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I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
a. gegenüber der Bundesfinanzdirektion Südost, Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz, Sophiestraße 6, 80333 München, zu erklären, dass die Antragsstellerinnen vom Antrag der Antragsgegnerin auf Tätigwerden der Zollbehörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013, gestützt auf das Europäische Patent XXX, ausgenommen werden,
b. gegenüber der jeweiligen Zollabfertigungsstelle nach Zustellung der Benachrichtigung an die Antragsgegnerin über die Anhaltung von Waren der Antragstellerinnen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013, gestützt auf das Europäische Patent XXX, insbesondere bezogen auf die Aufgriffs-ID ###, zu erklären, dass angehaltene Waren der Antragstellerinnen freigegeben werden.
II. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am ihrem Geschäftsführer - für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, gestützt auf das europäische Patent EP XXX einen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 zu stellen, ohne die Antragstellerinnen von einem solchen Antrag ausdrücklich auszunehmen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
IV. Die Einspruchsfrist gegen dieses Versäumnisurteil beträgt einen Monat (§ 339 Abs. 2 S.1 ZPO).
LANDGERICHT DÜSSELDORF |
IM NAMEN DES VOLKES |
Die Antragstellerin zu 1) ist die deutsche Tochtergesellschaft des weltweit agierenden Elektronikherstellers T2, der Antragstellerin zu 2).
6Die Antragsgegnerin ist eine Q-gesellschaft und nimmt einen Teil des M.-geschäfts der T-Gruppe wahr. Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin besteht in der Erzielung von Lizensgebühren ….. . Die Antragsgegnerin nimmt auch die Rechte aus dem Europäischen Patent XXX wahr und geht, vertreten durch die U GmbH, gegen die Antragstellerinnen unter Einschaltung der Zollbehörden aus dem Patent vor. Wegen der Einzelheiten des Patents wird auf die als Anlagen ASt 2a und 2b vorgelegten Registerausdrucke verwiesen.
7Das EP XXX wurde bei der ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen) als standardessentiell für mehrere OOO-Standards (oooooooo) deklariert. Sowohl die ursprüngliche Patentinhaberin P. als auch die Antragsgegnerin haben mit der Deklarierung des EP XXX bei der ETSI Lizenzbereitschaftserklärungen abgegeben (vgl. Anlage Ast 7).
8Die Antragstellerin zu 2) hat – als Muttergesellschaft für die gesamte T2-Unternehmensgruppe – mit der Antragsgegnerin u.a. in Bezug auf das hier in Rede stehende Patent Lizenzverhandlungen geführt, die ergebnislos verlaufen sind.
9Die Antragsgegnerin hat durch ihre Vertreterin, die T GmbH, einen im Hinblick auf die Antragsstellerinnen uneingeschränkten Antrag auf Zurückhaltung bzw. Aussetzung der Überlassung von Waren nach Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 608/2013 bei der Bundesfinanzdirektion Südost – Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz, gestellt, den sie auf eine Behauptung der Verletzung des EP XXX gestützt hat. Der Antrag wurde durch die Bundesfinanzdirektion bewilligt (vgl. Art. 9 VO (EU) 608/2013). In der Folge wurde die Aussetzung der Überlassung für rund 200 Produkte angeordnet, die die Antragstellerinnen auf der vom 1. bis 6. September 2017 in Berlin stattfindenden Internationalen Funkausstellung (IFA) präsentieren wollten.
10Mit Schreiben vom 31. August 2017 (vgl. Anlage ASt 4) haben die Antragstellerinnen die Antragsgegnerin und deren Vertreter, die U GmbH, unter Fristsetzung aufgefordert, die durch den Zoll zurückgehaltenen Waren freizugeben und die Antragstellerinnen von dem Antrag nach Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 608/2013 auszunehmen. Dem ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen und hat mit anwaltlichem Schreiben vom 31. August 2017 (vgl. Anlage ASt 5) die Rücknahme der zollrechtlichen Maßnahmen abgelehnt.
11Die Antragstellerinnen behaupten, die Nutzung des EP XXX sei – die Angaben der Antragsgegnerin zum standardessentiellen Charakter des Schutzrechts als zutreffend unterstellt – zwingende Voraussetzung für die Kompatibilität von Endgeräten mit dem O-Standard und dem OOO-Standard. Die Antragstellerin zu 2) sei als Herstellerin von Smartphones und Tablets darauf angewiesen, zu diesen technischen Standards kompatible Produkte herzustellen. Die Antragsgegnerin besitze deshalb in Ansehung des Patents eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV.
12Die Antragsgegnerin habe sich jedoch geweigert, der Antragstellerin zu 2) ein Angebot für eine Lizenz unter FRAND-Bedingungen zu machen, welches den an ein solches Angebot nach den Vorgaben der Rechtsprechung zu stellenden Anforderungen entspreche.
13Die Antragstellerinnen beantragen zuletzt,
14wie erkannt.
15Der Antrag auf Erlass der mit diesem Urteil erlassenen einstweiligen Verfügung datiert vom 7. September 2017. Er wurde am gleichen Tag bei Gericht eingereicht. Die Kammer hat mit Beschluss vom 14. September 2017 entschieden, dass über den Antrag nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden werden solle. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf den 9. November 2017 bestimmt. Die Antragsschrift und die Ladung zu diesem Termin wurden der Antragsgegnerin gemäß Artikel 14 EuZVO durch Einschreiben mit internationalem Rückschein am 29. September 2017 zugestellt.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. November 2017 war die Antragsgegnerin säumig.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (I.) und begründet (II).
18I.
191.
20Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) bzw. § 32 der Zivilprozessordnung (ZPO).
21Bei den in § 33 Abs. 1 GWB geregelten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen handelt es sich um Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Der Gerichtsstand richtet sich in diesen Fällen nach § 32 ZPO. Er besteht an jedem Ort, an dem ein Tatbestandsmerkmal erfüllt wird. Das sind jeder Handlungsort und jeder Ort, an dem der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt oder einzutreten droht. Das ist im Entscheidungsfall für den Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf zu bejahen, auf den sich die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf als Kartellgericht erstreckt (vgl. § 87 S. 1 GWB i.V.m. § 1 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz vom 30. August 2011 (GV NRW 2011, 469), weil sich das Verhalten der Antragsgegnerin auch hier auszuwirken droht.
222.
23Den Antragstellerinnen kann das Rechtsschutzinteresse für ihr Vorgehen im zivilprozessualen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abgesprochen werden. Das Rechtsschutzinteresse entfällt insbesondere nicht schon wegen der Rechtsschutzmöglichkeiten, die das Grenzbeschlagnahmeverfahren für Betroffene vorsieht (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Rn 257).
243.
25Der Entscheidung über den Verfügungsantrag ist gemäß § 331 Abs. 1 ZPO das Vorbringen der Antragstellerinnen als zugestanden zugrunde zu legen, weil die Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung säumig war.
264.
27Die Antragstellerinnen haben die Verfügungsanträge zu I. a. und I. b. auf Anregung der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2017 dahin angepasst, dass die in den Anträgen zuvor enthaltenen Vorgaben zu der Art und Weise, wie die Antragsgegnerin die antragsgegenständlichen Erklärungen gegenüber den Zollbehörden (Bundesfinanzdirektion Südost, die jeweilige Zollabfertigungsstelle) abzugeben hat, entfallen sind und im Antrag zu I. b. insbesondere auf die Aufgriffs-ID, die die vom Zoll in Berlin angehaltenen ca. 200 Produkte der Antragstellerinnen betreffen, Bezug genommen wird. Die angepassten Anträge gehen inhaltlich nicht über die ursprünglichen Anträge hinaus, so dass über sie ohne erneute Anhörung der Antragsgegnerin durch Versäumnisurteil entschieden werden kann.
28II.
29Sowohl der Verfügungsantrag zu II. (A) als auch der Verfügungsantrag zu I. (B) sind begründet.
30(A)
31Den Antragstellerinnen steht ein sich aus § 33 Abs. 1 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV ergebender, im Wege einstweiliger Verfügung sicherbarer Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu, wonach diese es zu unterlassen hat, gestützt auf das europäische Patent EP XXX einen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 zu stellen, ohne die Antragstellerinnen von einem solchen Antrag ausdrücklich auszunehmen.
32Die Antragstellerin ist in Ansehung der durch das Patent geschützten technischen Lehre als marktbeherrschend im Sinne des Art. 102 AEUV anzusehen, weil es zu der durch das Patent geschützten Technologie für die Herstellung von OOO/OOO-fähigen Endgeräten, zu denen auch die vom Zoll angehaltenen Geräte der Antragstellerinnen zählen, keine Alternative gibt, auf die die Antragstellerinnen ausweichen könnten.
33Diese marktbeherrschende Stellung hat die Antragsgegnerin dadurch missbraucht, dass sie den auch gegen die Antragstellerinnen gerichteten Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörde gemäß der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 gestützt auf das EP XXX gestellt hat.
34Zwar ist die Inanspruchnahme des Grenzbeschlagnahmeverfahrens als eines staatlich eingerichteten und geregelten Verfahrens in der Regel nicht rechtswidrig. Solange sich der Schutzrechtsinhaber des Verfahrens in redlicher Weise bedient, ist es weder möglich noch sachlich gerechtfertigt, den gesetzgeberischen Willen zur Bekämpfung von Produktpiraterie dadurch zu unterlaufen, dass in das Prozedere der VO (EU) 608/2013 gestützt auf allgemein-deliktsrechtliche Normen des Zivilrechts eingegriffen wird. Ein objektiv missbräuchliches Ausnutzen des Beschlagnahmeverfahrens liegt aber dann vor, wenn der Schutzrechtsinhaber bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über den Verfügungsantrag ohne Zweifel daran gehindert ist, sein Schutzrecht durchzusetzen, weil der Rechtsdurchsetzung ein rechtshindernder Einwand entgegensteht. Das ist hier der Fall, weil die Antragstellerinnen dem Versuch der Antragsgegnerin, das EP XXX, z.B. in einem Verletzungsprozess, durchzusetzen, derzeit mit Erfolg den so genannten kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) entgegenhalten könnten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Bejahung der auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteten Ansprüche aus § 33 Abs. 1 GWB ein Verschulden nicht voraussetzt.
35Die Erteilung einer Zwangslizenz kann unter bestimmten Voraussetzungen als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB verlangt werden. Ein solcher Anspruch, der dem Schutzrechtsinhaber im Verletzungsprozess als die Durchsetzung seines Rechts hindernder Einwand entgegengehalten werden kann, kommt u.a. für Patente in Betracht, die einem Industrie- oder Branchenstandard zugrunde liegen. Dies trifft für das EP XXX zu, das bei dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) als Standard für mehrere OOO/OOO Standards deklariert wurde. Eine solche Festlegung ist geeignet, wenn – wie im Entscheidungsfall – für Marktteilnehmer keine Ausweichmöglichkeit auf andere technische Lösungen besteht, eine Marktabschottung zu bewirken und eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB zu begründen (vgl. Tz. 257, 265, 266 der Leitlinien der Kommission zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit – Horizontal-Leitlinien (ABL. 2011/C 11/01), nachfolgend „Horizontal-LL“). Andererseits gewährleistet sie eine branchenweite Interoperabilität. Für die kartellrechtliche Beurteilung ist deshalb entscheidend, dass alle Marktteilnehmer bzw. alle Marktzutrittswilligen Zugang zu der als Standard festgelegten Technik erhalten, denn er ist Teilnahmevoraussetzung für eine Betätigung auf dem entsprechenden Markt. Patente, die einem solchen Standard zugrunde liegen, werden als standard-essentielle Patente (SEP) bezeichnet. Standardisierungsvereinbarungen, die keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm enthalten und Dritten den Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien (FRAND – fair, reasonable and non-discriminatory) Bedingungen gewähren, führen nicht zu einer Beschränkung des Wettbewerbs (Horizontal-LL, Tz. 277, 280 ff.; vgl. zum Vorstehenden auch: Rittner/Dreher/Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 8. Aufl., Rn 1217 m.w.Nw.).
36Der EuGH hat in der Sache Huawei Technologies/ZTE (GRUR 2015, 764 Rn. 45 – Huawei Technologies/ZTE) Vorgaben dazu gemacht, wann die Durchsetzung des Unterlassungs- und des Rückrufanspruchs aus einem von einer Standardisierungsorganisation normierten standardessentiellen Patent, dessen Inhaber sich gegenüber dieser Organisation zur Erteilung von FRAND-Lizenzen an jeden Dritten verpflichtet hat, keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt. Danach muss der Inhaber eines SEPs, bevor er seinen Unterlassungs- oder Rückrufanspruch geltend machen kann, den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH a.a.O., Leitsätze und Rn. 61). Wenn der Verletzer zur Lizenznahme bereit ist, muss der SEP-Inhaber ihm ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des SEPs zu FRAND-Bedingungen unterbreiten und dabei auch die Art und Weise der Berechnung der Lizenzgebühren darlegen (EuGH a.a.O., Rn. 63). Zu den Voraussetzungen der den Schutzrechtsinhaber in diesem Zusammenhang treffenden sekundären Darlegungslast wird auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 17.11.2016 – I-15 U 66/15 verwiesen, dessen Inhalt sich die Kammer zu eigen macht.
37Macht der Patentinhaber kein diesen Vorgaben genügendes Lizensierungsangebot, steht der Durchsetzung seines Patents gegen den vermeintlichen Verletzer ein „dilatorisches Durchsetzungshindernis“, der so genannte „FRAND-Einwand“ (kartellrechtlicher Zwangseinwand) entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2017 – I-15 U 65/17 und Beschluss vom 29.06.2017 – I-15 U 41/17, Rn 33). Für die Entscheidung in diesem Verfahren ist davon auszugehen, dass die Antragstellerinnen sich mit diesem Einwand derzeit erfolgreich gegen den Versuch der Antragsgegnerin verteidigen könnten, sie zivilrechtlich wegen der Verletzung des EP XXX in Anspruch zu nehmen.
38Unter diesen Voraussetzungen stellt sich die Inanspruchnahme des Verfahrens der VO (EU) 608/2013 als eindeutig rechtsmissbräuchlich dar.
39Auch die weitere Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Abs. 1 GWB, die Wiederholungsgefahr, besteht, weil der Rechtsmissbrauch der Antragsgegnerin noch andauert und im Übrigen die tatsächliche Vermutung der Wiederholung begründet, die sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung speist, dass ein schon einmal begangener Missbrauch dessen Wiederholung befürchten lässt (vgl. zum Lauterkeitsrecht: BGH GRUR 96, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH GRUR 97, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 01, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH GRUR 02, 717, 719 – Vertretung der Anwalts-GmbH).
40(B)
41Die Verfügungsanträge zu I. a. und I. b. sind ebenfalls gerechtfertigt.
42Ihnen liegen inhaltlich mit den gestellten Anträgen korrespondierende Beseitigungsansprüche gem. § 33 Abs. 1 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV zugrunde, die darauf gerichtet sind, die durch die nach wie vor bestehende Antragstellung der Antragsgegnerin nach der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 fortdauernde missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin und die dadurch verursachte fortdauernde Störung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Antragstellerinnen zu beseitigen.
43III.
44Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist zu bejahen. Für den auf Unterlassung gerichteten Verfügungsantrag zu II. gilt das schon deshalb, weil die Antragstellerinnen durch die missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens nach der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 durch die Antragsgegnerin in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit erheblich beschränkt werden, weil sie befürchten müssen, dass von ihnen importierte Geräte durch den Zoll angehalten werden.
45Soweit der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Vorwegnahme der Hauptsache führt (vgl. zur Unterlassungsverfügung das Urteil des BGH vom 19.11.2015 – I ZR 109/14 – HOT SOX, Rn 32 ff.), ist dies im vorliegenden Fall ausnahmsweise gerechtfertigt.
46Zwar kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch deren Befolgung vollendete Tatsachen geschaffen werden, grundsätzlich nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn eine besondere Notlage auf Seiten der antragstellenden Partei dies gebietet. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien (vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., Rn 1611) ist aber – bezogen auf den Entscheidungsfall – zu berücksichtigen, dass sich die Inanspruchnahme des Verfahrens nach der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 durch die Antragsgegnerin ohne Zweifel als missbräuchlich darstellt, was die Entscheidung auch insoweit rechtfertigt.
47IV.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
49Eines besonderen Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprochen wird. Einstweilige Verfügungen sind unabhängig davon, ob sie als Beschluss oder Urteil ergehen, ohne besonderen Ausspruch vorläufig vollstreckbar (Kindl, Meller-Hannich, Wolf–Giers, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 704 ZPO Rdnr. 11).