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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.451,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.2016 zu zahlen;
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen Rückzahlungsanspruch aufgrund eines erklärten Widerrufs bezüglich eines zwischen den Parteien geschlossenen Gold-Sparvertrages gegenüber der Beklagten geltend.
3Am 15.03.2011 suchte ein Vermittler der N GmbH den Kläger in seiner Wohnung auf und offerierte den Abschluss einer Sachwertanlage „Gold-Sparbuch“. Bei diesem Sparplan handelt es sich um einen solchen zum Erwerb und gegebenenfalls zur Verwahrung von Feingold (999,9/1000) in Form von 1 Gramm Barren mit Zertifikat. Mit den jeweiligen Einzahlungen von monatlich 100,00 € erwirbt der Anleger vom Beklagten ratenweise Feingold in physischer Form. Daneben wurde eine Einrichtungsgebühr von 2.600,00 € mit Rückvergütungsoption ausgewiesen.
4Der Beklagte schloss sodann am selben Tag ein Gold-Sparbuch bei der Beklagten ab. Auf dem Vertrag vom 15.03.2011 nebst Widerrufsbelehrung und allgemeinen Vertragsbedingungen wird Bezug genommen (Anlage K1, Bl. 4, 4R d. A.). Neben den Zahlungen von monatlich 100,00 € wurden keine Sonderzahlungen für die Errichtungsgebühr vereinbart.
5Mit Schreiben vom 28.01.2016 kündigte der Kläger den Vertrag. Diese Kündigung bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2016 und zahlte einen Betrag von 3.708,10 € an den Kläger.
6Weiterhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28.07.2016 gegenüber der Beklagten den Widerruf des Vertrages unter Hinweis und Bezugnahme auf die von der Beklagten im Zeitpunkt des Abschlusses verwandte Widerrufsbelehrung.
7Der Kläger behauptet, er habe insgesamt Zahlungen in Höhe von 8.301,00 € geleistet. Er ist der Ansicht, die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft, da sie gegen § 360 BGB a. F. verstoße und ihm somit ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zustehe.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.592,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.16 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie ist der Ansicht, die Widerrufsbelehrung sei fehlerfrei, da sie dem gesetzlichen Muster entspreche und eine Rücksendung der Sache nicht möglich sei, da eine Auslieferung des Goldes nicht innerhalb der Widerrufsfrist hätte stattfinden können. Die Einzugsermächtigung sei von dem Kläger jedoch erst mit Wirkung zum 01.04.2011 erteilt worden. Insoweit hätte sie bis zum Ablauf der Widerrufsfrist am 30.03.11 weder eine etwaige Sonderzahlung noch Sparbeiträge einziehen können. Daraus folge, dass bis zum Ablauf der Widerrufsfrist Zahlungen weder zur Tilgung der Einrichtungsgebühr noch zum Ankauf von Gold hätte eingegangen werden können. Aus der Möglichkeit des Erwerbs von Gold scheide auch eine Auslieferung aus.
13Außerdem sei es dem Kläger nicht möglich gewesen, bereits vor Vertragsbeginn entgegen der vertraglichen Vereinbarung eine Sonderleistung per Überweisung zu leisten, da im Antragsformular an keiner Stelle eine entsprechende Kontoverbindung der Beklagten angegeben sei. Aus alledem folge, dass eine Auslieferung innerhalb der Widerrufsfrist gar nicht möglich gewesen sei, weshalb auch der zusätzliche Hinweis auf die Ausübung des Widerrufs durch Rücksendung der Ware nicht erforderlich gewesen sei.
14Desweiteren liege auch kein Ratenlieferungsvertrag nach § 510 II Nr. 1 BGB a.F. vor. Der vorliegende Vertrag sei tatsächlich als Dienstleistungsvertrag zuzuordnen. Gegenstand des Vertrages sei der Ankauf und die Verwahrung von Feingold durch die Beklagte für den Kläger. Dies stelle eine Dienstleistung im Sinne einer Geschäftsbesorgung dar. Hierauf finde § 510 BGB a.F. keine – auch nicht analoge – Anwendung.
15Das Widerrufsrecht des § 510 I Satz 1 BGB a.F. sei vorliegend auch durch § 510 I Satz 2 und 3 BGB a.F. ausgeschlossen. Hiernach bestehe kein Widerrufsrecht, wenn die Summe aller vom Verbraucher bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen den Betrag von 199,99 € nicht übersteige. Dies sei hier der Fall: Nach Ziffer 7.1 der Vertragsbedingungen könne der Kläger den streitgegenständlichen Vertrag jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen. Der Kläger hätte den Vertrag daher bereits vor Zahlung des ersten Sparbeitrages in Höhe von 100,00 € kündigen können. Auf die Verpflichtung zur Zahlung der Entrichtungsgebühr komme es dabei nicht an.
16Ferner sei der Widerruf auch nicht mehr möglich, da der Vertrag durch die Kündigung des Klägers bereits beendet und abgerechnet worden sei. Dadurch habe der Kläger das ihm zustehende Wahlrecht verbraucht.
17Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 1.2.2017 vertritt die Beklagte die Aufassung mit der Einführung des § 356 Abs.3 S.2 BGB sei bei dieser fehlerhaften Belehrung die Widerrufsfrist auf ein 1 Jahr und 14 Tage begrenzt.
18Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange gemäß §§ 812 I, 312, 355 a. F. BGB begründet.
21Im Übrigen war sie abzuweisen.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen in Höhe von 4.451,90 €.
23Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Differenzbetrages in Höhe von 141,00 € ist die Klage abzuweisen.
24So hat die Beklagte bestritten, dass der Kläger über einen Betrag von 8.160,00 € hinaus weitere Zahlungen geleistet habe. Es wäre dann Sache des Klägers gewesen, die von ihm behaupteten Zahlungen in Höhe von 8.301,00 € substantiiert nachzuweisen. Hierzu wäre es notwendig gewesen, die entsprechenden Zahlungsbelege vorzulegen. Dies ist nicht erfolgt.
25Zwischen den Parteien ist ein Haustürgeschäft im Sinne von § 812 I Nr. 1 BGB a.F. zustande gekommen. Ein Haustürgeschäft im Sinne des § 313 I Nr. 1 BGB a.F. liegt vor bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher durch mündliche Verhandlung an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist. Der Kläger ist Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB. Der Vertrag hatte auch eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand und wurde in der Privatwohnung des Klägers geschlossen.
26Der Kläger hat den Vertrag vom 15.03.2011 mit Schreiben vom 28.07.2016 gemäß § 355 BGB a.F. widerrufen. Die Frist des § 355 II BGB a.F. war nicht abgelaufen. Vielmehr bestand das Widerrufsrecht noch gemäß § 358 IV Satz 3 BGB a.F., weil die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht im Sinne des § 360 BGB a.F. belehrt hat.
27Die Widerrufsbelehrung der Beklagten erfüllt nicht die Anforderung des § 360 I Satz 2 BGB a.F.
28Nach § 360 I Satz 1 Ziffer 2 BGB a.F. muss die Widerrufsbelehrung einen Hinweis darauf enthalten, dass der Widerruf keiner Begründung bedarf und in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist erklärt werden kann.
29Zwar ist der Einwand der Beklagten, dass die in der Anlage zu § 14 BGB InfoVO veröffentliche Musterbelehrung zum Zeitpunkt der Verwendung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung bereits außer Kraft war. Dennoch entspricht die Widerrufsbelehrung nicht dem Muster gemäß Anlage 1 zu Art. 246 § 2 EGBGB a.F., da die Beklagte den Text dahingehend geändert hat, dass sie die Passage „oder durch Rücksendung der Sache“ gestrichen hat.
30Aus Ziffer 7 der AGB ergibt sich, dass das von dem Kläger gekaufte Gold grundsätzlich in einem Depot verwahrt wird. Allerdings kann von diesem Grundsatz nach Ziffer 7.1 auf Kundenwunsch abgewichen werden, indem der Kunde die Auslieferung des Goldes verlangt. Damit ist Vertragsgegenstand eine bewegliche Sache, sodass ein Widerruf gemäß § 355 I Satz 2 BGB a.F. auch durch die Rücksendung der Sache möglich ist.
31Die Argumentation der Beklagten, wonach es grundsätzlich unmöglich sei, dass dem Kunden innerhalb der Widerrufsfrist Gold geliefert würde, insbesondere, weil unstreitig keine Tilgung der Einrichtungsgebühr durch Sonderzahlung vereinbart wurde und die Einzugsermächtigung erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zu laufen begann, vermag nicht zu verfangen. Die AGB der Beklagten beinhalten keine zeitliche Einschränkung, woraus sich eine unmögliche Durchführung der Auslieferung innerhalb der Widerrufsfrist ergibt.
32Darüber hinaus kommt es auch nicht auf die tatsächlichen Umstände an, sondern ausschließlich darauf, was nach der Vertragsgestaltung theoretisch möglich ist. Danach war eine frühere vollständige Zahlung nicht ausgeschlossen. Das Lasteinzugsverfahren war keineswegs als zwingend vorgegeben, sondern nur von der Beklagten gestattet. Auch der Umstand, dass die Beklagte keine Kontonummer für eine frühzeitige Überweisung angegeben hat, steht einer solchen Zahlung nicht entgegen, da die Kontonummer auch erfragt werden konnte oder eine Barzahlung in den Geschäftsräumen der Beklagten möglich gewesen wäre.
33Auch erfüllt die Widerrufsbelehrung nicht die Anforderung des § 360 I Satz 2 Nr. 4 BGB a.F. Hiernach muss die Widerrufsbelehrung ein Hinweis auf Dauer und Beginn der Widerrufsfrist sowie darauf enthalten, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung oder der Sache genügt. Gemäß § 355 III Satz 2 BGB a.F. beginnt die Frist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen nicht, bevor dem Verbraucher eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend sieht die Muster-Widerrufsbelehrung in Anlage 1 zu Art. 246 § 2 III Satz 1 EGBGB vor, dass bei schriftlich abzuschließenden Verträgen auf diesen besonderen Fristbeginn hingewiesen wird. Dieser Hinweis fehlt bei der Widerrufsbelehrung der Beklagten.
34Die Tatsache, dass es sich um einen schriftlich abzuschließenden Vertrag handelt, ergibt sich aus dem Wesen des Vertrages. Entgegen der Auffassung der Beklagten, dass es sich um einen Dienstvertrag handele, da der Vertragsgegenstand der Ankauf und die Verwahrung von Feingold sei, liegen die Voraussetzungen des § 510 I a.F. vor, mit der Folge, dass der Vertrag gemäß § 510 II Satz 1 BGB a.F. schriftlich abzuschließen ist. Ein Ratenlieferungsvertrag gemäß § 510 I Nr. 2 BGB a.F. liegt vor, wenn ein Vertrag die regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art zum Gegenstand hat. So liegt es in dem vorliegenden Fall, da der Käufer ausweislich der Ziffer 2.1 der AGB ratenweise Gold von der Beklagten erwirbt. Der Gold-Sparplan hat die regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art zum Gegenstand, nämlich vom körperlichen Gold.
35Nach Ziffer 7.1 der AGB besteht ferner die Möglichkeit, dass sich der Kunde das Gold jederzeit ausliefern lassen kann. Der Umstand, dass der Kläger die monatlichen Beitragszahlungen nach Tilgung der Einrichtungsgebühr auf unbegrenzte Zeit aussetzen kann, ändert nichts an dem Umstand, dass es sich hier grundsätzlich um einen Ratenlieferungsvertrag handelt.
36Desweiteren kann sich die Beklagte nicht auf § 510 I Satz 2 und 3 BGB a.F., § 491 II Nr. 1 BGB a.F. berufen, da Ziffer 7.1 der AGB keine Kündigung beinhaltet. Ziffer 7.1 enthält nur den Hinweis, dass die Bestellung des Goldes keiner Laufzeit unterliegt, dem Kunden erlaubt ist, die monatlichen Zahlungen zu erhöhen bzw. nach Tilgung der Einrichtungsgebühr auszusetzen oder zu vermindern. In gleicher Weise sei der Kunde auch berechtigt, mit einer Frist von 3 Tagen die Beklagte zu beauftragen, das Gold zu verkaufen. Darin wird aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger bereits vor Zahlung des ersten Sparbetrages kündigen kann . In der Klausel:“In gleicher Weise ist der Kunde auch berechtigt, mit einer Frist von 3 Tagen Multi-Invest Sachwerte zu beauftragen, das Gold zu verkaufen.“ Kann nicht zweifelsfrei und eindeutig ein Recht zur jederzeitigen Kündigung gesehen werden. Im Übrigen muss diese Klausel im Lichte des Gesamtvertrages gesehen werden. So ist in dem Vertrag der Kündigung die Einrichtungsgebühr weiterhin in voller Höhe zu entrichten. Dadurch wird der Kunde so schlecht gestellt, dass er auf eine vorzeitige Kündigung verzichten wird. Demzufolge geht ein eventuelles Kündigungsrecht ins Leere und höhlt die die Vorschrift des § 491 II Nr. 1 BGB a.F. aus.
37Letztlich steht auch die erfolgte Kündigung mit Schreiben vom 28.01.2016 dem später erklärten Widerruf nicht entgegen. Das dem Verbraucher grundsätzlich zustehende Wahlrecht zwischen verschiedenen Gestaltungsrechten ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verbraucht. Der BGH hat im Zusammenhang mit Versicherungsprodukten entschieden, dass im Falle der nicht hinreichenden Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Widerrufsrecht die Ausübung des Wahlrechts zwischen Kündigung und Widerruf nicht sachgerecht erfolgen könne. Es sei nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Recht zur Kündigung ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können (vgl. BGH, Az. IV-ZR 52/12, Rn. 24, Urteil v. 16.10.13, NJW 2013, 3776 ff.).
38Ebenso liegt es im vorliegenden Fall, da die Interessenslage vergleichbar ist. Der Kläger ist nicht ordnungsgemäß und hinreichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Mit Ausübung seines Kündigungsrechts war ihm infolgedessen nicht bewusst, dass etwaige Rückforderungsansprüche damit ausgeschlossen sind. Aus diesem Grund hat er ca. 6 Monate später den Widerruf erklärt. Der Kläger als Verbraucher ist insoweit schützenswert, als dass die Ausübung des Wahlrechts nur dann erfolgen kann, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte.
39Der geltend gemachte Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 I, 288 I BGB gerechtfertigt.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO.
41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.