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Amtsgericht Bergisch Gladbach, 66 C 11/22

Datum:
10.03.2022
Gericht:
Amtsgericht Bergisch Gladbach
Spruchkörper:
Abt. 66
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
66 C 11/22
ECLI:
ECLI:DE:AGGL1:2022:0310.66C11.22.00
 
Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 169,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.2.2022 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in xxx, für den die volle Haftung der Beklagten außer Streit steht. Die Klägerin ließ den Schaden zunächst sachverständig begutachten. Der Sachverständige xxx prognostizierte die Reparaturkosten einschließlich umfangreicher Lackierarbeiten mit Gutachten vom 29.10.2021 auf 11.323,20 € netto, wobei die Reparatur auch einen nicht reparierten Vorschaden mit beseitigen würde. Im Hinblick darauf nahm er von den Reparaturkosten einen Abzug von 5.249,20 € vor. Die Klägerin ließ den Wagen daraufhin reparieren. Die Werkstatt stellte die Reparatur mit netto 7.361,30 € in Rechnung. Im Rahmen der Regulierung zog die Beklagte hiervon neben der Wertverbesserung wegen der Reparatur des Vorschadens in Höhe des im Gutachten ausgewiesenen Betrages weitere 169,38 € für die Positionen "reparaturbedingte Reinigung" und "Polieren angrenzender Bauteile" ab. Nur der Abzug dieser Positionen ist Gegenstand der Klage.

Die Klägerin hält die abgerechneten Kosten für unfallbedingt und erforderlich. Sie beruft sich zudem auf die Rechtsprechung zum Werkstattrisiko und hat der Beklagten etwaige Ansprüche wegen Überzahlung, nicht sach- und fachgerechter Reparatur und Durchführung nicht erforderlicher Reparaturmaßnahmen abgetreten.

Die Klägerin beantragt,

              wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die abgezogenen Positionen seien nicht durch den Unfall notwendig geworden und überschritten zudem die Grenzen des für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung Erforderlichen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat im Rahmen des Schadensersatzes Anspruch auch auf Ersatz der Kosten, die die Werkstatt für die von der Beklagten gekürzten Positionen abgerechnet hat.

Dabei hat das Gericht keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die mit den beiden streitgegenständlichen Kostenpositionen geltend gemachten Arbeiten, die von der Werkstatt unstreitig ausgeführt und in Rechnung gestellt worden sind, zur Schadensbehebung erforderlich waren.

Die Reinigung des Unfallwagens ist nämlich - anders als die Beklagte mit der Klageerwiderung offenbar meint - nicht nur dann unfallbedingt erforderlich, wenn der Wagen durch den Unfall über Gebühr verschmutzt worden ist, etwa weil er von der Straße abkam, sondern auch dann, wenn die fachgerechte Reparatur eine besonders gründliche Reinigung voraussetzt und / oder wenn die Reparatur ihrerseits zu neuerlichen Verschmutzungen des Wagens führt. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, hat die Klägerin plausibel dargelegt und die Beklagte ist dem nicht in erheblicher Weise entgegengetreten:

Der Wagen musste unfallbedingt lackiert werden, was - auch für den Laien offensichtlich - voraussetzt, dass er nicht nur nicht völlig verdreckt ist, sondern ganz besonders gründlich gereinigt, um die Haftung des Lacks zu gewährleisten und den Einschluss von Schmutzpartikeln im oder unter dem Lack zu verhindern. Dass der Wagen sodann durch die im Rahmen der Lackierung erforderlichen Schleifvorgänge und den dabei entstehenden Feinstaub innen und außen verschmutzt wird, ist zwischen den Parteien sogar unstreitig. Die Beklagte meint nur, dass die dadurch erforderliche Reinigung bereits mit der Vergütung der Lackierungsleistung an sich abgegolten sein müsse. Dass die Werkstatt gezwungen wäre, ihre Leistung so zu kalkulieren, erschließt sich indes nicht.

Auch dass die an die lackierten Teile angrenzenden Bauteile poliert werden mussten, um den Farbabgleich mit dem neu aufzubringenden Lack zu ermöglichen, erschließt sich ohne Weiteres. Das Gericht hat dem Beklagtenvortrag gegen diese Position keinen konkreten Einwand entnehmen können.

Zudem müsste die Beklagte die im Streit stehenden Positionen aber auch dann ersetzen, wenn sie zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich gewesen wären. Denn das sog. Werkstattrisiko trägt der Schädiger, will heißen, der Geschädigte muss die Rechnung der Reparaturwerkstatt nicht im Hinblick auf jede Einzelposition kleinkrämerisch durchleuchten, sondern darf sich insofern auf eine an seinen Erkenntnismöglichkeiten als verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch orientierte Plausibilitätskontrolle beschränken. Nur wenn ihm in diesem Rahmen auffallen muss, dass bestimmte Positionen zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich oder zweckmäßig gewesen sein können, darf er diese nicht blindlings bezahlen und an den Schädiger durchreichen. So liegt der Fall hier aber gerade nicht:

Dabei ist insbesondere zu beachten, dass ausweislich des vor der Reparatur eingeholten Schadensgutachtens Schadensbeseitigungskosten von insgesamt gut 11.300 Euro netto zu erwarten gewesen waren. Als die Reparaturrechnung sich dann nur auf gut 7.360 Euro belief, bestand für den Kläger von vornherein kein Anlass, die Rechnung besonders kritisch zu überprüfen. Immerhin hatte er dem Schädiger mit der Reparatur gegenüber der sachverständigen Prognose fast 4T Euro gespart. Hinzu kommt, dass es die Erkenntnismöglichkeiten eines Laien ohnehin überfordern würde, eine fünfseitige Reparaturrechnung mit mindestens 50 Einzelpositionen für jede einzelne Position auf ihre Plausibilität zu prüfen. Das mag für besonders große Positionen noch angehen, eine Rechnung über gut 7T Euro zu durchleuchten, um dann Positionen zu streichen, die sich auf noch nicht einmal 2,5 % der Rechnungssumme belaufen, kann aber nun wirklich keinem Geschädigten zugemutet werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin der Beklagten ihre etwaigen (fernliegenden!) Ansprüche gegen die Werkstatt wegen zu ausschweifiger Reparatur abgetreten hat, war die Beklagte ohne Einschränkung zu verurteilen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert: 196,38 Euro.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende Beschwer von über 600,00 EUR erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO. Die Berufung ist danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht zulässig, weil keine der Parteien durch dieses Urteil hinsichtlich eines Werts von über 600,00 EUR beschwert ist und das Gericht die Berufung auch nicht zugelassen hat, § 511 Abs. 2 Nr. 1 , 2 ZPO.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.

Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

 
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