steuerfreiheit sei offenkundig und eindeutig rechtswidrig und die mangelnde Bestimmtheit habe zudem die Einlegung des Einspruchs unmöglich gemacht, hat der Beklagte dem zu Recht entgegengehalten, dass der Bescheid hinreichend bestimmt und eine Einspruchseinlegung somit möglich und zumutbar gewesen sei. Der Beklagte verweist auch zu Recht darauf, dass der Beklagte sich auf mangelnde Rechtskenntnisse nicht berufen kann (vgl. BFH, Urteil vom 11.08.1987, VII R 121/84, BStBl II 1988, 512). Im Übrigen ist eine Steuerfreiheit auch nicht offenkundig. Zwar hat der BFH entschieden, dass eine – satzungsgemäße – Übertragung des Vereinsvermögens auf ein Nicht-Mitglied im Rahmen einer Liquidation grundsätzlich eine freigebige Zuwendung im Sinne § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sein kann, die grunderwerbsteuerlich gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG zur Steuerfreiheit führt; denn die Anfallberechtigung nach § 45 Abs. 2 BGB könne bis zum Abschluss des Liquidationsverfahren ohne Zutun des Gläubigers geändert werden (BFH, Urteil vom 14.06.1995, II R 92/92, BStBl. II 1995, 609). Allerdings hätten zur Beantwortung der Frage, ob tatsächlich eine freigebige Zuwendung vorliegt, die Umstände, die die Gründung der gGmbH, die Übertragung des Vereinsvermögens, die Auflösung des Vereins und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, im Rahmen einer Gesamtschau näher untersucht und gewürdigt werden müssen.
103- Auch die Erwägungen des Beklagten, dass eine Billigkeitsmaßnahme nicht aufgrund einer (etwaigen) Verletzung des § 17 Abs. 4 GrEStG und der dazu bestehenden Verwaltungspraxis gewährt werden könne, sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach der GrESt-Kartei NW § 17 Karte 2 (BStBl. I 2007, 549, nunmehr BStBl. I 2016, 282) ist von einer gesonderten Feststellung nur dann abzusehen, wenn die Befreiung sofort erkennbar, klar und eindeutig ist und keiner weiteren Überprüfung bedarf. Im Streitfall war die Steuerbefreiung, wie dargelegt, nicht offenkundig und eindeutig. Auch soweit der Kläger diesbezüglich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) anführt, ist diese auf den Streitfall nicht übertragbar. Das BVerwG hat entschieden, dass ein Verhalten der Staatsorgane einen sachlichen Billigkeitsgrund darstellen könne, wenn der Steuerpflichtige in Anwendung aller Sorgfalt, zu der er den Umständen nach verpflichtet ist, auf die Richtigkeit des staatlichen Verhaltens vertraut und entsprechend gehandelt, das heißt das Verhalten zur Grundlage seiner geschäftlichen Dispositionen gemacht hat. Dies könne der Fall sein, wenn eine bisherige Rechtsprechung oder Verwaltungsübung zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werde, insbesondere im Fall veröffentlichter Verwaltungsvorschriften der obersten Finanzbehörden, deren Voraussetzungen der Steuerpflichtige erfüllt habe (BVerwG, Urteil vom 16.09.1977, VII C 18.76, HFR 1978, Nr 147). Im Streitfall fehlt es bereits daran, dass der Kläger im Vertrauen auf den Fortbestand einer Verwaltungspraxis geschäftliche Dispositionen getroffen hat.
104- Hinsichtlich des Vortrags des Klägers, der Beklagte hätte ihm einen Hinweis erteilen müssen, ist zu berücksichtigen, dass für den Beklagten nicht ersichtlich war, dass der Kläger einem Irrtum darüber unterlag, in welchem Bescheid über die Frage der Steuerfreiheit zu entscheiden ist. Der BFH hat im vom Kläger angeführten Urteil vom 18.12.1985 (I R 82/85, BFH/NV 1986, 506) entschieden, dass bei einem eindeutigen Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Hinweispflicht gemäß § 89 Satz 1 AO ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit in Betracht kommen könne; eine derartige Pflicht bestehe, wenn sich die Stellung eines Antrags nach dem der Finanzbehörde ersichtlichen Sachverhalt aufdränge (kritisch FG Hamburg, Urteil vom 04.09.2003, VI 125/02, juris). Dies war hier nicht der Fall.
105- Schließlich vermag der Vortrag des Klägers, der Beklagte habe Unsicherheiten über die Frage der Zuständigkeit zum Ausdruck gebracht, keine Bindung des Beklagten nach Treu und Glauben auszulösen. Denn aus der Äußerung solcher Unsicherheiten wäre jedenfalls nicht der Schluss abzuleiten, dass der Feststellungsbescheid nur die Zuständigkeiten regele; ein diesbezüglicher Irrtum wäre nicht dem Beklagten zuzurechnen. Der Beklagte hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Rechtsauffassung vertrat, der Vorgang sei steuerfrei und darüber werde in den Grunderwerbsteuerbescheiden entschieden. Vielmehr ist aktenkundig, dass der Kläger selbst mit einer Steuerpflicht gerechnet hat.
106- Der Senat kann offenlassen, ob der Feststellungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil ihm der Tag des Vertragsschlusses (und nicht der Tag der Genehmigung bzw. deren Bekanntgabe gegenüber dem Notar) als Stichtag zugrunde liegt (vgl. § 14 Nr. 2 GrEStG). Selbst wenn dies der Fall wäre, ergäbe sich daraus kein Anspruch auf eine Billigkeitsregelung, weil nicht ersichtlich ist, dass die auf dem möglicherweise unzutreffenden Stichtag beruhende Steuerfestsetzung überhöht wäre. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wertverhältnisse der Grundstücke in den Wochen zwischen dem Tag des Vertragsschlusses und dem Tag der Genehmigung (mehr als nur unwesentlich) verändert hätten.
107Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
108Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zugelassen, weil der BFH die Frage, ob der Erlass eines Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO führt, bislang nicht entschieden hat.
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