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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte gegenüber dem Kläger Kindergeld festzusetzen hat.
3Der Kläger ist Vater des Kindes C B (geb. am …1998).
4Von Juli 2016 bis August 2019 absolvierte das Kind C nach dem Abitur im Jahr 2016 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in D, das es am …08.2019 als Di-plom-Finanzwirt (FH) abschloss. Danach war C ab September 2019 zunächst 41 Stunden pro Woche beim Finanzamt E beruflich tätig.
5Ab dem Wintersemester 2020 nahm C ein berufsbegleitendes Masterstudium „Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht“ an der Universität F auf. Ab Oktober 2020 reduzierte C den Umfang seiner beruflichen Tätigkeit beim Finanzamt E auf 70% (28,70 Stunden).
6Am 31.10.2020 beantragte der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn C ab dem Monat Oktober 2020.
7Mit Bescheid vom 04.01.2021 (Bl. 151 der Kindergeldakte) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung trug die Beklagte vor, dass das Kind C seine erste Berufsausbildung bzw. sein Erststudium abgeschlossen habe und sich in einer weiteren Berufsausbildung befinde. Eine Ausbildung, die sich an den Erwerb eines berufsqualifizierenden Abschlusses anschließe, sei nur dann als weiterführender Ausbildungsteil der Erstausbildung zuzurechnen, wenn der erste erworbene Abschluss integraler Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs sei. Dies sei dann der Fall, wenn das angestrebte Berufsziel des Kindes einen weiteren Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten bzw. dem gleichgestellten Ausbildungsgang oder ein berufsqualifizierendes Studium voraussetze und ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehe. Sofern nach dem ersten Ausbildungsabschnitt eine praktische Berufstätigkeit erforderlich sei, bevor das Kind den nächsten Ausbildungsabschnitt angehen könne bzw. die Ausbildung fortsetzen dürfe, führe die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit zu einem Einschnitt, der den notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang entfallen lasse. Das Kind C habe eine absolvierte praktische Berufstätigkeit benötigt, bevor es den nächsten Ausbildungsabschnitt habe angehen können bzw. die Ausbildung habe fortsetzen dürfen. Daher sei der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten nicht gegeben.
8Hiergegen legte der Kläger am 28.01.2021 per e-mail Einspruch ein (Bl. 154 der Kindergeldakte). Zur Begründung trug der Kläger vor, sein Sohn C habe das Studium an der Universität F zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen, da sich der Abschluss des Diploms und die Bewerbungsfrist für das Master-Studium überschnitten hätten. Aus diesem Grunde sei eine frühere Aufnahme des Master-Studiums nicht möglich gewesen. Zudem habe der Bundesfinanzhof im Urteil vom 23.01.2020 (III R 72/18) deutlich gemacht, dass er es nicht für gerechtfertigt halte, einzig aus der Prüfungs- oder Zulassungsvoraussetzung einer Berufstätigkeit eine Zäsur der einheitlichen Erstausbildung anzunehmen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes erfüllt seien. Der Kläger verweist ferner auf Art. 6 GG, woraus sich für das Steuerrecht ein Förderungsgebot ableiten lasse.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2021 (Bl. 210 der Kindergeldakte) wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Im Streitfall seien die Vor-aussetzungen für eine einheitliche Erstausbildung nicht erfüllt, da es sich bei dem Masterstudium um eine Weiterbildung handele. Es fehle im Streitfall an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt und dem Masterstudium Wirtschafts- und Steuerrecht. Bei dem Masterstudiengang handele es sich um einen zulassungsfreien Studiengang, bei dem die Bewerbungsfrist am 31.08. eines Kalenderjahres ende. Nach Aussagen auf der Internetseite der Universität sei ein Nachrücken bis Ende September bei nachträglicher Bewerbung möglich. Der Abschluss als Diplom-Finanzwirt sei bereits am …08.2019 erlangt worden, so dass eine Bewerbung bereits zum Wintersemester 2019/2020 zeitlich möglich gewesen sei. Vor-aussetzung für die Teilnahme an dem Masterstudiengang sei jedoch gem. § 3 der Studien- und Prüfungsordnung (SPO) eine einschlägige Berufserfahrung von nicht unter einem Jahr, so dass eine frühere Bewerbung aus diesem Grunde nicht möglich gewesen sei. Ungeachtet dessen liege eine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden wöchentlich vor. Aus dem aus Art. 6 GG folgenden Gebot der Förderung der Familie ergäben sich keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen.
10Mit seiner am 12.04.2021 beim Finanzgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter. Zur Begründung trägt er vor, das Kind C habe sich bereits während seines FH-Studiums zum Diplom-Finanzwirt über die Möglichkeiten der Fortsetzung der Ausbildung im Rahmen eines Masterstudiums informiert. Es bestehe unstreitig ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt und dem Masterstudium Wirtschafts- und Steuerrecht. Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang sei gegeben. Eine Anmeldung zum Masterstudiengang sei dem Sohn des Klägers erst zum Wintersemester 2020/2021 möglich gewesen. Die theoretische Möglichkeit, auch nach Ablauf der regulären Bewerbungsfrist ein Nachrücken beantragen zu können, sei nicht maßgeblich, zumal dem Sohn hierzu keine Erkenntnisse vorgelegen hätten. Mit der Aufnahme des Studiums habe der Sohn des Klägers seine berufliche Tätigkeit im Rahmen des dienstrechtlich Zulässigen so weit wie möglich reduziert und dabei die Zeiten der beruflichen Tätigkeit auf die Bedingungen und Vorgaben des Studiums zugeschnitten. Der Sohn des Klägers übe seine Tätigkeit im Finanzamt von Montag bis Mittwoch mit einer Regelarbeitszeit von ca. 23 Stunden aus, demgegenüber sei das Studium die vorrangige und dominierende Tätigkeit des Sohnes. Die Vorlesungen fänden jeweils donnerstags und freitags in Präsenzform bzw. pandemiebedingt per Zoom statt. Der Sohn habe dabei pro Woche Vorlesungen im Umfang von 20 Stunden zu besuchen, der zeitliche Aufwand für die Vor- und Nachbereitung des Studienstoffes sei mit wöchentlich mindestens 10 Stunden zu bewerten, hinzu kämen Fahrzeiten von vier Stunden pro Woche. Die wöchentliche Arbeitszeit des Sohnes sei vor diesem Hintergrund ganz überwiegend durch das Studium bestimmt. Hieraus ergebe sich, dass das Studium im Vordergrund stehe und die berufliche Tätigkeit zeitlich den Vorgaben des Studiums untergeordnet sei. Soweit der Beklagte es als schädlich ansehe, dass Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums eine einschlägige Berufserfahrung sei, so stehe diese rechtliche Bewertung in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die Berufsausübung keine zwingende Zulassungsvoraussetzung für den Masterstudiengang sei, sondern Ausnahmen möglich seien. Die Versagung des für die Sicherstellung der Berufsausbildung wesentlichen Kindergeldes würde in die berufliche Planung des Sohnes des Klägers unzulässig eingreifen und diesen in der Freiheit seiner Berufswahl (Art. 12 GG) beeinträchtigen.
11Der Kläger beantragt,
12ihm unter Aufhebung des ablehnenden Bescheide vom 04.01.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2021 ab dem Monat Oktober 2020 Kindergeld für seinen Sohn C B (geb. am ...1998) zu gewähren;
13hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte weist erneut darauf hin, dass zwischen dem Ende der Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt am …08.2019 und dem Beginn des Masterstudiengangs Wirtschafts- und Steuerrecht zum Wintersemester 2020/2021 kein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe. Im Übrigen verweist sie auf den Akteninhalt und die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
17Mit Beschluss vom 26.05.2021 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 38 der Gerichtsakte).
18In der Sache hat am 25.10.2021 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden, in der der Sohn des Klägers als Zeuge vernommen worden ist. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist unbegründet.
21Die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung für das Kind C B ab Oktober 2020 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
22Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
23Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale „erstmalige Berufsausbildung“ und „Erststudium“ hat der BFH entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige Berufsausbildung darstellt und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird". Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der BFH dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln. Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt. Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildendenden Schule erfolgen soll. Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (BFH, Urt. vom 11.12.2018 – III R 26/18, BStBl. II 2019, Rz. 14; BFH, Urt. vom 23.01.2020 – III R 29/19, BFH/NV 2020, 881 m.w.N.).
24Allerdings lässt nicht jede von der Konzeption oder der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzung geforderte Berufstätigkeit den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen. Eine solche Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzung kann möglicherweise auch durch eine ohne besondere Qualifikationsanforderungen vor oder während des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass eine zwar während des zweiten Ausbildungsabschnitts durchgeführte, aber weniger als 20 Wochenstunden umfassende Arbeitstätigkeit einer solchen Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzung genügen kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten, ist es nach der Rechtsprechung des BFH nicht gerechtfertigt, allein aus einer solchen Prüfungsvor-aussetzung eine Zäsur abzuleiten, obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird (BFH, Urt. vom 09.09.2020 – III R 10/10, BFH/NV 2021, 541).
25Abzugrenzen sind die Fälle einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit ferner von den Fällen einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung). An einer einheitlichen Erstausbildung kann es auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind (BFH, Urt. vom 11.12.2018 – III R 26/18, BStBl. II 2019, Rz. 16).
26a) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Führt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (BFH, Urt. vom 11.12.2018 – III R 26/18, BStBl. II 2019, Rz. 17).
27b) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig ist und daneben 3 Nachhilfestunden pro Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen (BFH, Urt. vom 11.12.2018 – III R 26/18, BStBl. II 2019, Rz. 18).
28c) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild "neben der Ausbildung" durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur "neben der Berufstätigkeit" durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind (BFH, Urt. vom 11.12.2018 – III R 26/18, BStBl. II 2019, Rz. 19).
292. Nach den vorstehenden Grundsätzen, denen der Einzelrichter folgt, ist im Streitfall nicht von einer einheitlichen Erstausbildung auszugehen. Das Masterstudium stellt vielmehr eine anspruchsschädliche Zweitausbildung vor.
30a) Es fehlt bereits deshalb an der erforderlichen Einheit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, weil das Masterstudium zwingend eine Berufstätigkeit zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsabschnitt voraussetzt. Dies wird deutlich aus der e-mail der Hochschule vom 23.03.2021 (Bl. 81 der Gerichtsakte), wonach der Sohn des Klägers zum WS 2019/2020 nicht zulassungsfähig gewesen wäre, weil die berufliche Erfahrung, die bereits zur Erlangung des Abschlusses Diplom-Finanzwirt verwertet worden war, nicht nochmal für Zwecke des LL.M. gewertet werden könne. Die zwingend erforderliche Berufstätigkeit nach dem ersten Studienabschluss und vor Aufnahme des Masterstudiums bildet daher vorliegend eine „schädliche“ zeitliche Zäsur (BFH, Urt. vom 18.02.2021 – III R 14/19, BFH/NV 2021, 936).
31b) Ungeachtet dessen liegt auch deshalb keine einheitliche Erstausbildung vor, weil die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit beim Finanzamt die Hauptsache und der Masterstudiengang eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellt.
32Besondere Bedeutung hat nach Auffassung des Einzelrichters der Umstand, dass der Sohn des Klägers in seinem erlernten Beruf als Diplom-Finanzwirt/Beamter des gehobenen Dienstes tätig ist und nicht etwa einen typischen „Studentenjob“, der nur der Finanzierung des weiteren Studiums dient, ausübt.
33Ferner ist das Beamtenverhältnis des Sohnes unbefristet und wird nach Ablauf der Probezeit sogar in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit überführt. Für eine Zweitausbildung spricht auch, dass der Sohn des Klägers mit 28,70 Stunden deutlich mehr als 20 Stunden gearbeitet hat bzw. arbeitet. Der Kläger hat vorgetragen, dass sein Sohn diese Stundenzahl regelmäßig wöchentlich von Montag bis Mittwoch ableiste. Damit überwiegt die Arbeitstätigkeit im Finanzamt (3 Tage) die Präsenztätigkeit im Studium (in der Regel zwei Tage). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass das Studium nicht in jeder Woche des Jahres Präsenzveranstaltungen vorsieht, sondern nur während des Semesters der Universität F. Während etwa der Hälfte des Jahres (während der Semesterferien der Universität F) finden keine Vorlesungen statt. Der Präsenztätigkeit im Finanzamt geht der Sohn des Klägers jedoch (abgesehen von seinem 30 tägigen Jahresurlaub) ganzjährig nach. Zwar hat der Sohn in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner Zeugenvernehmung geschildert, dass in den Semesterferien die Prüfungen des Studienganges stattfänden. Allerdings hat der Sohn des Klägers auch angegeben, dass er in den Semesterferien (außerhalb der Prüfungsphasen) teilweise sogar an vier Tagen im Finanzamt gearbeitet habe.
34Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass sich der Studiengang (als sog. postgraduales Studium) an solche Studierende richtet, die bereits ein Universitätsstudium oder Fachhochschulstudium der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen haben (Ziff. I.2. Nr. 1 des Modulhandbuchs zum Masterstudiengang Wirtschafts- und Steuerrecht, „Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen“, Bl. 102 der Kindergeldakte) und darüber hinaus bereits einschlägige Berufserfahrung von in der Regel nicht unter einem Jahr vorweisen können (Ziff. I.2. Nr. 2 des Modulhandbuchs zum Masterstudiengang Wirtschafts- und Steuerrecht, „Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen“, Bl. 102 der Kindergeldakte). Diese Berufserfahrung muss zudem, wie bereits unter Ziff. 2 Buchst a) dargelegt, nach Abschluss des Erststudiums erbracht werden.
35c) Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen ist der Einzelrichter auch im Anschluss an das FG Düsseldorf (Urt. vom 14.06.2021 – 9 K 370/21 Kg, juris) der Auffassung, dass eine Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt stets - auch wenn die nachfolgende Ausbildung anders als im Streitfall keine berufliche Fortbildung oder berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme darstellt - als abgeschlossene Erstausbildung anzusehen ist.
36Hierfür sprechen, wie das FG Düsseldorf zu Recht ausgeführt hat (Urt. vom 14.06.2021 – 9 K 370/21 Kg, Rdn. 25, juris), folgende Erwägungen:
37- Die Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt ist kein integrativer Teil einer weitergehenden einheitlichen Ausbildung, stellt also keine typische Zwischenstufe dar, sondern beinhaltet eine abgeschlossene Qualifikation. Diese bietet die Basis für eine qualifizierte Berufsausübung.
38- Bereits während der Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit durch die Ausbildungsvergütung gewährleistet; die anschließende Berufstätigkeit im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung sichert die wirtschaftliche Existenz auch während der Studienzeit ab.
39- Die Berufstätigkeit ermöglicht Berufserfahrung und hat im Lebenslauf auch ein eigenes Gewicht.
403. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
414. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vorliegt. Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den tatsächlichen Feststellungen des Einzelfalles.
42…