Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob bei der Anwendung des sog. vereinfachten Ertragswertverfahrens Aufwendungen in Form einer Rückstellung für eine Kartellbuße als außerordentliche Aufwendungen den Ausgangswerten hinzuzurechnen sind.
2Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts H-Stadt unter […], war und ist die Produktion und der Vertrieb von Lebensmitteln.
3Mit Bußgeldbescheid der 12. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 30.06.2014 wurden Geldbußen gegen Herrn X. J. als Betroffenen in Höhe von 326.000 Euro bzw. gegen die Klägerin als Nebenbetroffene in Höhe von 5,91 Mio. Euro festgesetzt.
4Hintergrund war die vom Bundeskartellamt festgestellte Beteiligung der Klägerin sowie des Herrn X. J. als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin an illegalen Preisabsprachen mit anderen Lebensmittelherstellern mindestens im Zeitraum vom 30.04.1997 bis zum 22.07.2009, an dem das Kartell durch Durchsuchungen des Bundeskartellamts aufgedeckt worden sei. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes betrafen die Preisabsprachen zumindest Preiserhöhungsrunden in den Jahren 1997 bis 2008.
5Nach den Erwägungen des Bundeskartellamts hatten die Geldbußen ausschließlich ahndenden Charakter. Von der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, der aus den illegalen Preisabsprachen gezogen worden war, sah das Bundeskartellamt ab, da aufgrund der geringen Anzahl der betroffenen Kunden (große Einzelhandelsketten im Lebensmitteleinzelhandel) und deren starker Verhandlungsmacht die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unabhängig von der zivilrechtlichen Einklagbarkeit nicht auszuschließen sei.
6Gegen den Bußgeldbescheid wandte sich die Klägerin auf dem vorgesehenen Rechtsweg. Im Jahr 2014 bildete sie für die festgesetzte Geldbuße eine Rückstellung in Höhe von 5,91 Mio. Euro, die sie im Jahr 2015 um weitere 4 Mio. Euro erhöhte, da eine Erhöhung der Kartellbuße im Rechtsmittelverfahren auf bis zu 15 Prozent des Umsatzes der Klägerin zu befürchten gewesen sei. Im Oktober 2018 wurde die Klägerin vom OLG E-Stadt zu einer Geldstrafe von 6,5 Mio. Euro verurteilt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BGH im Jahr 2020 als unzulässig abgewiesen und die Rückstellung von der Klägerin im nicht benötigten Umfang aufgelöst.
7Die mit Beschluss vom 30.04.2021 zum Verfahren beigeladene Frau K. J. war an der Klägerin vor dem 14.01.2017 mit einer Kommanditeinlage von 10 Mio. Euro (das entsprach einer Beteiligung von 50 Prozent) beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 14.01.2017 (UR-Nr. […] des Notars T in C-Stadt) übertrug Frau K. J. ihren drei Kindern, dem ebenfalls mit Beschluss vom 30.04.2021 zum Verfahren beigeladenen Herrn J. J. sowie Herrn B. J. (3 K 381/21 F) und Frau Q. J. (3 K 382/21 F), jeweils einen Kommanditanteil an der Klägerin in Höhe von nominell 1,6 Mio. Euro. Daneben erfolgten weitere Übertragungen von Kommanditanteilen an einer weiteren GmbH & Co. KG sowie von Geschäftsanteilen an der L GmbH, die neben zwei natürlichen Personen Komplementärin der Klägerin war.
8Aufgrund der Anforderung des Finanzamts E-Stadt stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin und den Beigeladenen mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 Bewertungsgesetz, BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG für Zwecke der Schenkungsteuer auf den 14.01.2017 vom 08.10.2018 den Wert des vom Beigeladenen zu 2. erworbenen Anteils am Betriebsvermögen der Klägerin erklärungsgemäß mit 4.484.404 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dieser Wert war von der zur Abgabe der Feststellungserklärung aufgeforderten Klägerin entsprechend der Ausübung des Wahlrechts in Zeile 32 der Anlage „Betriebsvermögen für Beteiligungen an Personengesellschaften“ unter Anwendung des sog. vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 199 ff. BewG ermittelt worden. Die Klägerin war dabei von Ausgangswerten im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG in Höhe von 1.193.174 Euro für 2014, von 4.380.256 Euro für 2015 und 7.721.426 Euro für 2016 ausgegangen.
9Im Rahmen einer bei der Klägerin unter anderem für die hier streitige Feststellung durchgeführten Betriebsprüfung stellte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C-Stadt in Tz. 2.2 seines Betriebsprüfungsberichts vom 14.04.2020 fest, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Kartellbuße in den Jahren 2014 und 2015 in Höhe von 5.91 Mio. Euro bzw. 4 Mio. Euro als außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG anzusehen und daher bei der Ermittlung der Betriebsergebnisse im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens den jeweiligen Ausgangswerten hinzuzurechnen seien.
10Mit Bescheiden vom 07.08.2020 folgte der Beklagte der Feststellung der Betriebsprüfung und stellte den Wert des vom Beigeladenen zu 2. erworbenen Anteils am Betriebsvermögen der Klägerin gegenüber der Klägerin und den Beigeladenen nunmehr in Höhe von 7.027.972 Euro gesondert und einheitlich fest.
11Den dagegen am 14.08.2020 erhobenen Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21.01.2021 als unbegründet zurück.
12Auch ohne explizite Bezugnahme in § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG auf die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) sei über den Verweis auf das Ertragssteuerrecht in § 95 BewG und den ertragsteuerlichen Maßgeblichkeitsgrundsatz ein Bezug zum HGB vorhanden. Da trotz der Änderung des HGB im Jahr 2015 keine Änderung des § 202 BewG vorgenommen worden sei, sei davon auszugehen, dass sich der Begriff der „außerordentlichen Aufwendungen“ in § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG nach der zum Zeitpunkt der Einführung dieses Begriffs zum 01.01.2009 gültigen Fassung des HGB richte. Als außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 277 Abs. 4 Handelsgesetzbuch in der bis zum 22.07.2015 anwendbaren Fassung (HGB a. F.) seien solche Aufwendungen auszuweisen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehörten, weil sie außerhalb der eigentlichen Geschäftstätigkeit und unregelmäßig anfielen. Kartellbußen aufgrund von Verstößen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen würden in der Literatur als Beispiel für „außerordentliche Aufwendungen“ im Sinne des § 277 Abs. 4 HGB angeführt, was daher entsprechend für die Auslegung des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG gelte.
13Ferner ergebe sich die „Außergewöhnlichkeit“ der Aufwendungen aus der Ungewöhnlichkeit und der Unüblichkeit der Geschäftsvorfälle unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Unternehmen. Die Dauer eines Kartells sowie die Anzahl der involvierten Personen seien dabei ebenso unerheblich wie die Frage, ob Preisabsprachen in der Lebensmittelbranche üblich seien.
14Mit der am 15.02.2021 erhobenen Klage macht die Klägerin weiter geltend, dass die Aufwendungen für die Kartellbußen in den Jahren 2014 und 2015 nicht als außerordentliche Aufwendungen anzusehen und daher dem jeweiligen Ausgangswert nicht hinzuzurechnen seien.
15„Außerordentliche Aufwendungen“, die im Rahmen der Rechnungslegung nach § 277 Abs. 4 HGB a. F. auszuweisen gewesen waren, seien solche Aufwendungen, die als „ungewöhnlich“ und „selten“ anzusehen gewesen seien. „Ungewöhnlich“ in diesem Sinne sei ein Ereignis, das einen hohen Grad an Abnormität und keinen Bezug zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aufweise. „Selten“ bedeute, dass die Aufwendungen bei sonst gleichen Bedingungen in Zukunft wahrscheinlich nicht erneut anfallen würden. Die Kartellbuße der Klägerin sei nach diesem Verständnis aber weder ungewöhnlich noch selten, da im Bereich der Nahrungsmittelbranche in der Vergangenheit diverse Kartellstrafen gegen verschiedene Hersteller und handelnde Personen festgesetzt worden seien und dies unter Annahme gleichbleibender Bedingungen, also anhaltender Preisabsprachen, auch zukünftig zu erwarten sei. Letztlich sei die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Kartellbuße von Entscheidungen der handelnden Personen und Organe abhängig und damit kein externer und unbeeinflussbarer Effekt, wie etwa ein Feuer- oder Wasserschaden oder die Corona-Pandemie.
16Die Streichung des Ausweises außerordentlicher Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung durch das Bilanzrichtlinien-Umsetzungsgesetz (BilRUG) für nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre stelle zudem einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Bedeutung und der Beurteilung außerordentlicher Ereignisse dar, die nunmehr im ordentlichen Betriebsergebnis auszuweisen seien.
17Die im Zusammenhang mit der Kartellbuße stehenden (mutmaßlichen) Preisabsprachen hätten zudem regelmäßig den in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittsertrag der Gesellschaft erhöht und damit im Ergebnis zu einem höheren Unternehmenswert geführt. Daher komme es durch die Hinzurechnung des Beklagten zu einer doppelten Belastung, da die Mehrergebnisse berücksichtigt, die damit zusammenhängenden Aufwendungen aber unberücksichtigt bleiben würden. Aus der Sicht eines gedachten Erwerbers beinhalte ein bestehendes Kartell zudem stets das Risiko einer zukünftigen abschöpfenden oder ahndenden Strafe, die der Erwerber wertmindernd im Rahmen einer Unternehmensbewertung berücksichtigen würde.
18Der Hinzurechnung der Aufwendungen für die Kartellbuße stehe zudem entgegen, dass diese typischerweise nicht nur „einmalig“ anfallen würden. Die gegenüber der Klägerin verhängte Kartellbuße ginge vielmehr auf eine Vielzahl wettbewerbswidriger Transaktionen zurück, nämlich dem regelmäßigen Absatz typischer Produkte der Gesellschaft über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Selbst bei Annahme einer „Einmaligkeit“ der Kartellbuße sei diese nicht hinzuzurechnen, da sie den zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag erheblich beeinflussen würden, nämlich zunächst unmittelbar durch die Strafzahlung und mittelbar durch die negative Öffentlichkeitswirkung der Kartellbuße gegenüber den künftigen Handelspartnern und den Konsumenten.
19Eine Hinzurechnung habe schließlich zu unterbleiben, sofern die Aufwendungen – wie hier – aus dem regulären Geschäftsbetrieb resultierten und nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung mindernd im Betriebsergebnis anzusetzen seien. Der Ausweis als außerordentlicher Aufwand im Erstellungsbericht stehe dem nicht entgegen, da dieser Bericht nur der Verdeutlichung der Rückstellungsbildung gegenüber dem Gesellschafterkreis diene und handels- oder steuerrechtlich ohne Bedeutung sei.
20Schließlich sei die Hinzurechnung der Aufwendungen für die Kartellbuße wegen des Verstoßes gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verfassungswidrig.
21Die Klägerin beantragt,
22den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG für Zwecke der Schenkungsteuer auf den 14.01.2017 vom 07.08.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2021 dahingehend zu ändern, dass der Wert des Anteils am Betriebsvermögen mit 4.484.404 Euro festgesetzt wird,
23hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
27In Ergänzung seiner Einspruchsentscheidung führt der Beklagte aus, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 202 Abs. 1 BewG der Ausgangswert des Betriebsergebnisses hinsichtlich solcher Vermögensminderungen oder -mehrungen zu korrigieren sei, die einmalig gewesen seien oder jedenfalls den künftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht beeinflussen würden. Bezogen auf den Streitfall sei die Vermögensminderung in Form der Aufwendungen für die Kartellbuße zu beurteilen. Es komme für die Beurteilung hingegen nicht darauf an, dass es im Zusammenhang mit dem Kartell zu einer Vielzahl wettbewerbswidriger Transaktionen gekommen sei und das Kartell so den Jahresertrag der Klägerin über mehrere Jahre beeinflusst habe. Da gegenüber der Klägerin nach Aktenlage in den Jahren vor und nach 2014 und 2015 keine weitere Kartellbuße festgesetzt worden sei, sei der Jahresertrag vorangegangener und folgender Jahre gerade nicht durch eine derartige Vermögensminderung beeinflusst worden.
28Ziel der Ausgangswertkorrektur sei es, einen zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag abzubilden. Nach dem Sinn und Zweck einer Kartellbuße, die unter anderem zur Abschreckung und damit zur Vermeidung zukünftiger, regelmäßiger Verstöße verhängt werde, sei eine Auswirkung auf den zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht zu erwarten.
29Nach § 9 Abs. 2 BewG sei als gemeiner Wert einer Gesellschaft grundsätzlich der Betrag anzusetzen, den ein gedachter Käufer für den Erwerb des Unternehmens(-anteils) im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufwenden würde. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse seien dabei nach Satz 3 der Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Zu den ungewöhnlichen Verhältnissen zählten insbesondere Umstände, mit denen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht gerechnet werden müsse. Da Preisabsprachen und andere wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen grundsätzlich verboten seien und illegale Kartelle durch das Bundeskartellamt verfolgt würden, handele es sich hierbei um ungewöhnliche Verhältnisse, mit denen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht gerechnet werden müsse. Außerdem sei fraglich, inwieweit ein bestehendes Kartell einem potentiellen Erwerber offengelegt würde, damit dieser es in seine Wertermittlung einbeziehen könne.
30Der Senat hat am 24.05.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Die Klage ist unbegründet.
32Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG für Zwecke der Schenkungsteuer auf den 14.01.2017 vom 07.08.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der vom Bundeskartellamt festgesetzten Kartellbuße in den Jahren 2014 und 2015 zutreffend nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG dem Ausgangswert dieser Jahre hinzugerechnet.
33Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist unter anderem der Wert des Anteils am Betriebsvermögen im Sinne der §§ 95, 96 und 97 BewG gesondert festzustellen (§ 179 Abgabenordnung), wenn der Wert für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer von Bedeutung ist. Nach § 95 Abs. 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Einen Gewerbebetrieb bilden nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG insbesondere alle Wirtschaftsgüter, die einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG gehören, wenn diese ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat.
34Nach § 157 Abs. 5 BewG wird der Wert des Anteils am Betriebsvermögen im Sinne der §§ 95, 96 und 97 BewG (Betriebsvermögenswert) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festgestellt; er ist unter Anwendung des § 109 Abs. 2 BewG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 BewG zu ermitteln. Dazu ist nach § 109 Abs. 2 Satz 1 BewG der Wert des Anteils am Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er nach § 109 Abs. 2 Satz 2 BewG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde. Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 BewG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG kann anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens auch das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 199 bis 203 BewG angewendet werden.
35Der Beklagte ist zutreffend von der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausgegangen, nachdem die Klägerin das allein ihr zustehende (vgl. BFH, Urteil vom 02.12.2020 II R 5/19, BFHE 272, 377) Wahlrecht zur Anwendung dieser Methode in der Feststellungserklärung entsprechend ausgeübt hat.
36Nach § 199 Abs. 2 BewG kann das vereinfachte Ertragswertverfahren im Sinne des § 200 BewG angewendet werden, wenn der gemeine Wert des Anteils am Betriebsvermögen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu ermitteln ist, wenn das Verfahren nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Dabei ist nach § 200 Abs. 1 BewG zur Ermittlung des Ertragswerts grundsätzlich der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag im Sinne der §§ 201 und 202 BewG mit dem Kapitalisierungsfaktor nach § 203 BewG zu multiplizieren.
37Für die Ermittlung des zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrags bietet nach § 201 Abs. 1 BewG der in der Vergangenheit tatsächlich erzielte Durchschnittsertrag eine Beurteilungsgrundlage. Dieser Durchschnittsertrag ist nach § 201 Abs. 2 Satz 1 BewG regelmäßig aus den Betriebsergebnissen im Sinne des § 202 BewG der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten. Die durch drei zu dividierende Summe der drei Betriebsergebnisse stellt den Durchschnittsertrag bzw. Jahresertrag dar (§ 201 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BewG).
38Nach § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG ist zur Ermittlung des Betriebsergebnisses von dem Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen (sog. Ausgangswert); dabei bleiben bei einem Anteil am Betriebsvermögen Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt. Dieser Ausgangswert unterliegt nach § 202 Abs. 1 Satz 2 BewG noch verschiedenen Korrekturen. Unter anderem sind dem Ausgangswert nach § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG „einmalige Veräußerungsverluste sowie außerordentliche Aufwendungen“ hinzuzurechnen.
39Die im Zusammenhang mit der Kartellbuße stehenden Aufwendungen der Klägerin in den Jahren 2014 und 2015 in Höhe von 5,91 Mio. Euro bzw. 4 Mio. Euro sind den Ausgangswerten dieser Jahre im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG als außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG hinzuzurechnen.
40Grundlage der zukunftsbezogenen Ermittlung des Werts eines Unternehmens nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ist der der voraussichtlich zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag. Dieser muss ohne entsprechende Finanzplandaten anhand des in der Vergangenheit erzielten Durchschnittsertrags geschätzt werden (BT-Drs. 16/11107, Seite 23). Die dazu in der Regel zu betrachtenden Betriebsergebnisse der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre (vgl. § 201 Abs. 1 Satz 1 BewG) sind hinsichtlich solcher Vermögensminderungen oder Vermögensmehrungen zu korrigieren, die entweder einmalig sind oder jedenfalls den künftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht beeinflussen (BT-Drs. 16/11107, Seite 23).
41Weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung enthalten eine Definition oder Konkretisierung dessen, was als außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG anzusehen ist. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Soweit die Beteiligten dabei für ihre Argumentation an handelsrechtliche Begrifflichkeiten in § 277 Abs. 4 HGB a. F. bzw. nach dem BilRUG anknüpfen, ist darauf hinzuweisen, dass es sich insoweit um Rechnungslegungsvorschriften zur Regelung von Kaufleuten obliegenden Informationsvermittlungspflichten handelt, die jedoch nicht in erster Linie einer Unternehmensbewertung dienen. Die Auslegung erfolgt deshalb unter Berücksichtigung der aus der Gesetzesbegründung ersichtlichen Intention ausgehend von der Bewertungssystematik des vereinfachten Ertragswertverfahrens, die dadurch gekennzeichnet ist, eine möglichst realistische Prognose des künftig nachhaltig erzielbaren Ertrags durch eine zeitlich begrenzte Rückschau zu treffen. Deshalb sind solche Sondereffekte auszublenden, die im Rückbetrachtungszeitraum aufgetreten sind, bei denen aber nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in absehbarer Zeit nach dem maßgeblichen Bewertungsstichtag anfallen und den nachhaltig erzielbaren Ertrag beeinflussen werden (vgl. Riedel in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG/BewG, 4. Aufl. 2023, § 202 BewG, Rn. 7). Dabei ist hinsichtlich der außerordentlichen Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG nicht zwingend erforderlich, dass diese nur einmalig anfallen können; ausreichend ist auch, dass die Aufwendungen nach Art und Höhe nur in sehr großen Zeitabständen anfallen (Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 124. Ergänzungslieferung, April 2023, § 202 BewG, Rn. 30.1). Entscheidend ist, ob zum Bewertungszeitpunkt Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die fraglichen, in der Vergangenheit angefallenen Aufwendungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch zukünftig anfallen werden und den nach dem Bewertungszeitpunkt zu erzielenden Gewinn des zu bewertenden Unternehmens, den ein potentieller Käufer zur Bemessung des Kaufpreises betrachten würde, mindern könnten.
42Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Kartellbuße als außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG anzusehen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass in einem absehbaren Zeitraum nach dem Bewertungsstichtag, den auch ein potentieller Käufer zur Bemessung des Kaufpreises im Rahmen einer ertragswertbasierten Ermittlungsmethode zugrunde legen würde, erneut Aufwendungen der Klägerin für ein Bußgeld im Zusammenhang mit einem weiteren – bereits aufgedeckten oder noch nicht aufgedeckten – Kartell zu erwarten sind. Zur Ermittlung eines künftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrags der Klägerin sind daher die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Kartellbuße, die gewissermaßen zufällig im Betrachtungszeitraum zur Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittsertrags der drei vor dem Bewertungsstichtag abgeschlossenen Wirtschaftsjahre angefallen sind, hinzuzurechnen.
43Der Senat kann dabei offenlassen, ob außerordentliche Aufwendungen im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe c) BewG nur solche Aufwendungen sind, die nicht den regulären Geschäftsbetrieb des zu bewertenden Unternehmens betreffen, oder ob auch solche, den regulären Geschäftsbetriebs des zu bewertenden Unternehmens betreffende Aufwendungen hinzuzurechnen sind, sofern – etwa aufgrund einer Änderung des Geschäftsbetriebs – nicht mit ihrem zukünftigen Anfall zu rechnen ist, da die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Kartellbuße nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht dem regulären Geschäftsbetrieb der Klägerin, der Produktion und dem Vertrieb von Lebensmitteln, zuzuordnen sind. Denn – worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat – Preisabsprachen und andere wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind verboten und können daher nicht als Elemente eines regulären Geschäftsbetriebs angesehen werden.
44Eine Hinzurechnung der Kartellbuße hat nach Auffassung des Senats auch nicht deshalb zu unterbleiben, weil die im Zusammenhang mit den illegalen Preisabsprachen erzielten höheren Gewinne der Klägerin in die Bewertung eingeflossen sein könnten. Zwar ist der Klägerin insoweit zuzugeben, dass die Hinzurechnung außerordentlicher Aufwendungen dann nicht bewertungsgerecht sein könnte, wenn im Zusammenhang mit den Aufwendungen erzielte höhere Gewinne weiterhin berücksichtigt würden, sodass daraus eine einseitige Korrektur zulasten der Klägerin bzw. der Beigeladenen resultieren würde. Die Klägerin hat insoweit jedoch nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht, dass im Rückbetrachtungszeitraum ab dem Jahr 2014 noch erhöhte Gewinne aufgrund des im Jahr 2009 aufgedeckten Kartells erzielt wurden. Nach Auffassung des Senats ist dies auch wenig wahrscheinlich, da jedenfalls nach fast fünf Jahren nach Aufdeckung des Kartells damit gerechnet werden darf, dass die Preise sich zu diesem Zeitpunkt wieder an das reguläre Marktniveau angepasst haben.
45Verfassungsrechtliche Bedenken stehen der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens vorliegend nicht entgegen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz abgeleiteten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vor. Zwar kann die Anwendung der §§ 199 ff. BewG in Einzelfällen zu erheblichen Fehlbewertungen führen (vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 124. Ergänzungslieferung, April 2023, § 199 BewG, Rn. 13, mit weiteren Nachweisen). In Fällen, in denen das vereinfachte Ertragswertverfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, ist es jedoch bereits dem Grunde nach nicht anwendbar (vgl. § 199 Abs. 1 und 2 BewG), sodass eine gleichheitswidrige Besteuerung auf Grundlage einer solchen Bewertung ausgeschlossen ist. Dass die Bewertung unter Einbeziehung der Hinzurechnung der Kartellbuße vorliegend zu einem im Sinne des § 199 Abs. 2 BewG offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde, ist von der Klägerin, die die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens selbst gewählt hat, weder gerügt worden noch sonst ersichtlich.
46Schließlich kann der Senat offenlassen, ob als Ausgangswerte im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 1 BewG anstelle der von der Klägerin erklärten Werte die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 23.05.2023 mitgeteilten, gegenüber den erklärten Werten um „abweichend zu verteilende BE/Gewinne (Haftungsvergütung)“ und „Vorwegzuweisung (Darlehensverzinsung)“ erhöhte Werte anzusetzen sind. Das Gericht darf die Position eines Klägers im Vergleich zum Zustand vor Klageerhebung durch seine Entscheidung grundsätzlich nicht verschlechtern (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH, Urteil vom 29.10.1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431; sog. Verböserungsverbot).
47Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO.
48Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
49[…] […] […]