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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.01.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.780,47 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 56 % und der Beklagte zu 44 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
2(gem. § 540 ZPO)
3I.
4Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 4.080,47 € nebst Zinsen aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Wettvermittlungsvertrag sowie für den Erwerb eines Kassensystems. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
5Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag aufgrund Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB, nämlich die Veranstaltung unerlaubten Glückspiels gem. § 284 StGB, nichtig sei. Auf die Entscheidungsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung wird verwiesen.
6Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, dass ein Verstoß gegen § 284 StGB nicht in Betracht komme, da die zugrundeliegende Erlaubnispflichtigkeit für Sportwetten nach dem ab 01.01.2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrag gegen Europarecht verstoße und damit unwirksam sei.
7Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
9II.
10Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
11Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus den zwischen ihnen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch in Höhe von 1.780,47 €; ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
121.
13Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 2.300,00 € als restliche Zahlung für den Erwerb eines Kassensystems.
14Zwar hat die Klägerin insoweit behauptet, dass der Beklagte zur Ausübung der Tätigkeit aus dem Wettvermittlungsvertrag ein Kassensystem benötigt habe, welches er von der Klägerin zu einem Preis von 2.760,00 € erworben habe, der in 12 monatlichen Raten zu je 230,00 € gezahlt werden sollte. Demgegenüber hat der Beklagte dargelegt, es sei nicht erkennbar und werde bestritten, woraus sich eine Pflicht zur Zahlung der insgesamt 2.760,00 € in Form von Raten zu je 230,00 € für das Kassensystem ergeben solle.
15Insoweit fehlt die substantiierte Darlegung einer vertraglichen Vereinbarung zum Erwerb des Kassensystems zwischen den Parteien. Aus dem von der Klägerin hinsichtlich der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien in Bezug genommenen schriftlichen Wettvermittlungsvertrag ergibt sich keine Vereinbarung über den Erwerb eines Kassensystems. Vielmehr ist sogar unter § 8.1 geregelt worden, dass mündliche Nebenabreden oder Verabredungen zu diesem Vertrag nicht getroffen worden seien. Selbst wenn aber der Erwerb eines Kassensystems trotz der nach der Darlegung der Klägerin bestehenden Erforderlichkeit zur Ausübung der Tätigkeit als Wettvermittler durch einen selbständigen Vertrag neben dem Wettvermittlungsvertrag erfolgen sollte, so ist dies durch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden. Insoweit fehlt jegliche Darlegung dazu, zwischen wem, wann und unter welchen Umständen eine solche Vereinbarung getroffen worden ist. Alleine aus der Tatsache, dass der Beklagte unstreitig das Kassensystem von der Klägerin erhalten hat, ergibt sich nicht, dass hierüber ein Kaufvertrag zwischen den Parteien geschlossen werden sollte, und insbesondere auch nicht eine konkrete Kaufsumme, zumal andere vertragliche Konstruktionen wie Miete oder Leihe bzw. eine Abdeckung durch die Gebühren aus dem Wettvermittlungsvertrag denkbar sind.
16Zwar hat der Beklagte unstreitig die beiden Rechnungen vom 03.11.2008 für Oktober 2008 und vom 01.12.2008 für November 2008, in denen jeweils u.a. auch eine Rate für das Kassensystem in Höhe von 230,00 € enthalten war, bezahlt. Aus dieser Zahlung lässt sich aber allenfalls entnehmen, dass der Beklagte von einer Verpflichtung zur Zahlung des Betrages in diesen beiden Monaten, also insgesamt eines Betrags von 460,00 €, ausging. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, welche konkreten Vereinbarungen insoweit hinsichtlich des Kassensystems zwischen den Parteien getroffen worden sind, welche Art Vertrag geschlossen werden sollte und wie hoch die Vergütung hierfür sein sollte. Zur Annahme eines Kaufvertrages mit einer Zahlungspflicht von insgesamt 12 Raten zu je 230,00 € reicht die Zahlung von zwei entsprechenden Raten nicht aus.
17Der Klägerin war auch nicht auf ihren Antrag im Termin vom 15.07.2011 noch eine Schriftsatzfrist zur Frage des Abschlusses eines Kaufvertrages bezüglich des Kassensystems einzuräumen. Insoweit hatte der Beklagte bereits erstinstanzlich für nicht erkennbar erklärt und bestritten, woraus sich eine Pflicht zur Zahlung der 2.760,00 € für das Kassensystem ergeben soll, was der Klägerin Veranlassung zu einer substantiierten Darlegung hätte geben müssen. Davon abgesehen war die Klägerin jedoch auch ohnehin zur Substantiierung ihres Klagevorbringens hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Klageanspruchs verpflichtet, die tatsächlichen Grundlagen für ihren Anspruch auf eine Zahlung für das Kassensystem darzulegen. Eine entsprechende Darlegung ist durch die Klägerin, wie ausgeführt, jedoch gerade nicht erfolgt. Eine Fristsetzung zur Nachholung eines entsprechenden Vorbringens im Berufungsverfahren war nicht geboten.
18Danach kann die Klägerin den gesamten für das Kassensystem noch geltend gemachten Betrag von 2.300,00 €, nämlich die von ihr gesondert geltend gemachten 1.840,00 € sowie die beiden Raten zu je 230,00 € aus der Rechnung vom 02.01.2009 für Dezember 2008 und vom 02.02.2009 für Januar 2009, nicht beanspruchen.
192.
20Demgegenüber hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 1.780,47 € aus dem Wettvermittlungsvertrag mit dem Beklagten.
21a)
22Die Parteien haben unstreitig am 01.10.2008 einen Wettvermittlungsvertrag geschlossen, wonach der Beklagte als Wettvermittler für die Klägerin als Wetthalterin mit Sitz in Malta, wo sie eine Lizenz für Sportwetten hat, tätig werden sollte. Die Vermittlung von Sportwetten erfolgte ab Oktober 2008 unstreitig durch den Beklagten in dem von ihm betriebenen Stehcafé mit Internetdienstleistungen in I, M. Der Beklagte hat auch in den Monaten Dezember 2008 und Januar 2009 für die Klägerin unstreitig Sportwetten vermittelt und die Beträge hierfür eingenommen.
23Insoweit macht die Klägerin ohne die Raten für das Kassensystem mit der Rechnung vom 02.01.2009 für Dezember 2008 1.300,42 € und mit der Rechnung vom 02.02.2009 für Januar 2009 480,05 €, also zusammen 1.780,47 € geltend. Diese Beträge kann die Klägerin von dem Beklagten auch gemäß der in § 5 des Wettvermittlungsvertrages zur Vergütung getroffenen Vereinbarung beanspruchen. Nach § 5.1 des Vertrages zahlt der Wetthalter dem Wettvermittler eine Vermittlungsprovision in Höhe von 70 % des Rohertrages, der sich aus den von ihm vermittelten Wettumsätzen ergibt. Der Rohertrag errechnet sich danach wie folgt: Wetteinsätze und Aufgelder abzüglich der aus den Wetteinsätzen resultierenden Wettgewinne, Stornos und Rückzahler. Nach § 5.2 des Vertrages beträgt die Clearinggebühr 0,6 % vom Gesamtumsatz.
24Gemäß dieser Vorgaben hat die Klägerin in den beiden angeführten Rechnungen vom 02.01.2009 und 02.02.2009 ihren Anspruch hinsichtlich der von dem Beklagten eingenommenen Gelder berechnet. Diese Rechnungen entsprechen den tatsächlichen Vereinbarungen und sind auch nachvollziehbar. Sie stimmen zudem mit den bereits zuvor den Beklagten gestellten Rechnungen für Oktober und November 2008, die der Beklagte bezahlt hat, überein. Soweit der Beklagte erstinstanzlich die Höhe der der Klageforderung zugrunde liegenden Zahlen bestritten hat, liegt hierin kein substantiiertes Bestreiten. Die Rechnungen basieren ersichtlich auf den Umsätzen und Auszahlungen des Beklagten im Abrechnungszeitraum, wonach sich dann jeweils anhand der zu berechnenden Positionen der zu zahlende Betrag ergibt. Insoweit reicht ein einfaches Bestreiten nicht aus, da die von dem Beklagten erzielten Umsätze und erfolgten Auszahlungen diesem bekannt sein müssen, so dass er diese nachvollziehen könnte und hierzu substantiierte Einwände, die von ihm zu erwarten wären, auch möglich sind. Soweit in den Rechnungen jeweils ein Abzug für eine Lizenzgebühr Software in Höhe von 50,00 € vorgenommen wird, hat der Beklagte diese Position nicht konkret angegriffen. Darüber hinaus hat der Beklagte die Höhe der Rechnungen insgesamt in der Berufung ohnehin nicht mehr konkret angegriffen.
25Danach ist aufgrund § 5 des Wettvermittlungsvertrages zwischen den Parteien grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung von 1.780,47 € für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 gegeben.
26b)
27Der Wettvermittlungsvertrag ist auch nicht aufgrund Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz nichtig gem. § 134 BGB.
28Eine Nichtigkeit besteht nicht aufgrund Verstoßes gegen die Strafvorschrift der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels gem. § 284 StGB. Zwar macht sich danach strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt. Strafgesetze begründen zwar grundsätzlich Verbotsgesetze (Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 134 Rdnr. 24). Durch die Strafvorschrift des § 284 StGB soll auch gerade jegliches unerlaubte Veranstalten eines Glückspiels, sowohl durch den Wetthalter als auch den Wettvermittler, verhindert werden, so dass in einem Verstoß hiergegen ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz liegt.
29Durch die Tatbestandsvoraussetzung ohne „behördliche Erlaubnis“ wird jedoch gerade auf die zugrunde liegende erforderliche Erlaubnispflichtigkeit des Glückspiels Bezug genommen. Eine derartige Erlaubnispflicht ist grundsätzlich geregelt im Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glückspielstaatsvertrag - GlüStV), der für das Land Nordrhein-Westfalen am 22.05.2007 unterschrieben wurde, mit Inkrafttreten zum 01.01.2008 in Verbindung mit dem Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30.10.2007, die auch ihrerseits dementsprechend als Verbotsgesetz in Betracht kommen könnten. In § 4 Abs. 1 GlüStV ist insoweit geregelt: „Öffentliche Glückspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glückspiel) ist verboten.“ In dem genannten Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Glückspielstaatsvertrag wird unter § 1 die Zustimmung zum Glückspielstaatsvertrag erklärt und u.a. in § 4 die Erlaubnis geregelt.
30§ 4 GlüStV i.V.m. dem Landesgesetz kann jedoch weder für sich genommen noch über die Strafvorschrift des § 284 StGB ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB begründen, da die hier maßgebliche Erlaubnispflichtigkeit von Sportwetten in Wettbüros – wie von dem Beklagten als Wettvermittler für die Klägerin betrieben - nach dem Glückspielstaatsvertrag gegen europäisches Recht verstößt und damit unwirksam ist.
31Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 10 GlüStV ein staatliches Monopol normiert, indem den Ländern zur Erreichung des Ziels des § 1 GlüStV, nämlich u.a. das Entstehen von Glückspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sowie das Glückspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, den Ländern die ordnungsrechtliche Aufgabe übertragen wird, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Nach § 10 Abs. 2 GlüStV können die Länder diese Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen.
32Nach der Rechtsprechung des EuGH, der die Kammer sich anschließt, kann der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und anderer einer Regelung unterliegen, nach der private Veranstalter eine Erlaubnis benötigen, im Hinblick darauf, dass mit Maßnahmen, die - wie das staatliche Monopol - auf den ersten Blick als am meisten restriktivsten und wirkungsvollsten erscheinen, legitime Ziele verfolgt werden, für sich genommen nicht dazu führen, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, C-46/08, ''Carmen Media'', Rdnr. 63; Urteil vom 08.09.2010, C-316, 358, 359, 360, 409, 410/07, ''Markus Stoß u.a.'' Rdnr. 79). In diesem staatlichen Monopol liegt jedoch eine grundsätzlich nach Art. 49 EG verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft. Der Umstand, dass ein Mitgliedsstaat ein solches Monopol einem Erlaubnissystem vorzieht, nach dem privaten Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde, kann dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit hinsichtlich einer derartigen Beschränkung genügen, soweit, unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus, die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, Markus Stoß, Rdnr. 107).
33Art. 49 EG ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahingehend auszulegen, dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen und ein nationales Gericht sowohl feststellt, dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch, dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotential als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörde eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren, das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, ''Carmen Media'', Rdnr. 112). Art. 49 EG ist weiter dahingehend auszulegen, dass eine in einem Mitgliedsstaat eingeführte Regelung, nach der das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen einer vorherigen behörlichen Erlaubnis bedarf, als eine in den durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr eingreifende Regelung nur dann den Anforderungen dieser Bestimmung genügen kann, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgen kann (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, ''Carmen Media'', Rdnr. 112).
34Diese Vorgaben des EuGH gelten auch für die Kammer als nationales Gericht. Insoweit greift außerhalb des Ausgangsverfahrens jedenfalls eine faktische Bindungswirkung ein (''erga omnes'') (vgl. Dr. Streinz/Kruis, NJW 2010, 3745, 3749; Dr. Klöck/Dr. Klein, NVwZ 2011, 22, 23).
35Darüber hinaus haben nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zur Folge, das allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres unanwendbar wird. Nach ständiger Rechtsprechung des EUGH ist zudem jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaates verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewandt lässt (EuGH, Urteil vom 08.09.2010, C-409/06 ''Winner-Wetten'', Rdnrn. 53, 55).
36Das aus dem im Glückspielstaatsvertrag u.a. geregelten staatlichen Sportwettenmonopol folgende Verbot des Veranstaltens von Sportwetten durch rein privatrechtlich organisierte Anbieter - wie hier der Klägerin-, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem haben, in dem die Wetten vermittelt werden sollen, stellt eine Beschränkung des Rechts des Veranstalters auf freien Dienstleistungsverkehr gem. Art. 49 EG dar (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, C-243/01, ''Gambelli u.a.'', Rdnr. 58).
37Aufgrund der Regelung in § 10 GlüStV können Private wie die Klägerin und der Beklagte keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten erhalten. Die Ziele des Staatsvertrages, die in § 1 GlüStV normiert sind, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Wettsucht und Begrenzung des Glückspielangebots, können durch das staatliche Monopol bezüglich der von dem Glückspielstaatsvertrag erfassten Glückspiele im Hinblick auf die vorliegend maßgeblichen, in Wettbüros veranstalteten Sportwetten nicht erreicht werden, da andererseits andere Arten von Glücksspielen hiervon nicht erfasst werden, nach den insoweit geltenden Regelungen von privaten Veranstaltern mit Erlaubnis betrieben werden dürfen und sogar noch trotz höheren Suchtpotenzials eine Angebotserweiterung erfolgt.
38Denn insbesondere dürfen Pferdewetten (vgl. § 2 Abs. 1 Rennwett- und Lotteriegesetz) und das Automatenspiel (vgl. § 33 c GewO) von privaten Anbieten nach Erteilung einer Erlaubnis betrieben werden. Dennoch wurde in Bezug auf Automatenspiele eine Angebotsausweitung ermöglicht, obwohl solche Spiele ein höheres Suchtpotenzial aufweisen, als Sportwetten (VG Köln, Urteil vom 18.11.2010, - 1 K 3293/07 -, Rdnr. 89; VG Minden, Urteil vom 01.02.2011 - 1 K 2346/07 - Rdnr. 53, auf die die Klägerin Bezug genommen hat). Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit bereits im Urteil vom 28.03.2006 (BVerfG, NJW 2006, 1261) festgestellt, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand bei weitem die meisten Spieler mit problematischen oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen. Dennoch sind in diesem Bereich vom Gesetzgeber entscheidende Maßnahmen zur Suchtproblematik nicht ergriffen worden. Vielmehr ist durch die Novellierung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung-SpielV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.01.2006 (BGBl. I, Seite 280) der zeitliche Abstand der Einzelspiele von 12 auf 5 Sekunden verkürzt worden (§ 13 Abs. 1 SpielV), so dass seitdem 720 (statt zuvor 300) Spiele pro Stunde möglich sind (VG Minden, a.a.O., Rdnrn. 53, 54). Außerdem wurde die zulässige Zahl von Gewinnspielgeräten an den in § 3 Abs. 1 SpielV genannten Aufstellorten (Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Beherbergungsbetriebe und Wettannahmestellen konzessionierter Buchmacher) von zwei auf drei angehoben und in Spielhallen die Mindestgrundfläche pro Gewinnspielgerät von 15 m² auf 12 m² gesenkt sowie die höchstzulässige Zahl von Gewinnspielgeräten von 10 auf 12 gem. § 3 Abs. 2 SpielV angehoben.
39Zwar wurden demgegenüber Punktespielgeräte (Fun-Games, § 6 a SpielV) und Jackpot-Systeme (§ 9 Abs. 2 SpielV) verboten und es wurde die Verpflichtung der Betreiber, Warnhinweise anzubringen und Spieler auf Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen (§ 6 Abs. 4 SpielV) geregelt. Zudem wird nach einer Stunde Laufzeit ein fünfminütiger Stillstand des Geräts gefordert, so lange nicht die Gewinne die Einsätze deutlich übersteigen, § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV. Außerdem hat der Verordnungsgeber den Höchstgewinn pro Stunde und Spielgerät von 600,00 € auf 500,00 € gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 SpielV gesenkt.
40Bei einer Gesamtwürdigung dieser gesetzlichen Regelungen überwiegen die Lockerungen deutlich die Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf das mit der erheblichen Erhöhung des Spieltempos verbundene zusätzliche Gefahrenpotenzial. Erst recht tragen die Änderungen der SpielV nicht zu einer Verringerung der Gelegenheit zum Automatenspiel im Sinne eines besonders hohen Schutzniveaus bei. Der verringerte Maximalgewinn von 500,00 € je Stunde ist zudem weiterhin zu erstrebenswert, um der Bekämpfung der Spielsucht dienen zu können (zum Ganzen m.w.N.: VG Minden, a.a.O., Rdnrn. 57 ff.; VG Köln, a.a.O., Rdnrn. 89 ff).
41Danach ergibt sich, dass die angeführten Regelungen des Glückspielstaatsvertrages den Vorgaben des EuGH zum Gesamtkohärenzgebot nicht gerecht werden, weil die Bekämpfung der Spielsucht nicht kohärent und systematisch verfolgt und umgesetzt wird. Aufgrund des darin liegenden Verstoßes der Regelungen der §§ 4, 10 GlüStV gegen das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr nach Artikel 49 EG sind diese Bestimmungen des nationalen Rechts ohne Weiteres von Anfang an unanwendbar (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010, Winner-Wetten, Rdnr. 53; Dr. Klöck/Dr. Klein, NVwZ, 2011, 22, 25 ''ex tunc''), so dass es nicht darauf ankommt, dass in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Wettvermittlungsvertrags zwischen den Parteien im Dezember 2008 / Januar 2009 die Rechtsprechung des EuGH noch nicht bekannt war und nationale Gerichte von der Wirksamkeit des Glückspielstaatsvertrages ausgingen.
423.
43Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB.
44III.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
47Die Zulassung der Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht veranlasst.