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Der Duldungsbescheid vom 08.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist die Inanspruchnahme der Klägerin als Duldungsverpflichtete.
3Die Klägerin, eine Gesellschaft in der niederländischen Rechtsform einer – der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechenden – Besloten Vennootschap (B.V.), wurde am 00.06.2016 mit Sitz in S, Niederlande, gegründet (eingetragen bei der „Kamer van Koophandel“ [Register der Handelskammer] unter KvK-Nr. 00000001). Alleiniger Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin war und ist Herr C.
4Die Klägerin war alleinige Gründungskomplementärin und Geschäftsführerin der A-KG (im Folgenden: A-KG), einer Grundbesitz- und Beteiligungsverwaltungsgesellschaft, mit Sitz in T, deren einzige Kommanditistin die U-B.V. (eingetragen unter KvK-Nr. 00000002) war. Die A-KG wurde zum 00.00.2016 neu gegründet und am 00.00.2016 ins Handelsregister (Amtsgericht T, HRA 00003) eingetragen.
5Durch notariellen Einbringungsvertrag (nebst Auflassungen) vom 00.00.2016 brachte die U-B.V., deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ebenfalls Herr C war, Grundbesitz in die A-KG ein (Grundbucheintragungen vom 00.00.2017). Wegen der Einzelheiten des Einbringungsvertrags wird auf die Akten Bezug genommen.
6Unter dem 00.00.2017 beschlossen die Gesellschafter der A-KG einen neuen Gesellschaftsvertrag. Ausweislich § 3 Abs. 2, Abs. 4 des Vertrags stimmten die Beteiligten u.a. der Aufnahme eines weiteren Komplementärs (aus dem Konsolidierungskreis der Gesellschaft) und weiterer Kommanditisten zu. Nach § 26 Abs. 1 Buchst. d des Vertrags scheidet ein Gesellschafter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der Gesellschaft aus. Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform (§ 31 des Vertrags). Eine Regelung ausdrücklich für das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der Gesellschaft enthält der Vertrag nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen.
7Unter dem 00.00.2017 wurde der „Vertrag betreffend die Beteiligungsverhältnisse der A-KG […] über die Aufnahme einer weiteren Komplementärin […] sowie einer weiteren Kommanditistin […] in die A-KG“ geschlossen. Als Vertragsparteien aufgeführt sind die N-GmbH (als „eintretende Komplementärin“) und die L-AG (als „eintretende Kommanditistin“) sowie die Klägerin. In der Präambel des Vertrags wird ausgeführt, dass die Aufnahme der weiteren Gesellschafter „beabsichtigt“ sei; hierzu liege in § 3 des Gesellschaftsvertrags der A-KG vom 00.00.2017 die Ermächtigung vor. Unter § 1 des Vertrags vom 21.04.2017 („Aufnahme eines neuen Komplementärs“) heißt es: Zur Übernahme der persönlichen Haftung tritt die „eintretende Komplementärin“ als weitere Komplementärin der A-KG bei. § 2 des Vertrags regelt den „Eintrittszeitpunkt“. Danach wird die eintretende Komplementärin mit Wirkung ab dem 00.00.2017 persönlich haftende Gesellschafterin der A-KG. Unter § 5 des Vertrags wird der „Eintritt eines neuen Kommanditisten, auflösende Bedingung“ geregelt. Der Vertrag, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ist jeweils für die Vertragsbeteiligten unterschrieben. Darüber hinaus ist er auch für U-B.V. mit „Kenntnis genommen/gebilligt“ gezeichnet. Alle vier Gesellschaften wurden bei der Zeichnung durch Herrn C vertreten.
8Die Kommanditistin U-B.V. wurde mit Wirkung zum 00.00.2017 in O-B.V. umfirmiert (weiterhin eingetragen unter KvK-Nr. 00000002); dies wurde auch für die A-KG in das Handelsregister (Amtsgericht T, HRA 00003) eingetragen.
9Unter dem 00.00.2018 wurde ein weiterer „Vertrag betreffend die Beteiligungsverhältnisse der A-KG" geschlossen, der inhaltlich dem Vertrag vom 00.00.2017 entspricht und in dem nunmehr auch die O-B.V. ausdrücklich als Vertragsbeteiligte aufgenommen ist. In der ansonsten gleichlautenden Präambel wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Vertrag aus rechtlicher Vorsicht im Hinblick auf die Ermächtigung bzw. Vollmacht auch mit der bestehenden Kommanditistin abgeschlossen werde. Der Vertrag stimmt hinsichtlich der Aufnahme der neuen Komplementärin (§ 3 des Vertrags) mit Ausnahme des angepassten Eintrittszeitpunkts (nunmehr: 00.00.2018) mit dem Vertrag vom 00.00.2017 überein. Entsprechendes gilt für die Aufnahme eines neuen Kommanditisten (§ 5 des Vertrags). Der Vertrag, auf den wegen weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ist wiederum jeweils für die Vertragsbeteiligten durch Herrn C unterschrieben.
10Am 00.00.2018 wurde über das Vermögen der O-B.V. das Insolvenzverfahren eröffnet.
11Mit notarieller Urkunde vom 00.00.2018 erfolgte eine Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister, und zwar die Änderung der Firma der Kommanditistin in O-B.V. sowie der Eintritt der N-GmbH und der L-AG als neue Komplementärin bzw. Kommanditistin. Die Eintragungen wurden in der Folgezeit nicht umgesetzt: Im Rahmen der erfolglosen gerichtlichen Auseinandersetzung wies das Amtsgericht T die Anmeldung durch Beschluss vom 00.00.2018 HRA 00003 zurück, weil die Vertretung der O-B.V. nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und die A-KG am 00.00.2018 durch die Insolvenz der O-B.V. durch das Ausscheiden des zweiten Gesellschafters aufgelöst worden sei. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde nahm die A-KG u.a. Bezug auf die durch Vertrag vom 00.00.2017 neu aufgenommenen Gesellschafter und deren versehentlich verspätete Anmeldung zur Eintragung. Kurz danach stellte die A-KG (parallel) einen neuerlichen Eintragungsantrag nämlichen Inhalts. Der eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht T nicht ab (Beschluss vom 00.00.2018 HRA 00003) und das Oberlandesgericht M wies sie zurück (Beschluss vom 00.00.2018 AZ 004/18 HRA 00003). Nach § 108 Satz 1 des Handelsgesetzbuches in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung (HGB) müsse eine Anmeldung von allen Gesellschaftern, die zum Zeitpunkt des einzutragenden Ereignisses (nicht der Eintragung) Gesellschafter waren, bewirkt werden. Die O-B.V. hätte daher durch den Insolvenzverwalter an der Anmeldung mitwirken müssen.
12Am 00.00.2020 wurde die O-B.V. aufgelöst und am 00.00.2020 aus dem niederländischen Handelskammerregister gelöscht.
13Unter dem 08.10.2020 erließ der Beklagte einen Duldungsbescheid gegenüber der Klägerin „als Rechtsnachfolgerin der A-KG“. Ausweislich der Bescheidbegründung ergab sich für die A-KG aus § 11 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 AnfG – aufgrund der zugleich angefochtenen Grundstückseinbringungen vom 00.00.2016 – die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung. Auf den Bescheid wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
14Die N-GmbH und die Klägerin (als Komplementärinnen) sowie die L-AG und die L-A SE (als Kommanditistinnen) schlossen – u.a. über die Abtretung eines Kommanditteilanteils an die L-A SE – eine Gesellschaftervereinbarung betreffend die A-KG, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Das dem Senat in nicht lesbar datierter Fassung vorliegende Dokument ist nach Angaben des Beklagten in einer bei ihm eingegangenen Fassung auf den 00.00.2020 datiert; das entspricht dem Vortrag der Klägerin.
15Die Klägerin legte gegen den Duldungsbescheid vom 08.10.2020 Einspruch ein und wies – u.a. unter Angabe und Vorlage der Verträge vom 00.00.2017 und vom 00.00.2018 sowie der Handelsregister-Anmeldungen – darauf hin, dass sie nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der A-KG geworden sei, weil vor dem Ausscheiden der O-B.V. weitere Gesellschafter aufgenommen worden seien. Auf den außergerichtlichen Vortrag wird im Übrigen Bezug genommen.
16Mit seiner an die Klägerin „als Rechtsnachfolgerin der A-KG“ adressierten, abschlägigen Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 hielt der Beklagte an der Annahme der Rechtsnachfolge der Klägerin fest. Im Vertrag vom 00.00.2017 sei nur eine „Absicht“ geäußert worden, die zusätzlichen Kommanditisten aufzunehmen, und im Übrigen sei der Vertrag bzw. die Aufnahme weder notariell beurkundet noch (als eintragungspflichtige Tatsache) ins Handelsregister eingetragen worden. Nichts anderes ergebe sich aufgrund des Aufnahmevertrags vom 00.00.2018, der (erst) während des Insolvenzverfahrens der O-B.V., am 00.00.2018, zum Handelsregister angemeldet, aber ebenfalls mangels Eintragung nicht rechtskräftig geworden sei. Die Gesellschaftervereinbarung vom 00.00.2020 könne hieran nichts ändern. Es gelte die negative Publizität des Handelsregisters, zumal er, der Beklagte, bis zum Einspruchsverfahren keine Kenntnis von den Verträgen gehabt habe. Aufgrund der erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten hätte die Klägerin sich ändernde Tatsachen unverzüglich mitteilen müssen.
17Mit der Klage macht die Klägerin geltend, dass der Duldungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung nichtig seien, weil sie, die Klägerin, nicht Rechtsnachfolgerin der A-KG sei. Diese sei nicht durch das Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin vollbeendet worden. Zwar sei die O-B.V. gemäß § 26 Abs. 1 Buchst. d des Gesellschaftsvertrags der A-KG vom 00.00.2017 aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 00.00.2018 aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden. Deren Geschäftsanteil sei damit aber nicht ihr, der Klägerin, sondern der zwischenzeitlich aufgenommenen, verbliebenen Kommanditistin, der L-AG, angewachsen. Dies ergebe sich bereits aus dem Vertrag vom 00.00.2017. Der spätere Vertrag vom 00.00.2018 sei rein vorsorglich für den Fall abgeschlossen worden, dass die gesellschaftsvertragliche Vollmacht bzw. Ermächtigung zur Aufnahme neuer Gesellschafter nicht anerkannt würde. Die Auslegung des Beklagten, der lediglich von einer Absichtserklärung ausgehe, gehe nach dem Wortlaut fehl. Die Gründung von Personengesellschaften und Änderungsverträge seien nicht formbedürftig und die unterbliebene Eintragung in das Handelsregister sei für die Aufnahme eines Gesellschafters in eine Kommanditgesellschaft ebenfalls keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch der Rechtsschein des Handelsregisters wirke sich nicht zugunsten des Beklagten aus.
18Auf den ergänzenden Schriftsatz vom 18.12.2023 wird Bezug genommen.
19Die Klägerin beantragt,
20den Duldungsbescheid vom 08.10.2020 und die Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 aufzuheben.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er hält an den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung fest. Ergänzend macht er – unter Bezugnahme auf die in der mündlichen Verhandlung überreichte Übersicht („zeitlicher Ablauf“), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird – geltend, dass durchgreifende Zweifel am Vollzug der Aufnahmeverträge vom 00.00.2017 bzw. vom 00.00.2018 bestünden. Diese ergäben sich zum einen daraus, dass sich an den während einer Betriebsprüfung geprüften Buchungen hinsichtlich der Einbringungen gezeigt habe, dass die vertragsgemäß auf dem Kapitalkonto I zu buchenden Vorgänge nicht dort verbucht worden seien; vielmehr seien Verbindlichkeiten gebucht worden. Es sei dem Beklagten aus einem Vermerk der Klägervertreter bekannt, dass beabsichtigt gewesen sei, die Grundstücke dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Es sei in diesem Zusammenhang ferner darauf hinzuweisen, dass die auf den 31.12.2017 während der Prüfung vorgelegten Buchführungsdaten von den während eines die Umsatzsteuer betreffenden Klageverfahrens der A-KG (12 K 3896/18 U) abweichen würden. Des Weiteren ergäben sich unauflösbare Unstimmigkeiten hinsichtlich des Vertrags vom 00.00.2020 (Teilanteilsabtretung) angesichts mehrfacher Verpfändung des Anteils sowie hinsichtlich der Datierung des Dokuments, das offenbar erstmals bei der Einreichung beim Beklagten am 12.08.2021 datiert vorgelegt worden sei.
24Der Gesellschaftsvertrag vom 00.00.2017 sei auf den 01.01.2017 zurückbezogen; dieser habe dem Beklagten im Übrigen bis zur Einspruchsentscheidung nicht vorgelegen. Aber auch die Vereinbarungen vom 00.00.2017 und vom 00.00.2018 seien nicht stimmig. In der Fassung vom 00.00.2018 sei erstmals eine auflösende Bedingung in § 5 Abs. 2 des Vertrags eingefügt worden. Es stelle sich angesichts der vertraglichen Ausgestaltung ferner die Frage, wem im Zeitraum vom 00.00.2018 (Ausscheiden der O-B.V.) bis zum 30.06.2018 das Stimmrecht bzw. bis zum 30.06.2022 das Gesellschaftsvermögen zugestanden habe.
25Der Beklagte geht ferner weiterhin davon aus, dass sich jedenfalls aufgrund von §15 HGB eine Gesamtrechtsnachfolge ergebe. Die Vorschrift sei anwendbar, weil der Duldungsbescheid Gegenstand der Vollstreckung sei. Hier greife die Registerpublizität auch zugunsten des Fiskus ein. Von positiver Kenntnis des Beklagten könne nicht ausgegangen werden.
26Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Verfahrensakte verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist begründet.
29Der angefochtene Duldungsbescheid vom 08.10.2020 und die Einspruchsentscheidung vom 04.11.2021 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin ist zu Unrecht als Adressatin der geltend gemachten Anfechtung und Duldung in Anspruch genommen worden.
301. Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Alt. 2 der Abgabenordnung [AO]). Eine Duldungspflicht kann sich bei einer berechtigten Anfechtung nach dem AnfG ergeben (§ 11 AnfG), die der Beklagte vorliegend auf §§ 3 Abs. 1, 4 AnfG stützt und die gemäß § 15 Abs. 1 AnfG auch gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger geltend gemacht werden kann.
31Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Duldungsverpflichteten nach § 191 Abs. 1 AO ist – wie die eines Haftungsschuldners – zweigliedrig aufgebaut. Danach hat das Finanzamt zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Dies ist eine vom Finanzgericht in vollem Umfang zu überprüfende rechtlich gebundene Entscheidung. Hinsichtlich dieser sog. ersten Stufe ist grundsätzlich der Sach- und Streitstand zugrunde zu legen ist, wie er sich am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht darstellt (Bundesfinanzhof [BFH], Urteile vom 20.09.2016 X R 36/15, BFH/NV 2017, 593; vom 10.11.2020 VII R 8/19). Demgegenüber kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung auf der sog. zweiten Stufe grundsätzlich auf die tatsächliche und rechtliche Situation im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 36/15, BFH/NV 2017, 593). Dabei kann die Ermessensentscheidung aufgrund der Vorgaben des § 102 FGO nur auf Ermessensfehler geprüft werden (z.B. BFH-Urteil vom 24.04.2014 IV R 25/11, BFHE 245, 499, BStBl II 2014, 819).
322. Die vom Beklagten zugrunde gelegte Rechtsnachfolge der Klägerin in eine (etwaige) Duldungsverpflichtung der A-KG besteht nicht. Die Klägerin ist nicht, wie vom Beklagten angenommen, durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters Gesamtrechtsnachfolgerin der A-KG geworden.
33a) Im Ausgangspunkt waren Gesellschafter der A-KG die Klägerin als alleinige Komplementärin und die O-B.V. (ehemals U-B.V.) als alleinige Kommanditistin. Das ist zwischen den Beteiligten nicht kontrovers, sodass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
34b) Dass die O-B.V. aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 00.00.2018 nach den einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen aus der A-KG ausgeschieden ist, ist zwischen den Beteiligten zu Recht ebenfalls nicht kontrovers, sodass der Senat auch insofern von weiteren Ausführungen absieht.
35c) Zu der hieraus bei einer zweigliedrigen Gesellschaft resultierenden liquidationslosen Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft unter Gesamtrechtsnachfolge des verbliebenen Gesellschafters (vgl. dazu Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 09.11.2016 XII ZR 11/16) ist es im Streitfall indessen nicht gekommen, weil die ausscheidende O-B.V. nicht die vorletzte Gesellschafterin der A-KG war. Vielmehr war bereits vor dem 00.00.2018 zumindest ein weiterer Gesellschafter rechtswirksam in die A-KG aufgenommen worden, und zwar aufgrund des Aufnahmevertrags vom 00.00.2017, spätestens – und immer noch rechtzeitig – aber mit Vertrag vom 00.00.2018.
36aa) Die Auslegung des Vertrags vom 00.00.2017, wie auch des entsprechenden Vertrags vom 00.00.2018, ergibt für den Senat zweifelsfrei, dass es sich um einen Aufnahmevertrag und nicht, wie vom Beklagten verfochten, um eine Absichtserklärung gehandelt hat. Der Wortlaut ist insoweit klar formuliert. Die vom Beklagten in Bezug genommene „Absicht“ findet sich allein in der Präambel und bezieht sich offenkundig auf den nachfolgenden Vertragsinhalt. Dies ergibt sich mit Deutlichkeit aus der weiteren Formulierung zur Aufnahme und insbesondere zu den konkret benannten Eintrittsdaten für die neuen Gesellschafter. Diese Eintrittsdaten liegen sämtlich vor dem 00.00.2018, was für sich besehen vom Beklagten nicht infrage gestellt wird und daher keine weiteren Ausführungen erfordert.
37Es bedarf zur Entscheidung des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung, ob auch die neue Kommanditistin wirksam eingetreten ist. Denn andernfalls wäre es beim Ausscheiden der O-B.V. – aufgrund der zwei verbliebenen Komplementärinnen – zu einer (identitätswahrenden) Umwandlung der A-KG in die A oHG (vgl. z.B. Borges in: Heymann, § 161 HGB Rn. 271; Casper in: Staub, § 161 HGB Rn. 61, Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, § 161 HGB Rn. 65; s. dazu auch bereits Senatsurteil vom 12.09.1989 XII 8678/88 F, EFG 1990, 112), nicht aber zu einer liquidationslosen Vollbeendigung der A-KG mit der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin gekommen.
38bb) Der Aufnahmevertrag ist auch zu den vereinbarungsgemäßen Zeitpunkten, spätestens am 00.00.2018, wirksam geworden.
39aaa) Es lagen rechtzeitig die erforderlichen Willensübereinstimmungen vor.
40Der Eintritt in eine bestehende Gesellschaft setzt einen Aufnahmevertrag mit sämtlichen vorhandenen Gesellschaftern (nicht der Gesellschaft) und den Beitretenden voraus (z.B. BGH-Urteile vom 11.02.1980 II ZR 41/79, BGHZ 76, 160, 164; vom 17.11.1975 II ZR 120/74).
41Ein solcher Aufnahmevertrag liegt hier jedenfalls in Gestalt des Vertrags vom 00.00.2018 zwischen der N-GmbH (als „eintretende Komplementärin“) und der L-AG (als „eintretende Kommanditistin“) sowie der Klägerin und der O-B.V. vor. Das wird als solches auch vom Beklagten nicht infrage gestellt und bedarf insofern keiner weiteren Erörterung. Nur rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass für das Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 117 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]), bei dem die Vertragspartner einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit diesem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen aber nicht eintreten lassen wollen (BGH-Beschluss vom 20.03.2002 5 StR 448/01), keinerlei tragfähige Anhaltspunkte bestehen. Darüber hinaus musste es den Beteiligten des Aufnahmevertrags – in Ansehung der drohenden Insolvenzeröffnung bei der O-B.V. – auch gerade auf die Wirksamkeit des Aufnahmevertrags ankommen. Dass der Gesellschafter-Beitritt zivilrechtlich wirksam sein sollte, zeigt sich jedenfalls indiziell auch daran, dass die A-KG in der Folgezeit weiterhin im Rechtsverkehr auftrat, etwa die Handelsregistereintragungen durchzusetzen versuchte und im Klageverfahren 12 K 3896/18 U weiterhin als Klägerin agierte. Soweit der Beklagte die Durchführung des Vertrags beanstandet, ist dieses Vorbringen nach Einschätzung des Senats bei der gegebenen Sachlage zivilrechtlich ohne Bedeutung. Abgesehen davon beziehen sich diese Beanstandungen des Beklagten, jedenfalls soweit sie substantiiert sind, auf die Durchführung bzw. buchhalterische Umsetzung der Grundstücks-Einbringungen in die A-KG, aufgrund derer der Duldungsbescheid erlassen worden war. Dies kann die Ernsthaftigkeit bzw. zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung des Gesellschafterbeitritts nicht infrage stellen. Auch die vom Beklagten (insoweit nachvollziehbar) aufgeworfenen Unstimmigkeiten bei der Vereinbarung vom 00.00.2020 (Teilanteilsübertragung) können die Wirksamkeit der Gesellschafter-Aufnahme nicht infrage stellen.
42Auf den Eintritt auch der neuen Kommanditistin zum 00.00.2018 (sowie der auflösenden Bedingung in § 5 Abs. 2 des Vertrags) kommt es, wie dargelegt, zur Entscheidung des Streitfalls nicht an. In Ansehung der vom Beklagten aufgeworfenen „Unstimmigkeiten“, weist der Senat allerdings gleichwohl darauf hin, dass nichts dafür ersichtlich geworden (oder vorgetragen worden) ist, dass die hinzugefügte Bedingung in § 5 Abs. 2 des Vertrags vom 00.00.2018 zum Tragen gekommen, mithin zivilrechtlich entscheidend wäre. Soweit der Beklagte das (zeitweise) ausgeschlossene Stimmrecht und die Vermögensbeteiligung der Beteiligung der L-AG als neue Kommanditistin thematisiert hat, wäre im Übrigen zu bedenken, dass der Kommanditanteil der (ausscheidenden) O-B.V. mit Stimmrecht und Vermögensbeteiligung ausgestattet war und es mit dem Ausscheiden der O-B.V. zu einer Anwachsung dieses Anteils gekommen ist.
43Der Senat neigt, ohne sich hierzu abschließend festlegen zu müssen, im Übrigen auch zu der Einschätzung, dass bereits am Vertrag vom 00.00.2017 sämtliche Gesellschafter beteiligt waren. Die Klägerin hatte aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf die gesellschaftsvertraglichen Vollmachts- bzw. Einverständnistatbestände in § 3 Abs. 2, 4 in der Präambel des Vertrags vom 00.00.2017 hinreichend deutlich gemacht, auf dieser Basis für sämtliche Gesellschafter handeln zu wollen (vgl. zur Zulässigkeit der Bevollmächtigung bzw. Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag BGH-Urteil vom 17.11.1975 II ZR 120/74). Zwar ist nach Aktenlage nicht abschließend prüfbar, ob die Voraussetzungen der Vollmachterteilung, namentlich die Zugehörigkeit zum „Konsolidierungskreis der Gesellschaft“, vorgelegen haben. Nicht zuletzt in Ansehung der Mitzeichnung (und „Billigung“) der nicht vertraglich rubrizierten Kommanditistin (seinerzeit die U-B.V.) und insbesondere der Personalunion bei der Vertretung sämtlicher Gesellschaften bestehen aus Sicht des Senats wenig Zweifel an der (zivilrechtlichen) Zustimmung (Genehmigung) des Vertragsabschlusses. Darauf, ob nicht sogar bereits die „Billigung“ des Vertrags durch die U-B.V. als unmittelbare Beteiligung am Vertragsschluss angesehen werden kann oder ob dem ein fehlendes Erklärungsbewusstsein entgegensteht, muss nicht weiter eingegangen werden.
44Dass der Vertrag vom 00.00.2017 unter dem 00.00.2018 nochmals unter auch formeller Beteiligung der Kommanditistin, der O-B.V., inhaltlich entsprechend abgeschlossen worden ist, ist angesichts der für den Fortbestand der A-KG erforderlichen Rechtssicherheit für den Senat nachvollziehbar und stellt jedenfalls kein Wirksamkeitshindernis für die Aufnahme dar.
45bbb) Der Aufnahmevertrag leidet auch nicht an einem Formmangel (§ 125 BGB).
46Die etwaige Formbedürftigkeit eines Beitrittsvertrags richtet sich nach den gleichen Gesichtspunkten wie die eines Gründungsvertrags (z.B. Haas/Wöstmann in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, § 105 HGB Rn. 140; Noack in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. 1090). Hierfür gibt es, vorbehaltlich eingreifender Sonderregeln, grundsätzlich keine Formerfordernisse (vgl. dazu i.E. Noack in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Rn. 127).
47Im Streitfall ist das in § 31 des Gesellschaftsvertrags vom 00.00.2017 vereinbarte Schriftformerfordernis eingehalten.
48Weitere Formvorschriften sind nicht einschlägig. Für einen Eintritt in eine grundbesitzende Gesellschaft ist – als Erwerb einer Mitgliedschaft nicht aber eines Grundstücks – § 311b Abs. 1 BGB nicht anzuwenden (vgl. BGH-Urteil vom 31.01.1983 II ZR 288/81, BGHZ 86, 367). Dass ein Gesamtvermögensgeschäft (§ 311b Abs. 3 BGB) vorliegt, ist nicht ersichtlich und in Bezug auf die neue Komplementärin auszuschließen. Wäre von einem Schenkungsversprechen (§ 518 BGB) auszugehen, wäre nach Einschätzung des Senats von einem heilenden Vollzug der Schenkung auszugehen, weil die Gesellschafter-Stellung unmittelbar durch den Aufnahmevertrag bewirkt worden ist (vgl. BGH-Urteil vom 29.11.2011 II ZR 306/09, BGHZ 191, 354; s. auch BFH-Urteil vom 17.07.2014 IV R 52/11, BFHE 246, 349).
49ccc) Der Wirksamkeit der Aufnahme zu den vertraglich vereinbarten Zeitpunkten steht schließlich insbesondere auch nicht der vom Beklagten ins Feld geführte Umstand entgegen, dass eine diesbezügliche Handelsregistereintragung nicht erfolgt ist.
50Für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft bedarf es – ebenso wie für die Gründung – einer Handelsregistereintragung nicht. Das ist, soweit ersichtlich, allgemeine Meinung (vgl. dazu BGH-Urteil vom 01.03.2011 II ZR 16/10, aber auch Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, § 162 HGB Rn. 15, 4; Casper in: Staub, § 162 HGB Rn. 32 sowie FG Nürnberg, Urteil vom 28.10.2002 VI 105/1999, EFG 2003, 299) und entspricht der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 12.09.1989 XII 8678/88 F, EFG 1990, 112). Auch der BGH führt in diesem Sinne beispielsweise im Urteil vom 18.06.1979 II ZR 194/77 (Juris Rn. 6) ausdrücklich aus: „Da der Eintritt in eine bestehende handelsrechtliche Personengesellschaft zu seiner Wirksamkeit der Eintragung nur dann bedarf, wenn die Vertragschließenden das als Bedingung vereinbaren, wird, sofern eine solche Abrede fehlt und auch kein anderer Stichtag bestimmt ist, der Beitritt mit dem Vertragsabschluss wirksam.“ Dies ergibt sich – für Kommanditisten unmittelbar und für Komplementäre mittelbar – im Übrigen auch aus § 176 Abs. 2 HGB, der eine Zeit zwischen Eintritt und Eintragung in das Handelsregister kennt. Insofern ist die Eintragungsverpflichtung für die Aufnahme – wie im Übrigen auch für das Ausscheiden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13.04.1978 V R 94/74, BFHE 125, 124, BStBl II 1978, 490) – lediglich deklaratorisch und nur für die Begrenzung der Haftung des Kommanditisten konstitutiv (vgl. auch Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, § 173 HGB Rn. 6, § 176 HGB Rn. 22; Thiessen in: Staub, § 173 HGB Rn. 28). Von dieser – hier allein maßgebenden – Frage der konstitutiven oder deklaratorischen Wirkung von Eintragungen im Handelsregister ist die – für den Fortbestand der A-KG unbeachtliche – Frage zu unterscheiden, ob eine Tatsache eintragungspflichtig oder (nur) eintragungsfähig ist.
51cc) Ungeachtet all dessen ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich Wirksamkeitshindernisse für den (tatsächlich vereinbarten und umgesetzten) Gesellschafterbeitritt regelmäßig nicht beachtlich sind.
52Dies gilt zum einen zivilrechtlich, weil die dortigen Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch beim Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine Personengesellschaft gelten. Der fehlerhaft vollzogene Beitritt ist daher regelmäßig nicht von Anfang an unwirksam, sondern kann nur mit Wirkung für die Zukunft durch eine von dem Gesellschafter erklärte Kündigung geltend gemacht werden. Vollzogen ist der Beitritt, wenn Rechtstatsachen geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann, z.B. durch die Ausübung gesellschaftsvertraglicher Rechte (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH-Urteil vom 11.05.2016 XII ZR 147/14, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten nicht nur bei Formmängeln, sondern ausdrücklich selbst dann, wenn der Beitritt aufgrund des Fehlens der Mitwirkung eines Teils der Gesellschafter am Aufnahmevertrag fehlerhaft ist, sofern die Mitwirkenden den Vertrag für wirksam erachtet haben (vgl. BGH-Urteil vom 12.10.1987 II ZR 251/86).
53Zum anderen kommt es steuerrechtlich gem. § 41 Abs. 1 AO für die Besteuerung auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an. Haben die Gesellschafter die Vereinbarungen im Vertrag über den Beitritt der Gesellschaft tatsächlich vollzogen, so ist die Unwirksamkeit des Vertrags steuerrechtlich unerheblich (BFH-Urteil vom 01.07.2010 IV R 100/06; BFH-Beschluss vom 03.03.1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401 [auch zu einer fehlenden, dort nach § 294 Abs. 2 AktG ausnahmsweise konstitutiven Handelsregister-Eintragung]; hieran anschließend BFH-Urteil vom 01.07.2010 IV R 100/06).
54Daran, dass die A-KG die Gesellschafteraufnahme (tatsächlich) vollzogen hat, sind – zumal in Ansehung der gegen die abgelehnte Registereintragung geltend gemachten Rechtsmittel sowie auch der nachfolgenden (Teil-)Anteilsübertragungen der L-AG – keine durchgreifenden Zweifel aufgeworfen; hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen zur zivilrechtlichen Willensübereinstimmung verwiesen werden. Erst recht hat kein Gesellschafter der A-KG einen Mangel geltend gemacht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der (Wirksamkeit der) Aufnahme gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter schutzwürdiger Personen entgegenstehen würden (vgl. BGH-Urteil vom 11.05.2016 XII ZR 147/14).
55dd) Der Rechtsschein bzw. die Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB) trägt die Annahme, die Klägerin sei Gesamtrechtsnachfolgerin des A-KG, wie sie dem streitgegenständlichen Duldungsbescheid zugrunde liegt, ebenfalls nicht.
56aaa) Nach § 15 Abs. 1 HGB kann, solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, sie von demjenigen, in dessen Angelegenheit sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war. Für den Ausschluss des Vertrauensschutzes ist positive Kenntnis des wahren Sachverhalts erforderlich; es genügt weder fahrlässige Unkenntnis noch die Kenntnis von Tatsachen, aus denen erst die Schlussfolgerung auf die eintragungspflichtige Tatsache zu ziehen ist (vgl. z.B. Krebs in: MüKo, § 15 HGB Rn. 49 f).
57Für die Anwendung des § 15 HGB kommt es nicht auf das aktuelle Vertrauen des Dritten auf die Handelsregistereintragung an. Es ist aber erforderlich, dass das Vertrauen auf die Eintragung für das Verhalten des Dritten von Bedeutung sein konnte. Daher ist die Berufung auf § 15 HGB dann ausgeschlossen, wenn die Kenntnis der einzutragenden Tatsache für das Rechtsverhältnis keinerlei Bedeutung gehabt haben konnte, ein Zusammenhang zwischen der Entstehung des Anspruchs und dem Inhalt des Registers also undenkbar ist. Der BFH hat hierzu entschieden, dass bei einer Kommanditgesellschaft die Steueransprüche und die gleichzeitig gegen den Komplementär entstehenden Haftungsansprüche ohne Mitwirkung des Finanzamts entstehen, sodass ein Zusammenhang zwischen der Entstehung des Steueranspruchs und des Haftungsanspruchs einerseits sowie der Handelsregistereintragung andererseits von vornherein undenkbar sind. Die Entstehung des Steueranspruchs ist ein Vorgang, der außerhalb des Geschäftsverkehrs liegt. Sie wird auch nicht dadurch zu einem Akt des Geschäftsverkehrs, dass das Finanzamt bei der weiteren Verfolgung des Steueranspruchs möglicherweise durch die Handelsregistereintragung beeinflusst werden könnte (BFH-Urteil vom 13.04.1978 V R 94/74, BFHE 125, 124, BStBl II 1978, 490, anschließend BFH-Urteile vom 09.02.1982 VII R 103/79; vom 27.10.1987 VII R 12/84; Merkt in: Hopt, § 15 HGB Rn. 8; Koch/Harnos in: Staub, § 15 HGB Rn. 26; Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, § 15 HGB Rn. 3; s. auch BFH-Urteil vom 22.01.1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562).
58Ist die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muss ein Dritter sie gem. § 15 Abs. 2 HGB gegen sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei Rechtshandlungen, die innerhalb von fünfzehn Tagen nach der Bekanntmachung vorgenommen werden, sofern der Dritte beweist, dass er die Tatsache weder kannte noch kennen musste.
59bbb) Nach diesen Maßstäben ist § 15 HGB im Streitfall schon dem Grunde nach nicht zugunsten des Beklagten anwendbar.
60Der Senat hält – anschließend an die zitierte BFH-Rechtsprechung zur Haftung – dafür, dass § 15 HGB auf die Entstehung von Duldungspflichten, wie hier nach dem AnfG, nicht anzuwenden ist. Denn diese entstehen – wie der Haftungsanspruch – nicht im Geschäftsverkehr, sondern allein kraft Gesetzes (vgl. auch § 191 Abs. 1 Satz 1 AO) und mithin von einem (abstrakten) Vertrauen des Finanzamts in die Registerlage unbeeinflusst. Das schließt nach Einschätzung des Senats die (vermeintliche) Gesamtrechtsnachfolge ein, die zugleich materieller Teil der gesetzlichen Anfechtungsvoraussetzungen ist (§ 15 Abs. 1 AnfG).
61Es kann offenbleiben, inwieweit für das behördliche Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff. AO) etwas anderes gelten könnte (in diesem Sinne offenbar BGH-Urteil vom 09.10.1978 VIII ZR 176/77; anschließend z.B. Merkt in: Hopt, § 15 HGB Rn. 8). Denn der Erlass eines Duldungsbescheides ist, wie auch dessen Einordnung in die Systematik der AO zeigt, nicht Teil des Vollstreckungsverfahrens, sondern schafft erst die Grundlage hierfür (vgl. z.B. BFH‑Beschluss vom 26.06.1997 VII B 52/97, s. auch Steinhauff, AO-StB 2019, 96; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 191 AO Rn. 290).
62ccc) Abgesehen davon lag auf Seiten des Beklagten Vertrauensschutz ausschließende positive Kenntnis des Gesellschafterbeitritts vor.
63Für den Senat ist im Verfahren – auch nach mündlicher Verhandlung – nicht klar geworden, auf welcher Grundlage der Beklagte von fehlender positiver Kenntnis des Gesellschaftereintritts (spätestens am 00.00.2018 und zumindest eines weiteren Komplementärs) ausgeht. Er gibt hierzu an, dass ihm der Gesellschaftsvertrag vom 00.00.2017 bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung nicht vorgelegen habe. Das entspricht zwar auch der Lage der dem Senat vorgelegten Verwaltungsakten. Mit der Klageerwiderung (und zwar im Anschluss an die klägerseitige Vorlage des Gesellschaftsvertrags) hat der Beklagte indessen ausdrücklich ausgeführt, dass „keine weiteren neuen Belege“ vorgelegt worden seien. Der Beklagte hat, dessen ungeachtet, aber auch nicht erläutert, welche Erkenntnisse sich aus dem nunmehr vorgelegten Gesellschaftsvertrag ergeben (könnten), die für die Beurteilung des Gesellschafterbeitritts (jedenfalls in der Fassung vom 00.00.2018) bedeutsam sein könnten. Zweifelsfrei ist für den Senat, dass die Klägerin dem Beklagten im außergerichtlichen Verfahren den Sachverhalt unter Vorlage der Beitrittsverträge vom 20.00.2017 und vom 00.00.2018 sowie der Handelsregister-Anmeldung vollständig offengelegt hat. Es ist für den Senat – zumal in Ansehung der dargelegten zivilrechtlichen Grundsätze zum fehlerhaften Gesellschafter-Betritt – nicht erkennbar, welche weitere Informationen vonnöten gewesen wären, um eine positive Kenntnis herbeizuführen. Derartiges legen auch die Reaktionen des Beklagten auf den Vortrag der Klägerin nicht nahe, der (rechtsirrig) lediglich die rechtliche Wirksamkeit des Beitritts aufgrund fehlender notarieller Beurkundung und Handelsregistereintragung bestritten hat. Bei Licht besehen hat der Beklagte keinen durchgreifenden Zweifel an der „Tatsache“ des Beitritts einer neuen Komplementärin aufgeworfen, vielmehr ist bereits im Vorverfahren von „zuverlässiger Kenntnis“ (so Krebs in MüKo, § 15 HGB, Rn. 44) von dem Gesellschafter-Beitritt auszugehen.
64ddd) Ungeachtet der vorstehenden Erwägungen kann aus der Registerlage aber auch unter Berücksichtigung von § 15 HGB eine Gesamtrechtsnachfolge der Klägerin nicht abgeleitet werden.
65§ 15 Abs. 1 HGB bezieht sich nach seinem Wortlaut (nur) auf die konkret eintragungspflichtige, aber nicht eingetragene Tatsache, wobei auch Tatsachen, über die das Register mit der eintragungspflichtigen Tatsache mittelbar zugleich informieren will, noch von der Rechtsfolge erfasst sein sollen (so Krebs in: MüKo, § 15 HGB Rn. 54). Der Vertrauensschutz des Registers wird aber immer nur so weit gewährt, wie die Aussagekraft des Handelsregisters reicht (Koch/Harnos in: Staub, § 15 HGB, Rn. 71).
66Zutreffend ist zwar, dass die eintragungspflichtige Tatsache des Gesellschafterbeitritts nicht in das Handelsregister eingetragen war/ist. Abgesehen davon, dass Zweifel daran bestehen könnten, ob diese Tatsache überhaupt (i.S.d. § 15 Abs. 1 HGB) „in der Angelegenheit“ der Klägerin einzutragen gewesen wäre (vgl. dazu Förster in: Horn/Balzer/Borges/Herrmann, § 15 HGB Rn. 23; Koch/Harnos in: Staub, § 15 HGB Rn. 51), ist die Tatsache eines Gesellschafter-Beitritts (§ 107 HGB) nach den handelsrechtlichen Regelungen von der Tatsache der Gründung bzw. der Auflösung der Gesellschaft (§ 106 HGB bzw. § 143 Abs. 1 HGB), aber auch vom Ausscheiden eines Gesellschafters (§ 143 Abs. 2 HGB) zu unterscheiden (s. z.B. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03.04.2007 1 W 305/06; Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 25.08.2003 20 W 354/02; s. auch Schäfer in: Staub, § 143 HGB Rn. 11, Schmidt/Fleischer in: MüKo, § 143 HGB Rn. 4). Im Streitfall lässt die Registerlage an der Existenz der A-KG indessen keinen Zweifel; sie ist eingetragen und nicht als aufgelöst (geschweige denn als [liquidationslos] erloschen bzw. gelöscht) ausgewiesen. Da dies nach den vorstehenden zivilrechtlichen Darlegungen auch der wahren Rechtslage entspricht (s. zu diesem Erfordernis BGH-Urteil vom 14.05.2019 II ZR 299/17, BGHZ 222, 32), hat der Beklagte die Existenz der A-KG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB als zutreffend eingetragene Tatsache gegen sich gelten zu lassen.
67Die Richtigkeit dieser Überlegung zeigt sich auch daran, dass die Nichtberücksichtigung des Beitritts eines neuen Gesellschafters (Registerlage) und die Insolvenz eines (vorletzten) Gesellschafters (hier: O-B.V.) nicht zwangsläufig den Schluss auf ein liquidationsloses Erlöschen der Personengesellschaft zulässt. Denn die gesetzliche Regelung in § 131 Abs. 3 Satz 1 HGB ist disponibel (vgl. i.E. Schäfer in: Staub, § 131 HGB, Rn. 10). Insofern ist die Unterscheidung zwischen den Tatsachen sachgerecht und der Beklagte misst dem unterbliebenen Eintrag des Gesellschafterbeitritts eine zu weitgehende Reichweite zu.
682. Keiner abschließenden Erörterung bedarf der Umstand, dass nach Einschätzung des Senats aufgrund von § 15 HGB (allenfalls) die Gesamtrechtsnachfolge der Klägerin nach der A-KG zu unterstellen wäre. Das würde indessen nichts daran ändern, dass die Klägerin damit einer Duldungspflicht ausgesetzt würde, die sie (rechtlich) nicht erfüllen kann. Denn § 15 HGB hilft in Ansehung der vom Senat erläuterten Zivilrechtslage nicht darüber hinweg, dass die A-KG (und nicht die Klägerin) Eigentümerin der die Duldung begründenden, in die A-KG eingebrachten Grundstücke geblieben war.
693. Dass die inhaltliche Adressierung des Bescheides auch nicht deswegen als rechtmäßig angesehen werden kann, weil die Klägerin als Komplementärin für die Gesellschaftsschulden nach § 128 HGB (in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung) persönlich haftet, liegt aus Sicht des Senats auf der Hand, ohne dass zur (zweifelhaften) grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Duldung generell Stellung genommen werden müsste. Denn nicht nur ist die Klägerin ausdrücklich nicht in dieser Eigenschaft in Anspruch genommen worden. Es läge – diese grundsätzliche rechtliche Zulässigkeit unterstellt – in Ansehung der (dargelegten) Existenz der A-KG jedenfalls ein auch im Rahmen der Beschränkungen des § 102 FGO gerichtlich zu beachtender Ermessensfehler vor.
704. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nach Maßgabe von § 115 Abs. 2 FGO nicht.