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Die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.11.2022 wird nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob und inwieweit der Kläger in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. In den Streitjahren – 2014 und 2015 – bezog der Kläger Einkünfte aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung der X Lebensversicherung (im Folgenden nur: Berufsunfähigkeitsversicherung).
2Der Kläger lebte bis in das Jahr 2013 mit seiner inzwischen geschiedenen (ersten) Ehefrau Frau T I und den drei leiblichen minderjährigen Kindern M, J und L im Wohnhaus unter der Anschrift A-Str. 56, 00000 N. Ende des Jahres 2013 trennten sich der Kläger und Frau T I .
3Der Kläger meldete seinen Wohnsitz in N am 16.01.2014 ab und erklärte einen Zuzug in Liechtenstein. Hierzu liegt u. a. eine Meldebescheinigung der Einwohnerkontrolle F (Liechtenstein) vom 19.06.2015 und eine Vermieterbescheinigung des Herrn D N vom 13.11.2017 vor, wonach der Kläger vom 16.01.2014 bis zum 30.06.2015 eine Wohnung (2,5 Zimmer in einem Mehrfamilienhaus) unter der Anschrift B-Str. 36 in FL-0000 F (Liechtenstein) gemietet habe. Ferner liegen eine Stromrechnung (Verbrauchsstelle B-Str. 36, F, Verbrauch zwischen dem 01.02.2014 und dem 31.12.2014 = 1.210 kWh) und eine Hausratversicherung über die Wohnung in der B-Str. 36, F (…, Versicherungsbestätigung vom 05.09.2014) vor. Entsprechendes gilt für weitere Belege, aus denen sich ergibt, dass in Liechtenstein private Geschäftsvorgänge des Klägers stattgefunden haben (z. B. Auto-Reparatur-Rechnung). Insoweit wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Kopien Bezug genommen (Blatt 50 ff. der Gerichtsakte).
4Der Kläger wurde im Dezember 2013 Alleingesellschafter der Q I GmbH. Geschäftsführer dieser GmbH war der Vater des Klägers. Seit Dezember 2014 ist der Kläger nicht mehr Gesellschafter der Q I GmbH.
5Ende des Jahres 2013 wurde eine Aktiengesellschaft nach liechtensteinischem Recht gegründet, die zunächst unter dem Namen „H AG“ und später unter Y AG firmierte. Der Kläger war in den Streitjahren als „Verwaltungsrat“ (Geschäftsführung) der Y AG bestellt. Seine Tätigkeit umfasste in den Jahren 2014 und 2015 die Programmierung im IT-Bereich. Es liegt eine – von der Y AG am 31.03.2017 beantragte – Ansässigkeitsbescheinigung der Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein vom 03.04.2017 vor, wonach die Y AG im Fürstentum Liechtenstein für Zwecke der Steuerentlastung ansässig sei.
6Am 00.01.2015 wurden im Handelsregister des Amtsgerichts B unter Blatt HRB XXX1 die Firma „H AG Zweigniederlassung Deutschland“ (H AG Deutschland) mit Sitz in Q unter der Geschäftsanschrift C-Str. 15, 00000 Q und der Kläger als Geschäftsführer eingetragen. Als Gegenstand des Unternehmens wurde im Handelsregister die „[…]“ aufgeführt. Genutzt wurden Räumlichkeiten der Q I GmbH, um dort die IT zu unterstützen und zu managen. Im Jahr 2017 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt und die Firma im Handelsregister wieder gelöscht.
7Der Kläger unterschrieb einen Mietvertrag mit Herrn P S und Frau O S über eine Wohnung in der D-Str. 33, N (vier Zimmer, eine Küche, eine Diele, zwei Badezimmer, ein Abstellraum, zwei Kellerräume, eine Galerie). Als Mieter ist die F Foundation mit Anschrift in Panama angegeben. Mietbeginn war der 01.08.2014. Auf dem Mietvertrag wurde handschriftlich ergänzt, dass eine Untervermietung an Familie I, die I GmbH und verbundene Unternehmen erlaubt ist. Bei Beendigung des Mietvertrags gab der Kläger fünf Hauseingangs- und acht Wohnungseingangstür-Schlüssel zur D-Str. 33, N zurück. Es wird auf den Mietvertrag, die Kündigung des Mietvertrages durch den Kläger und das Rückgabeprotokoll (Blatt 438 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Diese Wohnung nutzte der Kläger an den Tagen, an denen er in N war, um dort zu übernachten und den Umgang mit seinen Kindern M, J und L zu pflegen.
8Herr K vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N fertigte im Januar 2015 zwei Aktenvermerke über Ortsbesuche in der D-Str. 33, N und hielt für den 21.01.2015 fest: „Bei der Adresse handelt es sich um ein Hinterhaus in der D-Str. mit 2 Wohnungen. […]. Am 21.01.2015 habe ich die genannte Adresse aufgesucht, um das Schreiben mit den steuerlichen Ermittlungsergebnissen zuzustellen. Sowohl am Klingelschild als auch am Briefkasten sind lediglich Firmen verzeichnet:
9- U
10- L
11- Z
12Die Firmen – U und L – hatten vorher ihren Sitz im ehemaligen Wohnhaus des E I (N, A-Str. 56).
13Auf mein Klingeln wurde nicht geöffnet.“
14Im Nachgang zu dem zweiten Ortsbesuch am 23.01.2015, 14:00 Uhr vermerkte Herr K: „[…]. Auf mein Klingeln öffnete sich eine Haustür im 1. OG des Hauses und ein Mann mit einem etwa 12-jährigen Jungen öffnete. Ich sprach ihn unter dem Namen I an, da ich überzeugt war, Herrn I zu erkennen. Der Mann mit 3-Tage-Bart antwortete, er kenne keinen I und er selbst hieße G. […].“
15Die Vermieter der D-Str. 33, O S und P S , bestätigten dem Kläger mit Schreiben vom 04.11.2015 den Erhalt der Kündigung des Mietverhältnisses über die Wohnung im 1. Obergeschoss der D-Str. 31-33 in N. Herr P S führte mit (nicht datiertem) Schreiben gegenüber dem Beklagten aus: „wie soeben besprochen anbei der Rückschein meines ehemaligen Mieters E I an Sie zurück. […] Herr I hat in meinem Haus in der D-Str. 31-33, N vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2016 gewohnt, […]. Er hatte die Räume für seine Stiftung „F“ gemietet und behauptet, dass er selbst in Liechtenstein wohne, tatsächlich dann hier aber mit seiner Familie gewohnt. Seinen Namen hat er vom Klingelschild stets entfernt, was mich zunehmend misstrauisch machte.“
16Seit Anfang 2014 lebte Frau D U , geborene D H (heute: Frau D I und zweite Ehefrau des Klägers), von ihrem ehemaligen Ehemann getrennt und zog am 01.06.2014 in eine Wohnung in der E-Str. 26 in 00000 N. Mit Beschluss vom 13.07.2015 des Amtsgerichts A wurde D I von ihrem Ehemann geschieden. Ausweislich der Meldeauskunft für Behörden vom 23.01.2018 war Frau D I ab dem 01.09.2015 mit ihrer Hauptwohnung unter der D-Str. 33 in 00000 N gemeldet.
17Am 26.11.2015 schlossen der Kläger und Frau D I mit Herrn B S und Frau A S einen Mietvertrag über das Einfamilienhaus mit Teilkeller, Carport und Geräteraum unter der Anschrift F-Str. 201, 00000 N. In dem Mietvertrag gaben der Kläger und Frau D I als ihre (bisherige) Wohnanschrift „00000 N, D-Str. 33“ an. Das Mietverhältnis begann am 01.02.2016. Am 00.01.2016 wurde das gemeinsame Kind (LA) des Klägers und von Frau D I geboren.
18Da der Kläger für die Streitjahre 2014 und 2015 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen des Klägers und erließ am 20.09.2016 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014, in dem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.500,00 €, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.833,00 €, sonstige Einkünfte aus Leibrenten in Höhe von 83.910,00 €, die er mit einem Teil in Höhe von 53.926,00 € steuerpflichtig ansetzte, sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 63.753,00 € berücksichtigte. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
19Mit Schreiben vom 22.12.2016 stellte der vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Änderung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Zur Begründung trug er vor, dass das Objekt A-Str. 56 in N ausschließlich zu privaten Wohnzwecken genutzt worden sei. Daher seien die Vermietungseinkünfte und der Veräußerungsgewinn zu Unrecht im Bescheid angesetzt worden.
20Mit Bescheid vom 28.12.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2014 ab.
21Am 28.11.2016 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid 2015, in dem er die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2015 schätzte und der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Im Bescheid wurden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.500,00 € und sonstige Einkünfte aus Leibrenten mit einem steuerpflichtigen Teil in Höhe von 57.437,00 € angesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
22Mit Bescheiden vom 19.10.2017 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung bezüglich der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 jeweils auf.
23Gegen die Bescheide wandte sich der Kläger mit einem Einspruch. Zur Begründung trug er vor, dass er in den Streitjahren weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Vielmehr seien seine Einkünfte in Liechtenstein bzw. der Schweiz zu versteuern. Dort habe er in gemieteten Wohnungen gelebt und dort sei sein einziger steuerlicher Wohnsitz. Für die Zeit ab dem 01.07.2015 verweist der Kläger auf eine Bestätigung von Herrn I X (Schreiben vom 02.11.2017 auf dem Briefpapier der Y AG, Einkommensteuerakte), wonach der Kläger bei ihm als Untermieter in seiner privaten Wohnung in der G-Str. 7, 0000 T, Schweiz zur Miete wohne.
24Mit Einspruchsentscheidung vom 28.05.2018 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Kläger sei im Streitzeitraum in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil dort fast ausschließlich die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestanden hätten. Hierfür spräche, dass der Kläger regelmäßigen persönlichen und finanziellen Kontakt zu seiner ehemaligen Ehefrau (Frau T I ) und zu seiner jetzigen Ehefrau gepflegt habe. Beide Frauen hätten dem Beklagten gegenüber bestätigt, dass sie monatliche Barzahlungen vom Kläger als Lebensunterhalt erhalten hätten. Auch der ehemalige Vermieter, Herr P S , habe schriftlich bestätigt, dass der Kläger fast im gesamten strittigen Zeitraum – 01.08.2014 bis zum 31.01.2016 – zusammen mit seiner Familie in dem Objekt „D-Str. 31, N“ gewohnt habe. Weiter habe sich der Kläger regelmäßig in Q aufgehalten und dort für seine eigene Firma und für die Firma seines Vaters gearbeitet und Entscheidungen getroffen. In Liechtenstein habe sich lediglich eine Außenstelle befunden. Für die Betreuung der Nebenstelle in Liechtenstein sei Herr I X bestellt worden. Im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sei der Kläger nicht bereit gewesen, seinen derzeitigen Wohnort anzugeben. Er habe lediglich erklärt, nicht mehr A-Str. 56 in N zu wohnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 28.05.2018 Bezug genommen.
25Der Kläger hat am 04.06.2018 Klage erhoben.
26Er macht nach wie vor geltend, dass der Beklagte zu Unrecht von einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland ausgehe. Er wiederholt seine Behauptung zu den von ihm gemieteten Wohnungen im Fürstentum Liechtenstein (bis 30.06.2015) und in der Schweiz (ab 01.07.2015). Für den Zeitraum nach dem 01.07.2015 verweist der Kläger neben der Vermieterbestätigung des I X auch auf Quittungen, die u. a. zwei Posteinlieferungen in T (Belege vom 04.08.2015 und 08.09.2015) dokumentieren (Blatt 50 ff. der Gerichtsakte); im Übrigen verhalten sich die Quittungen zu Posteinlieferungen im Fürstentum Liechtenstein.
27Der Kläger trägt weiter vor, dass er in den Streitjahren von Liechtenstein aus gearbeitet habe. Die Zweigniederlassung in Q sei von Herrn H S geführt worden. Er habe daher keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Hierzu verweist der Kläger unter anderem auf einen von ihm erstellten „Nachweis über Aufenthaltszeiträume“, der taggenau Auskunft darüber geben soll, an welchen Tagen er sich in Liechtenstein und in N aufgehalten habe. Danach hielt er sich im Jahr 2014 zwischen dem 01.08.2014 und dem 31.12.2014 an 58 Tagen in N/Deutschland und an 90 Tagen in Liechtenstein oder der Schweiz auf. Im Jahr 2015 hielt sich der Kläger an 118 Tagen in N/Deutschland und an 247 Tagen im Ausland auf. Ergänzend zu der Aufstellung legt der Kläger ferner Einkaufsbelege und Ähnliches über in Liechtenstein getätigte Einkäufe vor. Im Übrigen wird auf die Einzelaufstellung des Klägers Bezug genommen (Blatt 31 ff. der Gerichtsakte). Der Kläger verweist ferner auf von ihm vorgelegte Verbindungsnachweise in Ansehung des von der H AG bei der Telecom Liechtenstein AG unterhaltenen Telefonanschlusses zur Rufnummer 00000000 für die Zeiträume 12.08.2014 bis 31.10.2014. In dem Zeitraum wurden insgesamt 66 Telefonate getätigt, von denen 40 Telefonate nach Q, sechs auf eine deutsche Mobilfunknummer, zwei nach N und sechs auf andere deutsche Festnetznummern getätigt wurden; insgesamt 19 Anrufe wurden auf Telefonnummern in der Schweiz oder Liechtenstein getätigt. Im Übrigen wird auf die vom Kläger vorgelegten Einzelverbindungsnachweise (Blatt 91 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
28Der Kläger trägt vor, dass er die Wohnung in der D-Str. 33 in N angemietet habe, um den Umgang mit seinen Kindern pflegen zu können (Schriftsatz vom 03.08.2018). Er ist der Ansicht, dass dies nicht zu einem Wohnsitz im Sinne des Steuerrechts führe, weil es sich lediglich um eine „Standby-Wohnung“ im Sinne der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.11.2013 (I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046) gehandelt habe. Er habe in der Wohnung nur über Räume zur Übernachtung verfügt und dort auch seine Toilettenartikel deponiert. Die Wohnung sei auch von der Q I GmbH und verbundenen Unternehmen (u. a. der U) genutzt worden; für die Q I GmbH und die verbundenen Unternehmen seien dort Herr C und Frau G K tätig gewesen. Der Kläger legt insoweit eine eidesstaatliche Versicherung von Frau G K vom 27.09.2019 vor, mit der diese versichert, dass sie als Angestellte bei der Q I GmbH tätig sei. Sie habe ab Herbst 2014 die Büroräume in der D-Str. 33 in N genutzt. Der Kläger habe sich die Schlüssel für die D-Str. zumeist alle zwei Wochen am Freitagnachmittag geholt und sie so zurückgegeben, dass sie am folgenden Montag in die Räume konnte.
29Zudem verweist der Kläger auf zwei Rechnungen der Tischlerei HH GmbH & Co. KG (N). Die dort gegenüber der Q I GmbH abgerechneten Leistungen beträfen „Arbeiten bezüglich des Büros N“. Hieraus ergebe sich, dass in der D-Str. Büroräumlichkeiten eingerichtet worden seien (Rechnung vom 31.10.2014, Rechnungstext: „Büro N, Schiebetürschränke und Regale lt. Angebot und Absprache hergestellt, geliefert und montiert“ und „Div. Einlegeböden als Ergänzung hergestellt, geliefert und montiert lt. Angebot v. 20.09.14“; Gesamtpreis netto 8.400,00 €) und später die Einbauten wieder entfernt worden seien (Rechnung vom 18.02.2016, Rechnungstext: „Umzug Vertriebsbüro von der D-Str. 33 00000 zur F-Str. 201 00000 N, Umbau von Regalen und Schreibtischen sowie Abtransport zusätzlicher Möbelteile zur C-Str. 15 00000 Q“; abgerechnet werden insgesamt 94 Stunden für die Montage und Demontage sowie für Änderungen in der Werkstatt; Blatt 266 der Gerichtsakte).
30Mit Blick auf die vom Beklagten vorgelegte Abrechnung von Frau Dr. T M (Neurologin, Psychiaterin, ärztliche Psychotherapeutin), die unter anderem den 22.05.2015, 28.05.2015, 03.06.2015, 09.06.2015, 05.08.2015, 20.08.2015 und 24.08.2015 als Behandlungstermine gegenüber dem Kläger ausweist, und den Umstand, dass es sich hierbei um Tage handelt, die der Kläger nach seiner Aufstellung in Liechtenstein verbracht haben will, erwidert der Kläger, dass es sich um Behandlungstage betreffend seinen ältesten Sohn (M) handele. Dieser sei Autist. Frau Dr. T M habe seinen Sohn, seine Frau und ihn unterstützt. Die Behandlungen des Sohnes seien privat über ihn, den Kläger, abgerechnet worden. Er, der Kläger, sei aber nicht bei allen (abgerechneten) Terminen dabei gewesen. Zum Teil habe seine zweite Ehefrau, Frau D I , die Termine mit dem Sohn wahrgenommen. Dies betreffe die Termine am 08.12.2014, 06.01.2015, 05.03.2015, 22.05.2015, 28.05.2015, 03.06.2015, 09.06.2015, 05.08.2015, 20.08.2015 und 24.08.2015.
31Zu seinen Einkünften trägt der Kläger vor, dass er in den beiden Streitjahren ausschließlich Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsrente bezogen habe. Er habe nicht im Unternehmen seines Vaters in Q mitgewirkt. Auch sei die Führung einer beruflichen Betätigung mittels Einsatzes moderner Kommunikationstechniken aus dem Ausland möglich gewesen. Zudem sei er, der Kläger, überhaupt nicht befugt gewesen, Entscheidungen im Unternehmen seines Vaters zu treffen.
32Der Kläger beantragt,
33die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015, zuletzt geändert am 15.11.2022, aufzuheben.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Nachdem der Beklagte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zuerst vollumfänglich verteidigt und vor allem auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen hatte, hat er am 29.09.2020 geänderte Bescheide für die beiden Streitjahre erlassen. Er berücksichtigt die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers darin nur noch mit dem Ertragsanteil und zusätzlich einen Behindertenpauschbetrag zugunsten des Klägers. Ferner setzt der Beklagte für das Streitjahr 2014 keine Mieteinkünfte mehr an.
37Das Verfahren ist mit Beschluss vom 11.10.2022 ausgesetzt worden, da in Ansehung eines etwaigen Veräußerungsgewinns vom Beklagten ein Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung des Veräußerungsgewinns eingeleitet wurde.
38Mit Schreiben vom 04.11.2022 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er an der Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns nicht mehr festhalte und dass er ferner nicht mehr vom Vorliegen gewerblicher Einkünfte ausgehe. Umgesetzt hat der Beklagte dies mit Änderungsbescheiden vom 15.11.2022. Den Einkommensteuerfestsetzungen liegt danach nur noch die Leibrente als sonstige Einkünfte mit einem Ertragsanteil in Höhe von 25.173,00 € (2014) und 26.226,00 € (2015) zugrunde.
39Der Aussetzungsbeschluss vom 11.10.2022 ist mit Beschluss vom 07.11.2022 aufgehoben worden.
40Der Senat hat am 09.12.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
I. Die Klage ist nur teilweise begründet, nämlich bezogen auf die Einkünfte betreffend den Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem 31.07.2014 (dazu unten 1.). Die auf diesen Zeitraum entfallenden Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 14.685 € unterliegen nicht der deutschen Besteuerung. Insoweit ist der Einkommensteuerbescheid für 2014 in der Fassung vom 15.11.2022 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht ein deutsches Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Klägers aus der Berufsunfähigkeitsversicherung sowohl für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis 31.12.2014 (mit einkommensteuerrechtlich anzusetzenden Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 10.386 €) als auch den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 angenommen (dazu unten 2.). Der Einkommensteuerbescheid für 2014 ist insoweit und der Einkommensteuerbescheid für 2015 ist insgesamt rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.
421. Der Kläger unterliegt mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bis zum 31.07.2014 nicht der deutschen Besteuerung. Denn es fehlt für eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht sowohl an einem Wohnsitz als auch an einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (dazu unten a.). Für eine beschränkte Einkommensteuerpflicht fehlt es am deutschen Besteuerungsrecht; ein solches ist abkommensrechtlich ausgeschlossen (dazu unten b.).
43a. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
44aa. Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betroffene Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Für den Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem 31.07.2014 bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Inland eine solche Wohnung innehatte. Der Kläger hat im schriftlichen Verfahren und im Zuge der mündlichen Verhandlung nachgewiesen, dass er seinen bisherigen Wohnsitz in N zum Ende des Jahres 2013 aufgegeben hat. Etwas anderes konnte auch der Beklagte weder im schriftlichen Verfahren noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vortragen. Er trägt insofern aber die Feststellungslast.
45bb. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend weilt (§ 9 Satz 1 AO). Dabei gilt als gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gemäß § 9 Satz 2 AO stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach dem 31.12.2013 und vor dem 01.08.2014 derart häufig und zusammenhängend in Deutschland gewesen ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt, den der Kläger in Deutschland zuvor innehatte, über den 31.12.2013 hinaus fortgesetzt wurde. Auch insoweit hat der Beklagte gegenteilige Tatsachen weder im schriftlichen Verfahren noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Er trägt aber auch für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland die Feststellungslast.
46b. Eine beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) in Ansehung der Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung scheidet ebenfalls aus. Diese Einkünfte unterfallen zwar § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG (dazu unten aa.). Allerdings weist das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geschlossene Abkommen vom 17.11.2011 (DBA-Liechtenstein) dem Fürstentum Liechtenstein das Besteuerungsrecht dergestalt zu, dass Deutschland die Einkünfte freizustellen hat (dazu unten bb.).
47aa. Die Einkünfte des Klägers aus der Berufsunfähigkeitsversicherung sind solche im Sinne von § 22 Nr. 3 Satz 3 Buchstabe a) EStG. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der Senat von weiteren Ausführungen absieht. Die Versicherungsleistungen werden auch von einem inländischen Versicherungsunternehmen i. S. v. § 49 Abs. 1 Nr. 7 ESG, nämlich der X Lebensversicherung AG mit Sitz in X, gewährt.
48bb. Das nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG bestehende beschränkte Besteuerungsrecht wird jedoch von Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein oder zumindest Art. 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein ausgeschlossen. Das DBA-Liechtenstein ist im Streitfall einschlägig, weil der Kläger nach Überzeugung des Senats jedenfalls für den hier relevanten Zeitraum bis zum 31.07.2014 eine seine Ansässigkeit im Fürstentum Liechtenstein begründende Wohnung innehatte und diese Ansässigkeit sowohl die Anwendbarkeit des DBA-Liechtenstein (Art. 1 DBA-Liechtenstein) als auch das alleinige Besteuerungsrecht des Fürstentums Liechtenstein als Ansässigkeitsstaat (Art. 17 Abs. 1 oder 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein) begründet.
49(1) Das Fürstentum Liechtenstein knüpft die steuerliche Ansässigkeit – ebenso wie Deutschland – an den Wohnsitz. Das ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (SteG), wonach eine natürliche Person der unbeschränkten persönlichen Steuerpflicht unterliegt, wenn sie ihren Wohnsitz im Inland hat. Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b) SteG definiert den Wohnsitz als den Ort, an dem eine Person sich mit der Absicht des dauernden Verbleibens aufhält.
50Der Senat ist aufgrund der vorgelegten Unterlagen der Überzeugung, dass der Kläger in der B-Str. 36 in F (Liechtenstein) eine Wohnung unterhalten hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vermieterbestätigung von Herrn D N vom 13.11.2017 unzutreffend sein könnte. Zudem hat der Kläger Belege vorgelegt, die für das Unterhalten einer Wohnung in der B-Str. 36 sprechen: Insoweit ist zuvorderst auf die Stromrechnung hinzuweisen, die einen Verbrauch für 11 Monate des Jahres 2014 mit 1.210 kWh dokumentiert. Es bestehen keine Zweifel an der Echtheit dieser Abrechnung und der Verbrauchswert ist plausibel. Laut Destatis hat ein 1-Personen-Haushalt im Jahr 2015 durchschnittlich 2.115 kWh verbraucht. Wenn man bedenkt, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag vor allem ab dem 01.08.2014 auch viel Zeit in N verbracht hat, entspricht der Verbrauchswert nach dem Dafürhalten des Senats dem, was man unter den Umständen des hiesigen Falls als erwartbaren Verbrauch ansehen kann. Auch der Abschluss einer Hausratversicherung für eben diese Wohnung spricht dafür, dass der Kläger in F tatsächlich eine Wohnung unterhalten hat. Das Bild wird schließlich abgerundet durch die Belege betreffend die privaten Geschäftsvorfälle in Liechtenstein. Dies alles spricht zugleich dafür, dass die Wohnung vom Kläger auch mit der Absicht des dauernden Verbleibens unterhalten wurde.
51(2) Bis einschließlich 31.07.2014 ist das Fürstentum Liechtenstein danach gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) 1. Halbsatz DBA-Liechtenstein der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat und damit allein zur Besteuerung der Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung berechtigt. Die Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung unterfallen Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein; aber selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, greift auf jeden Fall Art. 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein ein. Beide Normen weisen das Besteuerungsrecht gleichermaßen ausschließlich Liechtenstein zu.
52(a) Gemäß Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat erhält, nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
53Die Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsrente stellen eine Rente im Sinne von Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dar. Gemäß Art. 17 Abs. 4 DBA-Liechtenstein bedeutet der Begriff Rente „einen bestimmten Betrag, der regelmäßig zu festgesetzten Zeitpunkten lebenslänglich oder während eines bestimmten oder bestimmbaren Zeitabschnitts aufgrund einer Verpflichtung zahlbar ist, die diese Zahlungen als Gegenleistung für eine in Geld oder Geldeswert bewirkte angemessene Leistung vorsieht.“ Der Begriff der Gegenleistung darf nach Ansicht des Senats nicht im Sinne einer Veräußerungsrente verstanden werden. Gemeint ist vielmehr eine eigene Beitragsleistung, mit der ein Anspruch auf die Rente erworben wurde. Das ergibt sich daraus, dass die Einfügung der Rente eine Reaktion darauf ist, dass der BFH vom Begriff des Ruhegehaltes solche Versorgungsleistungen ausgenommen hat, die wirtschaftlich vom Versorgungsberechtigten selbst durch Beitragszahlungen getragen worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 08.12.2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl. II 2011, 488 zum DBA-Schweiz 1971/1992). Mit der ausdrücklichen Aufführung des Begriffs „Rente“ wird diese Frage vermieden und es soll klargestellt werden, dass auch solche regelmäßigen Zahlungen erfasst werden, die auf eigener Beitragsleistung beruhen (vgl. Ismer/Ruß in Vogel/Lehner, 7. Aufl. 2021, Art. 18 OECD-MA Rn. 54 und Wassermeyer/Drüen/Schwenke in Wassermeyer Art. 18 OECD-MA Rn. 55, beide zu Art. 17 Abs. 1 der deutschen Verhandlungsgrundlage, die Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein entspricht). Für dieses versicherungsbezogene Gegenleistungsverständnis spricht auch Art. 17 Abs. 2 DBA-Liechtenstein, wonach ungeachtet dessen Absatz 1 „Leistungen, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung […] geleistet werden“, dem Kassenstaatsprinzip unterworfen werden. Denn Art. 17 Abs. 2 DBA-Liechtenstein ist eine Sonderregelung zu Absatz 1 und setzt damit voraus, dass durch eigene Beitragsleistung erworbene Versicherungsleistungen generell unter Absatz 1 fallen, dass aber für die besondere Gruppe der gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen eine abweichende Zuordnung des Besteuerungsrechts gelten soll.
54(b) Aber selbst wenn man Art. 17 DBA-Liechtenstein nicht für einschlägig erachten sollte, ist jedenfalls Art. 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein einschlägig. Hiernach können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den anderen Abkommensartikeln nicht behandelt werden, ohne Rücksicht auf die Herkunft nur in dem Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Verneint man Art. 17 DBA-Liechtenstein ist keine andere Abkommensregelung einschlägig und damit gilt Art. 21 Abs. 1 DBA-Liechtenstein (für eine Berufsunfähigkeitsrente und das DBA-Niederlande 1959 z. B. auch BFH-Urteil vom 09.05.2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl. II 2013, 566).
552. Der Kläger unterliegt mit den Einkünften aus der Berufsunfähigkeitsrente – begrenzt auf den sog. Ertragsanteil (dazu unten b.) – beginnend mit dem 01.08.2014 in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht (dazu unten a.) und dieses Besteuerungsrecht wird nicht durch Doppelbesteuerungsabkommen beschränkt oder ausgeschlossen (dazu unten c.).
56a. Die ab dem 01.08.2014 in der D-Str. 33, N, vom Kläger genutzte Wohnung begründet ab diesem Zeitpunkt einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO.
57aa. Es liegt zunächst dem Grunde nach eine Wohnung vor.
58Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich – im Sinne einer bescheidenen Bleibe – um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind; eine Ausstattung mit einfachsten Mitteln ist ausreichend (BFH-Urteil vom 10.04.2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909).
59Diese Voraussetzungen erfüllte die Wohnung in der D-Str. 33, N. Der Kläger hat bestätigt, dass sich dort – links und rechts der Wohnungseingangstür – Schlafgelegenheiten und entsprechende Sanitäreinrichtungen befanden. Dass die Wohnung auch (zeitgleich) als Büroraum genutzt wurde, ist dabei unerheblich.
60bb. Der Kläger hatte diese Wohnung auch inne und zwar bereits ab dem 01.08.2014.
61Das Innehaben setzt voraus, dass die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung – d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt – bestimmt sein muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24.07.2018 I R 58/16, BFH/NV 2019, 104 und vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Die Verfügungsmacht muss nicht zwingend eine rechtliche Verfügungsmacht sein. Entscheidend ist vor allem, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über die Wohnung verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; ebenso Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 8 AO Rn. 28: Der Wohnsitzbegriff sei auf faktische Gegebenheiten ausgerichtet, weshalb die tatsächliche Verfügungsmacht im Vordergrund stehe).
62Der Senat geht davon aus, dass der Kläger in rechtlicher Hinsicht über die Wohnung frei verfügen konnte. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag und ausweislich des vorliegenden Mietvertrags, der die Unterschrift des Klägers trägt, die Wohnung angemietet, um sie (zumindest auch) für familiäre Zwecke – insbesondere die Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit seinen Kindern – nutzen zu können. Insoweit korrespondiert die Anmietung der Wohnung auch mit der Einräumung des Umgangsrechts, wie es der Kläger in der mündlichen Verhandlung in zeitlicher Hinsicht bestätigt hat. Er hat die Wohnung angemietet, um über sie zumindest für den vorgenannten Zweck bestimmen zu können. Dass er den Mietvertrag nicht in seinem eigenen Namen abgeschlossen hat, sondern die F Foundation (im Folgenden nur: Foundation) als Mieterin angeführt wird und der Vertrag daher womöglich nur mit dieser Foundation zustande gekommen ist, ist rechtlich ohne Bedeutung. Ungeachtet der Frage, ob diese Foundation überhaupt (rechtlich) existiert, ist sie außer als bloße Mietvertragspartei an keiner weiteren Stelle in Erscheinung getreten. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die Foundation die Räumlichkeiten selbst genutzt hätte. Das kann auch ebenso offenbleiben wie die Frage, ob die Wohnung auch durch die Q I GmbH bzw. ihre verbundenen Unternehmen genutzt wurde. Denn die Foundation (ihre rechtliche Existenz unterstellt) wurde – jedenfalls in Ansehung des Mietverhältnisses – vom Kläger mit rechtlicher Gestaltungsmacht repräsentiert, sodass dieser über das „Erstzugriffsrecht“ verfügte. Der Senat geht – in Ermangelung einer Aufklärung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und der Foundation (trotz ausdrücklicher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung) – daher bereits davon aus, dass der Kläger auch rechtlich über die angemietete Wohnung verfügen konnte und sich (bzw. seiner Familie) in Ausgestaltung des (Haupt-)Mietvertrages ein Untermietrecht eingeräumt hat.
63Ohnehin ist aber entscheidend, dass die Wohnung jedenfalls bestimmungsgemäß und in ausreichendem Umfang auch dem Kläger zur privaten Nutzung zur Verfügung stand und er sie in diesem Sinne faktisch in erheblichem Umfang genutzt hat. Die private Nutzung des Klägers war in dem Mietvertrag mit den Eheleuten S angelegt, wenn dort explizit eine Überlassung an „Familie I“ – was zwanglos auch den Kläger und seine Familie einschließt – gestattet wurde. Dafür, dass der Kläger in Bezug auf die Nutzung der Wohnung gegenüber der Q I GmbH bzw. deren verbundenen Unternehmen hätte zurückstehen müssen, gibt es keine Anhaltspunkte und dergleichen hat der Kläger auch nicht vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen. Es soll lediglich Spannungen mit Herrn C, der Geschäftsführer eines der verbundenen Unternehmen gewesen sein soll, gegeben haben. Diese sind aber unsubstantiiert geblieben und ändern im Übrigen an der Verfügungsmöglichkeit des Klägers und der tatsächlichen bestimmungsgemäßen Nutzung der Wohnung durch den Kläger nichts. Auch insoweit gilt, dass der Kläger trotz Nachfrage in der mündlichen Verhandlung auch nicht an der Aufklärung des Verhältnisses zwischen der Foundation und der Q I GmbH bzw. den verbundenen Unternehmen mitgewirkt hat. Der Schlussfolgerung des Senats steht auch der Inhalt der schriftlichen Auskunft von Frau G K vom 27.09.2019, dass sie die „Büroräume“ in der D-Str. 33 (als Angestellte der Q I GmbH) genutzt habe, nicht entgegen. Die Aussage von Frau G K stellt das „Erstzugriffsrecht“ des Klägers nicht infrage; es ist daher davon auszugehen, dass Frau G K/die Q I GmbH ihre Nutzung im Ausgangspunkt vom Kläger abgeleitet hat. Dessen ungeachtet ist für den Senat aber maßgebend, dass die Q I GmbH (allenfalls) über eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit neben dem Kläger verfügte. In Zeiten der gemeinsamen Nutzung, also nur werktags, konnte der Kläger sich in die Schlafräumlichkeiten zurückziehen, während die als Büros gedachten Zimmer jedenfalls werktags womöglich vornehmlich der Q I GmbH zur Verfügung standen. Im Übrigen konnten die Verkehrsflächen, Sanitäreinrichtungen etc. von allen genutzt werden. Der Kläger hat auch nach seiner eigenen Aufstellung teils mehrere Tage am Stück in N verbracht und es ist nicht ersichtlich, dass ihm auch noch andere Räumlichkeiten zur Verfügung standen; dies wurde von ihm auch nicht vorgetragen. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass der Kläger die Wohnung in der D-Str. jederzeit für ein über das bloße Übernachten hinausgehendes Wohnen nutzen konnte. Dass der Kläger möglicherweise nicht jeden Raum nutzen konnte, ist unerheblich. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer typischen Wohngemeinschaft auch, bei der jedem Mitglied auch bei gemeinsamer Anwesenheit jeweils eine eigenständige Wohnnutzung möglich ist (vgl. zur Wohngemeinschaft BFH-Urteil vom 10.04.2013 I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 8 AO Rn. 29). Hierfür sprechen im Übrigen auch der Zuschnitt der Wohnung (vier Zimmer, eine Küche und zwei Badezimmer) und auch die hohe Anzahl der ausgegebenen Haus- und Wohnungsschlüssel (fünf Hauseingangs- und acht Wohnungstür-Schlüssel). Dies alles unterscheidet den vorliegenden Fall auch von der vom Kläger angeführten Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts vom 13.12.2010 3 K 1060/09 (EFG 2011, 1133, bestätigt durch das Urteil des BFH vom 13.11.2013 I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046), in der die gleichzeitige Nutzung als Wohnung durch alle berechtigten Personen ausgeschlossen und dies durch den zentral deponierten Wohnungsschlüssel sichergestellt war.
64cc. Der Wohnsitzbegriff setzt keinen Aufenthalt während einer Mindestzeit voraus. Auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen. Die Rechtsprechung grenzt negativ lediglich solche Nutzungen aus, die über kurze Besuche zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken nicht hinausgehen (BFH-Urteil vom 25.09.2014 III R 10/14, BFHE 247, 239, BStBl. II 2015, 665; BFH-Beschluss vom 17.07.2019 II B 30/18 u.a., BFH/NV 2019, 1302). Keiner dieser Sachverhalte liegt im Streitfall vor. Vor allem hat der Kläger niemanden in der Wohnung besucht. Vielmehr brauchte er die Wohnung, um dort Besuch (vor allem seiner minderjährigen Kinder während der Ausübung des Umgangsrechts) empfangen zu können.
65dd. Es lagen auch Umstände vor, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Kläger als Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll.
66Hierbei geht es um solche Umstände, die nach der Lebenserfahrung den Schluss erlauben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung hält, um sie als solche zu nutzen (BFH-Urteile vom 19.03.1997 I R 69/96, BStBl. II 1997, 447 und vom 19.03.2002 I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411). Von Bedeutung können etwa sein: Ausstattung und Einrichtung der Wohnung, Dauer und Anlass einer An- bzw. Abwesenheit, der Familienstand oder die Intensität der persönlichen Bindungen an den Wohnort.
67Der Kläger hat nach seiner eigenen Aussage die Wohnung unterhalten, um das Umgangsrecht mit den Kindern pflegen zu können. Zuvor habe er, so der Kläger selbst, die Kinder nur in den Ferien gesehen. Die Wohnung in der D-Str. bot ihm fortan eine Möglichkeit, die Kinder in N zu sehen. Dementsprechend hat der Kläger auch seine Toilettenartikel dort dauerhaft deponiert. Dies alles sind objektive Anhaltspunkte, die die Prognose tragen, dass der Kläger die Wohnung auch nach der Anmietung beibehalten und nutzen wollte. Dies entspricht auch dem tatsächlichen Geschehensablauf und steht abgesehen davon – worauf es dem Senat aber nicht mehr tragend ankommt – auch im Einklang mit der vom Vermieter P S gegenüber dem Beklagten geäußerten Wahrnehmung, dass der Kläger in der Wohnung mit seiner Familie gewohnt habe.
68ee. Im Übrigen ist es für die Annahme eines Wohnsitzes im Sinne von § 8 AO ohne Bedeutung, dass womöglich im Ausland noch eine weitere Wohnung unterhalten wird und ob der Steuerpflichtige von der im Inland belegenen Wohnung aus seiner täglichen Arbeit nachgeht und ob dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt (BFH-Urteil vom 24.07.2018 I R 58/16, BFH/NV 2019, 104).
69ff. Der Einzug von Frau D I in die D-Str. 33 in N zum 01.09.2015 verändert die vorstehende Beurteilung nicht. Sie bestätigt sogar vielmehr die Verfügungsmacht des Klägers über die Wohnung, da sich die vertraglichen Verhältnisse im Vergleich zum Zeitraum davor gerade nicht geändert haben.
70b. Die Rentenzahlungen sind nur mit ihrem Ertragsanteil steuerbar. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen. Der Senat sieht daher von Ausführungen hierzu ab.
71c. Das deutsche Besteuerungsrecht wird schließlich nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen. Das betrifft sowohl den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 30.06.2015 (dazu unten aa.) als auch den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2015 (dazu unten bb.).
72aa. Nach Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein steht das Besteuerungsrecht in Ansehung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.08.2014 und bis zum 31.12.2015 Deutschland zu.
73(1) Das DBA-Liechtenstein ist einschlägig, weil der Kläger ab dem 01.01.2014 nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein in Liechtenstein ansässig war (siehe oben 1. b.).
74(2) Deutschland ist seit dem 01.08.2014 der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat im Sinne von Art. 17 Abs. 1 DBA-Liechtenstein.
75Die abkommensrechtliche Ansässigkeit bestimmt sich nach Art. 4 Abs. 2 DBA-Liechtenstein. Diese Norm enthält für natürliche Personen eine abgestufte Regelungsfolge, wonach jeweils bestimmt wird, in welchem Staat der Steuerpflichtige vorrangig als ansässig gilt.
76(a) Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a 1. Halbsatz DBA-Liechtenstein (erste Stufe) führt für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 30.06.2015 zu keiner Ansässigkeitszuordnung. Ab dem 01.07.2015 verbleibt in Ansehung des DBA-Liechtensteins indessen allein Deutschland als Ansässigkeitsstaat.
77Hiernach gilt eine Person „als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt“. Wohnstätten sind alle Räumlichkeiten, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.1998 I R 40/97, BStBl. II 1999, 207). Diese Merkmale decken sich dem Wesen nach mit den Merkmalen einer Wohnung i.S. des § 8 AO, so dass auch die vom Kläger angemietete und mit seinen Kindern genutzte Wohnung in der D-Str. 33 in N als „Wohnstätte“ i.S. des DBA-Liechtenstein anzusehen ist. Diese Wohnstätte war auch eine „ständige“ im Sinne des Abkommensrechts, da der Kläger die Möglichkeit hatte, die Wohnung jederzeit (rechtmäßig) als Wohnstätte zu nutzen und diese auch tatsächlich genutzt hat.
78Dies alles gilt entsprechend auch für die Wohnung in F.
79Der Kläger hatte mithin zwischen dem 01.08.2014 und dem 30.06.2015 eine ständige Wohnstätte sowohl in Deutschland als auch Liechtenstein.
80(b) Einschlägig ist für die Zeit vom 01.08.2014 bis zum 30.06.2015 daher Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) 2. Halbsatz DBA-Liechtenstein (zweite Stufe), wonach eine Person, die in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, nur in dem Staat als ansässig gilt, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dieser Mittelpunkt der Lebensinteressen lag zwischen dem 01.08.2014 und dem 30.06.2015 in Deutschland und nicht im Fürstentum Liechtenstein.
81Zu welchem der Vertragsstaaten ein in mehreren Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügender Steuerpflichtiger die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht an den subjektiven Befindlichkeiten des Steuerpflichtigen, sondern an objektiven Kriterien zu messen (vgl. BFH-Urteil vom 31.10.1990 I R 24/89, BFHE 163, 411, BStBl. II 1991, 562). Die persönlichen Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung, wozu familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen gehören. Wirtschaftliche Beziehungen bestehen vor allem zu örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen. Dabei sind die Umstände als Ganzes zu prüfen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist damit auf der Grundlage einer zusammenfassenden Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen Beziehungen im konkreten Fall zu ermitteln. Es kommt darauf an, welcher der beiden Orte unter Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen als der bedeutungsvollere anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 23.07.1971 III R 60/70, BFHE 103, 82, BStBl. II 1971, 758 und vom 23.10.1985 I R 274/82, BFHE 145, 48, BStBl. II 1986, 133). Ein unterjähriger Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist möglich; es erfolgt daher keine einheitliche Jahresbetrachtung (Pohl in Schönfeld/Ditz, 2. Aufl. 2019, Art. 4 OECD-MA Rn. 83).
82Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 30.06.2015 bestehen die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Klägers zu Deutschland.
83Erstens, in N lebten die drei minderjährigen Kinder des Klägers. Dass der Kläger mit Blick auf die Kinder eine intensive persönliche Bindung nach Deutschland hatte, wird vor allem durch sein Bemühen um die Wahrnehmung des Umgangsrechts dokumentiert. Hinzu tritt, dass auch die Eltern des Klägers in Deutschland lebten. Etwaige Anknüpfungspunkte für familiäre Beziehungen in Liechtenstein hat der Kläger hingegen nicht vorgetragen und sie sind auch nicht erkennbar.
84Zweitens ist die (wirtschaftliche) Beziehung des Klägers zum Fürstentum Liechtenstein, soweit sie über eine tatsächliche (nicht entgoltene) Tätigkeit für die Y AG vermittelt werden sollte, allenfalls sehr gering ausgeprägt. Der Senat kann schon nicht feststellen, ob die Y AG für den hier relevanten Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.12.2015 überhaupt eine substantielle Geschäftstätigkeit entfaltet hat, die für eine örtlich gebundene Beziehung zum Fürstentum Liechtenstein angeführt werden kann.
85Es handelt sich um eine Tätigkeit, die eine Anwesenheit des Klägers im Fürstentum Liechtenstein nicht zwingend erforderlich machte. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass seine Programmiertätigkeit nicht ortsgebunden war. Die Beziehung ist daher schon deshalb eher loser Natur. Die Tätigkeit lässt sich ihrer Art nach überall ausführen.
86Zudem ist für den Senat nicht erkennbar, für wen die Y AG bis zum 31.12.2014 tätig gewesen ist. Der Umstand, dass im Zeitraum vom 12.08.2014 bis zum 31.10.2014 vom Telefonanschluss der Y AG überwiegend eine Telefonnummer in Q angerufen wurde (immerhin 40 Telefonate von insgesamt 66 Telefonaten) und die Eltern des Klägers dort ihren Wohnsitz und die Q I GmbH ihren Sitz hatten, legt nahe, dass es keine nennenswerten Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen jenseits von Q gab. Ob die Y AG auch schon vor dem 31.12.2014 eine geschäftliche Beziehung gerade zur in Q ansässigen Q I GmbH pflegte, kann der Senat allerdings auch nicht feststellen. Wie sich die Geschäftstätigkeit der Y AG im Einzelnen bis zum 31.12.2014 darstellte, bleibt letztlich – nicht zuletzt in Ermangelung einer entsprechenden Mitwirkung des Klägers – im Unklaren.
87Auch für die Zeit nach dem 31.12.2014 verbleiben viele Unklarheiten. Es ist lediglich geklärt, dass die Y AG jedenfalls ab dem 01.01.2015 Dienstleistungen für die Q I GmbH in den Räumlichkeiten für eben diese erbrachte und dafür ab dem 01.01.2015 eine unselbständige Zweigniederlassung in Q unterhielt. Ob die Y AG darüber hinaus auch andere Kunden hatte, und vor allem, inwieweit sie aus Liechtenstein operierte, ist aber letztlich – in Ermangelung einer entsprechenden Mitwirkung des Klägers – unbekannt.
88Die Unklarheit in Ansehung der Geschäftstätigkeit der Y AG und vor allem ihres örtlichen Wirkungsbereichs geht wegen § 90 Abs. 2 AO zu Lasten des Klägers. Nach dieser Norm darf zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgegangen werden, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes (lediglich) eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO verletzt und der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht. Unter diesen Voraussetzungen soll der Steuerpflichtige nach dem Sinn des § 90 Abs. 2 AO den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das Finanzgericht allein nicht aufklärbaren Sachverhalts tragen (vgl. BFH-Urteil vom 09.05.2017 VIII R 51/14, BFH/NV 2018, 5, und BFH-Beschluss vom 19.12.2007 X B 34/07, BFH/NV 2008, 597 m.w.N.). Die Bedeutung der (wirtschaftlichen) Beziehungen ist dem Kläger bereits im Beschluss des – zuvor in der Streitsache zuständigen – 6. Senats vom 07.02.2019 (Ablehnung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung) dargelegt worden. Der Berichterstatter hat zudem ausdrücklich um die Darlegung einer jenseits der Betreuung der Q I GmbH ausgeübten Geschäftstätigkeit der Y AG gebeten. Gleichwohl hat der Kläger lediglich die Erfolgsrechnung für 2016 vorgelegt. Diese ist allerdings aussagelos. Es lässt sich der Erfolgsrechnung nicht entnehmen, wer die Vertragspartner sind. Zudem bezieht sie sich auf das Jahr 2016 und nicht auf die Streitjahre. Der Senat hat im Übrigen nach Aktenlage und Klägervortrag – wiederum auch in Ansehung von § 90 Abs. 2 AO – keinen Anlass davon auszugehen, dass der Kläger zugleich auch Gesellschafter der Y AG gewesen wäre. Ungeachtet dessen weist der Senat rein vorsorglich darauf hin, dass die tatsächliche Tätigkeit in geschäftsleitender Stellung die in einer Gesellschafterstellung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Beziehung für Zwecke der vorzunehmenden Gewichtung grundsätzlich mit einschließt und so würde es sich mangels abweichender Anhaltspunkte, die vom Kläger vorzubringen gewesen wären, auch hier verhalten.
89Der Kläger hat schließlich auch nicht vorgetragen, dass er weitere (wirtschaftliche) Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein unterhalten hätte, die über seine (nicht entgoltene) Tätigkeit für die Y AG hinausgegangen wären.
90Drittens bestand eine beachtliche wirtschaftliche Beziehung dadurch nach Deutschland, dass der Kläger in den Streitjahren von dort seine einzigen Einkünfte bezog (aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der deutschen X Lebensversicherung). Von Seiten der Y AG bezog der Kläger hingegen, wie dargelegt, keine Einkünfte.
91Schon diese Aspekte allein reichen aus, um gesamthaft betrachtet und unter Abwägung aller Umstände von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen zwischen dem 01.08.2014 und dem 30.06.2015 in Deutschland auszugehen. Für den Zeitraum bis zum 31.12.2014 tritt zudem noch verstärkend (allerdings nicht entscheidend) hinzu, dass der Kläger bis Dezember 2014 Alleingesellschafter der Q I GmbH war, was ebenfalls eine wirtschaftliche Beziehung nach Deutschland dokumentiert. Weil dieser Aspekt aber für die Annahme eines Mittelpunktes der Lebensinteressen in Deutschland nicht mehr entscheidend ist, kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Kläger seine Gesellschaftsrechte aktiv wahrgenommen hat.
92Da bereits die vorstehend genannten Umstände ausreichend sind, um für den gesamten Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.12.2015 eine engere Beziehung nach Deutschland zu begründen, kommt es schließlich nicht darauf an, ab wann der Kläger eine neue Lebensgefährtin in N hatte (seine zweite Ehefrau, Frau D I ). Hierbei handelt es sich lediglich um einen weiteren Aspekt, der den Lebensmittelpunkt im Inland lediglich noch verstärkt, aber nicht hierfür entscheidend ist. Daher muss der Senat nicht aufklären, ob der Kläger seine zweite Ehefrau wirklich, wie er es in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, Anfang 2015 kennen gelernt hat, oder ob dies nicht schon früher gewesen ist. Für letzteres spricht, dass der Kläger auch bekundet hat, dass seine zweite Ehefrau zusammen mit seinem Sohn u. a. den Behandlungstermin bei Frau Dr. T M bereits im Dezember 2014 wahrgenommen haben soll.
93bb. Auch nach dem 30.06.2015 wird das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch das mit der Schweiz geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen beschränkt oder ausgeschlossen.
94Für die Zeit nach dem 30.06.2015 geht der Senat davon aus, dass der Kläger über keinen ausländischen Wohnsitz verfügte. Das gilt vor allem für die Schweiz und den vom Kläger dort geltend gemachten Wohnsitz aufgrund der behaupteten Anmietung und Nutzung der Wohnung in der G-Str. 7 in T. Daher beeinflusst das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (DBA-Schweiz) das deutsche Besteuerungsrecht nicht. Denn maßgeblich ist hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsrente des Klägers hier Art. 21 DBA-Schweiz, der dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die in anderen Abkommensvorschriften nicht erwähnten Einkünfte zuweist. Diese Vorschrift ist im Streitfall einschlägig, weil Art. 18 DBA-Schweiz nur Ruhegehälter erfasst, die für eine frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden. Anders als Art. 17 DBA-Liechtenstein ist Art. 18 DBA-Schweiz mithin enger formuliert, weshalb sich die zum DBA-Liechtenstein aufgeworfene Frage, welcher Artikel einschlägig ist, hier nicht stellt. Es ist allein Art. 21 Abs. 1 DBA-Schweiz maßgeblich. Der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat wiederum ist nach der Regelung des Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) Satz 1 DBA-Schweiz Deutschland, weil nicht feststellbar ist, dass der Kläger in der Schweiz über eine ständige Wohnstätte verfügt hat. Der Kläger hat lediglich die Bestätigung von Herrn I X und zwei Postbelege betreffend Posteinlieferungen in T vorgelegt. Die Bestätigung hat Herr I X widerrufen und auch die Postbelege sind nicht geeignet, das Innehaben einer Wohnung in T zu belegen. Zudem muss gesehen werden, dass der Kläger eine Posteinlieferungsquittung für T mit Datum vom 25.02.2015 eingereicht hat, also einen Zeitpunkt, zudem er noch gar keinen Wohnsitz dort unterhalten haben will. Ansonsten hat der Kläger keine weiteren Umstände vorgetragen, die überhaupt dem Grunde nach für eine Wohnstätte in der Schweiz ab dem 01.07.2015 sprechen könnten. Erst recht ist nichts für eine ständige Wohnstätte oder – nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a) Satz 2 DBA-Schweiz – für engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen in der Schweiz ersichtlich. Auch dies geht gemäß § 90 Abs. 2 AO zu Lasten des Klägers.
953. Für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.07.2014 bestand nach alledem kein deutsches Besteuerungsrecht; für den Rest des Jahres 2014 hingegen schon. Daher ist für 2014 eine Aufteilung notwendig. Insoweit ist die einschlägige Einkünfteermittlungsart maßgeblich, hier also das Zu- und Abflussprinzip (Tiede in Hermann/Heuer/Raupach, § 1 EStG Rn. 88). Dementsprechend sind alle nach dem 01.08.2014 zugeflossenen und unter Beachtung der 10-Tages-Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG dem Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.12.2014 zuzurechnenden Einnahmen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in Deutschland steuerpflichtig. Der Senat schätzt den zwischen dem 01.08.2014 bis zum 31.12.2014 zugeflossenen Anteil nach § 162 Abs. 1 AO dergestalt, dass 5/12 des Jahreswertes der deutschen Besteuerung unterworfen werden. Für den Veranlagungszeitraum 2014 betragen die einkommensteuerlich anzusetzenden Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung demnach 10.386 € (83.910 € x 5/12 x 30 % ./. 102 € Werbungskostenpauschbetrag). Der Teil der in 2014 zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente, der nicht der deutschen Besteuerung unterliegt, ist demnach mit 14.684,25 € zu beziffern (83.910 € x 7/12 x 30 %).
96Für den Veranlagungszeitraum 2015 besteht hingegen keine Aufteilungsnotwendigkeit. Deutschland steht das Besteuerungsrecht in Bezug auf die Einkünfte aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für das gesamte Jahr zu.
97II. Die sich für das Jahr 2014 ergebende Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten aufgegeben.
98III. Die Kostenaufteilung richtet sich nach § 136 Abs. 1 FGO, also nach dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen. Dabei entfällt der Großteil des Obsiegens des Klägers auf die während des Klageverfahrens erfolgten Abhilfen durch den Beklagten.
99IV. Die Revision war nach Maßgabe des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.