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Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 08.01.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 21.12.2015 (75 IN 533/15) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der seit Juni 2012 verheiratete Schuldner hat unter dem 13.12.2015 als natürliche Person einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und eine Stundung der Verfahrenskosten beantragt. Seinen Angaben zufolge verfügt seine Ehefrau über ein monatliches Bruttoeinkommen von 4.000 €, ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe und weitere monatliche Einnahmen in Höhe von 300 €.
4Mit Beschluss vom 21.12.2015 hat das Amtsgericht den Antrag des Schuldners auf Bewilligung der Stundung der Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren, das Hauptverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Schuldner habe gegen seine Ehegattin einen Anspruch auf Leistung eines Kostenvorschusses gemäß § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB.
5Gegen den ihm am 28.12.2015 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 08.01.2015 „Einspruch“ eingelegt. Seiner Ansicht nach könne seine Ehefrau nicht zur Vorschussleistung herangezogen werden, weil sämtliche Verbindlichkeiten aus einer selbständigen Tätigkeit herrühren würden, die er Ende 2011 aufgegeben habe. Mit Beschluss vom 11.01.2015 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2009 (Az. XII ZB 46/09) berufen. Der Schuldner ist dem entgegengetreten und stützt sich auf eine entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
6Die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Köln hat die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt und die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
7II.
8Die nach den §§ 4, 4d Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 InsO, 567 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sowie auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners ist in der Sache unbegründet.
91. Das Amtsgericht hat den Antrag des Schuldners auf Bewilligung der Stundung der Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren, das Hauptverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren zu Recht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen dieses Antrags liegen nicht vor. Nach § 4a Abs. 1 S. 1 InsO werden einem Schuldner als natürlicher Person, die einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Schuldner hat entsprechend § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB einen Anspruch gegen seine Ehegattin, den Vorschuss in Höhe von 1.500 € aufzubringen. Ist hiernach ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Dies ist hier der Fall:
10a) Die Vorschrift findet grundsätzlich auch auf den Kostenvorschuss im Insolvenzverfahren Anwendung. Hat der Schuldner einen Anspruch auf Leistung eines Kostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB, so ist sein Stundungsantrag unbegründet; denn der Gesetzgeber wollte öffentlich-rechtliche Mittel zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nur zur Verfügung stellen, sofern für den Schuldner keine Möglichkeit besteht, auf andere Weise die Verfahrenskosten aufzubringen. Der Begriff des Rechtsstreits ist weit auszulegen; er umfasst gerichtliche Verfahren aller Art. Ein Anspruch auf Leistung eines Kostenvorschusses kommt daher für ein mit dem Ziel der Restschuldbefreiung eingeleitetes Insolvenzverfahren ebenfalls in Betracht (BGH, Beschl. v. 25.01.2007 – IX ZB 6/06, Tz. 5; Beschl. v. 24.07.2003 – IX ZB 539/02, Tz. 16 f. m.w.N., jew. zit. nach juris; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 4a Rn. 16 m.w.N.).
11b) Der Schuldner ist nicht in der Lage, den Kostenvorschuss für die Durchführung des Insolvenzverfahrens zu leisten, während seine Ehegattin angesichts ihrer monatlichen Einnahmen und ihres Vermögens als leistungsfähig anzusehen ist. Unerheblich ist, ob die Ehegatten getrennt leben. Auch in einem solchen Fall besteht grundsätzlich ein Anspruch nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB.
12c) Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung betrifft auch eine persönliche Angelegenheit des Schuldners.
13aa) Zur schwierigen Auslegung des Begriffs „persönliche Angelegenheit" wurde bisher keine allgemein anerkannte Definition gefunden, weswegen sich die Praxis – insbesondere zur Einordnung vermögensrechtlicher Ansprüche – mit Fallgruppen behilft. Nicht maßgeblich ist die Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen. Auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche können zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten gehören, insbesondere dann, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehegatten umgreift. Das Recht, an dem wirtschaftlichen Ergebnis der gemeinsamen Tätigkeit in der Ehe beteiligt zu werden, zählt deshalb zu seinen persönlichen Angelegenheiten. Einigkeit besteht aber, dass die Verfahren, die nur dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse eines Ehegatten dienen, nicht zu den persönlichen Angelegenheiten zählen. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Dritten ist eine persönliche Angelegenheit nur dann zu bejahen, wenn der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betroffenen Ehegatten aufweist, eine personenbezogene Funktion hat. Eine allgemein gültige begriffliche Formel, wann ein Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betroffenen Ehegatten hat, wurde aber nicht gefunden (zum Vorstehenden BGH, Beschl. v. 25.11.2009 – XII ZB 46/09, Tz. 5 f. m.w.N., zit. nach juris).
14bb) Das Amtsgericht hat die Durchführung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze zutreffend als persönliche Angelegenheit des Ehegatten im Sinne des § 1360 a Abs. 4 BGB angesehen.
15Zwar verweist der Schuldner nicht zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.07.2003 (Az. IX ZB 539/02). Hiernach entsteht eine Kostenvorschusspflicht des Ehepartners nicht, wenn die Insolvenz des Antragstellers im Wesentlichen auf vorehelichen Schulden oder solchen Verbindlichkeiten beruht, die weder zum Aufbau oder zur Erhaltung einer wirtschaftlichen Existenz der Eheleute eingegangen wurden noch aus sonstigen Gründen mit der gemeinsamen Lebensführung in Zusammenhang stehen (BGH aaO, Tz. 18; so auch LG Köln, Beschl. v. 01.07.2002 – 19 T 83/02, Tz. 12 f.; jew. zit. nach juris; zust. Ganter/Lohmann, in: MünchKommInsO, 3. Aufl. 2013, § 4a Rn. 13; Stephan, in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 4a Rn. 11; Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl. 2014, § 4a Rn. 14; Bruck, in: Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 4a Rn. 14).
16Allerdings hat der Bundesgerichtshof zur Geltendmachung von Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsansprüchen aus einer früheren Ehe zwischenzeitlich entschieden, dass § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB lediglich eine persönliche Angelegenheit verlange. Es stehe einem Anspruch aus § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB gegen den jetzigen Ehepartner daher nicht entgegen, dass Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsansprüchen gegen den früheren Ehepartner eine Beziehung zur gemeinsamen Lebensführung in der jetzigen Ehe fehle (BGH, Beschl. v. 25.11.2009 – XII ZB 46/09, Tz. 10, zit. nach juris). Ein Anspruch, der bei seiner Entstehung als eine persönliche Angelegenheit einzuordnen ist, verliere diese Einordnung nicht mit der Wiederverheiratung des Ehegatten; die Vorschrift verlange nicht, dass der Anspruch seine Wurzel in der persönlichen Beziehung zum neuen Partner habe (BGH aaO, Tz. 7, zit. nach juris).
17Die Kammer schließt sich im Ergebnis der Ansicht des Landgerichts Duisburg an, wonach die letztgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs Auswirkungen auf die Auslegung des Begriffs „persönliche Angelegenheit“ für die Durchführung des Insolvenzverfahrens hat (LG Duisburg, Beschl. v. 28.09.2012 – 7 T 130/12, Tz. 5, zit. nach juris). Wenn ein Ehegatte sogar verpflichtet ist, die Kosten für einen Rechtsstreit vorzuschießen, mit dem Ansprüche gegen einen früheren Ehegatten verfolgt werden, die vor der Schließung der neuen Ehe entstanden sind, so gilt dies erst recht für ein Insolvenzverfahren, das auf Verbindlichkeiten beruht, die vor einer bestehenden Ehe zum Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz eines Ehegatten begründet wurden (LG Duisburg, aaO, Tz. 7, zit. nach juris). Zwar hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 25.11.2009 (Az. XII ZB 46/09) eine Abgrenzung zur Entscheidung vom 24.07.2003 (Az. IX ZB 539/02) letztlich darin gesehen, dass der Anspruch, zu dessen Geltendmachung durch den neuen Ehegatten ein Vorschuss nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB zu leisten ist, seine Wurzel in einer Ehe – der ehemaligen Ehe – hat (BGH, Beschl. v. 25.11.2009 – XII ZB 46/09, Tz. 10, zit. nach juris). Doch führt das Amtsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung zutreffend aus, dass eine solche Abgrenzung für das Insolvenzverfahren eine sachlich nicht begründete Unterscheidung hervorrufen würde. Soweit die Insolvenz des Ehegatten auf Verbindlichkeiten beruhen würde, die während einer früheren Ehe begründet worden wären, wäre der jetzige Ehegatte nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB zur Leistung eines Vorschusses verpflichtet. Kein Vorschuss müsste der Ehegatte leisten, wenn der Schuldner vor der jetzigen Ehe nicht verheiratet gewesen wäre. Auf Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2009 (Az. XII ZB 46/09) ist daher mit dem Amtsgericht davon auszugehen, dass ein Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Restschuldbefreiung unabhängig davon als persönliche Angelegenheit im Sinne des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB angesehen wird, ob die Verbindlichkeiten aus vorehelicher Zeit herrühren. Dies steht im Übrigen im Einklang mit der weiten Begründung des Bundesgerichtshofs, der Anspruch auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses sei unterhaltsrechtlicher Natur. Die Prozesskostenvorschusspflicht sei als eine Unterstützungspflicht des leistungsfähigen Ehegatten anzusehen, die – im Sinne einer staatlichen Vorsorge vorgehenden Familiensolidarität – ihre innere Rechtfertigung in der gegenseitigen personalen Verantwortung aus der ehelichen Lebensgemeinschaft findet und der allgemeinen unterhaltsrechtlichen Pflicht zum finanziellen Beistand am Nächsten kommt (BGH, Beschl. v. 25.11.2009 – Az. XII ZB 46/09, Tz. 11, zit. nach juris). Einer im Einzelfall unzumutbaren Finanzierung kann hinreichend über das Tatbestandsmerkmal der Billigkeit Rechnung getragen werden (BGH aaO, Tz. 11, zit. nach juris).
18d) Die Leistung eines Kostenvorschusses durch die Ehegattin des Schuldners entspricht auch der Billigkeit. Dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung liegen keine sachfremden Erwägungen zugrunde. Überdies würde sich eine nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erteilte Restschuldbefreiung positiv auf die finanzielle Grundlage der Ehe auswirken, so dass die Finanzierung des Insolvenzverfahrens durch den Ehegatten nicht unbillig erscheint (LG Duisburg, Beschl. v. 28.09.2012 – 7 T 130/12, Tz. 8, zit. nach juris).
192. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
203. Die Rechtsbeschwerde war nach den §§ 4 InsO, 574 Abs. 3 S.1, Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.07.2013 (Az. IX ZB 539/02) einerseits und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.07.2003 (Az. IX ZB 539/02) andererseits eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
21Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.500 €
22Rechtsbehelfsbelehrung:
23Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
24Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
25Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
261. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
272. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,
283. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
29- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
30- soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
31Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.