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1.
Die Amtspflichten zur Durchführung der Bauzustandsbesichtigungen gem. § 82 BauO NRW sind drittschützend im Sinne des § 839 BGB.
2.
Im Hinblick auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt bei einer nur fahrlässigen Verletzung dieser Amtspflicht eine Haftung der Körperschaft, deren Beamten die Bauaufsicht obliegt, nur in Betracht, wenn dem Verletzten andere Schuldner (Bauherr, Architekten, ausführende Unternehmen, Eigentümer) nicht mehr zur Verfügung stehen.
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a)
5.794,86 €uro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 27.04.2005;
b)
weitere 24.926,80 €uro nebst Zinsen aus 7.843,50 €uro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 27.04.2005;
c)
weitere 250.000,00 €uro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 27.04.2005 als Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zum 11.01.2006
zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle über die in Ziffern 1 lit. a) und b) hinausgehenden materiellen und bzgl. Ziffer 1 lit. c) nach dem 11.01.2006 entstehenden weiteren immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.05.2004 (Sturz von dem Balkon in der Wohnung I-Straße, in C, 1. Obergeschoss) zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5.
Das Urteil ist bzgl. der Ziffern 1. und 4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Der im März 1967 geborene Kläger ist verheiratet und hat drei in den Jahren 1996, 1998 und 2000 geborene Kinder. Die Beklagte ist Bauordnungsbehörde in ihrem Stadtgebiet. Vor dem 21.05.2004 war der Kläger gesund. Am 21.05.2004 begab sich der Kläger auf eine Feier in die von Herrn M als Mieter bewohnte Eigentumswohnung im I. Obergeschoss des Hauses I-Straße in C . Eigentümer der Wohnung ist Frau T. Gegen 21.30 Uhr hielt sich der Kläger mit dem Vater des Mieters, dem Zeugen N, auf dem Balkon auf. Die beiden unterhielten sich. Die Absturzsicherung des Balkons bestand zu diesem Zeitpunkt an den beiden von der Hauswand ausgehenden kurzen Seiten aus einer Betoneinfassung. Die parallel zur Hauswand verlaufende lange Balkonseite war durch zwei parallel übereinander verlaufende rahmenlose Glasscheiben mit einer Länge von jeweils 5 Metern ausgestattet. Oberhalb der oberen Schreibe befand sich weder ein Handlauf noch ein Metallprofil. Durch im Einzelnen streitige Umstände kam es zu einem Absturz des Klägers und des Zeugen N in den unterhalb des Balkon befindlichen Garten. Dadurch erlitt der Kläger einen Bruch des 5. und 6. Brustwirbelkörpers mit entsprechender Querschnittslähmung der Beine, der Harnblase, des Mastdarms einschließlich Impotenz. Der Kläger wurde vom 21.05.2004 bis zum 04.11.2004 stationär behandelt.
3Das Gebäude wurde 1980/81 errichtet. Der Architekt des Gebäudes Herr L, der gleichzeitig auch Bauherr war, reichte am 14.05.1980 einen Bauantrag ein. In der Baubeschreibung in der Bauakte der Beklagten heißt es "Geländer der Balkone, Loggien etc.: Sichtbeton, Öffnungen schmaler 12 cm." Am 21.08.1980 erteilte die Beklagte die Baugenehmigung. Am 28.08.1980 wurde der Beklagten die Statik eingereicht, die von einer Dicke der Brüstung von 10 cm ausging. Bei Nachträgen zur vorgenannten Baugenehmigung, deren textlicher Teil andere Bereiche des Bauvorhabens betreffen, sind Ansichtszeichnungen der Gebäuderückseite beigefügt, aus denen sich eine Balkonbrüstung aus großdimensionalen Glasscheiben als Teilbrüstung ergibt. Das ausführende Unternehmen, welches die Balkonbrüstung errichtet hat, ist nicht mehr zu ermitteln. Am 16.12.1980 monierten Mitarbeiter der Beklagten, an den vorhandenen Betonbrüstungsteilen fehlten Anschlusseisen. Am 19.03.1982 bat der Bauherr L erstmals um eine Schlussabnahme durch die Beklagte. Am 24.03.1982 scheiterte eine Schlussabnahme daran, dass Mitarbeiter in den Bereichen der Fenster-Unterlichter in verschiedenen Wohnungen und im Bereich der Treppenhausgeländer die Absturzsicherheit dieser in Glas ausgeführten Bauteile monierten. Der Bauherr L sagte Änderungen wegen nicht hinreichend sicherer Fenster auf Podesten im Treppenhaus zu und belegte dies am 29.03.1982 mit Hinweis auf eine von der Fa. Z erstellte Auftragsbestätigung. Am 20.04.1982 kam es zu einer Schlussabnahme durch den Mitarbeiter I der Beklagten. Die Schlussabnahme wurde am 24.04.1982 von der Beklagten bescheinigt.
4Herr L veräußerte die Wohnungen als Eigentumswohnungen, u. a. eine weitere Wohnung in diesem Objekt an den Zeugen U. In den Baubeschreibungen im Zusammenhang mit den Kaufverträgen bzgl. der Eigentumswohnungen wird die Balkonbrüstung als "Mischgeländer aus Stahlbeton-Fertigteilen oder Stahlglas" beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete im Büro des Herrn L der Zeuge Dipl-Ing. S als Angestellter des Herrn L. Herr L verstarb am 09.10.1990 als Witwer. Seit dem Erstbezug der Wohnungen bis zum Mai 2004 ist es zu keinen Schäden an den Balkonbrüstungen gekommen.
5Der Kläger bezog zum Unfallzeitpunkt ein monatliches Brutto-Gehalt abzgl. Sozialabgaben von 2.364,00 €uro. Ab dem 02.07.2004 erhielt er Krankengeld in Höhe von tägl. 53,98 €uro. Bis zum 01.03.2005 ergibt sich folgendes: Die Differenz zwischen regulärem Verdienst und Krankengeld beträgt 5.794,86 €uro. Für Fahrkosten für Krankenbesuche der Familie wurden 1.606,00 €uro aufgewendet. Ein neuer Rollstuhl gerechter Kleiderschrank kostete 3.060,00 €uro. Für ein den speziellen Erfordernissen der Krankheit angepasstes Bett einschließlich Spezialmatratze wendete der Kläger 2.237,00 €uro auf und für Architektenkosten bei der Planung einer Aufzugsanlage im Haus 940,50 €uro.
6Der Kläger behauptet, zum Unfallzeitpunkt habe er sich mit dem Zeugen N an der Balkonbrüstung befunden. Der Zeuge N habe mit dem Rücken an der Geländerverglasung gelehnt und der Kläger seitlich. Es habe keine – etwa alkohlbedingte – Rangeleien und/oder Drängeleien oder ein Drücken gegen die Brüstung gegeben. Plötzlich und ohne Vorwarnung sei dieser Abschnitt der Glasbrüstung geborsten und der Kläger sei zusammen mit dem Zeugen N in den Garten gefallen. Zum Zeitpunkt der Schlussabnahme durch den Mitarbeiter I der Beklagten sei bereits die am Unfalltage vorhandene Balkonbrüstung eingebaut gewesen. Andere Konstruktionen oder Provisorien seien nie zum Einsatz gekommen.
7Über die unstreitigen Aufwendungen bis zum 01.03.2005 hinaus werde gerade das Badezimmer behindertengerecht umgebaut. Das zugrunde liegende Angebot ende mit netto 16.363,31 zzgl. 16 % MwSt., d. h. mit brutto 18.981,44 €uro.
8Der Kläger ist der Ansicht, ein Schmerzensgeld sei in Höhe von 250.000,00 €uro angemessen. Vor dem Unfall sei er ein durchtrainierter Sportler (Triathlon, Marathon und Mountain-Biking) gewesen, ein "Action-Papa" mit seinen zum Unfallzeitpunkt 8, 6, und 4 Jahre alten Kindern. Er sei handwerklich geschickt gewesen und habe vor dem Unfall viele Reparaturen in dem Gründerzeit-Haus der Familie selbst gemacht.
9Der Kläger beantragt mit der der Beklagten am 26.04.2005 zugestellten Klage,
101. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.794,86 €uro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie weitere 26.824,94 €uro nebst Zinsen aus 7.843,50 €uro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
112. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zum letzten mündlichen Verhandlungstermin nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
123. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden – letztere soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen – aus dem Unfall vom 21.05.2004 (Sturz von dem Balkon in der Wohnung I-Straße, in C, 1. Obergeschoss) zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte bestreitet den konkreten Unfallhergang, den Lebensstil des Klägers vor dem Unfall und die Erforderlichkeit des Badezimmerumbaus mit Nicht-Wissen.
16Sie behauptet, die Balkone seien zum Zeitpunkt der Schlussabnahme durch Herrn I am 23.04.1982 nicht mit Glas, sondern mit anderweitigen Materialien abgesichert gewesen. Die betroffene Glasbrüstung sei nicht schon seit mehr als 20 Jahren dort angebracht. Verwitterungen seien kaum zu erkennen.
17Die Beklagte ist der Ansicht, die bauordnungsrechtliche Schlussabnahme sei nicht drittschützend. Sie bescheinige lediglich, dass die bauliche Anlage entsprechend der Genehmigung ausgeführt worden sei, was hier der Fall sei. Den Bauzeichnungen beim Nachtrag zur Baugenehmigung habe entnommen werden können, dass die Balkonbrüstungen zum Teil in Glas ausgeführt werden sollten.
18Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften vom 17.10.2005 und 11.01.2006 verwiesen.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen N, U und S sowie durch Heranziehung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen H vom 07.06.2004 (5/25/04) aus dem Ermittlungsverfahren 332 Js ..... StA Bonn, dessen Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, gem. § 411a ZPO, sowie durch eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen H.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ganz überwiegend begründet. Lediglich in Höhe von 1.898,14 €uro aus dem Komplex Badezimmerumgestaltung ist die Klage unbegründet.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz in dem o. g. Umfang aus § 839 Abs. 1 BGB i. V.m. Art. 34 GG.
23Die Erteilung der Schlussabnahme durch einen Bediensteten der Beklagten im April 1982 war amtspflichtwidrig. Die zu diesem Zeitpunkt von dem Baukontrolleur der Beklagten, Herrn I, vorgefundene Ausführung wich ersichtlich von den Plänen ab, die der ursprünglichen Baugenehmigung zugrunde lagen. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass späteren Ergänzungen zur ursprünglichen Baugenehmigung zeichnerische Darstellungen beigefügt waren, aus denen eine Ausführung der Balkonbrüstung mit Glas entnommen werden könnte. Jedoch betrafen die textlichen Teile dieser Ergänzungen zur Baugenehmigung die Balkone gerade nicht.
24Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im April 1982 eine Balkonbrüstung aus Sichtbeton (gemäß den Plänen, die der Baugenehmigung zugrunde lagen) nicht angebracht war. Darüber hinaus konnte sich die Kammer durch die Beweisaufnahme davon überzeugen, dass zum Zeitpunkt der Schlussabnahme im April 1982 bereits genau die – unstreitig untaugliche – Glas-Balkonbrüstung angebracht war. Der Zeuge U konnte dies der Kammer bestätigen. Er gehört zu den Ersterwerbern von Eigentumswohnungen in dem betroffenen Objekt und hatte bereits vor der Errichtung gekauft und später den Baufortschritt wegen seiner Unzufriedenheit mit demselben etwas genauer beobachtet. Der Zeuge U bekundete gegenüber der Kammer, dass ihm seine Eigentumswohnung bereits im Februar 1982 übergeben worden sei und zwar vom Zeugen S und sich zu diesem Zeitpunkt bereits diejenige Art von Balkonbrüstung dort befunden habe, die später in einer anderen Wohnung zum Unfall des Klägers beigetragen hat. Auch die Aussage des Zeugen S führt zu keinen anderen Erkenntnissen. Er meinte sich zu erinnern, dass bei der Übergabe der Wohnung an den Zeugen U im Februar 1982 die Balkonabsturzsicherungen aus Glas bereits angebracht waren. Er habe damals die Übergabe an den Zeugen U auf Anweisung seines damaligen Arbeitgebers L durchgeführt. Im Übrigen habe er aber mit dem Bauobjekt seines damaligen Arbeitgebers nichts zu tun gehabt; darum habe sich im Wesentlichen allein der Chef gekümmert.
25Die Anhörung des Sachverständigen H hat die Kammer darüber hinaus davon überzeugt, dass für einen im Baufach Kundigen jedenfalls ersichtlich war, dass eine sehr ungewöhnliche Konstruktion der Balkon-Absturzsicherung gewählt worden war, die Anlass zur Anforderung spezifischer Nachweise hätte geben müssen. Die gewählte Glasart "Profilglas" sei im Wohnungsbau absolut unüblich gewesen. Auch die konkrete Art der Ausführung mit einer erheblichen Spannweite des Glases ohne darüber verlaufenden Rahmen oder Handlauf zur Aufnahme von Kräften hätte dazu führen müssen, einen spezifischen Nachweis für das Balkongeländer zu verlangen.
26Gerade diese Verletzung der Amtspflicht hat auch den beim Kläger eingetretenen Körperschaden in Form seiner Querschnittslähmung verursacht. Der von der Beklagten zulässigerweise mit Nicht-Wissen bestrittene, vom Kläger vorgetragene Ablauf des Unfalls auf dem Balkon konnte vom Kläger durch die Aussage des ebenfalls auf dem Balkon anwesenden Zeugen N bestätigt werden. Ansatzpunkt für ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 254 BGB sind danach nicht ersichtlich. Es haben insbesondere keine Rangeleien auf dem Balkon stattgefunden. Der Kläger ist nicht mit Wucht gegen die Brüstung geraten, sondern stand dort lediglich angelehnt zusammen mit dem Zeugen N, mit dem er sich unterhielt.
27Die Amtspflicht, eine Schlussabnahme nur bei ordnungsgemäßer Errichtung eines Gebäudes zu erteilen, besteht auch und gerade im Interesse der Nutzer des Gebäudes. Insoweit teilt die Kammer die Auffassung von Schmaltz (in: Große-Suchsdorf u.a., Nieders. Bauordnung, 7. Aufl. 2002, Rz. 15) nicht, ein Amtshaftungsanspruch scheitere bereits an einem fehlenden Drittbezug der Amtspflicht. Dem Kommentar ist lediglich darin beizupflichten, dass Ansprüche regelmäßig an § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitern werden, weil die Abnahme die Verantwortung der übrigen am Bau Beteiligten nicht beseitigt (Schmaltz, a.a.O.).
28Hier steht jedoch § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Denn die Haftung der Beklagten ist nach dieser Vorschrift nur gegenüber auch tatsächlich durchsetzbaren Ansprüchen subsidiär.
29Eine Haftung des Bauherren, der zugleich der Architekt des Vorhabens war, scheitert bereits daran, dass dieser zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs in der Person des Klägers am 21.05.2004 verstorben war.
30Die Firma, welche 1982 die Balkonbrüstung ausgeführt hat, ist nicht mehr zu ermitteln.
31Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. gegen den Sondereigentümer der betroffenen Wohnung aus § 836 BGB zu. Diesen kann keine Verletzung von Erhaltungspflichten vorgeworfen werden. Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass § 836 Abs. 1 BGB zunächst eine Vermutung gegen den Eigentümer aufstellt, sie hält jedoch den Entlastungsbeweis durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen H für erbracht. Für die WEG bzw. den Sondereigentümer der Wohnung gab es – als baufachliche Laien - keine Anhaltspunkte, die ihnen Anlass gegeben hätten, an der Funktionstüchtigkeit der vorgefundenen Glas-Balkonbrüstung zu zweifeln.
32Der Höhe nach hat der Kläger gegen die Beklage einen Anspruch in Höhe des sich aus Ziffern 1 lit. a) und b) ergebenen Betrages aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
33Davon sind (5.794,86 + 7.843,50 =) 13.638,36 €uro der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig.
34Hinzu kommen weitere 17.083,30 €uro für die Position "Rollstuhlgerechte Umgestaltung des Badezimmers", die vom Kläger mit 18.981,44 €uro geltend gemacht worden ist.
35Insoweit schätzt die Kammer gem. § 287 Abs. 1 ZPO, dass der vom Kläger geltend gemachte Betrag für eine Umgestaltung des Badezimmers nach den schadensbedingten Bedürfnissen des Klägers erforderlich und angemessen ist. Dabei greift die Kammer auf ihre mehrjährige Erfahrung mit Abrechnungen im privaten Baurecht zurück. Zugunsten des Klägers hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass eine behindertengerechte Umgestaltung eines Badezimmers nicht ohne erhebliche Eingriffe in den vorhandenen Baubestand (Fliesen, Armaturen, etc.) möglich ist, die den vom Kläger geltend gemachten Betrag als realistisch erscheinen lassen. Dabei hatte die Kammer gem. §§ 287 Abs. 1 ZPO, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den Brutto-Betrag als denjenigen Betrag zu schätzen, den der Kläger nach Beendigung der Umbaumaßnahmen tatsächlich zu zahlen haben wird.
36Ein Abschlag in Höhe der auf diese Position entfallenden Mehrwertsteuer gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt dagegen nicht in Betracht. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Die Beklagte schuldet nämlich keinen Schadensersatz wegen Beschädigung der Sache "Badezimmer", sondern wegen Verletzung der Person des Klägers. Aus dem unmittelbaren Vergleich der Tatbestandsvoraussetzungen der Sätze 1 und 2 des Absatzes 2 ergibt sich nämlich, dass der Gesetzgeber für die Fälle des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Person bei Aufwendungen auf Sachen die Einschränkung einer Geltendmachung fiktiver Mehrwertsteuer nicht eingeführt hat.
37Von den geschätzten erforderlichen und angemessenen Aufwendungen des Klägers für die rollstuhlgerechte Umgestaltung des Badezimmers ist jedoch ein moderater Abschlag "neu" für "alt" erforderlich, den die Kammer mit 10 % bemessen hat. Denn mit der Umgestaltung erhält der Kläger insoweit neuwertige Materialien in den Bereichen Fliesen, Armaturen, etc.
38Darüber hinaus steht dem Kläger im Umfang des in Ziffer 1 lit. c) ausgewiesenen Betrages gem. § 253 Abs. 2 BGB wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld zu.
39Bei der Bestimmung der insoweit angemessenen Höhe hat die Kammer zunächst den bisherigen Verlauf der Behandlung einschließlich der Rehabilitationsmaßnahmen berücksichtigt. Der Kläger musste einen nicht unerheblichen stationären Krankenhausaufenthalt von über einem halben Jahr erdulden. Hinzu kommt das zum Unfallzeitpunkt relativ junge Alter des Klägers, der gerade eine Familie mit inzwischen drei Kindern im Kindergarten und Grundschulalter gegründet hatte, womit eine nicht unerhebliche zukünftige Lebenserwartung des Klägers korrespondiert. Außerdem hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaften der Verlust der eigenen Mobilität einschließlich der Steuerung der Körperfunktionen Blase, Mastdarm und Potenz irreversibel ist, was dem Kläger Zeit seines Lebens bewusst bleiben wird, da er sich an zeitlich nicht unerhebliche Lebensabschnitte wird erinnern können, in denen dieser Verlust noch nicht eingetreten war.
40Soweit der Kläger den ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schaden noch nicht beziffern konnte, ergibt sich die Pflicht der Beklagten zum Ersatz der sturzbedingten Schäden dem Grunde nach aus dem Feststellungsausspruch in Ziffer 2. des Tenors -
41Die Zinsansprüche des Klägers beruhen jeweils auf §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit Wirkung ab dem 27.04.2005. Denn die Rechtshängigkeit ist durch die Zustellung der Klage am 26.04.2005 eingetreten.
42In Höhe von 1.898,14 €uro ist die Klage jedoch unbegründet. In diesem Umfang muss sich der Kläger wie bereits ausgeführt bei der rollstuhlgerechten Umgestaltung seines Badezimmers einen Abzug "neu für alt" anrechnen lassen.
43Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 92 Abs. 2 ZPO und wegen der Vollstreckbarkeit auf §§ 709 Satz 1 ZPO.
44Streitwert: Antrag zu 1): 32.619,80 €
45Antrag zu 2): 250.000,00 €
46Antrag zu 3): 90.000,00 €
47Gesamtstreitwert: 372.619,80 €
48Gründe: Bei der Festsetzung des Wertes zu 3) hatte die Kammer insbesondere die möglichen zukünftigen Verdienstausfallschäden des zum Unfallzeitpunkt erst 37 Jahre alten Klägers zu berücksichtigten.