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Diese Entscheidung hat keinen Tenor.
Nach Beratung weist die Kammer auf folgende Aspekte hin:
21. Das Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 ZPO ist vorliegend angesichts der Rechtsprechung des BGH zur Zuständigkeitsbestimmung im Zuckerkartell (BGH, B.v. 23.10.2018, X ARZ 252/18 = NZKart 2018, 579 sowie BGH, B.v. 27.11.2018, X ARZ 321/18 = NZKart 2019, 221) eröffnet.
3In Abkehr von einer obergerichtlichen Rechtsprechung, die davon ausging, dass eine Zuständigkeitsbestimmung bei Gerichtsstandsmehrheit auf Klägerseite bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich ist, (OLG München, 25. April 2018 – 34 AR 62/18; OLG München B. v. 12.5.2010, 34 AR 9/10, juris; OLG Hamm B. v. 21.3.2016, 32 SA 9/16 -, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen) geht der BGH nun davon aus, dass eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt, wenn mehrere Kläger ihre Ansprüche in subjektiver Klagehäufung geltend machen wollen und ein gemeinsamer Gerichtsstand hierfür nicht eröffnet ist (BGH X ARZ 252/18 = NZKart 2018, 579, Rn 19 unter Bezugnahme auf BGH, B.v. 7. Juli 1972 - I ARZ 112/72, NJW 1972, 1861, juris Rn. 7). Dazu führt der Senat aus, dem Umstand, dass das Fehlen eines gemeinsamen Gerichtsstands im Streitfall nicht darauf beruhe, dass die Klägerin mehrere Beklagte in Anspruch nimmt, sondern darauf, dass sie Ansprüche mehrerer Geschädigter geltend mache, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Vielmehr entspreche es auch für diese Konstellation dem mit § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angestrebten Zweck der Prozessökonomie, eine gemeinsame Geltendmachung der Ansprüche zu ermöglichen, sofern zwischen ihnen ein Zusammenhang im Sinne von § 60 oder § 260 ZPO besteht.
42. Eine Zuständigkeitsbestimmung ist vorliegend auch in diesem Sinne erforderlich. Denn die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund ergibt sich, soweit die Zedenten nicht ihren Sitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm haben, nicht aus § 32 ZPO i.V.m. § 1 Ziff. 2 KartKonzVO NRW.
5Nach § 32 ZPO sind für Klagen aus unerlaubter Handlung (auch) die Gerichte örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsgebiet der Begehungsort des Deliktes liegt. Der Begehungsort ist bei den Begehungsdelikten sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort) (BGHZ 124, 245 = NJW 94, 1414; 132, 111 = NJW 96, 1413; 176, 346 = NJW 2008, 2344; 184, 313 Tz 8 = NJW 2010, 1752; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 32 ZPO, Rn. 19). Dies führt indes nicht dazu, dass der Erfolgsort überall dort ist, wo sich das wettbewerbswidrige Verhalten bestimmungsgemäß ausgewirkt hat (vgl. zum Folgenden auch LG Dortmund, B. v. 09.09.2020 – 8 O 42/18 (Kart) = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684, Rn. 5 ff.)
6Wenn wie bei § 33a GWB bzw. § 33 Abs. 3 GWB a.F. auf den Eintritt eines Vermögensschadens abzustellen ist, entspricht der Ort, an dem der Schaden eintritt, dem Erfolgsort (vgl. OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2007, 4637 (4638); OLG Celle DVBl 2010, 532 Ls. = BeckRS 2010, 9739 unter II. 1.; OLG München MDR 2020, 753 = BeckRS 2020, 3497 Rn. 12; BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 32 Rn. 13; MüKoZPO/Patzina ZPO, 6. Auflage 2020, § 32 Rn. 19).
7So hat etwa im Hinblick auf den Erfolgsort zur internationalen Zuständigkeitsbestimmung bei einer behaupteten Zuwiderhandlung nach Art. 101 AEUV der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C1 am 29.07.2019 entschieden, dass sich eben dieser Erfolgsort nicht auf jeden Ort erstreckt, an dem die schädlichen Folgen eines Ereignisses spürbar werden können, das bereits einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist. (ECLI:EU:C:2019:635, Rn. 27 ff. = NZKart 2019, 483, beck-online ; ECLI:EU:C:2018:533 = NZKart 2018, 357 Rn. 32 - flyLAL-Lithuanian Airlines; ECLI:EU:C:2015:37 = NJW 2015, 1581, beck-online).
8Dem ist auch im Rahmen der Bestimmung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO zu folgen. Danach hängt die Frage, wo sich der Ort befindet, an dem sich der Erfolg eines auf die Verletzung von Art. 101 AEUV gestützten Schadens verwirklicht hat, davon ab, ob es sich um einen sich unmittelbar aus dem kausalen Ereignis ergebenden Erstschaden handelt, oder um die darauffolgenden nachteiligen Konsequenzen, die keine Zuständigkeitszuweisung zu begründen vermögen (ECLI:EU:C:2019:635, Rn. 27 ff. = NZKart 2019, 483, beck-online ; EuGH, ECLI:EU:C:2018:533 = NZKart 2018, 357 Rn. 32 - flyLAL-Lithuanian Airlines; ferner zuvor schon EuGH C-168/02, ECLI:EU:C:2004:364 -, Kronhofer, Rn. 21 und EuGH, U.v. 28. Januar 2015 - C-375/13 - Kolassa/Barclays, Rn. 48 f., juris).
9Soweit die Klägerin nun aus abgetretenem Recht vorgeht, kann es – die Wirksamkeit der Abtretung, die zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist, unterstellt - bei Zessionen im Rahmen von § 32 ZPO aber allein darauf ankommen, ob der unmittelbare Schaden beim Zedenten eingetreten ist (so ausdrücklich BGH, B. v. 27.11.2018, X ARZ 321/18 = NZKart 2019, 221 Tz 13 - Gerichtsstand Zuckerkartell und LG Dortmund, B. v. 09.09.2020 – 8 O 42/18 (Kart) = NZKart 2020, 553 = WuW 2020, 684, Rn. 8), weshalb bezüglich des deliktischen Gerichtsstand auch auf den Zedenten abgestellt werden muss. Die Gesellschaftssitze von 22 Zedentinnen liegen hier indes nicht im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm und mithin auch nicht im Bezirk des Landgerichts Dortmund als Kartellgericht. Auf den Sitz der Klägerin in ihrer Rolle als Zessionarin kommt es daher bezüglich der durch diese Zedentinnen abgetretenen Forderungen keinesfalls an. Zudem beruft sich die Klägerin auch nicht auf einen unmittelbar bei ihr aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Verbindungen eingetretenen Schaden (vgl. dazu LG Dortmund a.a.O. und Kersting, WuW 2019, 290, 297). Für eine solche Gestaltung ist hier auch nichts ersichtlich; zudem würde sie für die örtliche Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 32 ZPO zu keiner abweichenden Bewertung führen (vgl. LG Dortmund a.a.O.).
103. Die Vorlage der Sache an das OLG Hamm wäre hier aufgrund des durch die Klägerseite hilfsweise gestellten Antrages durch die Kammer möglich (OLG München, B.v. 25.01.2018 – 34 AR 216/17 = MDR 2018, 550, Rn. 4 f. und BGH, B.v. 07.03.1991 – I ARZ 15/91 = NJW-RR 1991, 767, Rn. 7, 10).
114. Neben der Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 ZPO, im Rahmen derer aus Sicht der Kammer durchaus keine klare Zuordnung des gesamten Rechtsstreits an das angerufene Gericht besteht (vgl. etwa die Ausführungen in BGH X ARZ 252/18 Rn 29 und BGH X ARZ 321/18 Rn 30) käme noch in Betracht, das Verfahren, soweit es nicht die Klägerin samt den im Bezirk des OLG Hamm ihren Sitz habenden Zedentinnen betrifft, abzutrennen und sodann nach Wahl der Klägerseite entweder an das Landgericht am Sitz der Beklagten oder – nach weiterer Aufspaltung – an die jeweiligen den Zedentinnen zuzuordnenden Landgerichte abzugeben.
12Ob eine Abgabe des Gesamtverfahrens etwa an den Gerichtsstand der Beklagten noch trotz für die im OLG-Bezirk Hamm ansässigen Zedentinnen ausgeübter Wahlmöglichkeit nach § 35 ZPO möglich ist, ist höchstrichterlich ungeklärt (Vgl. für den – hier nicht gegebenen – Fall nachträglicher Antragsmehrheit LG Frankfurt, B. v. 04. Juli 2018 – 2-06 O 73/18 = NJW-RR 2018, 1216).
135. Es besteht für die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu den erteilten Hinweisen binnen 4 Wochen ab Zugang dieses Hinweisbeschlusses.