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Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.08.2021 wird dahin geändert, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliegt.
2Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die Stadt N. […]
3Am 00.00.2018 und am 00.00.2019 fanden zwei Sitzungen des Aufsichtsrats der Klägerin statt. Gegenstand dieser Sitzungen war unter anderem die Entwicklung eines neuen Industriegebietes im Stadtteil R im Bereich „nähere Ortsangabe 1, nähere Ortsangabe 2“. Im Sitzungsprotokoll vom 00.00.2018 ist ausgeführt, dass die Klägerin bereits intensive Grundstückverhandlungen für diesen Bereich geführt habe und es danach grundsätzlich möglich erscheine, die benötigten Flächen zu erwerben, wobei dies voraussetze, Tauschflächen in beträchtlicher Größe zu beschaffen. Im Sitzungsprotokoll vom 00.00.2019 heißt es, es sei Einigkeit mit dem Eigentümer des benötigten Grundstücks (Gemarkung R, Flur, Flurstück ), Herrn T, erzielt worden. Dieser habe darauf bestanden, weitere Flächen, die als Bodenbevorratung bzw. als ökologische Ausgleichsfläche genutzt werden könnten, mit zu verkaufen. Mit Herrn T sei für die später gewerblich nutzbaren Flächen ein Preis ausgehandelt worden, der die früher im Bereich R gezahlten Beträge recht deutlich übersteige und auch mit einer „normalen“ Preissteigerung rechnerisch nicht gerechtfertigt werden könne. Gleichwohl gebe es für die Stadt N bzw. für die Klägerin keine Alternativen zu diesem Erwerb. Die Gegenleistung für die von Herrn T abzugebenden Flächen solle zum größten Teil in Tauschland erbracht werden. Für diese Vorgehensweise seien ganz überwiegend steuerliche Gründe ausschlaggebend, da Herr T ansonsten sehr stark steuerlich belastet werden und der Veräußerung nicht zustimmen würde. Der größte Teil dieser Flächen sei der Klägerin bereits durch notarielle Kaufangebote – die entweder von der Klägerin selbst oder von einem von der Klägerin zu bestimmenden Dritten (Herrn T) angenommen werden könnten – zum Kauf angeboten worden. Auf die Sitzungsprotokolle (Anlage K1 und K2 zur Klageschrift) wird im Übrigen Bezug genommen.
4Am 00.00.2019 gab Frau D ein notariell beurkundetes „Angebot auf Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages“ für den Grundbesitz Gemarkung D, Flur, Flurstück ab. Nach Ziffer II. der Urkunde konnte das Angebot sowohl von der Klägerin selbst, als auch von einem oder mehreren Dritten, die von der Klägerin durch notariell zu beurkundende Erklärung zu benennen waren, angenommen werden. Mit Zustandekommen eines Kaufvertrags mit einem so benannten Dritten sollten eigene Rechte der Klägerin aus der Urkunde erlöschen. Das Angebot konnte bis zum 00.00.2019 (Annahmefrist) angenommen werden. Hintergrund der Vereinbarung dieser Frist war, „dass neben den vertragsgegenständlichen Flächen noch weitere Tauschflächen von anderen Eigentümern benötigt werden“. Sollte die Klägerin bis zum Ablauf der Annahmefrist keinen Dritten benannt haben, sollte das Angebot als durch die Klägerin angenommen gelten. Unter Ziffer III. der Urkunde war der Text des in Aussicht genommenen Kaufvertrags wiedergegeben. Der Kaufpreis betrug X EUR. Sämtliche Kosten des Kaufvertrags, insbesondere die Grunderwerbsteuer, waren vom Käufer zu tragen. Die Kosten der Urkunde vom 00.00.2019, einschließlich etwaiger Grunderwerbsteuer, waren nach Ziffer V. der Urkunde von der Klägerin zu tragen. Auf die Urkunde vom 00.00.2019 (UR-Nr. /2019 des Notars L, N) wird im Übrigen Bezug genommen.
5Daneben holte die Klägerin im Zeitraum vom 00.00.2019 bis zum 00.00.2019 acht weitere notariell beurkundete Kaufvertragsangebote von verschiedenen Grundstückseigentümern ein, von denen sich zwei auf Grundstücke in einem anderen Bundesland bezogen.
6Mit notarieller Urkunde vom 00.00.2019 (UR-Nr. /2019 des Notars H, N) schlossen Herr T und die Klägerin eine mit „Grundstückstauschvertrag“ überschriebene Vereinbarung. Darin übertrug Herr T an die Klägerin neben dem vorgenannten Flurstück (Gemarkung R, Flur , Flurstück) drei weitere Flurstücke (Gemarkung R, Flur, Flurstücke und, sowie Flur, Flurstück). Die Klägerin übertrug an Herrn T drei Flurstücke (Gemarkung D, Flur, Flurstücke , und ). Als „Kaufpreis“ für die von Herrn T übertragenen Grundstücke wurden X EUR und als „Kaufpreis“ für die von der Klägerin übertragenen Grundstücke wurden X EUR vereinbart. Der sich danach ergebene Wertausgleich zugunsten des Herrn T in Höhe von X EUR sollte nicht in voller Höhe in Geld, sondern teilweise durch Übertragung von Ersatzflächen erfolgen, indem die Klägerin Herrn T als Käufer der Ersatzflächen benennen sollte. Als Ersatzflächen sind neben dem Grundbesitz der Frau D (UR-Nr. /2019 vom 00.00.2019) der Grundbesitz aus den acht weiteren notariellen Angebotsurkunden aufgelistet. Der Wert dieser Ersatzflächen wurde mit der Summe der zu zahlenden Kaufpreise (X EUR) angegeben. Die schuldrechtliche Vereinbarung stand unter der aufschiebenden Bedingung der Benennung des Herrn T als Käufer der Ersatzflächen. Die Klägerin verpflichtete sich zudem, Herrn T von sämtlichen Zahlungsverpflichtungen, die ihm aus den Kaufverträgen als Käufer aufgrund seiner Benennung durch die Klägerin entstünden – insbesondere von den jeweils zu zahlenden Kaufpreisen nebst etwaiger Zinsen und den sonstigen Vertragskosten wie Beurkundungs- und Vollzugskosten sowie der jeweils zu zahlenden Grunderwerbsteuer – freizustellen. Der danach verbleibende Differenzbetrag in Höhe von X EUR war von der Klägerin durch Zahlung zu begleichen. Darüber hinaus verpflichtete sich die Klägerin zur Beschaffung weiterer Ersatzflächen und zudem zur Übernahme sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit der Urkunde einschließlich der anfallenden Grunderwerbsteuer.
7Mit weiterer notarieller Urkunde vom gleichen Tag (UR-Nr. /2019 des Notars H) benannte die Klägerin Herrn T als Käufer unter anderem des Grundstücks der Frau D, der das Angebot vollinhaltlich und unwiderruflich annahm. Die Vertragsparteien erklärten, auch in Vollmacht der Verkäuferin Frau D, hinsichtlich der angebotenen Grundstücke die Auflassung und bewilligten und beantragten die entsprechenden Eintragungen. Die Benennung und die Annahme bezogen sich auch auf weitere Angebote, die in dem in der Akte des Beklagten befindlichen Exemplars der Urkunde nicht aufgeführt sind (Auslassung). Weitere Benennungs- und Annahmeerklärungen erfolgten in der Urkunde mit der Nr. /2019 des Notars H, die dem Gericht nicht vorliegt. Wie sich aus einer in der Akte des Beklagten abgehefteten Aufstellung ergibt, kaufte die Klägerin die in den anderen Angeboten aufgeführten Grundstücke, die Herr T nicht erwarb, (durch Annahme der entsprechenden Angebote in den Urkunden Nr. /2019 und /2019) selbst. Alle Grundstücke wurden entweder von Herrn T oder von der Klägerin erworben. Eine Benennung anderer Personen erfolgte nicht.
8Auf die notariellen Urkunden vom 00.00.2019 (UR-Nr. /2019 und UR-Nr. /2019) wird im Übrigen Bezug genommen.
9Mit Bescheid vom 22.11.2019 setzte der Beklagte Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Unter „1. Sachverhalt“ führte der Beklagte sieben Kaufvertragsangebote (darunter das Angebot vom 00.00.2019 der Frau D) sowie den „Grundstückstauschvertrag“ (UR-Nr. /2019) und zwei „Annahmen Kaufvertragsangebote“ (UR-Nr. /2019 und /2019) vom 00.00.2019 auf. Als Bemessungsgrundlage gab der Beklagte einen geschätzten Grundstückswert von X EUR an.
10Nachdem sich die Klägerin in dem dagegen geführten Einspruchsverfahren u.a. gegen die hinreichende Bestimmtheit des Bescheids gewandt hatte, hob der Beklagte den Bescheid mit Verfügung vom 29.01.2020 auf und setzte mit Bescheid vom gleichen Tag Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Der Bescheid enthielt nunmehr in einer Anlage die Bezeichnung der einbezogenen Grundstücke sowie die Ermittlung des geschätzten Grundbesitzwertes in Höhe von nunmehr (ohne Rundung) insgesamt X EUR. Auf den Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
11Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens wegen der Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids (8 V 229/20 GrE) machte die Klägerin neben der fehlenden Bestimmtheit des Bescheids vom 22.11.2019 erstmals geltend, der Tatbestand der § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG sei nicht erfüllt, da sie die Kaufangebote nicht zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet habe. Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass sich das Einspruchsverfahren durch den Erlass des Aufhebungsbescheids nicht erledigt habe und ein erneuter Einspruch nicht erforderlich gewesen sei, setzte der Beklagte den Bescheid von der Vollziehung aus.
12Auf Anforderung der Grunderwerbsteuerstelle des Beklagten teilte der Bewertungsbezirk des Beklagten am 23.04.2021 den gesondert und einheitlich festgestellten Grundbesitzwert auf den 22.05.2019 für Zwecke der Grunderwerbsteuer für die wirtschaftliche Einheit Gemarkung D, Flur, Flurstück mit. Er betrug X EUR
13Ausweislich eines in den Akten des Beklagten befindlichen Telefonvermerks teilte der Beklagte dem Klägervertreter am 25.03.2021 mit, dass der Bescheid vom 29.01.2020 „bezogen auf die Urkunde /2019 fehlerhaft“ sei, er aber an seiner Rechtsauffassung grundsätzlich festhalte. Er beabsichtige, einen Änderungsbescheid zu erlassen, in dem Grunderwerbsteuer „nur bezogen auf eine der Angebotsurkunden“ festgesetzt werde. Im Übrigen sollten neue Grunderwerbsteuerbescheide (einer für jedes weitere Angebot) ergehen. Die Klägerin war mit dieser Vorgehensweise – vor dem Hintergrund der in Aussicht genommenen gerichtlichen Überprüfung – einverstanden.
14Entsprechend erließ der Beklagte am 12.05.2021 einen weiteren Änderungsbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, durch den die Grunderwerbsteuer auf Grundlage des mitgeteilten Werts von X EUR auf X EUR festgesetzt wurde. Unter „1. Sachverhalt“ führte der Beklagte nunmehr nur noch das Kaufangebot der Frau D sowie die UR-Nr. /2019 auf. In den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung wies der Beklagte darauf hin, dass das Einspruchsverfahren fortgesetzt werde, der Bescheid nunmehr lediglich noch das Grundstück Gemarkung D, Flur, Flurstück betreffe und hinsichtlich der weiteren Grundstücke gesonderte Grunderwerbsteuerbescheide ergingen.
15Mit Einspruchsentscheidung vom 19.08.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Neben den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen der § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG sei auch das von der Rechtsprechung entwickelte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfüllt, wonach der Benennungsberechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet haben müsse. Dieses Tatbestandsmerkmal sei erfüllt, wenn der Benennungsberechtigte konkrete Vorteile aus der Weitergabe des Kaufangebots an einen Dritten gezogen habe, was insbesondere der Fall sei, wenn als Folge der Weitergabe des Kaufangebots weitere vorteilhafte Verträge mit dem Dritten abgeschlossen würden; auf den Eintritt des Vorteils komme es nicht an. Die uneingeschränkte, vertraglich geregelte Möglichkeit eines Benennungsberechtigten, das Grundstück zu seinem Vorteil an einen Dritten weiterzugeben, indiziere grundsätzlich ein Handeln in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen; für einen gegenteiligen Sachverhalt trage der Benennungsberechtigte die Feststellungslast.
16Der Klägerin sei ein uneingeschränktes Benennungsrecht eingeräumt worden. Sie habe zudem einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Weitergabe des Kaufangebots erzielt, weil diese Weitergabe Bedingung für den Abschluss des „Grundstückstauschvertrags“ mit Herrn T gewesen sei. Der konkrete Vorteil für die Klägerin habe daher im Abschluss eines weiteren Vertrags und dem Erhalt des angestrebten Grundstücks gelegen, sodass das eigene wirtschaftliche Interesse der Klägerin über den Abschluss des Vertrages über das angebotene Grundstück hinausgehe. Das starke wirtschaftliche Interesse der Klägerin am Erwerb der Grundstücke des Herrn T zeige sich an der Höhe der Gegenleistung und der Übernahme der gesamten Grunderwerbsteuer. Dabei sei auch die Aufgabe der Klägerin zu berücksichtigen, nämlich die Beschaffung von Grundstücken für Wohn- und Gewerbeflächen für die Stadt N.
17Mit ihrer Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, dass zwar unstreitig der Wortlaut der § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG, nicht aber das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Verwertung des Kaufangebots zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen erfüllt sei. Sie habe als Benennungsberechtigte ausschließlich wirtschaftliche Interessen des Grundstückserwerbers (Herrn T) wahrgenommen, da für die gewählte Vorgehensweise – „Grundstückstausch“ anstelle eines „reinen“ Kaufs der von ihr, der Klägerin, benötigten Flächen – überwiegend die steuerlichen Interessen des Herrn T ausschlaggebend gewesen seien, die wohl in der Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven gemäß § 6b Einkommensteuergesetz gelegen hätten. Insgesamt hätten sich für sie, die Klägerin, durch den „Grundstückstausch“ im Vergleich zu einem „reinen“ Kauf nicht unbeträchtliche Mehrkosten ergeben.
18Die Klägerin beantragt,
19den Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.08.2021 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt wird,
20hilfsweise die Revision zuzulassen sowie
21die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24hilfsweise die Revision zuzulassen.
25Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Ausführungen der Klägerin im Klageverfahren zu den Hintergründen der gewählten Vorgehensweise untermauerten das Vorliegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses der Klägerin. Der Klägerin sei es gerade nicht nur darum gegangen, den Vertragsabschluss für Herrn T zu vermitteln. Vielmehr habe im Hinblick auf den angestrebten eigenen Grundstückserwerb ein erhebliches eigenes Interesse der Klägerin am Erwerb der Ersatzgrundstücke durch Herrn T als Käufer bestanden. Beide Erwerbsvorgänge seien miteinander verknüpft und voneinander abhängig gewesen.
26Der Senat hat am 18.01.2024 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.05.2021 und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG liegt nicht vor, weil die Klägerin das Kaufangebot der Frau D nicht zum Nutzen ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet hat.
28Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG die Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Beide Erwerbsvorgänge stimmen im Übrigen in ihren Tatbestandsvoraussetzungen überein; die Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung ist in beiden Fällen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu ermitteln. Zur Tatbestandsverwirklichung ist erforderlich, dass ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt, die sich daraus ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten durch dessen Benennung als Annehmenden abgetreten werden und der Kauf zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer tatsächlich zustande kommt (BFH, Urteile vom 22.01.1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl. II 1997, 411 mit weiteren Nachweisen; vom 27.04.2005 II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall – insoweit zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig – erfüllt.
29Darüber hinaus setzt die Steuerbarkeit des Vorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Benennungsberechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet (BFH, Urteile vom 22.01.1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl. II 1997, 411; vom 15.03.2000 II R 30/98, BFHE 191, 419, BStBl. II 2000, 359; vom 18.12.2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl. II 2003, 356, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese wortlautbegrenzende Gesetzesauslegung ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, der darin besteht, den Grundstückshandel zu erfassen, der der Grunderwerbsteuer für die Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (BFH, Urteil vom 05.07.2006 II R 7/05, BFHE 213, 403, BStBl. II 2006, 765 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist unter der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen die Möglichkeit zu verstehen, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnutzung der Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen (BFH, Urteil vom 27.04.2005 II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050). Der Benennungsberechtigte muss wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfahren und sich einen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschaffen wollen (BFH, Urteil vom 18.12.2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl. II 2003, 356). Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere dann der Fall, wenn der Benennungsberechtigte die sonst dem Veräußerer gegebene Möglichkeit ausnutzt, den Benannten zum Abschluss weiterer Verträge (z. B. Bauerrichtungsvertrag, Kaufvertrag über ein Fertighaus, Dienst- und Baubetreuungsverträge, Treuhand- und Steuerberatungsvertrag) zu bestimmen (BFH, Urteil vom 27.04.2005 II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050, mit weiteren Nachweisen). Voraussetzungen ist in diesem Fall jedoch, dass der Benennungsberechtigte – sei es auch nur verdeckt – an den neuen Verträgen „verdient“ und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhat (BFH, Urteil vom 18.12.2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl. II 2003, 356). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Benennungsberechtigte den erhofften oder angestrebten wirtschaftlichen Vorteil tatsächlich erzielt (BFH, Urteil vom 22.01.1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl. II 1997, 411). Die wirtschaftliche Zielsetzung muss sich im Einzelfall auf die Verwertung des bestimmten Kaufangebots beziehen; ein Verhalten in anderen Fällen kann im Rahmen der Gesamtwürdigung von Bedeutung sein (BFH, Urteil vom 06.09.1989 II R 135/86, BFHE 158, 135, BStBl. II 1989, 984). Andererseits reichen für die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG das allgemeine Interesse eines Darlehensgebers an einem Mittelzufluss beim Schuldner sowie ein wirtschaftliches Interesse, das über den Abschluss des Grundstückskaufvertrages nicht hinausgeht, wie es bei Maklerverträgen der Fall ist, nicht aus (BFH, Urteile vom 16.12.1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl. II 1982, 269; vom 18.12.2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl. II 2003, 356). Hat der Benennungsberechtigte die uneingeschränkte Möglichkeit, das Grundstück zu seinem Vorteil weiterzugeben, so indiziert dies grundsätzlich ein Handeln in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen. Diese Indizwirkung entfällt nur dann, wenn der Benennungsberechtigte ausschließlich im Interesse des Grundstücksveräußerers oder des präsumtiven Erwerbers tätig geworden ist. Für das Vorliegen dieses Sachverhalts trägt der Benennungsberechtigte die Feststellungslast (BFH, Urteile vom 22.01.1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl. II 1997, 411; vom 18.12.2002 II R 12/00, BFHE 201, 319, BStBl. II 2003, 356).
30Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze hat die Klägerin das ihr durch die notarielle Urkunde vom 00.00.2019 eingeräumte Benennungsrecht nicht zum Nutzen ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet. Insbesondere hat die Klägerin die ihr aufgrund der Kaufangebotsurkunde vom 00.00.2019 zustehende Stellung als Benennungsberechtigte nicht dazu ausgenutzt, den Benannten, Herrn T, zum Abschluss weiterer (Dienstleistungs-)Verträge zu bestimmen, die für die Klägerin wirtschaftlich vorteilhaft gewesen wären. Zwar wäre ohne die Bereitstellung von Ersatzflächen – unter anderem durch die Kaufangebotsurkunde vom 00.00.2019 – der „Grundstückstauschvertrag“ mit Herrn T nicht zustande gekommen, sodass der Abschluss dieses Vertrags zwischen der Klägerin und Herrn T von dem Zustandekommen (u.a.) des Kaufvertrags zwischen Frau D und Herrn T abhing. Allerdings ergibt sich hieraus keine Rechtsstellung der Klägerin, die es ihr erlaubt, wirtschaftliche Vorteile aus einem Handel mit einem Grundstück zu ziehen. Vielmehr hatte Herr T als derjenige, in dessen Eigentum die für die Entwicklung des Industriegebiets erforderlichen Flächen standen, eine Machtstellung inne, die er ausnutzte, um die Klägerin zur Bereitstellung von Ersatzflächen – insbesondere durch Einholung entsprechender Kaufangebote Dritter – zu bewegen. Dass die Klägerin das Kaufangebot von Frau D gezielt eingeholt hat, um Herrn T als Käufer zu benennen, ergibt sich aus den Protokollen der Aufsichtsratssitzungen der Klägerin vom 00.00.2018 und vom 00.00.2019 und daraus, dass sie zwischen dem 00.00.2019 und dem 00.00.2019 weitere Angebote einholte, um die Ersatzflächen zu beschaffen.
31Darüber hinaus erlangte die Klägerin durch die Ausübung des Benennungsrechts keinen wirtschaftlichen Vorteil in dem Sinne, dass sie daran etwas „verdient“ hätte; auch eine entsprechende Absicht der Klägerin lag nicht vor. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Klägerin ohne die Benennung des Herrn T die für die – in ihrem Interesse liegende – Entwicklung der Gewerbeflächen erforderlichen Grundstücke nicht erhalten hätte. Entscheidend ist jedoch, dass sie hieran nichts „verdient“ hat. Denn der für das Grundstück der Frau D vereinbarte Kaufpreis in Höhe von X EUR ist mit seinem Nennwert in den Wert der Ersatzflächen in Höhe von insgesamt X EUR eingeflossen ist und nicht etwa – zugunsten der Klägerin – mit einem höheren Wert. Insoweit liegt für die Klägerin, die Herrn T von der Zahlung des Kaufpreises an Frau D freizustellen hatte, kein finanzieller Vorteil gegenüber einer unmittelbaren Kaufpreiszahlung an Herrn T vor. Im Gegenteil: Die Klägerin übernahm zusätzlich die Grunderwerbsteuer für den Kauf von Frau D und die weiteren Erwerbsnebenkosten. Ein „Verdienen“ unmittelbar am „Grundstückstauschvertrag“ ist ebenfalls nicht erkennbar, weil der Kaufpreis für die von der Klägerin erworbenen Flächen – wie bei Kaufverträgen zwischen Dritten üblich – dem Wert der Gegenleistung entsprach, jedenfalls nicht dahinter zurückbleibt. Dies ergibt sich aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Klägerin vom 00.00.2019, in dem es heißt, dass der von Herrn T veranschlagte Preis die früher im Bereich R gezahlten Beträge recht deutlich übersteige und auch mit einer „normalen Preissteigerung rechnerisch nicht gerechtfertigt werden“ könne (Bodenrichtwert X EUR/qm, Kaufpreis X EUR/qm). Sofern die Klägerin unter Umständen – nachdem die erworbenen Ackerflächen in Industrieflächen umgewidmet wurden – beim Weiterverkauf einen Gewinn erzielen oder ihrer Anteilseignerin, die Stadt N, später Steuereinnahmen zufließen sollten, hängen diese finanziellen Vorteile nicht mit dem Erwerb der Flächen, sondern maßgeblich mit der nachfolgenden Umwidmung in Industriegebietsflächen zusammen.
32Der Senat geht davon aus, dass die Rechtsprechung des BFH dahin zu verstehen ist, dass der (vom Benennungsberechtigten geplante) Vorgang zu einem unmittelbaren finanziellen – im Sinne von einem monetären – Vorteil für den Benennungsberechtigten führen muss (vgl. auch BFH, Urteil vom 15.03.2000 II R 30/98, BFHE 191, 419, BStBl. II 2000, 359, Rn. 15: durch die Ausübung des Benennungsrechts konkret eingetretener Vermögensvorteil erforderlich). Ein solcher liegt hier nicht vor.
33Das an sich durch die Einräumung des uneingeschränkten Benennungsrechts indizierte Handeln in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen ist widerlegt. Es lag nicht in der Absicht der Klägerin, durch den Handel mit Kaufangeboten wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Vielmehr hat sie sich – auf dessen Verlangen – gezielt Kaufangebote einräumen lassen, um Herrn T zum Verkauf der benötigten Entwicklungsflächen zu bewegen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin die Kaufangebote, die nicht von Herrn T angenommen worden waren, selbst annahm, also keine weitere Person als Käufer benannte. Insgesamt hatte sie keine Machtposition inne, die sie als Benennungsberechtigte in einer Art ausgeübt hätte, die nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zur Steuerbarkeit des Vorgangs führen würde.
34Das Gericht hat die Grunderwerbsteuer (dem auf eine Anregung des Gerichts zurückgehenden Antrag der Klägerin entsprechend) auf 0 EUR festgesetzt, statt (was an sich zutreffend gewesen wäre) den rechtswidrigen Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Ausschlaggebend hierfür ist, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Änderungsbescheid handelt und sich der geänderte Bescheid vom 29.01.2020 auf sechs weitere Erwerbsvorgänge bezog, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren. Im Hinblick auf diese weiteren Erwerbsvorgänge hat der Beklagte inzwischen sechs separate Erstbescheide erlassen. Hätte der Senat den Bescheid vom 12.05.2021 aufgehoben, wäre dessen suspendierende Wirkung entfallen, was zu einem – jedenfalls teilweisen – Wiederaufleben des Bescheids vom 29.01.2020 geführt hätte.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung und die Entscheidung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
36Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage, wie der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils zu verstehen ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.