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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Iserlohn abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2016 sowie außergerichtliche Anwaltskosten von € 255,85 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
2A.
3Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Zahlungen, die sie auf zwei Gold-Sparbuch-Verträge geleistet hat, nachdem sie ihre Vertragserklärungen widerrufen hat.
4Am 27.03.2011 und am 14.02.2012 unterzeichnete die Klägerin nach Vermittlung durch eine Mitarbeiterin der inzwischen insolventen P AG namens K jeweils einen von der Beklagten vorformulierten Antrag auf Abschluss eines Gold-Sparbuchs (Vertragsnummer … und …). Danach sollte die Klägerin auf jeden Vertrag monatlich 50,00 € zahlen und dafür von der Beklagten Feingold erwerben, das von dieser gegen eine jährliche Depotgebühr von 15,00 bzw. 19,00 € verwahrt werden sollte, wenn der Kunde keinen Antrag auf kostenpflichtige Auslieferung stellte.
5Außerdem sollte der Kunde jeweils eine so genannte Einrichtungsgebühr von 1600,00 € zahlen, die bei Vertragsabschluss fällig wurde und durch Sonderzahlungen oder durch vorrangige Verrechnung der Sparraten getilgt werden konnte. In Nr. 3 bzw. 4 der auf der Rückseite der Anträge abgedruckten AGB der Beklagten unter der Überschrift Einrichtungsgebühr heißt es hierzu auszugsweise:
6Der Anspruch auf Zahlung der Einrichtungsgebühr bzw. der Abschlusskosten ist rechtlich unabhängig von der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Das heißt, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr/Kosten nicht durch Kündigung oder sonstige Beendigung des Vertrags durch den Kunden entfällt.
7Die daneben abgedruckte eingerahmte Widerrufsbelehrung lautet:
8Widerrufsbelehrung
9Widerrufsrecht
10Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform, z.B. Brief, Fax oder E-Mail, widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an die P GmbH , M-Str., G, ####@##.##, Fax: ….. : (im folgenden P).
11Widerrufsfolgen
12Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogenen Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung, für uns mit deren Empfang.
13Ende der Widerrufsbelehrung.
14Wegen der optischen Gestaltung und der weiteren Vertragsbedingungen wird auf die Ablichtungen der ausgefüllten Antragsformulare Blatt 4f und Blatt 6f der Akte Bezug genommen.
15Die Klägerin zahlte auf den Vertrag mit der Nr. … Raten von insgesamt 1250,00 € und auf den Vertrag mit der Nr. … Raten von insgesamt 750,00 €.
16Mit Schreiben vom 18.08.2016 (Blatt 8 der Akte) erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin den Widerruf, die Anfechtung und die Kündigung bezüglich beider Gold-Sparbuch-Verträge, weil die verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei, und verlangte die Rückzahlung von 2000,00 € bis zum 02.09.2016. Mit Schreiben vom 09.09.2016 (Blatt 10 der Akte) wies die Beklagte die Forderung zurück.
17Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Gold-Sparbuch-Anträge jeweils in ihrer Wohnung unterschrieben. Sie ist der Auffassung, den Widerruf rechtzeitig erklärt zu haben, weil die Widerrufsbelehrung der Beklagten fehlerhaft sei. Darin fehlten Hinweise darauf, dass die Vertragserklärung auch durch Rücksendung der Sache widerrufen werden könne und dass die Widerrufsfrist nicht beginne, bevor dem Verbraucher die Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden sei. Wegen der Einzelheiten des Vortrags in erster Instanz wird auf die Klageschrift sowie die Schriftsätze vom 17.12.2016 und 16.01.2017 verwiesen.
18Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an sie 2000,00 € nebst Zinsen J. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2016 zu zahlen und sie von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 334,75 € freizustellen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen eines Haustürgeschäftes nicht ausreichend vorgetragen und nachgewiesen seien. Ihre Widerrufsbelehrungen entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere sei der Zusatz, dass der Widerruf auch durch die Rücksendung der Sache ausgeübt werden könne, nicht erforderlich gewesen, weil das Gold nur im Ausnahmefall an den Kunden ausgeliefert werde und eine Auslieferung keinesfalls vor Ablauf der Widerrufsfrist möglich sei. Die Zahlungs- und Auslieferungswege dauerten jedenfalls länger als zwei Wochen nach Abgabe der Vertragserklärung (Beweis: Zeuge W). Darüber hinaus sei der Vertragsbeginn so vereinbart, dass er nach dem Ablauf der Widerrufsfrist liege. Auch eine weitere Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist sei nicht erforderlich, weil es sich bei den Gold-Sparbuch-Verträgen nicht um schriftformbedürftige Ratenlieferungsverträge handele. Der Schwerpunkt der Verträge liege in einer Geschäftsbesorgung durch Ankauf und Verwahrung des Goldes und es fehle aufgrund der vertraglichen Gestaltung an einer Bezugsbindung. Wegen der Einzelheiten des Vortrags in erster Instanz wird auf die Schriftsätze vom 09.12.2016 und 09.01.2017 verwiesen.
23Das Amtsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Der Widerruf der Vertragserklärungen vom 18.08.2016 sei verspätet gewesen. Die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen genügten den gesetzlichen Anforderungen, weil sie dem Muster der Anl. 1 Einführungsgesetz zum bürgerlichen Gesetz entsprochen hätten. Der Zusatz, dass die Vertragserklärung auch durch Rücksendung der Sache widerrufen werden könne, sei entbehrlich gewesen, weil die Kunden nach dem Vertrag gar keinen unmittelbaren Besitz an dem Gold erlangen sollten, das von der Beklagten in einem Depot verwahrt werden sollte. Es sei auch keine weitergehende Belehrung darüber erforderlich gewesen, dass die Widerrufsfrist erst mit der Überlassung einer Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags oder einer Abschrift hiervon zu laufen beginne, weil die hier zu beurteilenden Verträge nicht der gesetzlichen Schriftform unterlägen. Insbesondere handele es sich nicht um Ratenlieferungsverträge, weil den Kunden das Gold nicht regelmäßig körperlich übergeben werden sollte.
24Gegen das am 06.02.2017 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Klägerin am 02.03.2017 Berufung eingelegt und diese nach am 28.03.2017 beantragter und bis zum 08.05.2017 gewährter Fristverlängerung am 05.05.2017 begründet.
25Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Außerdem vertritt sie die Auffassung, dass die Verträge auch wegen der wuchermäßig und sittenwidrig überhöhten Einrichtungsgebühr gemäß § 138 BGB nichtig seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz vom 21.08.2017 Bezug genommen.
26Die Klägerin beantragt,
27die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Iserlohn vom 02.02.2017 zu verurteilen, an die Klägerin 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2016 zu zahlen sowie der Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 € brutto zu erstatten.
28Vorsorglich beantragt sie die Zulassung der Revision.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen,
31hilfsweise die Revision zuzulassen.
32Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie geht in der Berufungserwiderung selbst davon aus, dass für die Klägerin ein Widerrufsrecht gemäß § 312 BGB bei Haustürgeschäften bestanden hat. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Einrichtungsgebühr im Hinblick auf die unbeschränkt vereinbarte Laufzeit nicht sittenwidrig sei. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 08.06.2017 und den Schriftsatz vom 04.09.2017 Bezug genommen.
33B.
34Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist mit Schriftsatz vom 02.03.2017 rechtzeitig und formgerecht eingelegt worden und nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 05.05.2017 innerhalb der verlängerten Frist ordnungsgemäß begründet worden.
35D.
36Die Berufung der Klägerin ist auch begründet.
37J.
38Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2000,00 € gemäß den §§ 357 Abs. 1 BGB a.F., 346 BGB, wobei sich die Bezeichnung BGB a.F. in diesem Urteil auf die Fassung gemäß Gesetz vom 29.07.2009 mit Wirkung ab 11.06.2010 bezieht, die für die Verträge aus den Jahren 2011 und 2012 anzuwenden ist. Nach dieser Anspruchsgrundlage sind im Fall eines wirksamen Widerrufs die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
391.
40Die Klägerin hat ihre Vertragserklärungen vom 27.03.2011 und 14.02.2012 mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18.08.2016 wirksam widerrufen.
41a)
42Ihr stand in beiden Fällen ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
43aa)
44Die Berechtigung zum Widerruf ergab sich zum einen aus § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F.. Ein Haustürgeschäft im Sinn dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein Verbraucher bei einem Vertrag mit einem Unternehmer über eine entgeltliche Leistung im Bereich der Privatwohnung zum Abschluss bestimmt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
45Die Klägerin ist Verbraucher gemäß § 13 BGB, die Beklagte ist Unternehmer gemäß § 14 BGB und die Gold-Sparbuch-Verträge waren auf eine entgeltliche Leistung gerichtet. Die Klägerin hat ihre Vertragserklärungen in ihrer Wohnung, also in einer Haustürsituation abgegeben, wovon auch die Beklagte in zweiter Instanz ausgeht . Die nach altem Recht notwendige Mitursächlichkeit der Haustürsituation wird hierdurch indiziert (BGH, NJOZ, 2014, 1776).
46bb)
47Daneben stand der Klägerin auch ein Widerrufsrecht gemäß § 510 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. zu, weil es sich bei den Gold-Sparbüchern um Ratenlieferungsverträge handelt. Sie haben die regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art zum Gegenstand. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt der Schwerpunkt des Vertrages nicht in einer Geschäftsbesorgung durch ihren Ankauf und die Verwahrung von Gold in ihrem Depot. Es handelt sich vielmehr um einen Kaufvertrag, der in Raten zu erfüllen ist. Der Kunde verpflichtet sich zu monatlichen Zahlungen und die Beklagte verpflichtet sich im Gegenzug, ihm in entsprechender Menge regelmäßig Gold in physischer Form zum aktuellen Verkaufspreis zu übereignen. Damit ist der Lieferungstatbestand nach Auffassung der Kammer erfüllt. Es kommt nicht darauf an, dass das Gold nach dem Vertragsinhalt im Regelfall nicht an den Kunden ausgeliefert, sondern von der Beklagten in einem Depot verwahrt werden soll. Das Gesetz unterscheidet in § 510 BGB a.F. nicht, in welcher Form der Kunde zu beliefern ist, insbesondere auch nicht danach, ob ihm der unmittelbare oder der mittelbare Besitz übertragen werden soll. Der Zweck der Vorschrift, den Kunden vor einer unüberlegten Bezugsbindung zu schützen, hängt nicht vom Lieferungsort ab.
48Auch die jederzeitige Kündbarkeit des Vertrages nach den AGB der Beklagten steht einer Einordnung als Ratenlieferungsvertrag nicht entgegen. Entscheidend ist allein, ob nach dem Vertrag die Verpflichtung zum regelmäßigen Bezug von Sachen gleicher Art eingegangen wird. Die Einräumung einer Beendigungsbefugnis ändert daran nichts (vgl. BGH, NJW 1990, 3144). Im vorliegenden Fall ist das Kündigungsrecht zudem wirtschaftlich dadurch ausgehöhlt, dass der Kunde auch im Fall einer Kündigung die sogenannte Einrichtungsgebühr von 1600,00 € in voller Höhe bezahlen sollte.
49Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Ausnahmefall gemäß § 510 Abs. 1 S. 2, 3 BGB a.F. vor. Das Verpflichtungsvolumen des Vertrages zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt liegt nicht unter 200,00 €, weil der Kunde unabhängig von der tatsächlichen Durchführung des Vertrages mindestens die Einrichtungsgebühr von 1600,00 € zahlen sollte. Der Unternehmer kann die gesetzliche Wertgrenze von 200,00 € nach Auffassung der Kammer nicht dadurch umgehen, dass er seine Kosten nicht in den Kaufpreis einkalkuliert, sondern gesondert geltend macht.
50b)
51Die Widerrufserklärungen der Klägerin vom 18.08.2016 waren rechtzeitig, weil die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden ist.
52aa)
53Die Belehrung auf der Rückseite des Antragsformulars verstößt gegen das Deutlichkeitsgebot gemäß § 360 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.. Danach muss die Widerrufsbelehrung nicht nur optisch deutlich gestaltet sein, sondern dem Verbraucher auch inhaltlich seine wesentlichen Rechte deutlich machen. Die Belehrung darf keine Zusätze enthalten, die den Verbraucher ablenken, verwirren oder die zu Missverständnissen führen können und sie darf nicht in sich widersprüchlich sein (vgl. BGH, NJW-RR 2005,180 ff.; OLG Hamm, NJW-RR 2010, 253 ff.). Die Irreführungsgefahr besteht auch dann, wenn sonstige Erklärungen des Unternehmers Fehler oder verwirrende Zusätze enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 255/13, BeckRS 2014, 06894, Rn. 35; Staudinger/Kaiser, BGB, 2012, § 360 Rn. 12). Der rechtsunkundige Durchschnittsverbraucher muss die Informationen ohne rechtliche Beratung oder sonstigen unzumutbaren Aufwand verstehen können (BGH, NJW-RR 2005, 902; BeckOK/Martens, EGBGB, 42. Edition, Art. 246a § 4 Rn. 4).
54Diesen Anforderungen entsprechen die AGB der Beklagten nicht. Die Informationen auf ihrem Formular zu den Widerrufsfolgen sind irreführend. Zwar wird in der eingerahmten Widerrufsbelehrung insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass im Fall eines wirksamen Widerrufs „die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren“ sind. Das Gegenteil ergibt sich allerdings für den Rechtsunkundigen aus der nachfolgenden Vertragsklausel unter der Überschrift Einrichtungsgebühr (Nr. 3 bzw. 4 der AGB), wonach der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Einrichtungsgebühr rechtlich „unabhängig von der tatsächlichen Durchführung des Vertrags“ sein soll. Der Kunde wird dort ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Zahlung dieser Gebühr auch „nicht durch Kündigung oder sonstige Beendigung des Vertrages durch den Kunden“ entfällt. Infolgedessen besteht die erhebliche Gefahr, dass der Verbraucher bei der Durchsicht der AGB befürchtet, dass die Einrichtungsgebühr in jedem Fall verloren sei, auch im Fall eines Widerrufs.
55Der Umstand, dass die Klausel in Nr. 3 bzw. 4 der AGB nach Auffassung der Beklagten lediglich die Abwicklung eines mangels Widerrufs zustande gekommenen Vertragsverhältnisses und gerade nicht die Folgen eines Widerrufs betreffen soll, ändert an der Irreführungsgefahr nichts (a.A. LG Bielefeld, Urteil vom 10.12. 2014, 22 S 223/14). Von einem durchschnittlichen Kunden ist dieses Verständnis keinesfalls zu erwarten; er hat keinen klaren Anhalt dafür, dass die in Nr. 3 bzw. 4 der AGB geregelte Unabhängigkeit „von der tatsächlichen Durchführung des Vertrages“ nicht auch die unterbliebene Durchführung infolge eines Widerrufs umfasst. Der zur Erläuterung verwendete Begriff der „sonstigen Beendigung des Vertrages“ ist jedenfalls für einen juristischen Laien ebenfalls nicht aufschlussreich. Es hätte vielmehr eines klaren Hinweises bedurft, dass im Fall eines Widerrufs des Vertrages auch die als unabhängig bezeichnete Einrichtungsgebühr hinfällig ist und ggf. geleistete Zahlungen zurückzugewähren sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 255 13, a.a.P., Rn. 34 zum Umfang der Belehrung bei einer separaten Kostenausgleichsvereinbarung beim Versicherungsvertrag). Die irreführenden AGB der Beklagten begründen die Gefahr, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen sachgerechten Gebrauch macht. Eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts bei fehlerhafter Belehrung war nach altem Recht nicht vorgesehen.
56bb)
57Ein weiterer Fehler der Widerrufsbelehrung liegt darin, dass der Kunde über den Beginn der Widerrufsfrist gemäß §§ 360 Abs. 1 Nr. 4, 355 Abs. 3 BGB a.F. nicht vollständig informiert worden ist. Bei Verträgen, die der Schriftform bedurften, musste der Verbraucher auch darüber belehrt werden, dass die Widerrufsfrist nicht begann, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt war (§ 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F.). Diese Information enthält die Belehrung auf dem Formular der Beklagten nicht. Sie wäre aber erforderlich gewesen, weil ein Ratenlieferungsvertrag – der hier ,wie bereits ausgeführt, vorliegt – gemäß § 510 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. der Schriftform bedurfte. Die Auffassung der Beklagten, eine solche Belehrung sei nicht erforderlich, wenn der Verbraucher – wie hier – die Vertragsbestimmungen bereits bei Unterzeichnung seines Antrags in Textform erhalte, vermag nicht zu überzeugen. Der Inhalt der notwendigen Belehrung hängt nicht davon ab, ob der Kunde bei Vertragsschluss tatsächlich die schriftlichen Vertragsbestimmungen erhalten hat, sondern davon, ob er sie aufgrund der gesetzlichen Formvorschrift erhalten muss. Ob es beim konkreten Vertragsschluss zu Umständen kommt, die eine Belehrung über gesetzlich geforderte Punkte überflüssig erscheinen lassen, hat auf den notwendigen Umfang der Belehrung keinen Einfluss (vgl. BGH, NJW-RR 2017,886, Rn. 12 ff.).
58cc)
59Ob die Widerrufsbelehrung auch deshalb fehlerhaft ist, weil sie entgegen § 360 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F. keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerruf auch durch Rücksendung der Sache erklärt werden kann, ist wegen der bereits festgestellten Fehler für die Entscheidung nicht erheblich. Die Kammer hat deshalb davon abgesehen, weiter aufzuklären, ob die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall gemäß Nr. 2 der Gestaltungshinweise zur Musterwiderrufsbelehrung in Anl. 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB (in der Fassung vom 17.01.2011 bzw. vom 04.08.2011) vorgelegen haben.
60dd)
61Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Schutzwirkung gemäß § 360 Abs. 3 BGB a.F. berufen, weil die Belehrung in ihren Formularen mit dem vorgenannten amtlichen Muster in der jeweils gültigen Fassung nicht vollständig übereinstimmt. In der Belehrung über die Widerrufsfolgen fehlen die – nachfolgend unterstrichenen – Satzteile, die laut Muster nicht entfallen können: „Können Sie uns die empfangene Leistung sowie Nutzungen (z.B. Gebrauchsvorteile) ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechterten Zustand zurückgewähren bzw. herausgeben, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten“. Zwar kann der Absatz über die Widerrufsfolgen nach dem Gestaltungshinweis Nr. 5 zur Musterwiderrufsbelehrung unter bestimmten Voraussetzungen vollständig entfallen, ein teilweises Weglassen ist nach dem Muster jedoch nicht vorgesehen (vgl. BGH, NJW-RR 2011,785, Rn. 24.). Im Übrigen fehlt auch die Einfügung des Gestaltungshinweises Nr. 3 a) zur Musterwiderrufsbelehrung bezüglich des bereits erörterten Fristbeginns bei schriftlich abzuschließenden Verträgen. Schließlich kann die Schutzwirkung des § 360 Abs. 3 BGB a.F. nach Auffassung der Kammer auch dann nicht gelten, wenn die optisch hervorgehobene Widerrufsbelehrung als solche zwar dem Muster entspräche, aber im Zusammenhang mit den übrigen AGB Widersprüche oder Unklarheiten bestehen, wovon hier nach den vorstehenden Erörterungen auszugehen ist. Eine solche teleologische Reduktion der Vorschrift erscheint zum Schutz des Verbrauchers unerlässlich. Obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage ist bislang nicht ersichtlich.
62D)
63Das Widerrufsrecht der Klägerin war bei Abgabe der Erklärung am 18.08.2016 nicht verwirkt. An den Verwirkungstatbestand nach fehlerhafter Widerrufsbelehrung sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, NJW-RR 2005,180 ff.). Allein der Zeitablauf seit Vertragsschluss genügt dafür nicht.
64Aufgrund des wirksamen Widerrufs hat die Beklagte die unstreitig von der Klägerin erbrachten Zahlungen auf beide Verträge von insgesamt 2000,00 € zu erstatten. Auf die im Kammertermin erörterte Frage, ob die Klägerin ihren Anspruch auch auf die §§ 812 Abs. 1, 138 Abs. 1 BGB stützen kann, kommt es für die Entscheidung nicht an mit der Folge, dass der Beklagten hierzu auch keine Schriftsatzfrist mehr einzuräumen war.
65II.
66Der Zinsanspruch folgt nach Ablauf der von der Klägerin gesetzten Zahlungsfrist aus §§ 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 18.08.2016 ist der Beklagten vergeblich eine Zahlungsfrist bis zum 02.09.2016 gesetzt worden.
67III.
68Der Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 255,85 € folgt aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Gold-Kaufverträgen. Die Beklagte hat ihre Vertragspflichten verletzt, indem sie der Klägerin eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt hat. Zu deren Beurteilung durfte die Klägerin einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Die hierdurch entstandenen Kosten stellen ihren Schaden dar ( vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.07.2010, 4 U 141/09 bei juris).
69Diesbezüglich kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Sperrklausel in § 357 Abs. 4 BGB a.F. berufen, wonach weitergehende Ansprüche nicht bestehen. Diese Vorschrift bezieht sich allein auf die Rechtsfolgen eines Widerrufs. Vorliegend sind die Rechtsanwaltskosten aber gerade nicht eine Folge des Widerrufs, sondern der fehlerhaften Widerrufsbelehrung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.05.2016, J-17 U 182/15, BeckRS 2016,10256).
70Der Anspruch ist allerdings der Höhe nach nur teilweise berechtigt. Bei einem Gegenstandswert von 2000,00 € ergeben eine 1,3 Geschäftsgebühr von 195,00 € zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer von 40,85 € den zuerkannten Gesamtbetrag von 255,85 €.
71D.
72Die Kammer hat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die hier erörterten Rechtsfragen von den mit zahlreichen Parallelfällen befassten erstinstanzlichen Gerichten verschiedener Landgerichtsbezirke unterschiedlich beantwortet werden und aufgrund der Geschäftstätigkeit der Beklagten nach diesem Geschäftsmodell noch eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betreffen werden. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob der ratenweise Kauf von Sachen auch dann § 510 BGB a.F. unterfällt, wenn dem Kunden kein unmittelbarer Besitz eingeräumt wird, liegt – soweit ersichtlich - bislang nicht vor. Klärungsbedürftig erscheint auch die Frage, ob die zitierte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 255/13, BeckRS 2014, 06894) zu den Anforderungen des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG an die Widerrufsbelehrung bei einem Antrag auf Versicherungsleistung und separate Kostenausgleichsvereinbarung auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Auch zu der Frage einer teleologischen Reduktion von § 360 Abs. 3 BGB a.F. liegt obergerichtliche Rechtsprechung , soweit ersichtlich, nicht vor.
73Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs.2 Nr.1,97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
74