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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist der Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
3Der Kläger wird beim Beklagten steuerlich geführt.
4Bereits vor diesem Verfahren führte der Kläger umfangreiche Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) Münster gegen den Beklagten. Zuletzt wandte er sich mit einer ebenfalls beim 6. Senat des FG Münster unter dem Aktenzeichen 6 K 2967/18 E, F anhängige Klage gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 bis 2015. Einsicht in die vom Beklagten übersandten Akten nahm der Kläger während des Verfahrens nicht. Die Klage wurde mit Urteil vom 29.09.2020 hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 bis 2015 abgewiesen.
5Mit Schreiben vom 23.09.2019 beantragte der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, dass der Beklagte gem. Art. 15 Abs. 1 der DSGVO unentgeltliche und schriftliche Auskunft erteilen solle, welche personenbezogenen Daten hinsichtlich des Klägers verarbeitet würden. Als Auskunft werde eine vollständige Kopie der gesamten Akten und Vorgänge akzeptiert. Der Beklagte teilte dem Kläger persönlich mit Schreiben vom 26.09.2019 mit, dass ein entsprechender Antrag seines Prozessbevollmächtigten eingegangen sei. Parallel würden jedoch mit einem anderen Bevollmächtigten des Klägers Gespräche über die Möglichkeiten der Tilgung etwaiger Rückstände geführt. Der Beklagte bat den Kläger darum, mit seinen Bevollmächtigten abzustimmen, welches weitere Vorgehen gewünscht sei.
6Ausweislich eines Telefonvermerks vom 26.09.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Antrag nach DSGVO zurückgestellt werden solle. Mit Schreiben vom 02.03.2020 erinnerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Erledigung des Antrags und bat um Bearbeitung. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 05.03.2020, dass die Bearbeitung des Antrags auf Wunsch des Klägers zurückgestellt worden sei, nunmehr aber an die Bearbeitung erinnert werde. Es werde daher um Klärung gebeten, ob der Antrag aufrechterhalten werden solle. Mit Schreiben vom 12.03.2020 gab der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, gegenüber dem Beklagten unter dem Betreff „Rücknahme des Antrags gemäß DSGVO“ an, den auf die DSGVO gestützten Antrag nicht weiter zu verfolgen.
7Mit Schreiben vom 15.12.2020 nahm der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, auf das Schreiben des Beklagten vom 05.03.2020 Bezug und führte aus, dass man vom Beklagten nicht habe erfahren können, dass eine ordnungsgemäße Fallbearbeitung durch den Beklagten vorliege. Es sei daher erforderlich, die im Finanzamt befindlichen Unterlagen im Einzelnen zu sichten und zu prüfen, um daraus abzuleiten, ob die tatsächliche Bearbeitungsweise korrekt sei.
8Der Beklagte werde daher ersucht,
9„gemäß den Vorschriften der DSGVO uns alle in Ihrem Hause befindlichen Akten, Teilakten, seien diese als Papierakte (vorliegen) oder als elektronische Akte vorhanden, in unserem Büro zur Verfügung zu stellen. Wir spezifizieren unser Auskunftsbegehren dahingehend, dass wir „alles“ sehen möchten. Wir bitten höflich von Anfragen abzusehen, ob wir mit weniger einverstanden sind. Wir werden auch nicht Ihr Finanzamt aufsuchen um uns dort Kopien anzufertigen, wir erwarten die unverzügliche Zusendung der Unterlagen, die uns nach der DSGVO zustehen.“
10Ergänzend führte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigen, aus, dass er nicht davon ausgehe, dass die Unterlagen vorgelegt würden und er sich daher entschlossen habe, zeitgleich Klage auf Auskunft nach DSGVO einzureichen. Im Übrigen wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 15.12.2020 Bezug genommen.
11Am 17.12.2020 hat der Kläger unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO Klage „wegen Verpflichtung zur Auskunft“ erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, dass er seinen Anspruch aus der DSGVO geltend mache. Der Beklagte sei mit Datum vom 15.12.2020 um Auskunft nach der DSGVO ersucht worden. Diese sei unverzüglich zu erteilen. Ausnahmetatbestände, welche eine Ablehnung der Auskunft ganz oder teilweise rechtfertigen würden, lägen nicht vor bzw. seien EU-rechtswidrig und/oder grundgesetzwidrig.
12Mit Schreiben vom 12.01.2021 hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übersendung der gesamten Akten im Original oder in Kopie abgelehnt und eine Akteneinsicht in beschränktem, näher erläuterten Umfang gewährt.
13Im vorgenannten Schreiben beruft sich der Beklagte zur Begründung darauf, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DSGVO zwar einen Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten gewähre, es jedoch nicht erforderlich sei, die betreffende Person über sämtliche bei der Finanzbehörde gespeicherten Schriftstücke oder Dateien zu informieren. Insbesondere interne Dokumente seien nicht erfasst. Die DSGVO verfolge nicht das Ziel, ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu eröffnen. Insofern nimmt der Beklagte Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17.07.2014 – C-141/12 und C-372/12, ABl EU 2014, C 315, 2 sowie auf das Urteil des Landgerichts (LG) Köln vom 18.03.2019 – 26 O 25/18. Zudem seien die nationalen Auskunftsbeschränkungen der §§ 32a, 32b und 32c der Abgabenordnung (AO) zu beachten. Die DSGVO diene der Kontrolle der rechtmäßigen Datenverarbeitung, nicht der Kontrolle der „ordnungsgemäßen Fallbearbeitung“.
14Der um Akteneinsicht nachsuchenden Person stehe jedoch ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu. Insoweit werde dem Kläger das Recht gewährt, Einsicht in die noch nicht bestandskräftigen Zeiträume in Gegenwart eines Bediensteten im Hause des Beklagten oder einem anderen Finanzamt in NRW zu nehmen. Ausgenommen hiervon seien jedoch interne Vorgänge, beispielsweise innerorganisatorische Festlegungen, die über die Arbeitsweise der Finanzverwaltung Informationen geben, rechtliche Bewertungen oder Analysen. Diese würden von der gewährten Akteneinsicht aufgrund der Auskunftsbeschränkung des § 32c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AO i. V. m. § 32a Abs. 2 AO ausgenommen. Der Kläger wurde aufgefordert Stellung zu nehmen, ob und in welcher Form er von seinem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen wolle.
15Hinsichtlich der beantragten Übersendung der Akten in das Büro des Prozessbevollmächtigten führte der Beklagte aus, dass die Akteneinsicht in der Regel in der Finanzbehörde erfolge. Ferner bezog der Beklagte in seine Erwägungen ein, dass
16- die Papierakten teilweise im laufenden Verfahren genötigt würden,
17- hinsichtlich einiger Veranlagungszeiträume Bestandskraft eingetreten sei,
18- der Versand der Akten ein Verlustrisiko birge,
19- die Distanz zwischen Köln und Lüdinghausen überschaubar sei,
20- die Kopie sämtlicher Akten nicht bestandskräftiger Zeiträume ohne konkrete Punkte einen unverhältnismäßigen Aufwand darstelle,
21- keine Gründe dargelegt worden seien, warum die Akteneinsicht im Finanzamt nicht zumutbar sei.
22Im Übrigen wird auf das Schreiben des Beklagten vom 12.01.2021 Bezug genommen.
23Mit Schreiben vom 20.01.2021 hat der Kläger zum Schreiben des Beklagten vom 12.01.2021 Stellung genommen und vorgetragen, dass die vom Beklagte zitierte Entscheidung des EuGH vom 17.07.2014 vor Einführung der DSGVO ergangen sei. Die Meinung der Finanzverwaltung, wonach es zwar personenbezogene Daten gebe, diese aber nicht in Kopie zur Verfügung zu stellen seien, sei falsch.
24In der vom Beklagten zitierten Entscheidung des LG Köln sei es darauf angekommen, dass der Schriftverkehr dem Kläger bereits bekannt gewesen sei. Das behauptete Zitat „Die DSGVO verfolgt nicht das Ziel, ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsakten zu eröffnen“ sei dort nicht zu finden.
25Personenbezogene Daten gem. Art. 4 DSGVO lägen in jedem Vorgang, in welchem die Möglichkeit beinhaltet sei, dass darüber eine Identifizierung einer konkreten natürlichen Person gegeben ist. Würde man tatsächlich darüber nachdenken, dass es „interne Vorgänge", „Vermerke", „rechtliche Bewertungen" oder „Analysen" geben sollte, so müsste sich eine Ermächtigungsgrundlage für genau diese Überlegung aus der DSGVO ergeben. Das Finanzamt könne sich seiner Verpflichtung aus der DSGVO nicht entziehen, indem es Akten als „interne Akten“ bezeichne.
26Weiterhin habe das Finanzamt keine private Sphäre, sodass letztlich keine schützenswerten Interna vorliegen könnten.
27Soweit sich der Beklagte auf die §§ 32a ff. AO berufe, fehle es am Vortrag von Tatsachen, die unter die Vorschriften subsumiert werden könnten.
28Der Anspruch des Klägers erstrecke sich nicht nur auf die Papierakten, sondern auch auf die elektronischen Akten sowie sämtliche elektronische Kommunikation, die über den Kläger geführt worden sei.
29Der Antrag des Klägers sei nicht exzessiv im Sinne des Art. 12 Abs. 5 DSGVO. Der erstmaligen Durchführung des Antrags könne kein exzessiver Charakter zukommen.
30§ 32c Abs. 2 AO enthalte lediglich eine Sollvorschrift. An die Nichterfüllung dieser Sollvorschrift seien keinerlei Rechtsfolgen geknüpft. Soweit sich der Beklagte auf § 32c Abs. 2 AO berufe, müsse er zunächst Auskunft über eine so genannte „Auswahlliste“oder „Speisekarte“ oder eine Systematik des Ablegens erteilen. Der auskunftsbegehrende Kläger wisse nicht und könne auch nicht wissen, was der Beklagte unter „sämtlicher, kompletter Akten" oder „sämtlicher bisher geführte Verfahren“ verstehe.
31Mit Schreiben vom 23.02.2022 hat der Kläger seinen bisherigen Vortrag dahingehend ergänzt, dass er keine Informationen verlange,
32- die dem Kläger aus dem geführtem Schriftverkehr mit dem Beklagten bereits bekannt seien,
33- die nur deshalb beim Beklagten gespeichert seien, weil sie aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsverpflichtung nicht gelöscht werden dürfen,
34- die sachlich den Beschränkungen des Art. 2 Abs.2 lit d) DSGVO unterfallen (Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung) sowie
35- Steuerbescheide, die den Kläger persönlich oder von ihm vertretene Gesellschaften betreffen.
36Es sei richtig, dass kein allgemeiner Zugang zu Verwaltungsdokumenten über die DSGVO ermöglicht werde. Eine allgemeine Verwaltungsdokumentation werde aber auch nicht abgefragt.
37Ebenso sei es richtig, dass es keinen allumfassenden Anspruch auf Akteneinsichtsrecht bei dem Beklagten nach der DSGVO gebe. Ein Akteneinsichtsrecht werde nicht eingeklagt, hier würden die Rechte aus Art. 15 DSGVO geltend gemacht.
38Diese Rechte könnten nur eingeschränkt werden, wenn die nationalen Einschränkungen dem Katalog des Art. 23 DSGVO entsprächen. Der Kläger nimmt Bezug auf die einzelnen in der DSGVO sowie in der AO normierten Beschränkungen (§ 32a ff. AO) des Einsichtsrechts und führt zur Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit der DSGVO aus. Zu den weiteren Einzelheiten des Klägervortrags wird das Schreiben des Klägers vom 23.02.2022 vollumfänglich Bezug genommen.
39Der Kläger beantragt,
40den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) zu geben:
41- die Verarbeitungszwecke;
42- die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
43- die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
44- falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
45- das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
46- das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
47- wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
48- das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und - zumindest in diesen Fällen - aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.
49Der Beklagte wird weiter verurteilt, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, dem Kläger zur Verfügung zu stellen (Art 15 Abs. 3 DSGVO).
50Es werden nicht die Informationen verlangt,
51- die dem Kläger aus einem Schriftverkehr zwischen der Beklagten und dem Kläger persönlich sowie aus Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und einem der Steuerberater, Rechtsanwalt oder einer entsprechenden Assoziierung dieser beiden Berufsgruppen schon bekannt sind;
52- die nur deshalb bei der Beklagten gespeichert sind, weil diese aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsverpflichtung nicht gelöscht werden dürfen; hiervon sind jedoch die Daten ausgenommen, die zu einer Festsetzung eines noch nicht festsetzungsverjährten Zeitraumes relevant sind;
53- die sachlich den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 2 lit d) DSGVO unterfallen;
54- die Steuerbescheide, die den Kläger persönlich betreffen;
55- die Steuerbescheide, die die Gesellschaften(en) betreffen, die der Kläger persönlich vertritt;
56hilfsweise, die Revision zuzulassen .
57Der Beklagte beantragt,
58die Klage abzuweisen.
59Zur Begründung verweist er auf sein Schreiben vom 12.01.2021.
60Darüber hinaus trägt der Beklagte mit Schreiben vom 26.02.2021 vor, der Antrag des Kläger sei exzessiv, da die Kopie sämtlicher, kompletter Akten über die personenbezogenen Daten hinausgehe. Der Antragsteller solle zudem in dem Auskunftsantrag die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden solle, näher bezeichnen. Dies habe der Kläger bereits mit seinem Antrag ausgeschlossen und vielmehr „alles" verlangt.
61Die Klage sei rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger gehe es nicht um den Datenschutz, sondern um einen Aufschub der Vollstreckung. Während sämtlicher bisher geführter Verfahren sei die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nicht thematisiert worden. Die Gelegenheit zur Einsichtnahme sei in Einspruchs- und Klageverfahren nicht genutzt worden.
62Der Senat hat in der Sache am 24.02.2022 mündlich verhandelt.
63Die Beteiligten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2022 übereinstimmend erklärt, dass der Antrag des Klägers vom 15.12.2020 und der Bescheid des Beklagten vom 12.01.2021 im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich seien.
64Auf die Sitzungsniederschrift wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
65Im Übrigen wird auf die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
66E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
67A. Die auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO gerichtete Klage ist unzulässig.
68Es fehlt an einem, dem Klageverfahren vorausgehenden vom Kläger außergerichtlich gestellten Antrag auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO.
69I. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage i. S. des § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Gestalt der „untechnischen“ Untätigkeitsklage.
701. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers. Vorliegend begehrt der Kläger ausweislich des in der Klageschrift formulierte Antrags, der dem Gesetzeswortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO entspricht, und den klarstellenden Ausführungen des Prozessbevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die Erteilung einer Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die Erteilung der in Art. 15 Abs. 1 DSGVO normierten Informationen, namentlich Verarbeitungszwecke, Kategorien personenbezogener Daten, Empfänger oder Kategorien von Empfängern, geplante Dauer der Speicherung, das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung, das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde sowie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung.
71Dabei wendet sich der Kläger ausweislich seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung nicht gegen die Ablehnung seines außergerichtlichen Antrags vom 15.12.2020 mit Bescheid vom 12.01.2021, sondern begehrt erstmals die Erteilung einer Auskunft über personenbezogene Daten i. S. des Art. 15 DSGVO.
72Dieses Begehren ist im Rahmen einer Verpflichtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO zu verfolgen.
732. Gem. § 40 Abs. 1 FGO kann durch die Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten (Vornahmeklage) oder unterlassenen Verwaltungsakts (Untätigkeitsklage im untechnischen Sinne) begehrt werden (Krumm, in Tipke/Kruse, FGO, § 40 Rn. 17; Braun, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 40 Rn. 74). Verwaltungsakt i. S. des § 40 Abs. 1 der FGO ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1 AO).
74Bei der Entscheidung über einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DSGVO durch eine Behörde handelt es sich um einen solchen Verwaltungsakt (vgl. Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- Urteil vom 16.09.2020 – 6 C 10/19, NVwZ 2021, 80; FG München-Urteil vom 04.11.2021 – 15 K 118/20, EFG 2022, 299; Oberverwaltungsgericht -OVG- Hamburg-Urteil vom 08.02.2018 - 3 Bf 107/17, ZVI 2018, 280). Der Erteilung der Auskunft geht eine behördliche Entscheidung voraus, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms (vgl. Art. 15 Abs. 4 DSGVO) zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten hat (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG-Urteil vom 28.11.2007 - 6 A 2.07, BVerwGE 130, 29; BVerwG-Urteil vom 24.03.2010 - 6 A 2.09 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 2 Rn. 25, BVerwG-Urteil vom 25.02.1969 - 1 C 65.67, BVerwGE 31, 301 und BVwerG-Urteil vom 21.03.1986 - 7 C 71.83 - BVerwGE 74, 115). Daher geht der Auskunftserteilung durch eine Behörde auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 1 DSGVO stets eine Prüfung möglicher Ausschluss- und Beschränkungstatbestände voraus (vgl. BVerwG-Urteil vom 16.09.2020 – 6 C 10/19, NVwZ 2021, 80).
75Die Entscheidung über die Erteilung der in Art. 15 Abs. 1 DSGVO normierten Auskunft erfolgt einzelfallbezogen und entfaltet gegenüber dem Antragsteller Außenwirkung. Insofern geht auch der Übersendung von Kopien im Falle der stattgebenden Entscheidung eine einzelfallbezogene Prüfung voraus, die nicht zwingend mit einer Begründung zu versehen ist (§ 121 Abs. 2 Nr. 1 AO). Ein allgemeines Schriftformerfordernis kennt die Abgabenordnung nicht.
76II. Aufgrund der Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage im untechnischen Sinne sind auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verpflichtungsklage zu beachten, die vorliegend nicht erfüllt sind. Der Kläger ist nicht beschwert i. S. des § 40 Abs. 2 FGO.
771. Denn der Verpflichtungsklage ist immanent, dass der Kläger geltend machen muss, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Dies setzt zuvorderst voraus, dass er den begehrten Verwaltungsakt ohne Erfolg bereits beantragt hat (Krumm, in Tipke/Kruse, FGO, § 40 Rn. 45). Es ist nämlich zunächst Sache der Verwaltung, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG-Beschluss vom 12.05.2020 - 6 B 54/19, NVwZ 2021, 812).
782. An einem solchen, dem Klageverfahren vorausgehenden, außergerichtlichen Antrag fehlt es hier. Denn der Kläger hat vor Klageerhebung beim Beklagten nicht beantragt, die in Art. 15 DSGVO normierten Auskünfte zu erteilen.
79a. Ein außergerichtlicher, dem Klageverfahren vorgeschalteter Antrag des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus seinem Schreiben vom 23.09.2019. Diesen ausdrücklich auf Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 der DSGVO gerichteten Antrag hat der Kläger mit Schreiben vom 12.03.2020 zurückgenommen.
80b. Der am 15.12.2020 außergerichtlich gestellte und vom Beklagten mit Schreiben vom 12.01.2021 beschiedene Antrag, der nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten gar nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, war demgegenüber nicht auf Informationserteilung nach Art. 15 DSGVO gerichtet, sondern auf Gewährung einer umfassenden Akteneinsicht in den Räumen des Prozessbevollmächtigten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Antrags, in dessen Rahmen der anwaltlich vertretene Kläger, die Übersendung aller im Finanzamt befindlicher Akten, Teilakten, seien diese als Papierakte oder als elektronische Akte vorhanden, in das Büro des Prozessbevollmächtigten verlangt hat. Zur Begründung hat er dabei angegeben, dass dies erforderlich sei, um zu überprüfen, ob die Bearbeitungsweise korrekt sei. Eine Bezugnahme auf Art. 15 DSGVO oder die Erteilung von Auskunft über personenbezogene Daten oder die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen enthält das Schreiben vom 15.12.2020 nicht. Insbesondere hat der Kläger gegenüber dem Beklagten nicht beantragt, Auskunft über die Verarbeitungszwecke, Kategorien personenbezogener Daten, Empfänger oder Kategorien von Empfängern, geplante Dauer der Speicherung, das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung, das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde sowie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung zu erteilen, sondern ausdrücklich die Übersendung der Akten gefordert, unabhängig davon, ob sich die zuvor genannten Informationen überhaupt aus den beim Beklagten geführten Akten ergeben. Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, „alles“ sehen zu wollen und darum gebeten, von Anfragen abzusehen, ob man mit weniger einverstanden sei. „Alles“ bezog sich dabei auf die zuvor genannten Akten und Teilakten, nicht aber auf personenbezogene Informationen. Dem Kläger war ausweislich seines Antrags vom 15.12.2020 und des darin angegebenen Motivs nicht daran gelegen, Informationen über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu erlangen, sondern Einsicht in die beim Beklagten geführten Akten zu nehmen, um die Rechtmäßigkeit der Bearbeitung zu überprüfen. Dies ergibt sich auch aus dem Verlauf des Verwaltungsverfahrens, in dessen Rahmen der Kläger seinen auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO gestützten Antrag zunächst zurückgenommen hatte, um später die Vorlage sämtlicher beim Beklagten geführter Akten (gestützt auf die DSGVO) zu verlangen.
81c. Der vom Kläger mit Schreiben vom 15.12.2020 beim Beklagten gestellte Antrag kann auch schon deshalb nicht als ein dem Klageverfahren vorgeschalteter Antrag gesehen werden, da der klägerische Antrag vom 15.12.2020 und der im Rahmen der Klageschrift vom 17.12.2020 gestellte Antrag grundlegend abweichende Ziele verfolgen. Während der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2020 umfassende Akteneinsicht (gestützt auf die DSGVO) verlangt hat, begehrt er im Rahmen der Klage Auskunftserteilung über personenbezogene Daten gemäß Art. 15 DSGVO. Hierbei handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände, da sich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht aus der DSGVO nicht ableiten lässt.
82Zwar ist in Literatur und Rechtsprechung stark umstritten, ob sich aus Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO ein (gebundener) Anspruch auf (umfassende) Akteneinsicht (bzw. Übersendung von Kopien) ergibt (bejahend z.B. Beschluss des FG Saarland vom 03.04.2019 - 2 K 1002/16, EFG 2019, 1217; Bleschick, DStR 2018, 1050; Haverkamp/Meinert AO-StB 2019, 276; Krumm, DB 2017, 2182 (2193); Friedrich, AO-StB 2019, 345; Haupt, DStR 2019, 2115; Wulf/Bertrand, StBg 2019, 400; ablehnend z.B. Urteil des LG Köln vom 24.06.2020 – 20 O 241/19, VersR 2021, 645; Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.01.2020 – 12 K 213/19, EFG 2020, 665, Revision anhängig unter dem Az. II R 15/20; Urteil des LG Stuttgart vom 04.11.2020 – 18 O 333/19, ZD 2021, 381; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.07.2021 – 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777, Nichtzulassungsbeschwerde -NZB- eingelegt unter dem Az. X B 109/21; Gerichtsbescheid des FG München vom 23.07.2021 – 15 K 81/20, EFG 2021, 1789; FG München-Urteil vom 04.11.2021 – 15 K 118/20, EFG 2022, 299, Revision anhängig unter dem Az. II R 43/21; Poschenrieder, DStR 2020, 21 ff.; Tibor, FR 2020, 558 ff.; von Armansperg, DStR 2021, 453 (457 f.); Drüen, in Tipke/Kruse, AO, § 32c Rn. 12a; Erkis, DStR 2018, 161 (163)).
83Die Befürworter eines solchen umfassenden Akteneinsichtsrechts berufen sich im Wesentlichen darauf, dass dem Anspruch des Antragstellers aufgrund des Umfangs der personenbezogenen Daten regelmäßig nur durch Gewährung der Akteneinsicht genüge getan werden könne (vgl. Wulf/Bertrand, StbG 2019, 400 (403); Norstedt/Paßberger, SAM 2020, 99 (101)). Der gesetzlich geregelte Auskunftsanspruch wird einem Einsichtsanspruch damit aus Praktikabilitätserwägungen gleichgestellt.
84Dies vermag jedoch aufgrund der nachfolgenden Erwägungen nicht zu überzeugen. Vielmehr bildet das Akteneinsicht nur eine besondere Form der Auskunftserteilung (so auch Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 29.08.2019 – X S 6/19, BFH/NV 2020, 25 mit Verweis auf Krumm, DB 2017, 2182 (2193); ebenso Poschenrieder, DStR 2020, 21 (24); Drüen, in Tipke/Kruse, AO, § 32c Rn. 12a; Korts, Steueranwaltsmagazin, 2019, 123 (125)), wobei die Finanzbehörde die Möglichkeit hat, den gesetzlich festgeschriebenen Informationseinspruch durch Gewährung von Einsicht in die bei ihr geführten Akten zu erfüllen. Ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO aber nicht. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Urteils des FG Baden-Württemberg vom 26.07.2021 – 10 K 3159/20 (EFG 2021, 1777, NZB eingelegt unter dem Az. X B 109/21) an.
85aa. Gegen einen gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht spricht bereits der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Art 15 Abs. 1 DSGVO regelt ein Auskunftsrecht, welches einem Einsichtsrecht vom Wortsinn her nicht gleichsteht. Während Akteneinsicht den „Zugang zur Akte“ meint, ist Auskunft als Information über bestimmte Akteninhalte zu verstehen. Dies ergibt sich auch im Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen der DSGVO (vgl. hierzu ausführlich Poschenrieder, DStR 2020, 21).
86bb. Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ist auch inhaltlich nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch. Das Akteneinsichtsrecht beruht vornehmlich auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und soll den Anspruchsteller in die Lage versetzen, die Grundlagen einer Verwaltungsentscheidung nachzuvollziehen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.04.2010 – 1 BvR 3515/08, HFR 2010, 862). Ein Akteneinsichtsrecht geht stets über ein bloßes Auskunftsrecht hinsichtlich der verarbeiteten personenbezogenen Daten hinaus; so beinhaltet eine Akte regelmäßig auch rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe und Berechnungen der Amtsträger, Dienstanweisungen oder Ermittlungsergebnisse, die keine personenbezogenen Daten enthalten müssen (hierzu ausführlich Urteil des FG München vom 04.11.2021 – 15 K 118/20, EFG 2022, 299, Revision anhängig unter dem Az. II R 43/21). Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO umfasst auch nicht die von der Betriebsprüfung selbst, etwa im Wege der Schätzung, geschaffenen Daten. Angewandte Schätzmethoden oder Schlussfolgerungen der Betriebsprüfung aus den erhobenen Daten stellen keine Verarbeitung i.S. des Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (vgl. Urteil des FG Sachsen vom 08.05.2019 - 5 K 337/19, EFG 2020, 661).
87cc. Gegen einen gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht spricht weiterhin der Sinn und Zweck der DSGVO. Anlass und Regelungsziel der DSGVO sind der über Art. 8 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art. 16 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 1 Abs. 2 DSGVO und Erwägungsgrund 1 zur DSGVO). Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC). Die Betroffenenrechte der DSGVO wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DSGVO). Zu diesem Zweck räumen Art. 8 Abs. 2 GRC und Art. 15 Abs. 1 DSGVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden sind. Ziel ist es, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst ist und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO). Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 der Vorschrift erweisen sich damit als elementare subjektive Datenschutzrechte, da erst die Kenntnis darüber, ob und in welchem Umfang ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage versetzt, weitere Rechte auszuüben. Der Auskunftsanspruch soll für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben. Er ist seiner Natur nach ein Instrument zur Durchsetzung der weiteren Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DSGVO), Löschung (Art. 17 DSGVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DSGVO; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.07.2021 – 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777, NZB eingelegt unter dem Az. X B 109/21; Schober, FR 2020, 558, 562). Art. 15 DSGVO dient aber nicht dazu, dem Antragsteller die Überprüfung der Bearbeitung seines Steuerfalles zu ermöglichen oder die Bearbeitung nachzuvollziehen. Hierzu bestehen auf nationaler Ebene die in der AO und FGO normierten Rechtsmittel, wobei nicht ersichtlich ist, dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen der DSGVO ein weiteres, zusätzliches Rechtsmittelverfahren schaffen wollte.
88Dieses Verständnis lässt sich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur früheren Rechtslage nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) - Datenschutzrichtlinie - belegen. Der europäische Gesetzgeber will mit der DSGVO an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen (Erwägungsgrund 9 zur DSGVO) und künftig ein unionsweit gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen gewährleisten (Erwägungsgrund 10 zur DSGVO). Daher bietet die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchst. a Datenschutzrichtlinie auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO (von Armansperg, DStR 2021, 453 (455)). So hat der EuGH in seinen Urteilen vom 07.05.2009 - C-553/07, vom 17.07.2014 - C 141/12 und vom 20.12.2017 - C-434/16 jeweils den instrumentellen Charakter des Auskunftsrechts für das Begehren der betroffenen Person hervorgehoben, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen. Dagegen dient das Auskunftsrecht nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (vgl. EuGH-Urteil vom 17.07.2014 - C-141/12, NVwZ-RR 2014, 736).
89dd. Im Ergebnis ist daher nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber der DSGVO einen nach inländischen Normen nicht geregelten gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht schaffen wollte. Vielmehr kann ein datenschutzrechtlicher Anspruch auch ohne Akteneinsicht erfüllt werden, indem dem Betroffenen im Fall der Verarbeitung personenbezogener Daten die konkreten Daten sowie die Einzelangaben i.S. von Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO mitgeteilt werden (Klein/Rätke, AO, § 91 Rn. 26; von Armansperg, DStR 2021, 453; BeckOK AO/Kobor, AO § 91 Rn. 39-40.1; Poschenrieder, DStR 2020, 21; Schober FR 2020, 558, 560 f.; Karg NWB 2020, 931, 933; BMF-Schreiben vom 13.01.2020, BStBl I 2020, 143, Rn. 32)
90III. Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 32i Abs. 9 AO.
91Zwar sehen DSGVO und AO für den Fall des Auskunftsrechts über personenbezogene Daten die Durchführung eines Vorverfahrens nicht vor (vgl. § 32i Abs. 9 AO). Hieraus folgt aber nicht, dass ein auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO gerichteter Antrag unmittelbar an das Gericht gerichtete werden kann.
92Ein der Finanzgerichtsbarkeit nach Maßgabe der § 32i Abs. 1 - 3 AO zugewiesener Rechtsstreit unterliegt dem Prozessrecht der FGO, soweit sich aus § 32i AO keine Sonderregelungen ergeben. Eine Sonderregelung normiert § 32i Abs. 9 AO für die Notwendigkeit des außergerichtlichen Vorverfahrens i. S. des 44 FGO (Krumm, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 32i Rn. 15; Schober, in Gosch, AO, § 32i Rn. 34). Vorverfahren i. S. des § 44 FGO sowie des § 32i Abs. 9 AO ist das Einspruchsverfahren i. S. des § 347 AO (Krumm, in Tipke/Kruse, FGO, § 44 Rn. 2; Steinhauff, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 44 Rn. 82). Entsprechend schließt § 32i Abs. 9 AO für den Fall der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO die Durchführung des Einspruchsverfahrens aus. Dieses ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine auf Art. 15 DSGVO gestützte Verpflichtungsklage.
93Anstelle des Einspruchsverfahrens besteht bei Ablehnung der Auskunftserteilung oder bei Teilablehnung die Möglichkeit der Beschwerde nach Art. 77 DSGVO beim Datenschutzbeauftragen, die eine, der gerichtlichen Entscheidung vorgelagerte Kontrollmöglichkeit bietet.
94Die Entbehrlichkeit der vorherigen Antragstellung bei Behörde, deren Notwendigkeit sich aus § 40 Abs. 2 FGO ergibt, wird durch § 32i Abs. 9 AO aber nicht berührt.
95B. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
96C. Die Revision wird zugelassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, liegt eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob der Anspruch nach Art. 15 DSGVO im Rahmen der Verpflichtungsklage zu verfolgen ist, bisher nicht vor. Auch liegt keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage vor, in welchem Verhältnis ein auf Art. 15 DSGVO gestütztes Akteneinsichtsrecht und der gesetzlich festgeschriebene Anspruch auf Informationserteilung stehen.