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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin macht weitere Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 05.08.2016 auf der BAB 2 in der Nähe der Ausfahrt H. ereignet hat. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte für den durch einen ihrer Versicherungsnehmer mit dem PKW Fiat Punto xxx verursachten Schaden am PKW Porsche Macan der Klägerin xxx zu hundert Prozent aufzukommen hat.
3Der vorgenannte PKW Porsche der Klägerin war am 22.06.2016 erstzugelassen worden und hatte zum Zeitpunkt des genannten Unfalls eine Laufleistung von 3.291 km.
4Die Beklagte regulierte auf Grundlage eines von der Klägerin in Auftrag gegebenen Schadensgutachtens die Differenz zwischen Netto-Wiederbeschaffungswert in Höhe von 80.252,10 Euro und Netto-Restwert in Höhe von 55.088,24 Euro, somit einen Betrag von 25.163,86 Euro.
5Die Klägerin hat den verunfallten PKW Porsche zu dem im Gutachten ermittelten Restwert verkauft und einen neuen PKW gleichen Typs zu einem Kaufpreis von 92.810,82 Euro angeschafft.
6Der Kaufpreis des beschädigten PKW Porsche betrug laut Rechnung vom 20.06.2016 92.401,92 Euro netto.
7Die Klägerin verlangt Erstattung der Differenz zwischen dem von der Beklagten zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswert und dem zuletzt genannten Kaufpreis in Höhe der Klageforderung.
8Die Klägerin meint, auf Neuwagenbasis abrechnen zu können, da die Laufleistung des verunfallten PKW Porsche nach Abzug der bei der Überführungsfahrt vom Porsche-Zentrum H. zurückgelegten Strecke unter 3.000 km liege und weil bei dem Unfall tragende Teile beeinträchtigt wurden, die Rückformungsarbeiten auf einer Richtbank erforderlich machten. Sie meint, das Fahrzeug sei auch bei Durchführung einer Reparatur nicht mehr neuwertig. Es gäbe im Übrigen Beeinträchtigungen im Falle von Gewährleistungsansprüchen.
9Die Klägerin meint darüber hinaus, auch das Integritätsinteresse sei hoch, dass eine Abrechnung auf Neuwagenbasis gerechtfertigt sei.
10Hilfsweise macht die Klägerin geltend, sie könne zumindest auf Reparaturkosten- basis abrechnen, da kein Totalschaden vorliege. Die vom Gutachter ermittelten Reparaturkosten liegen bei netto 21.093,88 Euro zuzüglich einer Wertminderung von 5.700,00 Euro, in der Summe also bei 26.793,88 Euro. Dieser Betrag übersteigt die von der Beklagten geleistete Zahlung.
11Die Klägerin beantragt,
121.
13die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.149,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
142.
15die Beklagte zu verurteilen, ihr vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von weiteren 1.005,10 Euro zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie verweist auf die herrschende Rechtsprechung, wonach eine Neuwagenentschädigung in der Regel nur bei einer Laufleistung von maximal 1.000 km in Betracht komme und die Erstzulassung nicht deutlich über einem Monat vor dem Unfall liegen dürfe.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist unbegründet.
22Die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwandes ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Neuwagenentschädigung liegen nicht vor.
23Das Gericht schließt sich der herrschenden Rechtsprechung an, nach der ein Anspruch auf Neuwagenentschädigung in der Regel nur bei einer Fahrleistung von maximal 1.000 km und einer nicht länger als einen Monat zurückliegenden Erstzulassung in Betracht kommt. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Auch die von der Rechtsprechung in Ausnahmefällen gebilligte Fahrleistung von maximal 3.000 km für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis ist mit knapp 10 % deutlich überschritten. Dass dieser Wert möglicherweise nach Abzug der bei der Überführungsfahrt zurückgelegten Strecke leicht unterschritten wäre, ist ohne Bedeutung. Maßgeblich für die Frage einer Neuwertigkeit des Fahrzeugs kann nicht sein, ob die zurückgelegte Fahrleistung bei einer Überführungsfahrt oder einer sonstigen Fahrt angefallen ist.
24Ob die von der Rechtsprechung bislang gezogenen Grenzen im Hinblick auf die Fahrleistung änderungsbedürftig sind, wie die Klägerin meint, ist sehr fraglich, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Die Klägerin meint, auf Grund der technischen Entwicklung sei ein Fahrzeug, insbesondere ein so hochwertiges Fahrzeug wie das verunfallte, länger „neu“ als früher. Dieser Ansatz scheint sehr zweifelhaft. Es ist vielmehr gerade so, dass gerade bei besonders hochwertigen Neuwagen die Neuwertigkeit, wenn man diese auf den Marktwert bezieht, allein durch eine Zulassung des Fahrzeugs erheblich sinkt, ohne dass dieses überhaupt gefahren worden sein müsste. Wenn letzteres der Fall war, gilt dies in erhöhtem Maße.
25Das Gericht sieht deshalb keinen Anlass, die bislang von der Rechtsprechung gesetzten Grenzen von 1.000 km Laufleistung bzw. 3.000 km Laufleistung in Ausnahmefällen zu verändern.
26Im Übrigen erscheinen auch die Ausnahmevoraussetzungen für einen Anspruch auf Neuwertentschädigung bei einer Laufleistung von bis zu 3.000 km nicht substantiiert vorgetragen. Allein der Umstand, dass das Fahrzeug zur Reparatur auf eine Richtbank muss, genügt noch nicht. Auch bei einer Laufleistung von unter 1.000 km ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Neuwagenentschädigung, dass das Fahrzeug erhebliche Beschädigungen erlitten hat. Ist dies nicht der Fall, kommt auch dann eine Entschädigung auf Neuwagenbasis nicht in Betracht (vgl. BGH, NJW 2009, 3022; zitiert nach Juris).
27Bei einer die Grenze von 1.000 km übersteigenden Laufleistung kommt eine Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis nur in Betracht, wenn bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand des beschädigten KFZ auch nicht annähernd wieder hergestellt werden kann (vgl. BGH VersR 1984, 46; zitiert nach Juris).
28Ob hiervon ausgegangen werden kann, scheint sehr fraglich.
29Wie bereits dargelegt, kann diese Frage jedoch dahinstehen, da auch die Grenze der Laufleistung für solche Ausnahmefälle bei 3.000 km zu ziehen ist – die überschritten sind – und im Übrigen die Grenze einer Erstzulassung vor maximal einem Monat ebenfalls deutlich überschritten ist. Das Fahrzeug war bereits sechs Wochen lang zugelassen; die Monatsfrist ist daher nicht nur geringfügig überschritten.
30Auch die Voraussetzungen einer Abrechnung auf Reparaturkostenbasis liegen nicht vor, so dass der Klägerin auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer 1.630,02 Euro nicht zusteht. Ein gesteigertes Integritätsinteresse bezieht sich immer auf das verunfallte Fahrzeug, welches die Klägerin jedoch gerade nicht weiter nutzen wollte und verkauft hat. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, dass sie es hätte reparieren lassen und zumindest weitere sechs Monate genutzt hätte.
31Mangels Hauptanspruch steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Die Angelegenheit war auch nicht so überdurchschnittlich schwierig, dass mehr als der von der Beklagten erstattete Gebührensatz von 1,3 erstattungsfähig wäre.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.