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Der Bescheid vom 01.09.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.09.2020 wird dahingehend geändert, dass die Absetzung für Abnutzung für das Gebäude X-Straße in N-Stadt in Höhe von 27.424 EUR berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) für ein Gebäude.
2Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 17.11.2017 (Urkundenrolle […] des Notars T., N-Stadt) das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück X-Straße in N-Stadt. Der Kaufpreis in Höhe von 2.400.000 EUR sollte nach § 2 des Kaufvertrags zu 400.000 EUR auf den Grund und Boden entfallen und im Übrigen auf das Gebäude. In § 3 wurde eine Gewährleistung des Verkäufers ausgeschlossen. Anlage 1 des Vertrags enthält eine mit „Bau- und Zustandsbeschreibung“ betitelte Liste, in der verschiedene Baumaßnahmen, Ausstattungsmerkmale und Mängel bzw. Risiken (etwa Fassadenrisse, fehlende Bauunterlagen, mögliche Defekte an einer Dachrinne, Überschwemmungsgefahr bei Starkregen) benannt sind; etwaige Altlasten werden in der Liste nicht erwähnt. Der Verkäufer erklärte, dass ihm verborgene Sachmängel nicht bekannt seien und dass sich diese Erklärung auch auf etwaige Altlasten, Öl- und Chemikalienrückstände auf dem Grundstück beziehe. Nach § 4 sollten der Gefahrenübergang und der Übergang der Nutzen und Lasten am Tag, der dem Tag der vollständigen Kaufpreiszahlung folgt, erfolgen. Die vollständige Kaufpreiszahlung erfolgte am 29.03.2018.
3Die Anschaffungsnebenkosten betrugen 166.013 EUR.
4Die Wohnungen in dem Haus waren zum Zeitpunkt des Erwerbs vermietet; der Kläger setzte die Vermietung fort.
5In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2018 machten die Kläger AfA gemäß § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Gebäude in folgender Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend:
6Anteil Bodenwert laut Kaufvertrag (400.000/2.400.000) 16,67 %
7Anschaffungskosten (Kaufpreis inklusive Nebenkosten): 2.566.013 EUR
8davon Anschaffungskosten Grund und Boden (16,67 %) 427.668,85 EUR
9davon Anschaffungskosten Gebäude (83,33 %) 2.138.344,25 EUR
10AfA Gebäude für neun Monate (*9/12*2%) 32.076 EUR
11Der Beklagte wies vor Erlass eines Bescheids mit Schreiben vom 07.02.2020 darauf hin, dass er nur AfA in Höhe von 12.594 EUR anzusetzen beabsichtige, ausgehend von einer Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude im Verhältnis von 32,72 %/67,28 % *. Mit Bescheid vom 30.03.2020 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2018 entsprechend fest.
12Mit dem dagegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die erklärungsgemäße Veranlagung. Im Einspruchsverfahren ermittelte die Bausachverständige des Beklagten nach dem Ertragswertverfahren eine Aufteilungsquote von 39,38 % (Grund und Boden) zu 60,62 % (Gebäude). Daraufhin half der Beklagte dem Einspruch mit Änderungsbescheid vom 01.09.2022 teilweise ab und berücksichtigte eine AfA in Höhe von 23.242 EUR. Der weitergehende Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 02.09.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass die vertraglich vereinbarten Werte wegen einer wesentlichen Abweichung von den Bodenrichtwerten nicht steuerlich bindend seien und daher eine Aufteilung der Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der Verkehrswerte von Grund und Boden und Gebäude erfolgen müsse. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Ermittlung der Verkehrswerte durch den Beklagten, wird auf die Einspruchsentscheidung und die im Einspruchsverfahren ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen.
13Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und tragen (wie teils schon im Einspruchsverfahren) vor:
14- Der Kaufpreis habe schon am 17.03.2016 festgestanden. Zu diesem Zeitpunkt seien der Kaufpreis und die Kaufpreisaufteilung bereits zwischen dem Verkäufer und ihm, dem Kläger, vereinbart worden. Dabei sei der Preis pro Quadratmeter Wohnfläche maßgebend gewesen.
15- Der sich nach dem Bodenrichtwert ergebende Grundstückswert sei abgerundet worden wegen möglicher Altlasten aus einem Tankstellenbetrieb.
16- Es seien mehrere Renovierungsarbeiten am Gebäude vorgenommen worden, nämlich 1985 bis 1990: unter anderem Waschküche mit Podest, Parkett, Balkone; 2014: eine neue Heizung, neue Zu- und Abwasserleitungen, Kellerräume.
17- Ein Abriss und Neubau seien „nicht wirtschaftlich“ gewesen.
18Die vertragliche Vereinbarung sei insgesamt steuerlich bindend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die klägerischen Schriftsätze Bezug genommen.
19Nachdem das Gericht in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die AfA im Streitjahr auch für den Monat März anzusetzen sein dürfte, beantragen die Kläger über ihr ursprüngliches Begehren hinausgehend,
20den Einkommensteuerbescheid vom 01.09.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.09.2020 dahingehend zu ändern, dass die AfA für das Gebäude X-Straße in N-Stadt in Höhe von 35.640 EUR berücksichtigt wird.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
24Das Gericht hat mit Beschluss vom 13.07.2021 ein Sachverständigengutachten eingeholt, das die Werte von Grund und Boden und Gebäude für drei Zeitpunkte, nämlich den von Klägerseite behaupteten Zeitpunkt der ursprünglichen (mündlichen) Vereinbarung, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, ermittelt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse des Gutachtens zu den Zeitpunkten „Vertragsschluss“ und „Gefahrübergang“ im Vergleich zu den Auffassungen der Beteiligten:
25 26Auf das Gutachten vom 12.11.2021 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
27Die Kläger wenden gegen das Gutachten ein: Die unmittelbar angrenzende Fläche sei im Altlastenverdachtsflächenkataster der Stadt N-Stadt erfasst. Weder ihm, dem Käufer, noch dem Verkäufer sei zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen, welche Risiken hier bestünden. Er, der Kläger, wisse, dass Ölverseuchungen über das Grundwasser über hunderte von Metern verteilt werden könnten. Das Gebiet des streitgegenständlichen Grundstücks sei auf sehr feuchtem und durchlässigem Baugrund erbaut worden. Da auf dem Nachbargrundstück eine Werkstatt-Rampe/Autogrube liege, wo über Jahrzehnte auch Ölwechsel und Ähnliches durchgeführt worden seien, bestünde das Risiko erheblicher Kosten für etwaige Bodensanierungen.
28Der Gutachter hat hierzu Stellung genommen: Er sehe keine Anhaltspunkte für ein Altlastenrisiko und halte eine etwaige Kontamination über das Nachbargrundstück für zu spekulativ, um Wertauswirkungen zu zeitigen, zumal eine tatsächliche Inanspruchnahme des Klägers wegen etwaiger Altlasten allenfalls im Zeitpunkt eines Abrisses und Neubaus erfolgen würde. Er weist zudem darauf hin, dass die Altlastenproblematik nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern aufgrund der geologischen Beschaffenheit des Gebiets das Gebiet als Ganzes beträfe und insofern in den Bodenrichtwert „eingepreist“ sei. Für die Wertermittlung sei die Altlastenproblematik ohne konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Kontamination daher unerheblich.
29Die Sache ist am 22.09.2022 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. In der mündlichen Verhandlung ist der Sachverstände gehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die AfA für das Gebäude auf dem Grundstück X-Straße ist mit einem höheren Betrag (27.424 EUR) als dem vom Beklagten angesetzten Betrag (23.241 EUR) zu berücksichtigen; insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der anzusetzende Betrag bleibt jedoch unter dem von den Klägern begehrten Betrag (35.640 EUR) zurück; insoweit hat die Klage keinen Erfolg.
31Die Kläger können im Streitjahr AfA für das Gebäude X-Straße in Höhe von 27.424 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG, geltend machen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 in Verbindung mit § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG sind Abschreibungen in Höhe von jährlich 2 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten als Werbungskosten abzugsfähig. Im Jahr der Anschaffung vermindert sich der Absetzungsbetrag um jeweils ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat der Anschaffung vorangeht (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG).
32Die Anschaffungskosten für das Gebäude betragen im Streitfall 1.645.390,11 EUR.
33Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der Senat sich anschließt, richtet sich bei einem Kaufvertrag über ein bebautes Grundstück die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazu gehörendem Grund und Boden andererseits nach folgenden Grundsätzen:
34Bei einer im Kaufvertrag vorgenommenen Kaufpreisaufteilung sind die vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zu Grunde zu legen. Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt worden oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO seien gegeben. Um zu vermeiden, dass die Vertragsparteien die Höhe der AfA und damit der Steuer bestimmen können, muss zudem geprüft werden, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Dazu muss die vertragliche Vereinbarung durch weitere Umstände, insbesondere die objektiv am Markt erzielbaren Preise bzw. Verkehrswerte, verifiziert werden. Bei dieser Prüfung rechtfertigt eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten es nicht ohne weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die auf Grund und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Es handelt sich aber um ein Indiz dafür, dass die vertragliche Aufteilung ggf. nicht die realen Werte wiedergibt. Ein solches Indiz kann durch andere Indizien entkräftet werden. Solche Indizien können bei einem Gebäude besondere Ausstattungsmerkmale, dessen ursprüngliche Baukosten und etwaige Renovierungen, eine ggf. eingeschränkte Nutzbarkeit wegen bestehender Mietverträge oder der Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft, der zum Beispiel durch Straßenlärm, soziale Einrichtungen oder besondere Ruhe wegen einer benachbarten Grünanlage geprägt sein kann, darstellen. Bei einem Grundstück können etwa eine gepflegte Gartenanlage oder störender Baumbestand besondere Umstände darstellen. Eine Korrektur der vereinbarten Aufteilung ist erst geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint. Dabei kommt dem Finanzgericht (FG) im Rahmen einer Gesamtwürdigung ein gewisser Bewertungsspielraum zu. Können die vereinbarten Kaufpreise nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, hat sie das FG entsprechend seiner Gesamtwürdigung der Verhältnisse durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen. Dabei hat das FG die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, anhand der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BFH, Urteil vom 16.09.2015, IX R 12/14, BStBl II 2016, 397 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
35Nach dieser Maßgabe ist die von den Vertragsparteien getroffene Aufteilung nicht der Besteuerung zugrunde zu legen.
36Der sich nach der vertraglichen Vereinbarung ergebende Bodenwert weicht erheblich von den Bodenrichtwerten und dem vom Gutachter ermittelten Bodenwert ab. Der Senat geht davon aus, dass für die Frage einer erheblichen Abweichung die Wertverhältnisse am Tag des Gefahrübergangs maßgeblich sind. Die Prüfung, ob die vertraglich vereinbarten Werte steuerlich anzuerkennen sind, dient der Sicherung der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Daher ist nach allgemeinen Grundsätzen der Stichtag für die Ermittlung der Anschaffungskosten der Tag der Lieferung, bei Grundstücken also in der Regel der Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten maßgeblich (so offenbar auch FG München, Urteil vom 26.10.1999, 16 K 2935/98, EFG 2000, 210 und nachfolgend BFH, Urteil vom 11.02.2003, IX R 13/00; vgl. BFH, Urteil vom 24.03.2006, III R 6/04, BStBl II 2006, 774; BFH, Urteil vom 28.11.2006, III R 17/05, BFH/NV 2007, 975; BFH, Urteil vom 17.12.2009, III R 92/08, BStBl II 2014, 190). Soweit in Rechtsprechung und Literatur teilweise auf die Verhältnisse am Tag des Vertragsschlusses abgestellt wird (Rade in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG, Rn. 312 mit Verweis auf BFH, Urteil vom 15.01.1985, IX R 81/83, BStBl. II 1985, 252; wohl auch FG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2007, 11 K 4306/05 E; FG Hamburg, Urteil vom 17.10.2019, 3 K 73/18), folgt der Senat dem nicht. Nur weil die Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen sind, verschiebt sich nicht der steuerlich maßgebliche Stichtag auf den Tag dieser Vereinbarung; vielmehr muss zur Sicherung der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gerade anhand der Verhältnisse am steuerlich maßgeblichen Stichtag überprüft werden, ob die Vertragsvereinbarung die realen Wertverhältnisse nicht in grundlegender Weise verfehlt. Aus dem gleichen Grund kann es – anders als die Kläger meinen – nicht auf den Zeitpunkt ankommen, an dem die Vertragsparteien sich tatsächlich über die später in den (notariell beurkundeten) Vertrag aufgenommenen Werte verständigt haben. Der maßgebliche Stichtag ist somit der 30.03.2018, weil der Gefahrübergang einen Tag nach Kaufpreiszahlung (erfolgt am 29.03.2018) eingetreten ist.
37Nach der vertraglichen Vereinbarung wurde ein Bodenwert von 400.000 EUR angesetzt. Nach den Feststellungen des Gutachters beträgt der Bodenwert am 30.03.2018 1.041.000 EUR. Die Abweichung des Werts nach Parteivereinbarung zum gutachterlich festgestellten Wert beträgt über 60 % (vgl. die am Ende des Tatbestands eingefügte Übersichtstabelle). Das durch die sehr erhebliche Abweichung begründete Indiz dafür, dass die Vereinbarung nicht die realen Werte wiedergibt, wird nicht durch gegenläufige Umstände entkräftet. Die vom Kläger genannten Renovierungsarbeiten liegen überwiegend schon über 30 Jahre zurück; die in jüngerer Zeit durchgeführten Arbeiten an Keller, Heizung und Rohren begründen keine außergewöhnlichen Umstände, die eine deutlich höhere Gewichtung des Gebäudes bei der Kaufpreisaufteilung rechtfertigen könnten, zumal es sogar Anhaltspunkte für einen geminderten Wert des Gebäudes gibt (etwa das Alter des Gebäudes, das Fehlen von Unterlagen und Bauzeichnungen mit entsprechenden Risiken für den Kläger als Käufer und die eingeschränkte Nutzbarkeit des Gebäudes aufgrund bestehender Mietverträge). Überdies hat der Gutachter mehrere nachteilige Eigenschaften des Gebäudes (ausstehende Schönheitsreparaturen, fehlende Balkone in einigen Einheiten, Straßenlage) festgestellt.
38Insbesondere das vom Kläger behauptete Altlastenrisiko begründet nach Überzeugung des Senats, der sich insoweit der Auffassung des Gutachters anschließt, nicht einen gegenläufigen Umstand zur Anerkennung der vertraglich vereinbarten Kaufpreisaufteilung. Diese Überzeugung stützt sich auf die folgenden Aspekte:
39- Die Ausführungen des Gutachters sind widerspruchsfrei und schlüssig. Die dagegen gerichteten Einwendungen des Klägers stützen sich auf (behauptete) eigene Erfahrungen, wobei nicht ganz deutlich wird, ob diese Erfahrungen Altlastenflächen, Altlastenverdachtsflächen oder Nachbarflächen von Altlasten- oder Altlastenverdachtsflächen betreffen. Die Ausführungen des Gutachters, insbesondere die Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, haben eine differenzierte und plausible Betrachtungsweise des Gutachters offenbart, der sich der Senat anschließt. Danach ist bei sicherer Kenntnis von Altlasten und ab einem gewissen Verdachtsgrad einer Verunreinigung eine Bewertung nicht ohne Einholung eines Bodengutachtens möglich, weil die Bewertung dann auch von der Schwere der Verunreinigung abhängen würde; in diesen Fällen kann auch kein pauschaler Abschlag ohne Bodengutachten vorgenommen werden. Diesseits eines hinreichend konkreten Verdachts muss eine (wenngleich mögliche) Verunreinigung außer Betracht bleiben; ein pauschaler Abschlag kommt – jedenfalls nach den Verhältnissen im Streitfall – auch in diesem Fall nicht in Betracht.
40- Der Gutachter hat überzeugend dargelegt, warum im Streitfall ein hinreichend konkreter Verdacht für die Notwendigkeit eines Bodengutachtes nicht begründet ist und der bestehende Verdachtsgrad keine Wertauswirkungen hat. Zum Verdachtsgrad hat er insbesondere darauf hingewiesen, dass auch Altlasten auf dem Nachbargrundstück nicht nachgewiesen seien und eine Belastung des Nachbargrundstücks auch dort nicht das gesamte Grundstück umfassen müsse. Zu den Wertauswirkungen hat er insbesondere auf die Marktverhältnisse, die Art der Grundstücksnutzung und etwaige wirtschaftliche Auswirkungen auch in zeitlicher Hinsicht berücksichtigt. Er hat zudem mit Blick auf die klägerische Behauptung, dass die Bodenbeschaffenheit des Gebiets eine weiträumige Ausbreitung von Altlasten erwarten lasse, überzeugend ausgeführt, dass eine solche nachteilige Bodenbeschaffenheit sich dann in den Bodenrichtwerten des gesamten Gebiets niederschlagen müsse und insoweit schon „eingepreist“ sei.
41Der Kläger hat auch selbst keine weitergehenden Maßnahmen ergriffen, um ein Altlastenrisiko zu ermitteln und ggf. abzufedern, etwa durch Bodenproben zur Prüfung etwaiger Ausgleichsansprüche gegenüber dem Tankstellenbetreiber oder dem Eigentümer des Nachbargrundstücks. Auch sind keine solchen Maßnahmen des Vorbesitzers bekannt.
42Weitere Umstände, die die indizielle Wirkung der Abweichung von den Bodenrichtwerten entkräften könnten, sind nicht ersichtlich.
43Nach Auffassung des Senats verfehlt die vertragliche Aufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise und erscheint wirtschaftlich nicht haltbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass der vertraglich angesetzte Bodenwert den realen Bodenwert sehr erheblich unterschreitet.
44Die Aufteilung der tatsächlichen Anschaffungskosten anhand der tatsächlichen Verkehrswerte von Grund und Boden einerseits und Gebäudewert andererseits hat im Verhältnis 35,88 % (Grund und Boden) zu 64,12 % (Gebäude) anhand der Verkehrswerte von Grund und Boden und Gebäude am 30.03.2018 zu erfolgen. Das Gericht folgt insoweit den überzeugenden Darlegungen im eingeholten Gutachten, wobei es auf eine Rundung des Verkehrswerts verzichtet:
45 46Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, warum aus seiner Sicht das Ertragswertverfahren anzuwenden ist (Seite 28 des Gutachtens). Das Gericht hält diese Methode bei einer als Anlageobjekt erworbenen Liegenschaft ebenfalls für angemessen, zumal der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, das Grundstück nicht mit der Absicht eines späteren Verkaufs, sondern für den langfristigen Bestand erworben zu haben und nicht auf einen (steuerfreien) Wertzuwachs zu spekulieren. Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen des Gutachters (Seiten 33 und 35) keine Daten für eine notwendige Anpassung des vorläufigen Sachwerts an den endgültigen Verkehrswert vorliegen und insoweit keine Bewertung nach dem Sachwertverfahren vorgenommen werden kann.
47Der Gutachter hat den Bodenwert nachvollziehbar ermittelt. Die Berechnung erfolgt im Ausgangspunkt nach den Bodenrichtwerten und trägt der unterschiedlichen Grundstücksausnutzung, die über die sog. wertrelevante Wohngeschossflächenzahl definiert wird, über die im Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses der Stadt N-Stadt veröffentlichten Umrechnungskoeffizienten Rechnung (Seiten 31 und 54).
48Die gegen den angesetzten Bodenwert seitens der Kläger erhobenen Einwände greifen – wie oben dargelegt – nicht durch.
49Der Senat folgt dem Gutachter auch hinsichtlich des ermittelten Gebäudewerts. Dieser geht, was bei einem mit bestehenden und nach Erwerb fortgesetzten Mietverträgen nachvollziehbar ist, zunächst von den im Jahr 2016 tatsächlich erzielten Mieten aus, hebt diese aber wegen der laut des Mietspiegels 2017 seit 2015 um 6 % gestiegenen Durchschnittsmiete um 6 % auf 9,00 EUR pro Quadratmeter an (Seiten 37, 48 und 57), was der marktüblichen Miete entspricht. Der Gutachter begründet dies nachvollziehbar damit, dass mit der von ihm vorgenommenen Steigerung das Mietsteigerungspotential abgebildet werde. Die Kosten für Instandhaltung, Verwaltung und das Mietausfallwagnis werden anhand der Zweiten Berechnungsverordnung angesetzt, was ebenfalls auf keine Bedenken stößt. Der Senat hält auch den vom Gutachter für den Abzug der Bodenwertverzinsung angesetzten Liegenschaftszins für nachvollziehbar und folgt auch insoweit der Einschätzung des Gutachters, der den Wert von 1,00 % im Rahmen der vom Gutachterausschuss gesetzten Spanne (Mehrfamilienhäuser mit bis zu 20% Gewerbe alle Lagen 2,1%, Spanne 0,7%-3,6%) multifaktoriell und nachvollziehbar anhand einer Vielzahl von Eigenschaften der Liegenschaft begründet (Seiten 40 f., 50, 58). Da auch seitens der Beteiligten keine Einwände gegen die Ermittlung des Ertragswerts des Gebäudes durch den Gutachter erhoben werden, wird auf eine weitere Darlegung der Gründe, aus denen der Senat den Feststellungen des Gutachters folgt, verzichtet.
50Die Übertragung der Steuerberechnung fußt auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
51Die Entscheidung über die Kosten ergeht nach § 136 Abs. 1 FGO.
52Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
53Die Revision war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), weil unterschiedliche Auffassungen über den maßgeblichen Stichtag bei einer Aufteilung der Anschaffungskosten bestehen.
54* Am 24.10.2022 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
55Der Tatbestand des am 22.09.2022 verkündeten Urteils wird dahingehend berichtigt, dass der zweite Satz auf Seite 5 nicht mit den Worten
56„im Verhältnis von 32,72 %/67,28 %“,
57sondern mit den Worten
58„im Verhältnis von 67,28 %/32,72 %“
59endet.
60G r ü n d e :
61Das Urteil war gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen. Gemäß § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen.
62Die tenorierte Berichtigung behebt ein offensichtliches Versehen: Es wurden die auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits entfallenden Anteile vertauscht; der Fehler lässt sich rechnerisch nachvollziehen, da man bei dem vertauschten Verhältnis nicht auf den im Urteil angegebenen Wert der vom Beklagten zunächst angesetzten AfA käme.
63Den Beteiligten musste vor der Berichtigung kein rechtliches Gehör gewährt worden. § 107 FGO enthält keine Anhörungspflicht. Die verfassungsrechtliche Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz greift nicht für Fälle wie den Streitfall, die – wie z. B. Schreib- und Rechenfehler – reine Formalien betreffen und nicht in irgendwelche Rechte eingreifen oder sogar eine zuvor durch gerichtliche Entscheidung erworbene Rechtsstellung der Betroffenen nachteilig verändern (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.07.1972, 2 BvR 872/71, BVerfGE 34, 1).