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Der Feststellungsbescheid vom 05.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2020 wird dahingehend geändert, dass festgestellt wird, dass für den Eigentumsübergang an den in der Anlage aufgeführten Grundstücken gemäß § 6a GrEStG keine Grunderwerbsteuer erhoben wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob für eine Verschmelzung die Grunderwerbsteuer nach § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) nicht erhoben wird.
2I. W. war (zu gleichen Teilen neben seinem Bruder O. W.) Kommanditist der C. O. GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Die Komplementärin war am Vermögen der KG nicht beteiligt. Die KG war seit 1993 Alleingesellschafterin der F GmbH (im Folgenden: F GmbH), die Eigentümerin von Grundstücken in T-Stadt und D-Stadt und Erbbauberechtigte an einem weiteren Grundstück in D-Stadt war.
3I. W. gründete mit Vertrag vom 00.00.2010 (Urkundenrolle Nummer […] des Notars J., E-Stadt) als Alleingesellschafter die Klägerin unter der Firma F-Trading GmbH. Die Klägerin wurde am 19.02.2010 in das Handelsregister des Amtsgerichts N-Stadt (HRB […]) eingetragen. Mit Vertrag vom 00.00.2010 hielt I. W. eine Gesellschafterversammlung ab und erhöhte das Stammkapital der Klägerin von 25.000 EUR auf 500.000 EUR, wobei er die neue Stammeinlage durch Einbringung seiner Kommanditanteile an der KG erbrachte (Urkundenrolle Nummer […] des Notars X., O-Stadt).
4In gleicher Weise gründete O. W. die T-GmbH, die später in C. O. GmbH umfirmiert wurde (im Folgenden: C. O. GmbH), und brachte seine Kommanditanteile in diese ein.
5Im Hinblick auf die Einbringungen (Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG) kam es zu Grunderwerbsteuerfestsetzungen.
6Mit notarieller Urkunde vom 20.08.2010 schlossen die KG, die Klägerin und die C. O. GmbH einen Spaltungs- und Übernahmevertrag, mit dem der Teilbetrieb Erwerbsgartenbau einschließlich der Beteiligung an der F GmbH, diese Beteiligung gemäß Anlage 2 unter § 2 Ziff. 1. (2) des Vertrags, auf die Klägerin und der Teilbetrieb Gartenfachhandel auf die C. O. GmbH übertragen wurden.
7Mit Blick auf diese Aufspaltung wurde keine Grunderwerbsteuer festgesetzt.
8Mit Vertrag vom 28.06.2013 (Urkundenrolle Nummer […] des Notars K., E-Stadt) wurde die F GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 00.00.2013 in die Registerblätter der Klägerin und der F GmbH beim Handelsregister N-Stadt eingetragen. Die Klägerin wurde Eigentümerin bzw. Erbbauberechtigte der Grundstücke in T-Stadt und D-Stadt.
9Der Beklagte erließ am 13.12.2013 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auf den Stichtag 00.00.2013. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Er wurde auf Antrag der Klägerin am 18.12.2013 (unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung) nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändert, indem die Bezeichnung des Erbbaurechtsgrundstücks (Nummer des Grundbuchblatts und Flurstücknummer) berichtigt wurde.
10Am 25.02.2014 beantragte die Klägerin, den Bescheid nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern, weil es sich um eine nach § 6a GrEStG steuerbegünstigte Umstrukturierung im Konzern gehandelt habe. Daraufhin änderte der Beklagte am 18.03.2014 den Bescheid erneut und stellte in der Anlage zum Bescheid fest, dass der Übergang der Grundstücke nach § 6a GrEStG steuerbegünstigt und der Besteuerung jeweils 0 EUR zugrunde zu legen seien. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb wiederum aufrechterhalten.
11Ebenfalls am 18.03.2014 erteilte der Beklagte an das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N-Stadt (im Folgenden: GKBP) den Auftrag, die grunderwerbsteuerlichen Folgen der Verschmelzung zu prüfen. Die GKBP übersandte dem Beklagten am 17.11.2017 den die Grunderwerbsteuer betreffenden Auszug aus dem Betriebsprüfungsbericht. Die GKBP vertrat darin die Auffassung, dass § 6a GrEStG unter anderem deshalb nicht anzuwenden sei, weil die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren nicht eingehalten worden sei.
12Der Beklagte schloss sich der Auffassung der GKBP an und erließ am 05.09.2018 einen Änderungsbescheid, der dem Bescheid vom 18.12.2013 entsprach. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und führte aus: Die KG sei seit 1993 an der F GmbH beteiligt gewesen. Mit der Aufspaltung sei sie, die Klägerin, partielle Gesamtrechtsnachfolgerin geworden. Sie sei damit in die Position der KG eingetreten und damit auch zum Zeitpunkt der Verschmelzung länger als fünf Jahre an der F GmbH beteiligt gewesen.
13Der Beklagte vertrat im Einspruchsverfahren die Auffassung, die Stellung als herrschendes Unternehmen könne nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen werden, da sie kein Recht oder ähnliches darstelle. Mit dieser Begründung wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.12.2020 als unbegründet zurück.
14Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und ergänzt: Selbst wenn § 6a GrEStG nicht anwendbar sei, müssten die jeweiligen Lagefinanzämter § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG beachten.
15Die Klägerin beantragt,
16den Feststellungsbescheid vom 05.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.12.2020 dahingehend zu ändern, dass festgestellt wird, dass der Übergang der Grundstücke steuerfrei ist,
17hilfsweise, die Revision zuzulassen, sowie
18die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen,
21hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22Er trägt vor, die Klägerin sei erst seit der Aufspaltung der KG herrschendes Unternehmen der F GmbH geworden. Der „Fußstapfentheorie“ der Klägerin mit Blick auf die Stellung der KG als herrschendes Unternehmen sei nicht zu folgen.
23Über eine etwaige Anwendung des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG sei nicht im angefochtenen Feststellungsbescheid zu entscheiden.
24Die Sache ist am 12.01.2013 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
26Die Verschmelzung erfüllt, was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 16.04.1958, II 128/57, BStBl. III 1958, 280; BFH, Urteil vom 18.07.1979, II R 59/73, BStBl. II 1979, 683; BFH, Urteil vom 08.02.1978, II R 48/73, BStBl. II 1978, 320; BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19, BStBl. 2020, 348). Zu Recht ist – inzwischen – ebenfalls unstreitig, dass über eine etwaige Anwendbarkeit des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht im angefochtenen Feststellungsbescheid, sondern in den Grunderwerbsteuerbescheiden zu entscheiden ist (Meßbacher-Hönsch in Viskorf, § 1 GrEStG Rn. 1385; Pahlke, § 1 GrEStG Rn. 472, § 17 GrEStG Rn. 34; Hessisches Finanzgericht – FG –, Urteil vom 23.06.2020, 5 K 1828/15, EFG 2020, 1696; vgl. aber BFH, Urteil vom 31.03.2004, II R 54/01, BStBl. II 2004, 658).
27Mit Blick auf die allein streitige Frage zur Anwendbarkeit des § 6a GrEStG ist der Senat der Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind und die Anwendung insbesondere nicht an der Nicht-Einhaltung der Vorbehaltensfrist scheitert.
28Nach § 6a Sätze 1 und 3 GrEStG wird die Steuer für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) nicht erhoben, wenn an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft beteiligt sind. Nach § 6a Satz 4 GrEStG ist eine Gesellschaft abhängig, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist.
29An der Verschmelzung, die auf Grundlage der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ff. UmwG erfolgte, waren ausschließlich die Klägerin und die F GmbH beteiligt. Die Nachbehaltensfrist muss bei der Verschmelzung nicht eingehalten werden (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19, BStBl. II 2020, 337; BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 20/19, BStBl. II 2020, 341; BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19, BStBl. II 2020, 344; BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19, BStBl. II 2020, 348; BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19, BStBl. II 2020, 463). Die im Streitfall anzuwendende Vorbehaltensfrist ist eingehalten worden. Was die Anwendbarkeit der Vorbehaltsfrist angeht, hat der BFH zwar entschieden, dass auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist dann verzichtet werden kann, wenn diese bei einem Umwandlungsvorgang aus Rechtsgründen (etwa bei einer Abspaltung zur Neugründung) nicht eingehalten werden kann. Im Streitfall hätte die Vorbehaltensfrist aber eingehalten werden können. Ein genereller Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Vorbehaltensfrist ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht geboten, weil keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen (vgl. BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 a.E.). Was die Dauer der Beteiligung vor der Verschmelzung angeht, war die Klägerin seit mehr als fünf Jahren zu hundert Prozent an der F GmbH beteiligt. Sie war selbst seit dem Wirksamwerden der Aufspaltung der KG im Jahr 2010 zu hundert Prozent an der F GmbH beteiligt. Überdies ist der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin die seit 1993 bestehende hundertprozentige Beteiligung der KG an der F GmbH zuzurechnen.
30Nach § 45 AO Abs. 1 Satz 1 AO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, die Auffassung, dass der Gesamtrechtsnachfolger materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintritt (etwa BFH, Urteil vom 10.02.2021, IV R 38/19, BFHE 272, 160; BFH, Beschluss vom 25.08.2010, I R 13/09, BStBl. II 2011, 113; BFH, Urteil vom 17.05.1972, I R 126/70, BStBl. II 1972, 621; offen BFH, Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608). Es gehen also nicht nur Forderungen und Schulden über; vielmehr wirken alle steuerlich relevanten Umstände, die in der Person des Rechtsvorgängers eingetreten waren, grundsätzlich auch für und gegen den Gesamtrechtsnachfolger (Schindler in Gosch, AO/FGO, § 45 AO Rn. 15; BFH, Urteil vom 22.09.1993, X R 107/91, BStBl. II 1993, 874; vgl. aber auch BFH, Urteil vom 29.01.1997, II R 15/96, BStBl. II 1997, 296 wohl mit Blick auf einen Vorrang der Vorschrift des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG gegenüber § 45 AO). Vom Übergang ausgenommen sind nur höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft sind; das können zum Beispiel bestimmte für einen Besteuerungs- oder Begünstigungstatbestand erhebliche Eigenschaften sein (BFH, Urteil vom 11.11.1971, V R 111/68, BStBl. II 1972, 80). Die Beteiligung juristischer Personen an einem Rechtsnachfolgevorgang schließt die Existenz höchstpersönlicher Verhältnisse oder Umstände nicht aus; vielmehr ist anerkannt, dass auch juristische Personen höchstpersönliche Rechtsbeziehungen haben können (BFH, Urteil vom 22.11.2011, VII R 22/11, BFHE 235, 95). Die Frage, ob eine Eigenschaft oder ein Umstand höchstpersönlich sind, ist nicht allein durch isolierte Auslegung des § 45 AO, sondern unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiell-rechtlichen Normen des jeweiligen Einzelsteuergesetzes zu beantworten (BFH, Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608; BFH, Urteil vom 10.02.2021, IV R 38/19, BFHE 272, 160; Schindler in Gosch, AO/FGO, § 45 AO Rn. 15). Dabei ist es für die Zurechnung der Vorbesitzzeit indes unerheblich, ob sich diese – wie im Streitfall – im Rahmen der Anwendung einer Ausnahmevorschrift auswirkt; weil nicht die Norm des Einzelsteuergesetzes – im Streitfall die des § 6a GrEStG –, sondern die Vorschrift des § 45 AO auszulegen ist, ist insbesondere nicht der für Ausnahmevorschriften geltende Grundsatz der engen Auslegung anzuwenden. Bei der Heranziehung der Einzelsteuergesetze sind insbesondere auch die Prinzipien der jeweiligen Steuerart in den Blick zu nehmen (BFH, Urteil vom 10.02.2021, IV R 38/19, BFHE 272, 160). Allerdings geht es zu weit, die Geltung des durch § 45 AO angeordneten Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge für eine gesamte Steuerart aufgrund der für diese Steuerart geltenden Prinzipien außer Kraft zu setzen (so aber Schmitt in Schmitt/Hörtnagel, § 4 UmwStG Rn. 55 mit dem Hinweis, die Gesamtrechtsnachfolge sei ein zivilrechtliches Institut, das mit dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip konkurriere; i.E. auch Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 12 UmwStG Rn. 281). Vielmehr beschränkt sich das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern es erstreckt sich auch auf das öffentliche Recht und insbesondere auf das Steuerrecht (BFH, Urteil vom 21.06.2022, VIII R 26/19, BFH/NV 2023, 50); seine Geltung kann lediglich in Einzelfällen auszuschließen sein. Insbesondere erstreckt sich der Übergang im öffentlichen Recht auch auf solche Rechtspositionen, die noch nicht durch Verwaltungsakt konkretisiert sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.03.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325).
31Nach dieser Maßgabe ist die Vorbesitzzeit, das heißt, die über fünf Jahre währende Stellung der KG als beherrschendes Unternehmen der F GmbH, der Klägerin zuzurechnen.
32Die Klägerin ist zivilrechtlich im Zuge der Aufspaltung – insbesondere was die Anteile an der F GmbH angeht – Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden. Bei der Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG kommt es – anders als in den Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung (vgl. BFH, Urteil vom 07.08.2002, I R 99/00, BStBl. II 2003, 835; BFH, Urteil vom 05.11.2009, IV R 29/08, BFHE 226, 492; Bundesgerichtshof – BGH –, Urteil vom 25.01.2008, V ZR 79/07, BGHZ 175, 123) – zu einer (geteilten) Gesamtrechtsnachfolge (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.02.2007, 1 K 298/01, EFG 2007, 1390; Schindler in Gosch, AO/FGO, § 45 AO Rn. 10). Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG geht mit der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers dessen Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung jeweils als Gesamtheit auf die übernehmenden Rechtsträger über. Mit Rechtswirksamkeit des Aufspaltungs- und Übernahmevertrags vom 20.08.2010 wurde die Klägerin (was die Anteile an der F GmbH angeht) zur Gesamtrechtsnachfolgerin der KG.
33Unter der für die Auslegung des § 45 AO gebotenen Heranziehung der Regelungen und Prinzipien des Grunderwerbsteuergesetzes und insbesondere des § 6a GrEStG handelt es sich bei der Vorbesitzzeit der KG hinsichtlich der Anteile an der F GmbH nicht um einen höchstpersönlichen Umstand, der einer Zurechnung entgegenstünde.
34Die Vorbesitzzeit ist zum einen kein höchstpersönliches Merkmal, das unlösbar mit der Person der KG verbunden ist. Mit Blick auf die Zurechnung von Vorbesitzzeiten an den Rechtsnachfolger im Rahmen des § 6b Einkommensteuergesetz hat der BFH (wenn auch ohne ausdrücklichen Rückgriff auf § 45 AO) entschieden, dass die Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen des einen in das Sonderbetriebsvermögen eines anderen Gesellschafters zur Anrechnung der Vorbesitzzeit des übertragenden Gesellschafters beim übernehmenden Gesellschafter führt (BFH, Urteil vom 24.03.1992, VIII R 48/90, BStBl. II 1993, 93). Die Buchwertfortführung erfasse alle mit der späteren Gewinnrealisierung zusammenhängenden bilanzrechtlichen Folgewirkungen. Der Zweck der Besitzzeitregelung solle lediglich die steuerliche Begünstigung spekulativer Geschäfte verhindern, deren Annahme bei unentgeltlicher Übertragung mit Buchwertfortführung regelmäßig nicht gerechtfertigt sei. Diese Ausführungen gelten mit Blick auf die Vorbehaltensfrist des § 6a GrEStG insoweit entsprechend, als im Rahmen dieser Vorschrift die Stellung als beherrschendes Unternehmen ebenfalls keine höchstpersönliche Eigenschaft der KG darstellt, sondern nur dem Zweck dient, den Kreis der begünstigten Rechtvorgänge einzuhegen.
35Der Zurechnung stehen zum anderen auch keine Normen oder Prinzipien des Grunderwerbsteuerrechts entgegen.
36Für das Grunderwerbsteuerrecht gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Rechtsnachfolge oder zur Zurechnung von Vorbesitzzeiten. Das GrEStG selbst enthält diesbezüglich keine Regelung. Das Umwandlungsteuergesetz (UmwStG) und die gemäß § 23 Abs. 1 UmwStG bei Aufspaltungen analog geltende Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, wonach der Zeitraum der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft der übernehmenden Personengesellschaft anzurechnen ist, gilt für das Grunderwerbsteuergesetz nicht, weil das UmwStG nur für die Steuern vom Einkommen und Vermögen gilt (Maetz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwG Rn. 9 in Fn. 27; Werneburg in Haritz/Menner/Bilitewski, § 1 UmwStG Rn. 102; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, § 1 UmwStG Rn. 11; zur bis 1983 nach § 27 UmwStG a.F. geltenden Grunderwerbsteuerfreiheit bei Umstrukturierungen vgl. Brezing in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft – DStJG – 10 (1987), 177, 206; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, § 6a GrEStG Rn. 3).
37Zwar ist die Gesamtrechtsnachfolge in der Systematik der Grunderwerbsteuer grundsätzlich den anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen (vgl. Pahlke, GrEStG, Einleitung Rn. 11; Kruse in DStJG 10 (1987), 1; krit. im Hinblick auf den Gleichheitssatz Fischer in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage 2016, vor § 1 Rn. 163 mit weiteren Nachweisen). In diese Grundkonzeption fügt es sich auch ein, dass die Rechtsnachfolge im Rahmen der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG, die als Missbrauchsvermeidungsnormen Ausnahmen zur Steuerbefreiung konstituieren, grundsätzlich begünstigungsschädlich und damit im Ergebnis steuerbegründend wirkt. Der BFH hat dementsprechend mit Blick auf diese Nachbehaltensfristen (BFH, Urteil vom 25.06.2003, II R 20/02, BStBl. II 2004, 193; BFH, Urteil vom 25.09.2013, II R 17/12, BStBl. II 2014, 268) und auch mit Blick auf die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG (BFH, Urteil vom 29.01.1997, II R 15/96, BStBl. II 1997, 296; BFH, Urteil vom 04.04.2001, II R 57/98, BStBl. II 2001, 587; BFH, Beschluss vom 19.03.2003, II B 96/02, BFH/NV 2003, 1090; BFH, Beschluss vom 05.06.2019, II B 21/18, BFH/NV 2019, 1253) die Gesamtrechtsnachfolge in der Regel als begünstigungsschädlich eingestuft.
38Die (zutreffende) Tatsache, dass die (Einzel- oder Gesamt‑)Rechtsnachfolge (oder ihr vorgelagerte Rechtsakte) regelmäßig ein anspruchsbegründendes Merkmal grunderwerbsteuerlicher Tatbestände darstellt, schließt es indes nicht aus, die Gesamtrechtsnachfolge (dem zuwiderlaufend, nämlich den Steueranspruch ausschließend) im Rahmen von Befreiungstatbeständen heranzuziehen. Insbesondere lässt sich die Rechtsprechung zu den Vor- und Nachbehaltensfristen im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG sich nicht auf die Vor- und Nachbehaltenfristen des § 6a Satz 4 GrEStG übertragen. Zwar knüpfen die Vor- und Nachbehaltensfristen rechtstechnisch an die Regelungen der §§ 5 und 6 GrEStG an (Bundestag-Drucksache – BT-Drs. – 17/147, 10; BT-Drs. 17/15, 21). Die Regelungen der §§ 5 und 6 GrEStG einerseits und des § 6a GrEStG verfolgen aber unterschiedliche Ziele: Die §§ 5 und 6 GrEStG führen dazu, dass das durch § 1 GrEStG begründete System, Rechtsträgerwechsel in Anknüpfung an das bürgerliche Recht zu besteuern, durchbrochen wird, indem ein Wechsel zwischen Allein- oder Bruchteilseigentum und Gesamthandseigentum nicht besteuert wird (Viskorf in Viskorf, § 5 GrEStG Rn. 3 f.). Sie sollen Härten vermeiden, die sich bei formaler Betrachtung ergäben, wenn ein Grundstück zwischen Gesamthändern und der Gesamthand oder zwischen mehreren Gesamthänden, die ganz oder teilweise aus denselben Personen bestehen, umgesetzt wird (BFH, Urteil vom 02.10.1974, II R 62/68, BStBl. II 1975, 150). Vielmehr soll unter Einbeziehung wirtschaftlicher Gesichtspunkte Berücksichtigung finden, dass sich die uneingeschränkte Berechtigung eines (Mit‑)Eigentümers am Grundstück nach der Einbringung des Grundstück in Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen fortsetzt, wenn auch mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam in gesamthänderischer Verbundenheit (BFH, Urteil vom 16.01.1991, II R 78/88, BStBl. II 1991, 376; BFH, Urteil vom 18.03.2005, II R 21/03, BFH/NV 2005, 1867 zum umgekehrten Fall des Wechsels von Gesamthands- zu Allein- oder Bruchteilseigentum). Dagegen durchbricht § 6a GrEStG nicht aufgrund einer zur Abfederung steuerlicher Härten als geboten erachteten wirtschaftlichen Betrachtungsweise das System der Grunderwerbsteuer, sondern soll aus wirtschaftspolitischen Gründen die Umstrukturierung von Unternehmen erleichtern (BT-Drs. 17/147, 10; BT-Drs. 17/15, 21; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, § 6a GrEStG Rn. 9; Pahlke, § 6a GrEStG Rn. 3ff.). Aus diesen unterschiedlichen Zielrichtungen der Begünstigungsvorschriften ergeben sich auch unterschiedliche Zwecke der Vor- und Nachbehaltensfristen. Im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG ist die Abfederung steuerlicher Härten nicht geboten, wenn Grundstücke unter missbräuchlicher Nutzung der Begünstigungsvorschriften von Gesellschaftern auf Gesamthandsgesellschaften oder umgekehrt übertragen werden; die Vor- und Nachbehaltensfristen sind daher Missbrauchsvermeidungsnormen. Hingegen sollten die (nicht grundstücksbezogenen) Vor- und Nachbehaltensfristen des § 6a Satz 4 GrEStG „ungewollte Mitnahmeeffekte“ durch Gestaltungen, die „nicht in der Zielrichtung der Ausnahme von der allgemeinen Belastung mit der Grunderwerbsteuer liegen“, verhindern (BT-Drs. 17/147, 10; BT-Drs. 17/15, 21). Es sollen kurzfristige Gestaltungen in Form von Rechtsvorgängen im Zusammenhang mit nur kurzfristig im Konzern gehaltenen Beteiligungen von der Begünstigung ausgenommen werden (vgl. BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329; BFH, Urteil vom 21.08. 2019, II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; BFH, Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20, BFHE nn; Pahlke, § 6a GrEStG Rn. 71). Anders als die allein der Missbrauchsvermeidung dienenden § 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 und 4 GrEStG dienen die Vor- und Nachbehaltensfristen des § 6a Satz 4 GrEStG vornehmlich dazu, die als verschonungswürdig qualifizierten Besteuerungssachverhalte zu umschreiben und zu begrenzen (Pahlke, § 6a GrEStG Rn. 5), ungeachtet eines daneben faktisch eintretenden Missbrauchsverhinderungseffekts (vgl. Kugelmüller-Pugh in Viskorf, § 6a GrEStG Rn. 103).
39Vor dem Hintergrund dieser Zielrichtung erscheint es systemgerecht, die Vorbesitzzeiten der KG der Klägerin zuzurechnen. Die Zurechnung fördert das Ziel, Umstrukturierungen zu erleichtern; hingegen würde es Umstrukturierungen erschweren, wenn der Rechtsnachfolger mit Blick auf die Vorbesitzzeiten wieder „bei Null“ anfangen müsste. Gleichzeitig ist nicht erkennbar, inwieweit eine Zurechnung in einer Situation wie der des Streitfalls Mitnahmeeffekte begünstigen könnte: Die Aufspaltung selbst unterlag nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer (auch wenn diesbezüglich, soweit ersichtlich, keine Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde). Es werden auch keine kurzfristigen Gestaltungen ermöglicht, weil die Vorbehaltensfrist nicht wegfällt, sondern nur Vorbesitzzeiten zugerechnet werden. Auch die Nachbehaltensfrist wirkt grundsätzlich – auch wenn diese im Streitfall nicht eingehalten werden muss, weil dies wegen der Auflösung der F GmbH nicht möglich ist – einer kurzfristigen Gestaltung entgegen (vgl. BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329; BFH, Urteil vom 21.08. 2019, II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; BFH, Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20, BFHE nn).
40Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
41Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
42[…] […] […]