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Die Beklagte wird verurteilt, 42.832,58 € auf das bei der Beklagten geführte Konto Nr.#### zu erstatten.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht gegen die beklagte Bank, welche für eine Erbengemeinschaft, der die Klägerin angehört, ein Nachlasskonto führt, Rückzahlungsansprüche geltend.
3Am 21. November 2011 verfasste der Erblasser, der am 04.08.2014 verstorbene F K Q4, ein notarielles Testament, in dem er seine beiden Kinder, die Klägerin und den Streithelfer zu 4) je zur Hälfte zu seinen Erben einsetzte. Im gleichen Schreiben erteilte er dem Streithelfer zu 4) eine Versorgungsvollmacht, die über seinen Tod hinaus wirksam sein sollte. Der Erblasser führte bei der Beklagten ein Konto mit der Nr. ####.
4Am 04. August 2014 verstarb der Erblasser. Nachdem der Streithelfer zu 4), welcher bereits vor dem Tod des Erblassers Grundstücksverkäufe für den Vater getätigt hatte, die Eigentumswohnung des Erblasser verkauft hatte, befand sich auf dem Nachlasskonto zu diesem Zeitpunkt ein Betrag von ca. 207.000,00 €.
5Mit Schreiben vom 09. Dezember 2014 erklärte die Klägerin durch die seinerzeit für sie tätige Rechtsanwältin N2 den Widerruf der Versorgungsvollmacht. Von diesem Widerruf wurde auch die Beklagte in Kenntnis gesetzt. Ein Mitarbeiter der Beklagten führte in einer E-Mail vom 23. Januar 2015 dazu aus, dass ihm die „ausschließlich gemeinsame Verfügungsberechtigung“ über das Nachlasskonto bekannt sei.
6Mit Schreiben vom 27. Februar 2015 erklärte die Rechtsanwältin der Klägerin gegenüber dem Rechtsanwalt des Streithelfers zu 4): „Betreffend aller fälligen Rechnungen, die berechtigt sind, wird meine Mandantin zur Meidung der Zwangsvollstreckung daran mitwirken, dass diese vom Und-Konto bei der Deutschen Bank beglichen werden (...)“
7Im 4. Quartal des Jahres 2015 wurden von dem Konto rund 53.000,00 € abgebucht. Diese Abbuchungen wurden ohne Kenntnis der Klägerin vorgenommen. Durch eine auf Antrag der Klägerin in dem Verfahren 1 O 50/16 Landgericht Aachen erwirkte einstweilige Verfügung vom 04.02.2016 (Anl. K8 zur Klageschrift) wurde der Beklagten untersagt, weitere Auszahlungen ohne die Zustimmung der Klägerin vorzunehmen. Mit Schreiben vom 16. Februar 2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die abgebuchten Beträge zu erstatten. Mit Schreiben vom 16. März 2016 erklärte die Beklagte, keine Rückführung des Geldes vorzunehmen.
8Mit Schriftsatz vom 05. August 2016 (Bl. 30-43) hat die Beklagte dem Streithelfer zu 4) den Streit verkündet, welcher dem Rechtsstreit durch Schriftsatz vom 30. Mai 2017 auf Seiten der Beklagten beigetreten ist.
9Mit Schriftsatz vom 07. April 2017 (Bl. 99-101) die Beklagte weiterhin den Empfängern der streitgegenständlichen Überweisungen den Streit verkündet. Davon dem Streit auf Seiten der Beklagten beigetreten sind der Streithelfer zu 1) mit Schriftsatz vom 26.04.2017, die Streithelfer 2) und 3) mit Schriftsatz vom 27.04.2017 und der Streithelfer zu 5) mit Schriftsatz vom 07.04.2017.
10Die Klägerin behauptet, sie habe den Überweisungen nicht zugestimmt. Ferner behauptet sie, sie habe die Vollmacht des Streithelfers zu 4) wirksam widerrufen und die Bank habe von diesem Widerruf Kenntnis erlangt. Sie ist der Ansicht, diese könne sich daher aufgrund eigenen vertragswidrigen Verhaltens nicht auf die Einrede aus § 242 BGB berufen. Die Beklagte habe die ihr durch den Widerruf gesetzten Grenzen bewusst überschritten.
11Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin sei ohnehin dazu verpflichtet gewesen, den von dem streitgegenständlichen Konto getätigten Überweisungen zuzustimmen weil diese nur dazu gedient hätten, ohnehin fällige Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen so dass den von der Klägern gegenüber der Beklagten erhobenen Ansprüche die „dolo-agit“-Einrede entgegen stehe. Der Beklagten obliege es nicht zu beurteilen, welche Maßnahmen die Erbengemeinschaft im Rahmen des § 2038 Abs. 1 BGB zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses notwendig seien.
12Mit der am 04. Mai 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin zunächst im Wege einer Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über sämtliche C-Weg auf dem bei der Beklagten geführten Konto Nr. #### seit einschließlich dem 4. Quartal 2015, sowie nach erteilter Auskunft die Erstattung des Betrages, der sich aus der Auskunft ergibt, abzüglich eines Betrages von 3.746,45 € auf das streitgegenständliche Nachlasskonto.
13Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 hat die Beklagte Kontoauszüge des Nachlasskontos für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 29.02.2016 vorgelegt. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit hinsichtlich des auf der 1. Stufe gestellten Antrags auf Auskunft und Rechnungslegung übereinstimmend für erledigt erklärt. Bezüglich einzelner durch die Beklagte vorgenommener Auszahlungen in Höhe von insgesamt 10.224,58 € hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01. Juni 2017 ihre Genehmigung erklärt.
14Die Klägerin beantragt nunmehr,
15die Beklagte zu verurteilen 42.832,58 € auf das bei der Beklagten geführte Konto Nr. #### zu erstatten.
16Die Beklagte sowie die Streithelfer zu 4) und 5) beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte ist der Ansicht, die Überweisungen vom Nachlasskonto seien autorisiert gewesen, die Klägerin habe der Begleichung aller berechtigten fälligen Rechnungen/Nachlassschulden mit dem Schreiben vom 27. Februar 2015 zugestimmt. Sie behauptet, sämtliche streitgegenständlichen Überweisungen hätten dazu gedient, Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen. Der Klägerin sei widersprüchliches Verhalten i.S.d. § 242 BGB vorzuwerfen, da sie erst in die Zahlungen eingewilligt habe und nunmehr eine Rückerstattung beantrage. Ferner ist sie der Ansicht, die Klägerin sei jedenfalls nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB zu den durch die streitgegenständlichen Überweisungen vorgenommenen Auszahlungen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet gewesen. Dem Anspruch der Klägerin stehe daher die Einrede aus § 242 BGB entgegen. Diese handele treuwidrig, da sie und der Streithelfer zu 4), sollte die Beklagte zur Rückgewähr verurteilt werden, ihrerseits durch die Nachlassgläubiger umgehend in Höhe der bereits ausgezahlten Beträge in Anspruch genommen würden.
19Der Streithelfer zu 4) tritt den Ausführungen der Beklagten bei und behauptet, sämtliche streitgegenständliche Auszahlungen hätten Nachlassverbindlichkeiten betroffen, die überwiegende im Zusammenhang mit der Bestattung des Erblassers gestanden hätten. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 25. Juli 2017 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Streithelfer zu 4) behauptet, die hierin genannten Verfügungen seien alle auf den ausdrücklichen Willen des Erblassers zurückzuführen, welchen dieser mit einem Schreiben vom 08. April 2013 (Bl. 274 der Akten) erklärt habe.
20Die Klägerin bestreitet die Echtheit der auf dieser Urkunde befindlichen Unterschrift.
21Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist zulässig und begründet.
24Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Wiedergutschreibung des Betrags von 42.832,58 € auf das Nachlasskonto.
25Ein derartiger Anspruch besteht gemäß § 675u S. 2 BGB. Danach hat der Zahlungsdienstleister dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte. Zahler im Sine des § 675u BGB war ursprünglich der Erblasser. Durch seinen Tod am 04. August 2014 ist die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und dem Streithelfer zu 4, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB in das Rechtsverhältnis eingetreten.
26Die Haftung des Zahlungsdienstleisters setzt einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang voraus, worunter die Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung von Buch- oder Bargeld, mithin auch die hier vorgenommenen Überweisungen von dem streitgegenständlichen Konto durch die Beklagte zu rechnen sind. Nach der Legaldefinition des § 675j Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Zahlungsvorgang gegenüber dem Zahler nur wirksam, wenn er diesem zugestimmt hat (Autorisierung). Die Zustimmung ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Zahlungsvorgang als tatsächlichem Ereignis (vgl. MüKo/Jungmann, BGB § 675j Rn.11). Darlegungs- und beweisbelastet für die Autorisierung durch den Kunden ist nach § 675 w Satz 1 BGB die Bank.
27Eine Autorisierung allein durch den Streithelfer zu 4) ist nicht ausreichend. Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können die Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Die durch den Erblasser dem Streithelfer zu 4) gegenüber erteilte Versorgungsvollmacht sollte zwar nicht mit dem Tod des Erblassers erlöschen und erlaubte es ihm, ohne Zustimmung der Erben wirksam Rechtsgeschäfte über Nachlassgegenstände abzuwickeln, diese Vollmacht wurde jedoch am 09. Dezember 2014 durch die Klägerin wirksam widerrufen nach § 168 S. 2 BGB. Die Vollmacht zerfällt mit dem Tod des Erblassers zu Einzelvollmachten für jeden einzelnen Miterben, sodass jeder Miterbe diese auch einzeln und nur für seine Person wirksam widerrufen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1959 – II ZR 46/59; MüKo/Schubert, BGB § 168 Rn. 54)
28Bedarf es für ein Rechtsgeschäft der Zustimmung aller Miterben, so kann der Bevollmächtigte ohne die Zustimmung des Widerrufenden keine wirksamen Rechtsgeschäfte abschließen.
29Der Widerruf der Vollmacht durch die Klägerin war auch der Beklagten bekannt, wie sich aus der E-Mail eines Mitarbeiters der Beklagten vom 23. Januar 2015 ergibt, in der es heißt, die ausschließlich gemeinsame Verfügungsbefugnis für das Nachlasskonto sei der Beklagten bekannt (Anlage A 5).
30Insofern war die Autorisierung der Zahlungsvorgänge von der Zustimmung der Klägerin abhängig.
31Eine gemeinschaftliche Autorisierung zum Zeitpunkt der Verfügungen bestand nicht. Die Klägerin hat den Zahlungsvorgängen gegenüber der Beklagten nicht im Ganzen zugestimmt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27. Februar 2015 gegenüber dem Rechtsanwalt der Streitverkündeten zu 4) erklärt, einzelnen Verfügungen zuzustimmen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber der Beklagten vorgetragen, sondern ausschließlich im Innenverhältnis gegenüber dem Streithelfer zu 4) geäußert. Aufgrund der Kenntnis des Widerrufs hätte die Beklagte Verfügungen indessen über das Konto nur mit Zustimmung der Klägerin vornehmen dürfen. Die Zustimmung – auch nur zu einzelnen Überweisungen- hätten ihr ausdrücklich durch die Klägerin erklärt werden müssen.
32Die Überweisungen in Höhe von 42,832,58 € sind somit ohne Autorisierung erfolgt.
33Die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB. Der Durchsetzbarkeit des Anspruches der Klägerin steht die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung ("dolo agit, qui petit quod statim rediturus est") nicht entgegen. Dieser Grundsatz besagt, dass niemand eine Leistung einklagen kann, die er sogleich nach Erhalt wieder zurückgeben müsste, weil dem Schuldner ein entsprechender Gegenanspruch zusteht.
34Ein solcher Gegenanspruch steht der Beklagten gegen die Klägerin nicht zu. Auf eine etwaige Zahlungsverpflichtung der Klägerin im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die beklagte Bank nicht berufen. Die in § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Mitwirkungspflicht kann nur von den Miterben untereinander durchgesetzt werden. Ein Dritter kann die Mitwirkung zu einer ordnungsgemäßen Verwaltungshandlung nicht verlangen (Staudinger/Löhring, § 2038 BGB, Rn. 11).
35Da die Beklagte die auf das Nachlasskonto zurückgezahlten Beträge nicht direkt wieder von der Klägerin herausfordern könnte, kann sie sich nicht auf die dolo-agit-Einrede berufen.
36Die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs steht auch nicht im Widerspruch zu früherem Verhalten der Klägerin. Da sie gerade keine Zustimmung bezüglich der Überweisungen gegenüber der Bank abgegeben hat, sondern ihr ausdrücklich den Widerruf der Vorsorgevollmacht erklärt hatte, durfte die Bank nicht von einer Zustimmung ausgehen. Interne Absprachen zwischen der Klägerin und dem Streithelfer zu 4) führen im Verhältnis zwischen Klägerin und Bank nicht zu widersprüchlichem Verhalten seitens der Klägerin.
37III. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
38Der Streitwert wird auf 42.832,58 EUR festgesetzt.
39Rechtsbehelfsbelehrung:
40Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Aachen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Aachen, B2, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
41Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. I, S.3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.