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Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 21.148,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.11.2016 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW T mit der FIN X.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs PKW T mit der FIN X durch die Beklagte zu 2) resultieren.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.195,95 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 1) zu 83 % und die Beklagte zu 2) zu 2 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Auslagen des Klägers haben die Beklagte zu 1) zu 83 % und die Beklagte zu 2) zu 2 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu 15 % zu tragen.
Im Übrigen hat jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils für die Beklagte zu 1) vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem PKW-Kauf in Zusammenhang mit dem sogenannten „W-Abgasskandal“.
3Die Beklagte zu 1) ist eine Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke T.
4Am 24.03.2015 bestellte der Kläger bei der Beklagten zu 1) den streitgegenständlichen gebrauchten PKW T mit einer Laufleistung von 32.000 km zu einem Kaufpreis von 24.887,14 EUR, wobei er den Kaufpreis durch ein Darlehen über die T-Bank finanzierte (Anlage K1 zum Klageschriftsatz vom 02.11.2016). Die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgte am 01.04.2015.
5In dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Motortyps EA 189 mit 2,0 Liter Hubraum verbaut. Aufgrund dessen ist das streitgegenständliche Fahrzeug von dem sogenannten Abgasskandal betroffen, d. h., dass die Stickoxid-Werte durch eine Software im Prüfstandlauf niedriger gemessen werden als sie im realen Fahrzeugbetrieb tatsächlich auftreten.
6Mit Bescheid des Kraftfahrzeugbundesamts vom 14.10.2015 wurde die Beklagte zu 2) verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.
7Mit Schreiben vom 15.07.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) mit anwaltlichem Schriftsatz die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag (Anlage K2 zum Klageschriftsatz vom 02.11.2016).
8Mit Schreiben vom 25.07.2016 wies die Beklagte zu 1) u.a. darauf hin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug weiterhin technisch sicher und fahrbereit sei und der Hersteller die notwendigen technischen Maßnahmen einleiten werde (Anlage K3 zum Klageschriftsatz vom 02.11.2016). Zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ein auf den spezifischen Fahrzeugtyp abgestimmtes Software-Update noch nicht freigegeben.
9Unstreitig ist der Kläger mit dem Fahrzeug bis zur mündlichen Verhandlung 32.752 km gefahren.
10Der Kläger ist der Ansicht, das streitgegenständliche Fahrzeug sei erheblich mangelbehaftet, weil die tatsächlichen Stickoxidwerte des Fahrzeugs von den gesetzlichen Vorgaben und den Angaben des Herstellers im technischen Datenblatt derart abweichen, dass die EU5 Schadstoffklasse nicht erreicht werde. Der Kläger behauptet, ihm sei es bei der Kaufentscheidung auf die Zuordnung der Schadstoffklasse angekommen. Der Kläger meint, ihm sei eine Aufrechterhaltung des Kaufvertrages unter Würdigung aller Umstände nicht zumutbar und er müsse sich nicht auf die Nacherfüllung verweisen lassen.
11Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, ihm stünden gegen die Beklagte zu 2) deliktische Schadensersatzansprüche zu. Er meint, die Beklagte zu 2.) habe arglistig getäuscht, betrogen und gegen die guten Sitten verstoßen; hierzu behauptet er, dass neben zahlreichen Führungskräften, leitenden Managern und Ingenieuren auch mehrere Vorstände und der damalige Vorstandsvorsitzende von dem Einbau und dem Einsatz der Software gewusst hätten. Er meint, die Kenntnisse müsse sich die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin zurechnen lassen.
12Nachdem der Kläger zunächst die Feststellung seines Rückabwicklungsbegehrens beantragt hat, hat er seine Anträge mit Schriftsatz vom 02.03.2017 (Bl. 225 ff. d.A.) teilweise umgestellt. Er beantragt nunmehr,
131.
14Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei 24.887,14 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2016 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW T mit der FIN X und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.
152.
16Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des im Klageantrag zu 1) genannten PKW durch die Beklagtenpartei zu 2) resultieren.
173.
18Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) bezeichneten PKW im Annahmeverzug befindet.
194.
20Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.195,95 EUR freizustellen.
21Die Beklagten beantragen,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte zu 1.) meint, der Kläger habe den Kaufvertrag nicht wirksam anfechten können, noch stünde ihm ein Rücktrittsrecht zu, da das Fahrzeug die für die EG-Typengenehmigung vorausgesetzten Emissionsgrenzwerte einhalte, technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Das Fahrzeug verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen, insbesondere die EG-Typengenehmigung und sei nach wie vor als Fahrzeug der Abgasnorm EU5 zu klassifizieren und könne von dem Kläger uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden. Auch bei Vorliegen eines Mangels wäre dieser jedenfalls aus den o.g. Gründen und deshalb unerheblich, weil er mit einem geringen Kostenaufwand und Zeitaufwand ohne negative Folgen behebbar sei und ein Wertverlust weder eingetreten, noch zu erwarten sei. So erfordere das SoftwareUpdate einen Zeitaufwand von einer halben Stunde und koste deutlich weniger als 100,00 EUR. Dessen ungeachtet sei der Stickoxidausstoß für den Kaufentschluss des Klägers nicht von erheblicher Bedeutung gewesen. Im Übrigen fehle es an einer für den Rücktritt erforderlichen angemessenen Fristsetzung zur Nacherfüllung; auch müsse sich die Beklagte zu 1) keine etwaigen Kenntnisse der Beklagten zu 2) zurechnen lassen.
24Die Beklagte zu 2.) meint, dem Kläger stünden keine Schadensersatzansprüche zu, da sie weder getäuscht, noch sonst unwahre und irreführende Tatsachen bekannt gegeben habe. Sie bestreitet hinsichtlich der Entwicklung und Verwendung der Software etwaige Beteiligungen und Kenntnisse einzelner Vorstandsmitglieder und behauptet, dass nach bisherigem Kenntnisstand die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden sei.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage hat ganz überwiegend Erfolg.
28Klageantrag zu 1)
29Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 24.887,14 EUR abzüglich gezogener Nutzungen i.H.v. 3.739,00 EUR Zug-um-Zug gegen Rückgabe des im Tenor bezeichneten Fahrzeuges (§§ 346 Abs. 1, 348 i.V.m. § 437 Nr. 2, § 440 Satz 1 Var. 3, 323 Abs. 1 BGB). Der PKW wies bei Gefahrübergang einen Sachmangel auf. Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich.
301.
31Der Kläger ist mit Schreiben vom 15.07.2016 wirksam von dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) über den streitgegenständlichen PKW zurückgetreten.
322.
33Das Fahrzeug war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft im Sinne des § 434 Abs.1 BGB, da es jedenfalls nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.2 Var. 2 BGB erwarten kann. Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ein Käufer anhand der Art der Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung.
34Nach der Rechtsprechung der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg, der sich die Kammer anschließt, entspricht das Fahrzeug diesen objektiv berechtigten Erwartungen nicht. Die eingebaute Software erkennt, wann sich das Fahrzeug im Testzyklus befindet und aktiviert während dieser Testphase einen Abgasrückführungsprozess, der zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt. Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht mithin im Prüfstand einen niedrigeren Stickoxidausstoß vor, als er im Fahrbetrieb entsteht. Ein Durchschnittskäufer darf erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung zulässiger Stickoxidausstoßgrenzen – wenn auch nur unter Laborbedingungen – Makulatur (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016, Az.: 28 W 14/16; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016, Az.: 7 W 26/16; LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016, Az. 10 O 146/16; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016, Az. 11 O 341/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01. 09.2016, Az.: 16 O 790/16; LG München II, Urt. v. 15.11. 2016, Az.:12 O 1482/16; LG Dortmund, Urt. v. 31.10.2016, Az.: 7 O 349/15; LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016, Az.: 3 O 66/16, LG Paderborn, Urt. v. 17.05.2016, Az.: 2 O 381/15).
353.
36Dem Rücktritt des Klägers steht nicht entgegen, dass er der Beklagten zu 1) keine Frist zur Nacherfüllung nach § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Denn eine Fristsetzung war gem. § 440 Satz 1 Var. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich.
37a.
38Vorliegend war der dem Kläger zustehende Nacherfüllungsanspruch gemäß § 439 Abs. 1 BGB von vornherein auf die Nachbesserung beschränkt. Denn eine Nachlieferung des Fahrzeugs kam bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um einen Gebrauchtwagen handelt und davon auszugehen ist, dass im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine vergleichbaren Fahrzeuge des Typs T ohne verbaute Software mehr existierten.
39b.
40Ob eine Nachbesserung technisch möglich ist, kann dahinstehen. Denn auch bei technisch möglicher Nachbesserung war es dem Kläger zum Rücktrittszeitpunkt gemäß § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar, sich auf eine Nachbesserung mit offenem Ausgang und ungewisser Dauer einzulassen. Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung beurteilt sich allein aus der Perspektive des Käufers, vorliegend des Klägers, zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. In die Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalles einzustellen, insbesondere die Art des Mangels und die Beeinträchtigung der Interessen des Käufers, die Begleitumstände der Nacherfüllung, die Zuverlässigkeit des Verkäufers sowie eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15)
41(aa.)
42Ausgehend von dem vorgenannten Maßstab war vorliegend die Nachbesserung dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass das beabsichtigte Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde (vgl. etwa auch LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16; LG Dortmund, Urteil v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Arnsberg Urt. v. 24.03.2017 – I 1 O 224/16).
43So war vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist (BGH Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09), nicht auszuschließen, dass die Beseitigung der Manipulations-Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Die Einzelgenehmigung des Kraftfahrtbundesamtes lag für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Rücktrittszeitpunkt nicht vor. Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind bereits unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion nachvollziehbar. Hierzu heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom 25.07.2016:
44„Zunächst möchten wir uns noch einmal bei ihrem Mandanten für eventuelle Unannehmlichkeiten entschuldigen, welche als Folge der Diskussion über die beanstandete Abgas-Software (NOx) entstanden sind.“
45Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind ferner auch vor dem Hintergrund der von der Beklagten zu 1) in ihrem Schreiben vom 25.07.2016 selbst ausgedrückten Unsicherheit der folgenlosen Mängelbeseitigung verständlich („Es ist unser Ziel, dass die Maßnahmen keinen nachhaltigen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden.“). Dessen ungeachtet ergibt sich der Verdacht eines Folgemangels auch aus dem vom Kläger plausibel vorgetragenen Konflikt zwischen Stickoxidwerten und Kohlendioxidwerten und der naheliegenden Frage, warum die Beklagte zu 2) die jetzt beabsichtigten technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert hat. Der berechtigte Mangelverdacht reicht vorliegend aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Der Kläger muss nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten, dass ein Folgemangel entstehen werde (LG Krefeld a.a.O.). Die Interessen des Klägers als Käufer sind vielmehr bereits dann hinreichend beeinträchtigt, wenn aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Folgemängeln vorliegen (LG Krefeld a.a.O). Dies ist, wie oben ausgeführt, vorliegend der Fall.
46(bb.)
47Des Weiteren war es für den Kläger auch zeitlich unzumutbar, auf die Nacherfüllung zu warten (so auch LG Krefeld a.a.O.; LG Bückeburg a.a.O.; LG Dortmund a.a.O.; LG Arnsberg a.a.O.).
48Eine Nachbesserung hat grundsätzlich innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu erfolgen. Diese zeitliche Grenze ist auf die hier maßgebliche Problematik aber nicht zugeschnitten. Die Angemessenheit einer Frist ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen (BGH, Urt. v. 21.06.1985 - Az.: V ZR 134/84). Maßgeblich ist, dass dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15). Abweichend davon war hier zum Rücktrittszeitpunkt auch nicht für das Gericht bestimmbar, wie viel Zeit die Nachbesserung in Anspruch nehmen wird. Die Nachbesserung ist an ein behördliches Genehmigungsverfahren gebunden. Die Dauer und auch der Ausgang dieses Verfahrens standen nicht fest. So heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom 25.07.2016 lediglich unverbindlich und vage:
49„Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht werden. (…) Bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen möchten wir (…) um Geduld und (…) Verständnis dafür bitten, dass wir alle notwendigen Schritte mit dem gebotenen Tempo, aber auch mit der Sorgfalt angehen, die Ihr Mandant jetzt von uns erwarten darf.“
50Ein Fristenlauf ist unter diesen Voraussetzungen Makulatur: Weder kann die Nachbesserung zeitlich beschleunigt werden, noch kann der Käufer absehen, wie lange er sich gedulden muss. Dies kann nicht zu Lasten des Käufers gehen.
51(cc.)
52Im Übrigen besteht auch der Verdacht, dass das Fahrzeug innerhalb von Deutschland nicht rechtlich gesichert betrieben werden kann bzw. kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Entsprechende rechtliche Erwägungen sind jedenfalls nicht unvertretbar. So heißt es etwa in dem Urteil des LG München II vom 15.11.2016 – 12 O 1482/16:
53„Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den PKW kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt – unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“
54Dieses rechtliche Risiko kann nicht dem Käufer aufgebürdet werden, zumal ausländische Behörden von der hiesigen Verwaltungspraxis abweichen können.
554.
56Das Rücktrittsrecht war auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen.
57Nach § 325 Abs. 5 S.2 kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat und die Pflichtverletzung unerheblich ist. Nach umfassender Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände dieses Einzelfalls handelt es sich vorliegend um einen erheblichen Mangel (so auch LG Krefeld a.a.O.; LG Bückeburg a.a.O.; LG Dortmund a.a.O.; LG Arnsberg a.a.O. LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 - 4 O 3/16).
58Bei einem behebbaren Sachmangel ist im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls in der Regel dann die Erheblichkeitsschwelle als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert, sondern allein um eine Regelfallbetrachtung, die die weitere Interessenabwägung nicht von vornherein ausschließt.
59Die Beklagte zu 1) hat sich vorliegend darauf berufen, dass das Fahrzeug technisch sicher, optisch in Ordnung und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Ferner würden mit der Mängelbeseitigung lediglich Kosten deutlich unter 100,00 EUR und ein zeitlicher Reparaturaufwand von unter 1 Stunde verbunden sein. Aus der Sicht des Klägers muss im Rahmen der Interessenabwägung jedoch beachtet werden, dass ein erheblicher Mangel allein schon deshalb vorliegt, weil zum Zeitpunkt der Rücktritterklärung - wie ausgeführt - bei dem Kläger ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und damals noch nicht konkret absehbar war, wann der Wagen des Klägers nachgebessert werden würde. Hier greifen die Gründe, die dem Kläger eine Nachbesserung unzumutbar machen und die den Mangel erheblich machen, ineinander, so dass eine bloß unerhebliche Pflichtverletzung nicht angenommen werden kann (LG Krefeld a.a.O.).
605.
61Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch jedoch nicht im vollen Umfang zu. Aufgrund der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsentschädigung i.H.v. 3.739,00 EUR hat der Kläger lediglich Anspruch auf Zahlung von 21.148,14 EUR.
62Die sich aus dem Rücktritt ergebenen Pflichten sind gemäß §§ 348, 320 Abs.1 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Insofern steht der Beklagten zu 1) ihrerseits ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und ein entsprechender Wertersatz für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs.1, Abs. 2 BGB gegen Rückgabe des gezahlten Kaufpreises nebst gezogener Nutzungen zu. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen: Bruttokaufpreis x gefahrene km ÷ Restnutzungsdauer, wobei das Gericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km und damit die Restlaufleistung im Zeitpunkt des Kaufs auf 218.000 km schätzt. Unstreitig liegt die Laufleistung des Pkw seit Gefahrübergang bis zur maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung bei 32.752 km (= 64.752 km – 32.000 km). Dies ergibt einen Wertersatzanspruch i.H.v. 3.739,00 EUR.
63Dem Kläger oblag im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Darlegung und Berechnung des Nutzungsersatzes. Dem trägt der Antrag zu 1) nicht Rechnung, indem hier der volle Kaufpreis zur Rückzahlung unter Abzug einer unbezifferten Nutzungsentschädigung gestellt wird. Die Klage war daher wegen der anzurechnenden Nutzungsentschädigung in Höhe des überschießenden Betrages abzuweisen.
646.
65Zinsen schuldet die Beklagte zu 1) jedenfalls seit Rechtshängigkeit, §§ 291, 288 BGB.
667.
67Einen weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises steht dem Kläger auch nicht gemäß § 812 BGB wegen der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu. Denn das die Beklagte zu 1) selbst getäuscht hat, ist nicht erkennbar und wird von der Klägerseite auch nicht behauptet. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2) muss sich die Beklagte zu 1) auch nicht zurechnen lassen, da es sich bei der Beklagten zu 1) um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin handelt (LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).
68Klageantrag zu 2)
69Auch der Klageantrag zu 2) ist zulässig und begründet.
70Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Ersatz der durch die Manipulation des Klägerfahrzeugs entstandenen und noch entstehenden Schäden.
711.
72Der Beklagten zu 2) ist durch das Inverkehrbringen der manipulierten Fahrzeuge ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten anzulasten. Denn die Beklagte zu 2) hat in großem Umfang und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden manipulierend beeinflusst. Sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, welches sich insgesamt als sittenwidriges Verhalten darstellt (vgl. LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16; so auch LG Hildesheim Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).
732.
74Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass die sittenwidrige Schädigung kausal für die Kaufentscheidung des Klägers war. Denn die manipulierten Daten haben neben der Umweltverträglichkeit auch Einfluss auf die Zulassung des Fahrzeugs. Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung immer von Bedeutung ist, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen über die Umweltverträglichkeit stattgefunden haben (LG Kleve a.a.O.).
753.
76Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung auch zugrunde zu legen, dass das Wissen vom Einbau der streitgegenständlichen Software dem seinerzeitigen Vorstand der Beklagten zu 2) gemäß § 31 BGB analog unmittelbar zuzurechnen ist. Zwar trifft es zu, dass der Kläger die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnormen darzulegen und zu beweisen hat. Jedoch hat die Beklagte zu 2) ihrer sekundären Darlegungslast insoweit nicht genügt.
77Der Kläger hat eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 2) hinreichend substantiiert behauptet. Er hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten zu 2) und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Die Beklagte zu 2) hatte also darzulegen, wie es zu einem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen ist (LG Offenburg a.a.O; LG Hildesheim a.a.O.; LG Kleve a.a.O.). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2017 (Bl. 708 d.A.) ist die Beklagte zu 2) jedoch derzeit nicht dazu bereit nähere Angaben dazu zu machen, wer die Entscheidung zur Entwicklung und Nutzung der Software getroffen hat und wer hiervon Kenntnis hatte. Mangels Bereitschaft der Beklagten zu 2) zu einer substantiierten gegenteiligen Darlegung, ist der klägerische Vortrag daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln.
784.
79Ferner sind auch weitergehende – derzeit noch nicht bezifferbare – Schäden jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Denn der Kläger hat vorgetragen (S. 17 der Klageschrift), dass ein Klageverfahren gegen das Kraftfahrtbundesamt vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen läuft. Sollte sich die Weiterbenutzung des Fahrzeugs nachträglich als rechtswidrig darstellen, käme auch eine nachträgliche Inanspruchnahme des Klägers als „Handlungsstörer“ in Betracht (LG Kleve a.a.O.).
80Klageantrag zu 3)
81Es war auch der Annahmeverzug festzustellen. Die Beklagte zu 1) befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB. Der Kläger hat der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 18.07.2016 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. Ein wörtliches Angebot war gemäß § § 295 S.1 BGB ausreichend, da die Beklagte zu 1) im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses als Gläubigerin das Fahrzeug bei dem Kläger als Schuldner gemäß § 269 Abs.1 BGB abzuholen hat. Dies hat die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 25.07.2016 abgelehnt.
82Klageantrag zu 4)
83Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 1) kein Anspruch auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
84Ein solcher Anspruch folgt nicht aus Verzug gemäß §§ 280 Abs.1, Abs.2, 286 Abs.1 BGB, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des Schreibens vom 15.07.2016 bereits vor der verzugsbegründenden Mahnung beauftragt waren. Ein Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten gegenüber der Beklagten zu 1) folgt auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von der Abgasmanipulation hatte und sie sich als rechtlich selbstständige Vertragshändlerin ein Verhalten der Beklagten zu 2) auch nicht zurechnen lassen muss.
85Dagegen steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2) ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten für das anwaltliche Schreiben vom 15.07.2016 gemäß §§ 826, 249 ff. BGB zu. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
86Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO unter Berücksichtigung der Grundsätze der „Baumbach`schen Formel“. Die Vollstreckung beruht auf § 709 ZPO (Vollstreckung durch den Kläger), bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (Vollstreckung durch Beklagtenseite).
87Der Streitwert wird auf 25.887,14 EUR festgesetzt (davon 24.887,14 EUR für den Klageantrag zu 1) und 1.000,00 EUR für den Klageantrag zu 2). Die restlichen Klageanträge wirken nicht streitwerterhöhend).