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Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des C 5-Türer, mit der FIN ########## an die Klägerin 16.560 € abzüglich 16.560 € geteilt durch 254.500 multipliziert mit der zum Zeitpunkt der Übergabe an die Beklagte über 45.500 km hinaus zurückgelegte Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs in km nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich so ergebenden Betrag seit dem 25.01.2020 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs ab Rechtskraft dieses Urteils im Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu der 54 % der Klägerin und zu 46 % der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Leistung einer Sicherheit von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des gegen sie insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin kaufte im September 2016 bei einem Händler aus E2 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten mit Dieselmotor ausgerüsteten C, Erstzulassung 2013, mit einer Laufleistung von 45.500 km zum Preis von 16.560 €. Bei manchen Außentemperaturen findet die Abgasrückführung in geringerem Maße statt als bei anderen Außentemperaturen. Das wurde dem L im Typzulassungsverfahren nicht mitgeteilt. Nach der Typzulassung soll das Fahrzeug die Anforderungen nach Euro 5 erfüllen. Die Klägerin ließ die Beklagte durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2019 zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen ihrerseits angebotene Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs bis zum 07.03.2019 auffordern. Die Klageschrift ist am 19.12.2020 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 24.01.2020 zugestellt worden.
3Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug habe laut Werksangaben besonders umweltfreundlich sein sollen. Im Fahrzeugschein werde auf die Abgasnorm verwiesen. Sie sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen, das eine sichere Betrieberlaubnis besitze. Weil sie davon ausgegangen sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug diese Eigenschaften aufwiese, habe sie es am 20.09.2016 gekauft. Tatsächlich verfüge das Fahrzeug über eine unzulässige Motorsteuerung. Es sei eine Manipulationssoftware eingebaut, die genauso funktioniere wie die aus dem W-Skandal bekannte. Die Software erkenne aufgrund verschiedener Vorrichtungen – Aufwärmstrategie, verzögerte Aktivierung des Straßenmodus nach Straßenmodus bzw. Lenkradeinschlag – eine Prüfsituation auf dem Rollenprüfstand. In dieser Situation werde die Abgasrückführung voll eingesetzt, so dass die Grenzwerte eingehalten werden; sonst werde die Abgasrückführung ausgeschaltet, insbesondere durch Einsatz eines Thermofensters, wenn die Außentemperaturen nicht zwischen 17 und 30 °C lägen. Die Klägerin beantragt, das Gericht solle beim L anfragen, ob dort Erkenntnisse unter anderem über Schadstoffausstoß, Thermofenster und Abschaltvorrichtungen bei dem streitgegenständlichen Modell und anderen Diesel-Fahrzeugen von C2 vorlägen. Die Motoren von C2 seien alle ähnlich aufgebaut, und bei einigen Modellen habe das L wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen den Rückruf angeordnet. Das von der Beklagten eingesetzte Thermofenster stelle eine verbotene Abschalteinrichtung dar. Die Typgenehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen. Dass sie dennoch erteilt wurde, müsse darauf beruhen, dass die Abschaltvorrichtung für das L aus den Genehmigungsunterlagen nicht erkennbar gewesen sei. Ihr drohe der Entzug der Zulassung. Das Fahrzeug habe aufgrund dessen und wegen des überhöhten Schadstoffausstoßes einen höheren Wertverlust als normal erlitten. Die Beklagte hafte ihr wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadenersatz. Nach § 849 BGB habe sie ihr auch die entgangene Nutzung des als Kaufpreis gezahlten Betrages zu ersetzen.
4Die Klägerin beantragt,
51.
6die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.560 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2019 um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs C 5-Türer, ########## zu zahlen,
7hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.560 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2019 abzüglich 16.560 € : (350.000 km – 45.500 km) x der zum Zeitpunkt der Übergabe an die Beklagte über 45.500 km hinaus zurückgelegte Gesamtlaufleistung Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs C 5-Türer, ########## zu zahlen;
82.
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.145 € sowie weitere Zinsen aus 16.560 € in Höhe von 4 % ab dem 05.12.2019 bis zur Rechtshängigkeit und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
103.
11festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs seit dem 08.03.2019 in Annahmeverzug befinde;
124.
13die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.680,28 € freizustellen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung, den ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen der Klägerin sei nicht nachzugehen. Der Vorwurf eines unzulässigen Thermofensters sei nicht geeignet, eine deliktische Haftung zu begründen. Das L habe dem OLG München die Auskunft erteilt, in einem anderen Fahrzeug mit gleichem Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt zu haben. Tests an mehreren von der Beklagten hergestellten Fahrzeugen mit identischem Grundmotor hätten keine Auffälligkeiten ergeben. Das Emissionskontrollsystem des Fahrzeugs werde nicht unzulässig in seiner Wirksamkeit verringert, auch nicht außerhalb eines vermeintlichen Thermo-fensters zwischen Temperaturen von 20 bis 30 °C. Die Argumentation der Klägerin beziehe sich auf eine Steuerung der Abgasnachbehandlung; das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge jedoch über keine Abgasnachbehandlung. Zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes werde ein Teil des Abgases wieder in den Brennraum geleitet. Die Menge dieses rückgeführten Abgases, gesteuert über ein Ventil und gegebenenfalls gekühlt durch einen Kühler, sei in jedem Betriebszustand individuell und unterliege neben technischen Grenzen physikalischen Limits; selbst im Prüfzyklus gebe es unterschiedlichste Last- und Betriebszustände mit unterschiedlichen Abgasrückführungs-raten und Emissionen. Das stelle schon keine Abschalteinrichtung im Sinne des Zulassungsrechts dar. Die von der Klägerin monierte Steuerung der Abgasrückführung habe im Genehmigungsverfahren auch nicht belegt werden müssen, Grenzwerte seien insoweit nicht vorgeschrieben. Schädigungsvorsatz könne bei ihr nicht vorgelegen haben, wenn durch das vermeintliche Thermenfenster eine Beschädigung des Motors habe vermieden werden sollen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19I.
20Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
211.
22Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz des für den C an den Händler gezahlten Kaufpreises sowohl aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Kaufvertrag, mit dem die Beklagte das Fahrzeug nach dessen Herstellung an den Erstkäufer verkaufte, als auch aus § 826 BGB.
23a)
24Aus dem Vertrag, mit dem die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug nach der Herstellung verkaufte, folgen Pflichten auch gegenüber der Klägerin, die die Beklagte verletzte. Den durch diese Pflichtverletzung verursachten Schaden hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
25aa)
26Der von der Beklagten hergestellte C, den die Klägerin gebraucht kaufte, wies in erheblichem Maße nicht die Eigenschaften auf, die der Käufer eines solchen Fahrzeugs sowohl bei Erstzulassung 2013 wie auch zur Zeit des Gebrauchtwagenkaufs durch die Klägerin 2016 erwarten durfte.
27(1)
28Er war nämlich mit einer nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet.
29Die Tatbestandswirkung der Typgenehmigung steht der Prüfung der Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen durch das Gericht nicht entgegen. Erstens kann die Genehmigung sich nur auf Umstände erstrecken, die der Genehmigungsbehörde bei ihrer Entscheidung bekannt waren. Dass die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung dem L im Typgenehmigungsverfahren offengelegt worden wäre, ist nicht festzustellen. Das Gericht hat die Beklagte hiernach ausdrücklich gefragt. Die Beklagte hat hierzu nur vorgetragen, die von der Klägerin monierte Steuerung der Abgasrückführung habe im Genehmigungsverfahren nicht belegt werden müssen. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte die Temperaturabhängigkeit der Abgasrück-führung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens hätte anzeigen müssen, was hier offen bleiben kann, kann die Typgenehmigung und damit deren Tatbestandswirkung sich auf diesen Umstand jedenfalls nicht erstrecken, wenn diese Anzeige unterblieben ist. Zweitens stellte es auch, wenn man die Tatbestandswirkung der Typgenehmigung voraussetzt, eine Abweichung der berechtigten Erwartung eines Fahrzeugkäufers von den tatsächlichen Eigenschaften des gekauften Fahrzeugs dar, wenn zulassungsrechtliche Anforderungen – wenn auch ohne Konsequenz im Zulassungsverfahren – nicht eingehalten wurden, weil diese öffentlich bekannten Normen auch jenseits des Zulassungsverfahrens die Erwartungen der Marktteilnehmer an zulassungspflichtige Produkte prägen und deren verkehrswesentliche Eigenschaften mit bestimmen.
30Die von der Beklagten verwendete Konstruktion, bei der eine Abhängigkeit der Abgasrückführung von der Außentemperatur besteht, verstößt gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Danach ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Als Abschalt-einrichtung definiert Art. 3 Nr. 10 der Verordnung ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Auch Art. 5 Abs. 1 stellt auf das Emissionsverhalten unter normalen Betriebsbedingungen ab. Darunter ist der Betrieb des Fahrzeugs in einem Umfeld und auf eine Art und Weise zu verstehen, die dem üblichen Gebrauch entspricht. Das ist für ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug insbesondere der Betrieb bei den hier für gewöhnlich herrschenden Temperaturen. Ein Fahrzeug muss demnach so gestaltet sein, dass die Emissionskontrolle bei den in Deutschland üblichen Temperaturen funktioniert und zur Einhaltung der Vorgaben der Verordnung führt. Für den Betrieb unter hier unüblichen Bedingungen gelten dagegen schon nach dem Wortlaut der Vorschrift weder die Anforderungen nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung noch das Verbot von Abschalteinrichtungen nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1.
31Den Vortrag der Klägerin, dass in dem Fahrzeug ein sogenanntes „Thermofenster“ zum Einsatz komme, bestreitet die Beklagte zwar. Sie räumt aber ein, dass das Ausmaß der Abgasrückführung in den Verbrennungsprozess neben anderen Determinanten des Betriebszustands von der Temperatur abhängt, und zwar auch in dem Temperatur-bereich, in dem der Prüfzyklus gefahren wird. Bereits das stellt tatbestandsmäßig eine Abschaltvorrichtung im Sinne der Verordnung dar. Dass das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand anders verhält als bei im Übrigen gleichen Bedingungen im Straßenverkehr, ist hierbei nicht vorauszusetzen. Vielmehr reicht aus, dass Maßnahmen der Emissionskontrolle, die unter den Bedingungen des Prüfzyklus aktiv sind, unter anderen Bedingungen, die üblicherweise beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs hierzulande zu erwarten sind, nicht aktiv sind. Es kommt auch nicht darauf an, ob dieser Aktivitäts-unterschied auf einer gezielten, einem Schalter vergleichbaren Steuerungsvorrichtung beruht oder die Folge ungewollter physikalischer Prozesse ist. Da sich Schaltvorgänge regelmäßig als Folgen physikalischer Prozesse ergeben, wäre eine Abgrenzung zwischen gewollten Abschaltvorrichtungen und konstruktiven Eigenschaften mit ungewollter Abschaltwirkung überhaupt nicht möglich. Der Wortlaut der Verordnung stellt denn auch nur auf das Ergebnis, die Verringerung der Emissionskontrolle, ab, ohne danach zu differenzieren, ob diese gezielt herbeigeführt wird oder sich lediglich gleichsam zufällig aus der Konstruktion ergibt. Wollte man die Verordnung anders auslegen, könnte sie ihr Ziel, den Fahrzeugherstellern Anlass zu geben, sich um die Konstruktion emissionsarmer Fahrzeuge zu bemühen, kaum erreichen.
32Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 a) liegen nicht vor. Zwar mag die Abgasrückführung, wie die Beklagte sie gestaltete, notwendig sein, um den Motor vor Beschädigung zu schützen. Allerdings ist nicht jede Verringerung der Emissions-kontrolle, die diesen Zweck verfolgt, allein deshalb erlaubt. Lässt sich ein Motor bei üblicherweise über einen längeren Zeitraum auftretenden Außentemperaturen nicht schadensfrei betreiben, kann das schon nach dem Sinn der Verordnung nicht zur Folge haben, dass er ohne oder mit geringerer Emissionskontrolle betrieben werden darf, als das zur Einhaltung der Vorgaben der Verordnung nötig wäre. Vielmehr ist ein solcher Motor für die deutschen Klimaverhältnisse ungeeignet und darf überhaupt nicht zugelassen werden. Andernfalls ließen sich die Vorgaben der Verordnung umgehen, indem die Motoren so schlecht konstruiert würden, dass sie Schaden nähmen, wenn sie diese Vorgaben erfüllten. Das kann der Verordnungsgeber nicht gewollt haben, zumal so jeglicher Fortschritt in der Motorenentwicklung verhindert würde. Die Verordnung verfolgte gerade den Zweck, die Fahrzeughersteller zur Entwicklung emissionsarmer Motoren zu bewegen. Dieses Ziel würde zwangsläufig verfehlt, wenn man den Ausnahmetatbestand dahin auslegte, dass er vorläge, wenn die Hersteller das angestrebte Verhalten nicht zeigten.
33Offen bleiben kann, ob die Reduzierung der Abgasrückführung unter bestimmten Betriebsbedingungen, wie sie aus der Konstruktion des Motors des streitgegenständ-lichen Fahrzeugs folgt, dazu führt, dass die vorgegebenen Schadstoffwerte bei üblichen Betriebstemperaturen überschritten werden, oder ob sich die Emissionen auch mit der reduzierten Abgasrückführung in diesen Grenzen halten. Schon nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ist jede Abschalteinrichtung verboten, ohne dass danach differenziert würde, ob die Herabsetzung der Wirkung der Emissionskontrolle dazu führt, dass Emissionsgrenzwerte überschritten werden. Eine einschränkende Auslegung dieses Verbots dahin, dass Vorrichtungen zur Regulierung der Emissions-kontrolle nur verboten sein sollen, wenn ihre Anwendung dazu führt, dass die nach Abs. 1 einzuhaltenden Vorgaben nicht eingehalten würden, widerspräche der Regelungs-systematik der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Zwar ließe sich der Fall vorstellen, dass Fahrzeughersteller dazu veranlasst werden könnten, über die Vorgaben der Verordnung hinausgehende Maßnahmen der Emissionskontrolle in den Bereichen, in denen dies technisch möglich ist, nicht umzusetzen, um sich dem Vorwurf einer Verringerung der Emissionskontrolle jenseits dieser Bereiche nicht auszusetzen. Für diesen theoretischen Fall erscheint auf den ersten Blick eine einschränkende Aus-legung des Verbotes von Abschalteinrichtungen dem mit der Verordnung verfolgten Zweck zu entsprechen. Dies setzte allerdings voraus, dass es für die Zulassung auf im realen Fahrzeugbetrieb gemessene Werte ankäme. Das ist indes nicht der Fall. Vielmehr werden die für die Zulassung maßgeblichen Werte in einem standardisierten Prüfzyklus ermittelt, für den die Rahmenbedingungen einschließlich der Umgebungstemperatur vorgegeben sind.
34(2)
35Die Konstruktion des Fahrzeugs mit dieser Abschalteinrichtung stellt einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar.
36Die Tauglichkeit des Fahrzeugs zum vertraglich vorausgesetzten Zweck der Nutzung als Fortbewegungs- und Transportmittel, die der gewöhnlichen Verwendung entspricht, wurde dadurch zwar nicht beeinträchtigt. Irgendwelche tatsächlichen Einschränkungen bei der Fahrzeugnutzung behauptet die Klägerin nicht, und es ist auch nicht ersichtlich, wie sich solche aus der Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung ergeben sollten.
37Ein Mangel liegt jedoch gleichwohl vor, wenn die Kaufsache nicht den berechtigten Erwartungen des Käufers entspricht. Ein Mangel besteht nur dann nicht, wenn die in § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aufgezählten Voraussetzungen alle erfüllt sind. Es reicht zur Mangelfreiheit nicht, dass eine Kaufsache sich für ihre gewöhnliche Verwendung eignet, in der Qualität aber hinter den berechtigten Erwartungen der Käufer zurückbleibt. Ebenso wenig reicht es, dass die Kaufsache üblicher Qualität entspricht, wenn sie sich für ihre gewöhnliche Verwendung nicht eignet.
38Aufgrund der von der Beklagten gewählten Konstruktion funktionierte der Antrieb des Fahrzeugs nicht in der Weise, wie es der Käufer eines solchen Fahrzeugs mit Erst-zulassung aus 2013, auch noch beim Kauf im Jahre 2016, voraussetzen durfte. Wer ein Kraftfahrzeug kauft, das nach einer bestimmten Schadstoffnorm zugelassen ist, darf davon ausgehen, dass es die Eigenschaften aufweist, die die Anforderungen dieser Norm erfüllen. Das war bei dem streitgegenständlichen C nicht in jeder Hinsicht der Fall. Zwar mag sich der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand in den vorgegebenen Grenzwerten gehalten haben. Sogar im Straßenbetrieb mag das ganz oder zumindest unter gewissen Betriebsbedingungen so gewesen sein. Wer ein Kraftfahrzeug kauft, setzt aber, zumindest unbewusst, auch voraus, dass es den zulassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Einhaltung des Verbots von Abschalteinrichtungen gehört damit zu den berechtigten Erwartungen jedes Käufers eines nach Euro 5 oder Euro 6 zugelassenen Fahrzeugs, ohne dass es darauf ankäme, ob sich der Käufer, konkrete Gedanken hierüber gemacht hat, was das Gericht der Klägerin auch nicht abnimmt.
39bb)
40Der Kaufvertrag, mit welchem die Beklagte das neue hergestellte Fahrzeug verkaufte, begründete Pflichten auch im Verhältnis zu späteren Gebrauchtwagenkäufern wie der Klägerin.
41Die beklagte Herstellerin haftet zwar nicht in vollem Umfang für die Mangelfreiheit durch Dritte gebraucht verkaufter Fahrzeuge nach dem Maßstab des § 434 BGB. Soweit dem Gebrauchtwagenkäufer Gewährleistungsansprüche gegen seinen Verkäufer zustehen, besteht kein Schutzbedürfnis. Die Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages setzt voraus, dass diesem eigene vertragliche Ansprüche desselben Inhalts nicht zustehen (grundlegend für den Fall des Mietvertrages BGH, Urteil vom 15.02.1978, Aktenzeichen VIII ZR 47/77). Nach dieser Maßgabe liegen die Voraus-setzungen für eine Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Vertrages, mit welchem die Beklagte den streitgegenständlichen C nach Herstellung als Neuwagen verkaufte, vor:
42Die Klägerin befindet sich in Leistungsnähe dieses Vertrages. Denn die Eigenschaften, die die Herstellerin dem Neuwagen beigibt, definieren auch den Zustand des gebrauchten Fahrzeugs. Mängel der Konstruktion sowie Fehler bei der Herstellung treffen jeden, der das Fahrzeug zu irgendeinem Zeitpunkt von Dritten kauft, neu oder als Gebraucchtwagen.
43Ein schützenswertes Interesse dritter Gebrauchtwagenkäufer an der Einbeziehung in den Vertrag über den Verkauf des Neuwagens besteht freilich nur hinsichtlich solcher Fehler, die die charakterisierenden Eigenschaften des Fahrzeugs betreffen. Darunter fallen insbesondere Konstruktionsmängel. Die Fahrzeugherstellerin bestimmt die Gestaltung der von ihr verkauften Fahrzeuge und definiert damit Modelle, die unter der Modellbezeichnung am Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden. Damit bestimmt die Herstellerin wesentlich den Inhalt der Kaufverträge über gebrauchte Fahrzeuge der von ihr geschaffenen Modelle. Mit der von der Herstellerin besorgten Typgenehmigung erhält diese Definition der Fahrzeugmodelle Allgemeinverbindlichkeit. Alle Fahrzeuge dieses Typs sind damit zugelassen, abweichende Konstruktionen bedürfen gesonderter Genehmigung. Wer dergestalt bestimmenden Einfluss auf den Inhalt der Kaufverträge über gebrauchte Fahrzeuge nehmen kann, ist für diesen Inhalt mit verantwortlich. Das gilt umso mehr, als niemand anderer als der Hersteller die einem am Gebraucht-wagenmarkt gehandelten Fahrzeugmodell beigegebenen Eigenschaften bestimmen kann.
44Für die beklagte Fahrzeugherstellerin war erkennbar, dass ihre Entscheidung über die Gestaltung des C bestimmenden Einfluss auf den Inhalt aller Kaufverträge über solche Fahrzeuge haben würde. Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrzeug dieses Modells mit anderen Eigenschaften als denen, mit welchen die Beklagte es ausgestattet hatte, nicht Gegenstand eines Kaufvertrages über einen solchees Fahrzeug sein konnte; dann hätte es sich nicht mehr um dasselbe Modell gehandelt. Den für die Beklagte Handelnden muss auch bewusst gewesen sein, dass die zum Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs erforderliche Typgenehmigung immer die sein würde, die sie selbst eingeholt hatte, auch wenn das Fahrzeug irgendwann einmal gebraucht an einen Dritten verkauft würde.
45Der Kreis der Gebrauchtwagenkäufer ist hinreichend bestimmt. Es handelt sich nicht um eine unabsehbare Zahl von Personen; das ergibt sich schon aus der endlichen Zahl von Fahrzeugen und deren Käufern. Dass die Gebrauchtwagenkäufer zur Zeit des Verkaufs des Neuwagens noch nicht namentlich bekannt sind, ändert daran nichts.
46Der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, das nach der vom Hersteller definierten Modellcharakteristik nicht die Eigenschaften aufweist, die der Käufer eines solchen Fahrzeugs erwarten kann, bedarf nicht deshalb keines Schutzes in Gestalt eines Anspruchs gegen den Hersteller, weil sein Verkäufer ihm nach Maßgabe des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3. Fall BGB Gewähr zu leisten hat. Denn dieser Gewährleistungsanspruch ist nicht inhaltsgleich mit dem Anspruch gegen den Hersteller. Der Verkäufer ist dem Käufer nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB in erster Linie zur Nacherfüllung verpflichtet. Diese ist ihm jedoch nicht möglich, wenn der Mangel darin besteht, dass das Fahrzeug des verkauften Modells definitionsgemäß Eigenschaften aufweist, die nicht dem ent-sprechen, was der Käufer eines solchen Fahrzeugs erwarten kann. Dann müsste der Verkäufer nämlich Änderungen vornehmen, aufgrund derer es sich nicht mehr um dasselbe Modell handeln würde, das verkauft wurde. Solche Änderungen einschließlich der Einholung der zugehörigen Typgenehmigung sind allein dem Hersteller möglich. Nur er hat es in der Hand, Fehler, die ihm bei der Bestimmung der Modelleigenschaften unterliefen, zu korrigieren.
47cc)
48Die Beklagte musste die Marktteilnehmer nicht deshalb nicht über Zweifel an der Zulässigkeit der Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung informieren, weil dieser Umstand nach wirksamer Typgenehmigung keine Rolle mehr gespielt hätte. Zum einen durften die Käufer eines zugelassenen C erwarten, dass das Fahrzeug so kunstruiert wäre, dass es die zulassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Zweitens kann eine unzulässige Gestaltung des Fahrzeugs, wenn sie dem L bei seiner Genehmigungsentscheidung nicht bekannt war, von der Wirksamkeit der Typgenehmigung nicht umfasst sein, so dass auch unter dem Gesichtspunkt von Zweifeln an der Wirksamkeit der Genehmigung eine Information der Käufer nicht entbehrlich war.
49dd)
50Der der Klägerin entstandene Schaden besteht darin, dass sie 16.560 € für ein Fahrzeug ausgab, das aufgrund seiner von der Beklagten bestimmten Gestaltung nicht die Eigenschaften aufwies, die der Käufer eines solchen Fahrzeugs erwarten durfte.
51Dieser Schaden ließe sich auf zwei Wegen nach § 249 Abs. 1 BGB beseitigen: Entweder müsste die Beklagte ein Fahrzeug entwerfen, bauen und genehmigen lassen, das die Eigenschaften aufweist, die der Käufer eines C des Baujahres 2013 im Jahre 2016 erwarten konnte, und dieses Fahrzeug der Klägerin im Austausch gegen das streitgegenständliche Fahrzeug zur Verfügung stellen. Oder der Klägerin wäre – gegen Ausgleich der aufgrund des Kaufvertrages erlangten Vorteile – der Kaufpreis zu ersetzen. Letzteres begehrte sie. Die Beklagte macht nicht, auch nicht hilfsweise, geltend, die Klägerin auf dem ersten Weg entschädigen zu wollen oder zu können; dies hätte auch Aufwendungen zur Folge, die den Kaufpreis um ein Vielfaches überstiegen.
52b)
53Der Anspruch besteht auch nach § 826 BGB. Dadurch, dass die Beklagte ein Fahrzeug auf den Markt brachte, das Eigenschaften aufzuweisen schien, die es tatsächlich nicht aufwies, fügte sie vorsätzlich in gegen die guten Sitten verstoßender Weise sämtlichen Käufern von neuen und gebrauchten Fahrzeugen dieses Modells Schaden zu.
54aa)
55Die Beklagte schädigte die Klägerin als spätere Gebrauchtwagenkäuferin, indem sie ein Fahrzeug neu verkaufte, das in einer Weise konstruiert war, die eine Abschaltein-richtungen nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellt.
56Die Fahrzeuge des Modells C mit dieser Konstruktion wiesen deshalb in erheblicher Weise andere Eigenschaften auf, als das aufgrund der Zulassung zu erwarten war. Jeder Käufer, der ein solches Fahrzeug kaufte, ohne die Abweichung zu kennen, erlitt dadurch einen Schaden mindestens insoweit, als er nicht das Fahrzeug erhielt, zu dessen Kauf es sich entschlossen hatte.
57Schon die Abweichung der tatsächlichen Eigenschaften des streitgegenständlichen C von den suggerierten Eigenschaften führte zu einer Schädigung der Klägerin. Dadurch, dass ein Käufer nicht das Fahrzeug erhält, zu dessen Kauf er sich in Betätigung seines freien Willens entschließt, wird er an einer auf freier Willens-entschließung gegründeten Teilnahme am Wirtschaftsleben gehindert. Eines wirtschaftlichen Nachteils bedarf es zur Begründung eines Schadens insoweit nicht.
58bb)
59Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu werten. Es steht im Widerspruch zu den grundlegenden Verhaltensanforderungen an die Teilnahme am Rechtsverkehr.
60Die Rechtsordnung setzt voraus, dass die in rechtserheblicher Weise Handelnden freie von ihrem Willen getragene Entscheidungen treffen können. Das ist nur möglich, wenn die Entscheidungsgrundlagen zutreffend erfasst werden können. Grundlage der Entscheidung für den Kauf eines Kraftfahrzeugs sind dessen Eigenschaften. Diese müssen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend dargestellt werden. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die ausdrücklich mitgeteilten Umstände zutreffen müssen. Vielmehr sind auch Abweichungen von Merkmalen mitzuteilen, die Kaufinteressenten erwarten dürfen, ohne dass sie ausdrücklich erwähnt werden.
61Wer ein Fahrzeug mit der Zulassung nach Euro 5 oder 6 kauft, erwartet für gewöhnlich, dass das Fahrzeug nicht nur über eine wirksame Zulassung verfügt, sondern auch die Eigenschaften aufweist, die ein Fahrzeug aufweisen muss, um diese Zulassung zu erlangen. Diese Erwartung wird nicht schon dann erfüllt, wenn das Fahrzeug die Zulassungsvoraussetzungen zwar nicht erfüllt, die Typzulassung aber trotzdem erteilt wurde. Denn die allgemeinverbindlichen Zulassungsvorschriften setzen Standards für die Eigenschaften der zulassungspflichtigen Waren, auf deren Einhaltung die Käufer vertrauen dürfen. Wer ein Fahrzeug auf den Markt bringt, das zwar wirksam zugelassen ist, tatsächlich aber nicht allen zulassungsrechtlichen Vorgaben gerecht wird, bewirkt, dass Marktteilnehmer sich auf Grundlage einer fehlerhaften, von unzutreffenden Vorstellungen getragenen Willensbildung zum Kauf entschließen, wenn er auf dieses Defizit nicht hinweist.
62Die Beklagte hat nicht behauptet, die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung irgendwie öffentlich kundgetan zu haben, wodurch potentiellen Fahrzeugkäufern eine Kaufentscheidung unter Einbeziehung dieses Umstands ermöglicht worden wäre. Indem die Beklagte das Modell abweichend von den zulassungsrechtlichen Vorgaben gestaltete, ohne dies kundzutun, verhinderte sie auf vollständig freier Willensbildung getragene Kaufentscheidungen hinsichtlich sämtlicher Fahrzeuge dieses Modells. Damit entzog sie den Kaufverträgen über diese Fahrzeuge eine von der Rechtsordnung vorausgesetzte Grundlage und verstieß gegen elementare Werte, auf denen die Wirtschaftsordnung basiert.
63cc)
64Auf Seiten der Beklagten bestand Vorsatz sowohl hinsichtlich der Schädigung als auch der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.
65Dass die Eigenschaften des Modells nicht dem entsprachen, was Käufer erwarten durften, kann den zum Handeln für die Beklagte Berufenen nicht verborgen geblieben und muss von ihnen gewollt gewesen sein. Dass die Abgasrückführungsrate in Abhängigkeit von der Temperatur unterschiedlich hoch war, muss bei der Beklagten bekannt gewesen seien. Es ist ausgeschlossen, dass die Determinanten der Abgasrückführung im Entwicklungsprozess keine Rolle spielten, zumal die Beklagte selbst vorträgt, dass die Abgasrückführung in jedem Betriebszustand individuell über ein Ventil gesteuert wird, um eine möglichst optimale Verbrennung zu erreichen.
66Gleichfalls waren der Beklagten die zulassungsrechtlichen Vorgaben bekannt, die eine Konstruktion, die die Temperatur oder andere Deteminanten nutzt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, verbieten. Die Beklagte, die eine eigene Rechts-abteilung unterhält, kann sich nicht darüber im Unklaren befunden haben, dass die von ihr gewählte Konstruktion den zulassungsrechtlichen Vorgaben widersprach oder dies zumindest ernstlich in Betracht zu ziehen war. Wenn das Fahrzeug gleichwohl zum Typgenehmigungsverfahren angemeldet wurde, ohne die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate offenzulegen, kann das dann nur entweder in dem Bewusstsein geschehen sein, die verbotene Abschalteinrichtung werde nicht entdeckt werden, oder, günstigstenfalls, in der Hoffnung, die Frage, ob eine verbotene Abschalteinrichtung gegeben sei oder nicht, werde nicht gestellt werden. Auch im zweiten Fall hätte die Beklagte vorsätzlich gehandelt; musste man doch damit rechnen, dass das L die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässig ansehen werde, wenn es über sie informiert wäre, so dass der Genehmigungsantrag ohne Offenlegung der Temperaturabhängigkeit nur in dem Bewusstsein gestellt worden sein kann, dass man der Behörde die diesbezügliche Prüfung- und Entscheidungs-möglichkeit – sicherheitshalber – vorenthalten wollte.
67Damit war den Verantwortlichen auch bewusst, dass die tatsächlichen Eigenschaften des Fahrzeugs von den durch Käufer zu erwartenden Eigenschaften abweichen würden oder dies zumindest drohte. Dass die Käufer eines Fahrzeugs, das mit Euro 5 oder 6 zugelassen ist, davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung nach dieser Norm eingehalten werden, ist bei Aufwendung durchschnittlicher geistiger Anstrengung jedem, erst recht dem Mitarbeiter eines Kraftfahrzeugherstellers, klar. Damit bestand auf Seiten der Beklagten auch Kenntnis davon, dass die verkauften Fahrzeuge die am Markt berechtigterweise erwarteten Eigenschaften in Wirklichkeit nicht aufwiesen bzw. diese Gefahr bestand, und das den Käufern nicht bekannt war. Man wusste demnach, dass die Käufer ihre Kaufentscheidungen auf unzutreffender Tatsachengrundlage treffen würden. Indem die für die Beklagte in verantwortlicher Position Handelnden in diesem Wissen veranlassten bzw. hinnahmen, dass Fahrzeuge mit der temperaturabhängigen Abgasrückführung verkauft wurden, ohne dass diese den Käufern offengelegt wurde, nahmen sie mindestens billigend in Kauf, dass die Käufer Fahrzeuge erhielten, deren Eigenschaften hinter ihren berechtigten Erwartungen zurückblieben bzw. von diesen abwichen. Wohl wissend, dass Fahrzeuge häufig gebraucht weiterverkauft werden, fanden sie sich auch damit ab, dass diese Ab-weichung der tatsächlichen Eigenschaften der Fahrzeuge von den berechtigten Erwartungen der Marktteilnehmer auch die Gebrauchtwagenkäufer treffen würden.
68Dass die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung eingesetzt worden sein wird, um zu verhindern, dass der Motor Schäden erleiden würde, steht dem Schädigungsvorsatz nicht entgegen. Bei der Beklagten wird zwar kein Vorsatz bezogen auf die Verursachung von Motorschäden vorgelegen haben. Das schließt aber nicht aus, dass die naheliegenden Zweifel an der zulassungsrechtlichen Zulässigkeit der zur Verhinderung solcher Motorschäden eingesetzten Mittel bewusst und gewollt nicht offengelegt wurden in dem Bewusstsein, so bei den Fahrzeugkäufern unzutreffende Vorstellungen von den Eigenschaften der gekauften Fahrzeugen hervorzurufen.
69Der danach zwingend gegebene Vorsatz derjenigen, die den Verkauf der Fahrzeuge mit temperaturabhängiger Abgasrückführung veranlassten, ist der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen. Ob es sich um Mitglieder des Vorstands handelte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. § 31 BGB rechnet der juristischen Person auch das Fehlverhalten von Funktionsträgern zu, denen ein wichtiger Aufgabenbereich übertragen ist. Die Entscheidung darüber, von welchen Determinanten die für die Zulassung eines Fahrzeugtyps so wichtige Abgasrückführung abhängig sein soll, ist von solcher Tragweite, dass sie einen wichtigen Aufgabenbereich in diesem Sinne darstellt.
70dd)
71Die Beklagte hat gemäß § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne ihr schädigendes Verhalten bestünde. Dann hätte die Klägerin aufgrund ihr offen gelegter Tatsachen entscheiden können, ob sie den C kaufen wollte oder nicht. Diese ihr zunächst von der Beklagten vorenthaltene Entscheidung hat sie nunmehr getroffen, so dass die Naturalresitution in der Umsetztung dieser nachgeholten Entscheidung besteht.
722.
73Der Klageantrag zu 1. ist hinsichtlich der Hauptforderung nur im Hilfsantrag begründet.
74a)
75Das Gericht kann die Höhe des mit dem Hauptantrag zu 1. verfolgten Anspruchs nicht feststellen.
76Die Klägerin, die gemäß ihrer nachgeholten freien Willensentschließung zu stellen ist, wie sie ohne den Kaufvertrag stünde, hat sich die Vorteile anrechnen zu lassen, die sie aufgrund des Kaufvertrages und durch dessen Vollzug erlangte. Erstens ist der C, dessen Eigentum und Besitz sie erlangte, der Beklagten zu übergeben und übereignen.
77Zweitens sind die von der Klägerin gezogenen Nutzungen des Fahrzeugs sowohl bei vertraglicher wie auch bei deliktischer Restitution schadensmindernd anzurechnen. Das gilt unabhängig davon, dass das Fahrzeug einen Mangel aufwies. Dieser hinderte die Kläger nicht an der Nutzung; er schränkte sie nicht einmal ein. Dass das Fahrzeug nicht erwartungsgerecht funktioniert hätte, behauptet die Klägerin nicht. Sie bringt auch keine konkreten Umstände vor, die auf irgendeine sonstige Gebrauchsbeeinträchtigung schließen lassen.
78aa)
79Gegen die Anrechnung spricht nicht, dass dem Vorteil der Nutzung kein entsprechender Schadensposten gegenüberstünde. Denn die Klägerin begehrt ihrerseits Ersatz für die entgangene Nutzung des Kaufpreises. Ebenso wie sich die unmittelbar aufgrund des Kaufvertrages ausgetauschten Leistungen gegenüberstehen, gilt das auch für die aus diesen Leistungen gezogenen Nutzungen. Dass der Klägerin Ersatz für die entgangene Nutzung des Kaufpreises nicht zuerkannt wird, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, weil dies nicht darauf beruht, dass die Klägerin insoweit keinen Anspruch hätte, sondern darauf, dass sie die Frage des Gerichts nach dem Datum der Kaufpreiszahlung nicht beantwortet hat, so das das Gericht nicht in die Lage versetzt worden ist, die Höhe ihres Anspruchs festzustellen.
80Dass die Beklagte sittenwidrig handelte und die Klägerin täuschte, steht der Vorteilsausgleichung auch nicht entgegen. Die Nutzung beruhte auf der Entscheidung der Klägerin, das Fahrzeug nutzen zu wollen, die nicht durch die Täuschung seitens der Beklagten veranlasst wurde. Dass die Klägerin das Fahrzeug bei Wissen um die Abweichung seiner Eigenschaften von ihren berechtigten Erwartungen nicht hätte nutzen wollen, ist nicht auszumachen, zumal diese Abweichung sich beim Gebrauch nicht spürbar auswirkte. Das gegen eine Anrechnung immer wieder vorgebrachte Argument, bei Orientierung des Nutzungsersatzes am vereinbarten Kaufpreis bliebe der beklagten Herstellerin ein Teil ihrer Wertschöpfung erhalten, beruht auf der hier nicht gegebenen Voraussetzung, dass das Fahrzeug unmittelbar von der Beklagten gekauft wurde; die Beklagte vereinnahme den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis nicht.
81Wenn der in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte Heese (Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257) gegen eine Vorteilsausgleichung argumentiert, der Käufer habe das Fahrzeug kaufen und nicht mieten wollen, übersieht er, dass der Käufer ohne den Kauf kein Fahrzeug zur Verfügung gehabt hätte und es sich beim Wertersatz für gezogene Nutzungen anders als beim Mietzins nicht um ein – vom tatsächlichen Nutzungsumfang unabhängiges – Entgelt für die Möglichkeit der Nutzung handelt. Zur Vorteilsausgleichung sind nur die Vorteile herauszugeben, die den Parteien tatsächlich zuflossen.
82Auch Unionsrecht steht der Vorteilsausgleichung nicht entgegen. Die Zulassungs-vorschriften werden nicht dadurch unterlaufen oder auch nur in ihrer Durchsetzung beeinträchtigt, dass der Ersatz im Zusammenhang mit ihrer Verletzung verursachter Schäden auf deren tatsächliche Höhe begrenzt wird. Dem Unionsrecht kann nicht entnommen werden, dass Geschädigte durch den Schadenersatz besser zu stellen wären, als sie ohne schädigendes Ereignis stünden. Überdies verfolgen die unionsrechtlichen Zulassungsvorschriften in erster Linie Ziele des Umweltschutzes, der beeiträchtigt würde, wenn getäuschte Fahrzeugkäufer die Fahrzeuge bis zur Rückgabe an den Hersteller kostenlos nutzen könnten, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass sie dies in verstärktem Umfang täten.
83Auch das Argument, die Beklagte hätte kaum ein wirtschaftliches Risiko, wenn der Wert der Nutzungen in Abzug gebracht würde, spricht nicht gegen die Vorteilsausgleichung. Erstens ist es schon nicht der Zweck des Schadensrechts, Risiken für unerwünschte Verhaltensweisen zu generieren. Vielmehr sollen die Folgen solcher Verhaltensweisen kompensiert werden. Zweitens ist die der Argumentation zugrunde liegende Gegenüberstellung der auf beiden Seiten erlangten Vorteile unvollständig und führt nur wegen dieser Unvollständiggkeit zu einem als unbillig empfungenen Ergebnis, das freilich nicht korrigiert werden darf, indem der Grundsatz des Schadensrechts, dass dem Geschädigten aus dem Ersatz kein Vorteil zukommen soll, als nicht einschlägig behandelt wird. Systematisch richtig muss statt dessen berücksichtigt werden, dass der Klägerin auch die Nutzung des als Kaufpreis hingegebenen Betrages entging und die Beklagte den von der Händlerin erhaltenen Kaufpreis nutzen konnte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellt sich die Anrechnung der Vorteile der Fahrzeugnutzung auf den zu ersetzenden Kaufpreis nicht als unangemessen dar.
84bb)
85Den Wert der Nutzung kann das Gericht auf Grundlage der von der Klägerin vorgebrachten Umstände weder konkret feststellen noch auch nur nach § 287 ZPO schätzen. Dafür müsste die Laufleistung des Fahrzeugs zum Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt sein. Die hat die Klägerin trotz der diesbezüglichen Aufforderung des Gerichts nicht mitgeteilt. Insoweit trifft die Klägerin, die allein über diese Information verfügt, die Darlegungslast, der sie, auch auf Nachfrage des Gerichts im Termin, nicht nachgekommen ist.
86Der Klägerin war für die Mitteilung der Laufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf ihren Antrag im Termin kein Schriftsatznachlass einzuräumen. Mit der Frage nach der aktuellen Laufleistung im Termin hat das Gericht keinen Hinweis erteilt, zu dem der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen wäre. Vielmehr wurde mit der Frage dieser Tagesordnungspunkt im Rahmen der Sitzungsleitung aufgerufen. Schon mit der Terminsverfügung vom 21.01.2020 war der Klägerin nicht nur aufgegeben worden, zum Termin die dann aktuelle Laufleistung des Fahrzeugs mitzuteilen; sie war auch darauf hingewiesen worden, dass der zu ersetzende Schaden ohne Mitteilung der aktuellen Laufleistung zur Zeit der mündlichen Verhandlung (nicht eine Woche, ein Tag oder eine Stunde vorher) nicht bemessen werden könnte, so dass ein Zahlungsbegehren insgesamt abzuweisen wäre. All dies hat die Klägerin, der das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, unbeachtet gelassen. Wäre der Klägerin Schriftsatznachlass bewilligt worden, hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, weil der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme auf das nachgelassene Vorbringen zu geben gewesen wäre und nach beiderseitigem neuen Sachvortrag erneut hätte mündlich verhandelt werden müssen. Indem die Sitzung unterbrochen worden ist, um dem Unterbevollmächtigten der Klägerin Gelegenheit zur Beibringung der aktuellen Laufleistung zu geben, sind daher die prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft worden. Weiteres war auch deshalb nicht veranlasst, weil die Missachtung der Auflage des Gerichts aus der Terminsverfügung sich als grob nachlässig darstellt. Das Gericht hat den Parozessbevollmächtigten frühzeitig mitteilt, welche Informationen benötigt werden, und ausführt, welche Folgen für die Erfolgsaussichten der Klage bestehen, wenn die Informationen nicht beigebracht werden. Unter diesen Umständen muss für jeden Anwalt auf der Hand liegen, dass diese Informationen zum Termin beizubringen sind.
87b)
88Der Klageantrag zu 1. ist in der Fassung des Hilfsantrags im Hauptanspruch begründet.
89aa)
90Indem die Klägerin den begehrten Betrag von der bei Übergabe des Fahrzeugs ihrerseits zurückgelegten Fahrleistung abhängig macht, ermöglicht sie die Bestimmung des ihr zuzuerkennenden Betrages. Dass sich dieser erst auf Grundlage der Gesamtlaufleistung zum Zeitpunkt der Übergabe ergibt, steht seiner Bestimmbarkeit nicht entgegen. Die für die Berechnung des zu zahlenden Betrages benötigten Größen sind ebenso definiert wie der Zeitpunkt ihrer Bestimmung.
91bb)
92Den anzurechnenden Wert der Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin schätzt das Gericht nach § 287 ZPO auf Grundlage einer üblichen Gesamtlaufleistung von 300.000 km, die für ein derartiges Fahrzeug dieses Baujahrs mit Dieselmotor realistisch erscheint. Die von der Klägerin angesetzten 350.000 km sind zwar ebenfalls erreichbar und werden in Einzelfällen auch noch deutlich überschritten. Es ist aber auf die übliche Gesamtlaufleistung solcher Fahrzeuge abzustellen; dass die Klägerin eine Nutzung über diese hinaus beabsichtigt hätte und dies dem Kaufpreis, den sie zu zahlen bereit war, zugrunde gelegt hätte, behauptet sie nicht. Die übliche Gesamtlaufleistung ist durch die unterschiedliche Ausschöpfung der erreichbaren Gesamtlaufleistung durch die Fahrzeugeigentümer wie auch durch die vorzeitige Außerbetriebnahme von Fahrzeugen nach Auftreten von Schäden, etwa durch Verkehrsunfälle, und Einflussnahmen durch staatliche Lenkungsmaßnahmen wie etwa Verschrottungsprämien geprägt. Eine Gesamtlaufleistung von weniger als 300.000 km entspräche demgegenüber nicht den Erwartungen an ein modernes Fahrzeug mit Dieselmotor; schon für Fahrzeuge mit Benzinmotor werden Gesamtlaufleistung und von 250.000 km angesetzt; Fahrzeuge mit Dieselmotor halten für gewöhnlich länger.
93Von den 300.000 km der üblichen Gesamtlaufleistung waren beim Kauf des C durch die Klägerin bereits 45.500 km verbraucht. Dem Kaufpreis von 16.560 € gab die Klägerin für die Möglichkeit der Nutzung des Fahrzeugs für die verbleibende zu erwartende Gesamtlaufleistung von 300.000 km 45.500 km = 254.500 km aus, so dass für jeden km der Nutzung durch die Klägerin ein Vorteil von 16.560 € : 254.500 km auszugleichen ist.
943.
95Zinsen hat die Klägerin erst für die Zeit ab dem 25.01.2020 zu beanspruchen; eine Entschädigung für die entgangene Nutzung des als Kaufpreis gezahlten Betrages ist ihr nicht zuzuerkennen.
96a)
97Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 Satz 1 BGB. Verzinsungsbeginn ist entsprechend § 187 Abs. 1 BGB der der Zustellung der Klageschrit an die Beklagte folgende Tag.
98b)
99Die mit den Klageanträgen zu 1. und 2. weiter begehrten Zinsen, teilweise für identische Zeiträume, ab dem 08.03.2019 bzw. ab dem 05.12.2019 stehen der Klägerin nicht zu.
100Woraus sich eine Verzinsung ab dem 05.12.2019, dem Tag nach dem Datum der Klageschrift, ergeben soll, erschließt sich nicht.
101Zinsen ab dem 05.12.2019 oder dem 08.03.2019 schuldet die Beklagte auch nicht deshalb, weil sie ab Ablauf der im vorgerichtlichen Anwaltsschreiben auf den 07.03.2019 gesetzten Frist in Verzug geraten wäre. Die bloße Setzung einer Zahlungsfrist stellt weder eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dar noch eine Bestimmung der Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, die vertraglich durch übereinstimmende Willenserklärungen bestimmt werden muss.
102c)
103Das mit dem Klageantrag zu 2. darüber hinaus geltend gemachte Zinsbegehren ist ebenso unbegründet wie die Forderung nach Entschädigung für die entgangene Nutzung des als Kaufpreis für das Fahrzeug gezahlten Betrages.
104Zwar hat die Klägerin nach §§ 826, 849 BGB dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz der ihr entgangenen Nutzung der als Kaufpreis gezahlten 16.560 €. Diese wurde ihr dadurch entzogen, dass sie durch die Täuschung über die Eigenschaften des C zu dessen Kauf und zur Zahlung des Kaufpreises bewegt wurde. Soweit der 18. Zivilsenat des OLG Düsseldorf (Urteil vom 22.01.2020, Aktenzeichen I-18 U 218/19) die Voraussetzungen des § 849 BGB in einem vergleichbaren Fall nicht als gegeben sieht, folgt das Landgericht dem nicht. Der Senat begründet seine Ansicht unter anderem damit, dass der Zweck des § 849 BGB, einen später nicht mehr nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen, nicht betroffen sei, weil der Käufer zwar einen Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises weggegeben habe, dafür im Gegenzug aber das streitgegenständliche Fahrzeug erworben habe, das er anschließend jederzeit habe nutzen können. Bei dieser Betrachtung wird nicht berücksichtigt, dass der Wert der Nutzung der Klägerin durch die Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung wieder genommen wird. Darüber hilft auch die Argumentation, es sei sicher davon auszugehen, dass der aufgewandte Kaufpreis bei Kenntnis des vorliegenden Mangels nicht im Vermögen des Käufers verblieben wäre, sondern er statt dessen den Geld-betrag in den Kauf eines anderen Fahrzeugs investiert hätte, weshalb keine auf dem deliktischen Handeln der Beklagten zurückzuführende entgangene Nutzungsmöglichkeit am Geld vorliege, nicht hinweg. Hätte die Klägerin ein anderes Fahrzeug gekauft, das nicht mit einer verbotenen Abschalteinrichtung versehen gewesen wäre, wäre ihr das Geld nämlich nicht durch Täuschung unter Beeinträchtigung der freien Willensentschließung entzogen worden. Es besteht kein Anlass, bei Betrachtung der schadensrechtlich auszugleichenden Vor- und Nachteile die Nutzung des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die entgangene Nutzungsmöglichkeit des Kaufpreises hingegen nicht. Das gilt umso mehr, als nicht feststeht, ob die Klägerin, wenn sie ein anderes Fahrzeug gekauft hätte, genauso viel dafür ausgegeben hätte wie für den streitgegenständlichen C. Möglicherweise hätte es ein Fahrzeug, das der Klägerin so viel wert gewesen wäre, wie sie für den C zahlte, bei Offenlegung der tatsächlichen Eigenschaften gar nicht gegeben. Wollte man dies zu Gunsten der Beklagten unterstellen, würde die durch die Täuschung seitens der Beklagten bewirkte Kaufentscheidung der Klägerin zumindest hinsichtlich des Kaufpreises perpetuiert, was mit einer vollständigen Kompensation der Verletzung ihrer freien Willensbestimmung nicht zu vereinbaren wäre.
105Das Gericht kann aber die Höhe des Anspruchs der Klägerin nicht feststellen. Sie hat, auch auf ausdrückliche Frage des Gerichts, nicht mitgeteilt, wann der Kaufpreis gezahlt wurde. Vielmehr hat sie auf den Hinweis des Gerichts, zur Bemessung eines Anspruchs nach § 849 BGB sei der Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung anzugeben, mit Schriftsatz vom 05.02.2020 vorgetragen, den Kaufpreis bar bezahlt zu haben. Dieses Vorbringen ist unstreitig geblieben, sodass eine Kaufpreiszahlung spätestens am 05.02.2020 als Sachverhalt vorausgesetzt werden kann. Für die mit dem Klageantrag zu 2. begehrte Entschädigung für die entgangene Nutzung des Kaufpreises vor Rechtshängigkeit hilft das freilich nicht weiter. Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin den Kaufpreis aller Wahrscheinlichkeit nach zeitnah zum Kauf gezahlt haben wird. Möglicherweise wäre ihr das Fahrzeug vor Kaufpreiszahlung auch nicht übergeben worden. Gleichwohl wird das Gericht auch durch diese Erwägungen nicht in die Lage versetzt, den Beginn des Berechnungszeitraums für den Anspruch nach § 849 BGB festzustellen. Das gilt umso mehr, als sich schon das Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift, Kaufdatum sei der 20.09.2016 gewesen, nicht mit der als Anlage DB 1 vorgelegten Auftrags-bestätigung vom 16.09.2016, die als Bestelldatum den 15.09.2016 ausweist, in Einklang bringen lässt.
1064.
107Der Klageantrag zu 3. ist unbegründet. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des C nicht in Annahmeverzug
108Mit Ablauf der ihr im Anwaltsschreiben auf den 07.03.2019 unter Angebot der Übergabe und Übereignung des C gesetzten Zahlungsfrist kam die Beklagte nicht nach § 298 BGB mit der Entgegennahme von Besitz und Eigentum an dem Fahrzeug in Annahmeverzug. Annahmeverzug tritt nach dieser Vorschrift nämlich nur ein, wenn der Schuldner die seinerseits geschuldete Leistung nicht von einer überhöhten Forderung abhängig macht. Wird zu viel gefordert, kann der Gläubiger nicht erkennen, dass ihm die Leistung auch Zug um Zug gegen die lediglich geschuldete Gegenleistung angeboten werden soll. Im Anwaltsschreiben vom 25.02.2019 forderte die Klägerin den vollen Kaufpreis, ohne Abzug des Wertes der Fahrzeugnutzung. Sie deutete auch nicht an, dass sie sich einen solchen Wert anrechnen lassen würde; und die Laufleistung, mittels derer der Wert der Nutzung hätte berechnet werden können, teilte sie auch nicht mit.
109Annahmeverzug kann auch nicht nach § 298 BGB ab dem 20.05.2020 eingetreten sein, weil die Klägerin im Termin am 19.05.2020 hilfsweise Zahlung unter Abzug des auf Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km berechneten Nutzungswertes beantragt hat. Denn erstens stellt auch das Zahlungsbegehren unter Abzug eines so berechneten Nutzungswertes eine Zuvielforderung dar, weil richtiger Weise eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km zugrunde zu legen ist, was zu einer höheren Bewertung der Fahrzeugnutzung führt. Ob die Klägerin auch bereit wäre, das Fahrzeug herauszugeben, wenn sie nur eine Zahlung abzüglich des auf Grundlage von 300.000 km Gesamtlaufleistung berechneten Nutzungswertes erhielte, bleibt offen. Zweitens hat die Klägerin diesen Antrag ohnehin nur hilfsweise gestellt, so dass sie bis zur Rechtskraft der Entscheidung über ihren Hauptantrag, der auf Zahlung des Kaufpreises ohne Abzug gerichtet ist, die Herausgabe des C gegen Zahlung des Kaufpreises abzüglich irgendeines Nutzungswertes überhaupt nicht anbietet.
110Auch mit Rechtskraft dieses Urteils, das die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin auf Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km bewertet, ergäbe sich kein Annahmeverzug der Beklagten mit der Entgegennahme von Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen C nach § 298 BGB. Es ist nämlich ungewiss, ob die Klägerin von dem Urteil Gebrauch machen wird oder ob sie das Fahrzeug gegen Zahlung nur des ihr zuerkannten Betrages möglicherweise lieber behalten will.
111Irgendwelche anderen Vorgänge, die zum Annahmeverzug der Beklagten geführt haben könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
1125.
113Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit dem Klageantrag zu 4. begehrte Freistellung von dem Vergütungsanspruch ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit.
114Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 826 BGB. Die Rechtsanwaltsvergütung muss die Klägerin aufgrund ihrer Entscheidung, sich anwaltlich vertreten zu lassen, aufwenden. Da diese Entscheidung durch die unerlaubte Handlung der Beklagten hervorgerufen wurde, sind die Anwaltskosten mittelbar auch auf diese zurückzuführen. Nicht alle durch eine Schädigung veranlassten Aufwendungen des Geschädigten sind vom Schädiger als mittelbarer Schaden zu ersetzen. Vielmehr müssen die Aufwendungen adäquate Reaktion auf die Schädigung sein. Das trifft auf die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zu. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ist adäquate Reaktion auf eine Schädigung etwa dann, wenn der Geschädigte nicht überblicken kann, was er tun muss, um Entschädigung zu erlangen, oder wenn ihm die eigene Kontaktaufnahme zum Schädiger nicht zuzumuten ist. So verhielt es sich hier nicht. Die tatsächliche Schwierigkeit der Angelegenheit, die sich aufgrund der Komplexität der technischen Fragen ergeben mag, vermag die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht zu begründen. Rechtliche Schwierigkeiten hatte die Klägerin nicht zu bewältigen. Es liegt nichts näher, als sich selbst an einen Fahrzeughersteller zu wenden, durch den man sich getäuscht sieht. Die Einschaltung von Rechtsanwälten war nicht geeignet, die Erfolgsaussichten solcher Bemühungen zu verbessern; sprach doch nichts dafür, dass die Beklagte sich zu einer Entschädigung eher bereit erklären würde, wenn zugleich auch noch Ersatz einer Rechtsanwaltsvergütung von 1.680,28 € eingefordert würde. Das Verhalten der Beklagten war nicht in solchem Maße von feindlicher Willensrichtung getragen, dass der Klägerin nicht zuzumuten gewesen wäre, das zu tun, was ein Geschädigter normalerweise tut, nämlich den Schädiger selbst zu kontaktieren.
115Selbst wenn man die Rechtsanwaltskosten als adäquaten Folgeschaden ansähe, hätte die Klägerin deren Anfall selbst zu vertreten, so dass ein Ersatzanspruch nach § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wäre. Erstens tat sie das nicht, was sich jedem, der sich geschädigt sieht und den Sachverhalt insoweit ausreichend überblicken kann, aufdrängen muss, nämlich zunächst einmal das Gespräch mit dem Ersatzpflichtigen zu suchen. Zweitens führte die Klägerin den Anfall der Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten dadurch schuldhaft selbst herbei, dass sie die Beklagte anschreiben ließ, obwohl von vornherein klar war, dass diese den geforderten Ersatz nicht leisten würde. Die dahingehende Strategie der Beklagten war zur Zeit des Tätigwerdens der Anwälte seit Jahren jedenfalls im Kreis der mit dem sogenannten „Abgasskandal“ befassten Juristen bekannt, zu denen die Klägervertreter zählen. Dass gleichwohl durch ein sinnloses Anschreiben außergerichtliche Kosten produziert wurden, war mutwillig und diente ausschließlich dem anwaltlichen Verdienstinteresse. Mit einem Kostenrisiko für die Klägerin im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses der Beklagten kann das Vorgehen nicht begründet werden; dass die Beklagte auf eine Klage mit sofortigem Anerkenntnis reagieren würde, war aufgrund ihres – insoweit bekannten – Verhaltens in zahlreichen vorangegangenen Prozessen auszuschließen. Zudem hätte es, wenn ein solches Risiko hätte ausgeschlossen werden sollen, nahe gelegen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dazu geraten hätten, die Beklagte selbst zum Schadenersatz aufzufordern. Auch um die Beklagte in Annahmeverzug zu setzen, hätte die Klägerin nichts weiter tun müssen, als selbst die Rückgabe des Fahrzeugs anzubieten. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Verursachung des mittelbaren Schadens ist dieser als Auftraggeberin und Vertretenen zuzurechnen.
116Der Anspruch folgt auch nicht aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 286 BGB. Einziger von der Klägerin vorgetragener Vorgang, der einen Verzug der Beklagten zur Folge gehabt haben könnte, war die Fristsetzung im Anwaltsschreiben. Diese Tätigkeit der Anwälte löste deren Vergütungsanspruch aber bereits aus, so dass er nicht Folge eines Verzugs der Beklagten gewesen sein kann.
117II.
118Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall ZPO. Die Kostenverteilung berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Hauptantrag zu 1. unterliegt, indem dieser und der erfolgreiche Hilfsantrag in einem fiktiven Gesamtstreitwert gleich gewichtet sind, auch wenn sie für die Bemessung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwertes nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einmal anzusetzten sind.
119Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich für die Klägerin nach § 709 Sätzen 1 und 2 ZPO, für die Beklagte nach §§ 708 Nr. 11, 711 Sätzen 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
120S t r e i t w e r t :
121Klageantrag zu 1. 16.560,00 € (Nach § 45 Abs.1 Satz 3 GKG ist nur der Wert des
122Hauptantrags oder des Hillfsantrags anzusetzen.
123Für die Nebenforderungen gilt § 43 Abs. 1 GKG.)
124Klageantrag zu 2. 2.233,92 € (Die Nutzungsentschädigung aus dem Kaufpreis stellt
125keine Verzinsung des Hauptanspruchs, sondern eine
126in Form der Verzinsung pauschaliert berechnete nach
127§ 39 Abs. 1 GKG zu berücksichtigende eigenständige
128Hauptforderung dar.
129Die Festsetzung enthält neben den bezifferten 2.145 €
130die begehrten 4 % bis Rechtshängigkeit.)
131Klageantrag zu 3. - (kein eigenständiger Wert)
132Klageantrag zu 4. - (§ 43 Abs. 1 GKG)
13318.793,92 €
134E I