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Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 17.12.2020 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgeführenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe:
2Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
3Ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Rückzahlung in Höhe von 292.841,72 Euro aufgrund seiner zwischen dem 01.01.2017 und dem 19.11.2019 erbrachten Spieleinsätze bei dem von der Beklagten angebotenen Online-Casinospiel scheidet unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt aus.
4Dabei geht die Kammer davon aus, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch des Antragstellers bestehen dürfte, dessen Geltendmachung jedoch rechtsmissbräuchlich ist, § 242 BGB.
5I.
6Das Landgericht Bochum ist sachlich und örtlich zuständig, da der Antragsteller seinen Wohnsitz im hiesigen Landgerichtsbezirk hat, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO.
7II.
81.
9Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO ist vorliegend deutsches Recht anwendbar.
10Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO sieht bei Verträgen mit Verbrauchern vor, dass das Recht des Staates gilt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Antragsteller, welcher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, handelte nicht in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Antragsgegnerin ist Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift und übte ihre gewerbliche Tätigkeit aus, indem sie das Online-Glücksspiel auf ihren Homepages in Deutschland anbot.
112.
12Dem Antragsteller dürfte dem Grunde nach gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zustehen.
13Die Antragsgegnerin hat insoweit zwischen den Parteien unstreitig einen Betrag in Höhe von 292.841,72 Euro durch Leistung des Antragstellers erlangt.
14Dies dürfte auch ohne Rechtsgrund erfolgt sein, da die Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zur Ausübung des Glücksspiels auf der Homepage der Antragsgegnerin nach § 134 BGB iVm § 4 Abs. 1, 2. HS GlüStV nichtig gewesen sein dürfte.
15Nach § 134 BGB sind Verträge nichtig, welche die Veranstaltung von oder die Beteiligung an gem. § 284 ff StGB verbotenen Glücksspielen zum Inhalt haben. Entsprechendes gilt auch für Verstöße gegen § 4 Abs. 4 GlüStV (vgl. beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 134 BGB, Rn. 219).
16Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet und vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten. Über eine solche Erlaubnis verfügte die Beklagte in Deutschland und Nordrhein-Westfalen nicht. Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele, worunter das streitgegenständliche Online-Casino fallen dürfte, im Internet verboten.
17Dieses Verbot in § 4 Abs. 4 GlüStV dürfte entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin mit Verfassungs- und Unionsrecht, insbesondere mit der nach Art. 56 f. AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit im Einklang stehen.
18Die Dienstleistungsfreiheit wird zwar insoweit eingeschränkt, als die Antragsgegnerin, welche ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Malta) hat, ihre Dienstleistung in Form von Glücksspielangebot in der Bundesrepublik Deutschland nicht erbringen darf. Indes können Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit - wie der EuGH bereits mehrfach entschieden hat - aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Glücksspielwesen gerechtfertigt sein.
19Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch nationale Bestimmungen in einzelnen Mitgliedsländern zum Zwecke des Schutzes der Verbraucher unter anderem vor den Gefahren der Spielsucht sind danach nicht per se unzulässig, setzen aber voraus, dass die in Rede stehenden Wetttätigkeiten in "kohärenter und systematischer Weise" begrenzt werden (EuGH NVwZ 2010, 1422, Rz. 55).
20Die in dem generellen Verbot, Glücksspiele im Internet zu veranstalten, liegende nationale Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch § 4 Abs. 4 GlüStV dürfte mit dem Kohärenzerfordernis im Einklang stehen (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, C- 156/13).
21Die Bestimmung ist restriktiv und bewirkt, dass Glücksspiele im Internet - wenn überhaupt - nur unter zusätzlichen, für das übrige, nicht online angebotene Glücksspielwesen nicht bestehenden Voraussetzungen, betrieben werden dürfen.
22Diese Beschränkung dürfte auch gerechtfertigt sein, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet erscheint zur Erreichung der mit ihr verfolgten Zwecke. Ziel des Glücksspielstaatsvertrages ist es, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt werden und die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden.
23Insoweit obliegt es dem Mitgliedsstaat nach der Rechtsprechung des EuGH, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen. Dieses Ermessen dürfte mit der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV ordnungsgemäß ausgeübt worden sein (BVerwG vom 26.10.2017, 8 C 18.16).
24Daran dürfte auch die Tatsache, dass sich die Bundesländer, wie die Antragsgegnerin vorträgt, auf einen Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021) verständigt haben, dessen Recht bereits seit dem 15.10.2020 zur Grundlage des Vollzugs gemacht werden sollte, nichts ändern. Dadurch, dass die Regelung im Ermessen steht, ist eine fortdauernde Überprüfung und ggf. Anpassung der getroffenen Maßnahmen erforderlich und führt unter Umständen dazu, dass neue Maßnahmen getroffen werden.
25Die Erteilung für die grundsätzliche Durchführung von Online-Casino-Angeboten ist aufgrund des § 5 GlüStV 2021 an weitergehende Voraussetzung geknüpft. Insbesondere ist dabei das Spielverhalten und der zu erbringende Vermögenseinsatz der Spieler reguliert. Demgegenüber ist die nicht kontrollierte Bereitstellung, wie es § 4 Abs. 4 S. 1 GlüStV im gegenständlichen Zeitraum bereits untersagte, weiterhin nicht erlaubt. Zum hier gegenständlichen Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin unstreitig keine Erlaubnis für eine Veranstaltung von Online-Sportwetten aufgrund der Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 5 GlüStV. Diese wurde ihr erst nach Oktober 2020 erteilt.
26Wegen der Nichtigkeit der Vereinbarung dürfte auch § 762 BGB die Rückforderbarkeit nicht entgegenstehen (Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage 2020, § 762 Rn. 9).
27Ob hier nicht bereits ein Ausschluss der Rückforderbarkeit nach § 817 S. 2 BGB anzunehmen sein könnte, muss die Kammer letztlich nicht entscheiden, diesbezügliche Bedenken könnten sich ggf. aus dem Schutzzweck des § 4 Abs. 4 S. 1 GlückStV ergeben.
28Jedenfalls ist nach Meinung der Kammer der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch unmittelbar nach § 242 BGB ausgeschlossen.
29Die Ausübung eines Rechts ist immer dann unzulässig, wenn sie gegen das Gesetz, die guten Sitten oder Treu und Glauben verstößt (vgl. RGZ 146, 385, 396; BGHZ 19, 72, 75).
30Der Antragsteller hat vorliegend über einen Zeitraum von fast drei Jahren auf den Homepages der Beklagten an dem angebotenen Online-Glücksspiel teilgenommen. Er hat dies dabei in dem Bewusstsein eines dem Glücksspiel immanenten Risikos des Verlustes aber auch des Gewinnes getan.
31Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass der Antragsteller dies nach seinem Vortrag ohne Kenntnis der Illegalität des angebotenen Online-Casinos getan hat. Der Antragsteller hat sich bewusst dafür entschieden, sein Geld im Rahmen dieses Glücksspiels einzusetzen und seine Freizeit dadurch zu gestalten. Dieses nunmehr im Falle des eingetretenen Verlustes unter Berufung auf die Illegalität des Glücksspiels zurückzufordern, ist nach Auffassung der Kammer eindeutig rechtsmissbräuchlich.
323.
33Aus denselben Erwägung scheitert auch ein etwaiger Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 4 Abs. 4 S. 1 GlückStV.
344.
35Darüber hinaus bestehen nach Auffassung der Kammer auch Bedenken im Hinblick auf die Bedürftigkeit des Antragstellers, welcher sich durch sein Verhalten selbst bedürftig gemacht hat.