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I. Den Beklagten wird untersagt, die nachfolgend aufgeführten Passagen in dem Buch “Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN #####, B-Verlag) in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
1.
2Seite 21: …
32.
4Seite 22: …
53.
6Seite 22: Über Angela Merkel und Friedrich Merz:
7…
84.
9Seite 22: Zu Lothar Späth:
10…
115.
12Seite 23 .: Zu Norbert Blüm:
13…
146.
15Seite 23: Zum Chemiegigant aus Ludwigshafen:
16…
177.
18Seite 42: …
198.
20Seite 49: „[…]Arafat, …
219.
22Seite 61: …
2310.
24Seite 63: …
2511.
26Seite 64: Zu Eberhard von Brauchitsch:
27…
2812.
29Seite 72: …
3013.
31Seite 73: …
3214.
33Seite 73: …
3415.
35Seite 84: Zu Manfred Abelein:
3616.
37Seite 84: Zu Friedrich Zimmermann:
38…
3917.
40Seite 85: ...
4118.
42Seite 85: Zu Jürgen Rüttgers:
43…
4419.
45Seite 85: Zu Bernhard Jagoda:
46…
4720.
48Seite 85: Zu Freiherr Constantin von Heereman:
49…
5021.
51Seite 85: Zu Matthias Wissmann:
52…
5322.
54Seite 85 f.: Zu Angela Merkel:
55…
5623.
57Seite 86: Zu Hannelore Rönsch:
58…
5924.
60Seite 86: Zu Ernst Albrecht:
61…
6225.
63Seite 86: Zu Rita Süssmuth:
64…
6526.
66Seite 86: Zu Dr. L.:
67…
6827.
69Seite 86: Zu Gerhard Stoltenberg:
70…
7128.
72Seite 89: Zu Norbert Blüm
73…
7429.
75Seite 89: Zu Rita Süssmuth:
76…
7730.
78Seite 89: …
7931.
80Seite 90: Zu Heiner Geißler:
81…
8232.
83Seite 91: Zu Heiner Geißler:
84…
8533.
86Seite 91: Zu Heiner Geißler:
87…
8834.
89Seite 91: Zu Heiner Geißler u. a.:
90...
9135.
92Seite 92: Zu Kurt Biedenkopf:
93…
9436.
95Seite 92: Zu Kurt Biedenkopf:
96…
9737.
98Seite 93: Zu Kurt Biedenkopf, Franz Josef Strauß u. a.:
99…
10038.
101Seite 94: Zu Lothar Späth:
102…
10339.
104Seite 95: Zu Manfred Zach:
105…
10640.
107Seite 95: Zu Lothar Späth:
108…
10941.
110Seite 96: Zu Lothar Späth:
111…
11242.
113Seite 96 f.: Zu Christian Wulff:
114…
11543.
116Seite 97: Zu Bruno Heck:
117…
11844.
119Seite 97: Zu Bernhard Vogel:
120…
12145.
122Seite 98: Zu Bernhard Vogel:
123...
12446.
125Seite 99: Zu Hanna-Renate Laurien und Markus Schächter:
126…
12747.
128Seite 99: Zu Kristina Köhler, später Kristina Schröder:
129…
13048.
131Seite 102: U. a. zu Norbert Blüm:
132…
13349.
134Seite 102: Zu Peter Müller:
135…
13650.
137Seite 102 f.: u. a. zu Klaus Töpfer:
138…
13951.
140Seite 103: u. a. zu Angela Merkel:
141…
14252.
143Seite 103: Zu Peter Müller:
144…
14553.
146Seite 103: Zu Klaus Töpfer:
147…
14854.
149Seite 109: Zu Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder:
150…
15155.
152Seite 109: Zu Franz Müntefering:
153…
15456.
155Seite 109: Zu Herta Däubler-Gmelin:
156…
15757.
158Seite 109: Zu Walter Momper:
159…
16058.
161Seite 109: Zu Michael Naumann:
162…
16359.
164Seite 110: Zu Hans-Jochen Vogel u. A.:
165…
16660.
167Seite 110: Zu Manfred Stolpe:
168…
16961.
170Seite 112 f.: Zu Jürgen Trittin:
171…
17262.
173Seite 113: Zu Christian Ströbele:
174…
17563.
176Seite 113: Zu Petra Kelly:
177…
17864.
179Seite 115: Zu Willi Weyer:
180…
18165.
182Seite 116: Zu Hildegard Hamm-Brücher:
183…
18466.
185Seite 116: Zu Walter Scheel und Egon Bahr:
186…
18767.
188Seite 116: Zu Liselotte Funcke:
189…
19068.
191Seite 117: Zu Otto Graf von Lambsdorff:
192…
19369.
194Seite 123: Zu Beerdigung von Hannelore Kohl:
195…
19670.
197Seite 130: Helmut Kohl über Hannelore Kohl und François Mitterrand:
198…
19971.
200Seite 143: Zu Franz Josef Strauß:
201…
20272.
203Seite 144: Zu Hans-Dietrich Genscher:
204…
20573.
206Seite 144: Zu Hans-Dietrich Genscher:
207…
20874.
209Seite 144: Zu Hans-Dietrich Genscher:
210...
21175.
212Seite 145: Zu Hans-Dietrich Genscher:
213…
21476.
215Seite 146: Zu Hans-Dietrich Genscher:
216…
21777.
218Seite 152: Zu Friedhelm Ost:
219…
22078.
221Seite 163: Zu Walter Scheel:
222…
22379.
224Seite 163: Zu Walter Scheel:
225…
22680.
227Seite 164 f.: Zu Richard von Weizsäcker:
228…
22981.
230Seite 165: Zu Richard von Weizsäcker:
231…
23282.
233Seite 165: Zu Richard von Weizsäcker:
234…
23583.
236Seite 165 f.: Zu Richard von Weizsäcker:
237...
23884.
239Seite 166: Zu Richard von Weizsäcker:
240…
24185.
242Seite 167 - 169: Zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep:
243…
24486.
245Seite 169: Zu Richard von Weizsäcker:
246…
24787.
248Seite 171: Zu Steffen Heitmann:
249…
25088.
251Seite 171: Zu Johannes Rau:
252…
25389.
254Seite 171: Zu Präsidenten:
255…
25690.
257Seite 177: Zu Wolfgang Thierse:
258…
25991.
260Seite 181: Zu Rita Süssmuth u. A. :
261…
26292.
263Seite 183: Zu Margaret Thatcher:
264…
26593.
266Seite 183: Zu Waigel und Genscher:
267…
26894.
269Seite 183: Zu Hartmut D. Mehdorn:
270…
27195.
272Seite 183 f.: Zu Lady Diana:
273…
27496.
275Seite 184: Zum englischen Königshaus, Prinz Philip und Prinz Charles:
276…
27797.
278Seite 187 f.: Zur Industrie und Deutschen Bank:
279…
28098.
281Seite 189: Zu Fritz Zimmermann und Walther Leisler Kiep:
282…
28399.
284Seite 192: …
285100.
286Seite 193: …
287101.
288Seite 194: Zu Kardinal Meisner:
289…
290102.
291Seite 195: Zu Hans Küng:
292…
293103.
294Seite 198: Zum jüdischen Weltkongress
295…
296104.
297Seite 199: Zu Kurt Waldheim:
298…
299105.
300Seite 202: …
301106.
302Seite 211: Zu Martin E. Süskind:
303…
304107.
305Seite 211: Zu Manfred Bissinger:
306…
307108.
308Seite 211: Zu Hans Leyendecker:
309…
310109.
311Seite 211: Zu Mainhardt Graf von Nayhauß:
312…
313110.
314Seite 212: Zu Friedhelm Ost:
315…
316111.
317Seite 212: Zu Peter Boenisch:
318…
319112.
320Seite 212 f.: …
321113.
322Seite 213: Zu Wolfgang Bergsdorf:
323…
324114.
325Seite 229: Zu Mitterrand:
326…
327115.
328Seite 153: Zu Michail Gorbatschow:
329…
330116.
331Seite 154: Zu Michail Gorbatschow:
332…
333II. Der Klageantrag zu 2) wird als unzulässig abgewiesen.
334III. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger und die Beklagten jeweils zu ¼. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die Beklagten zu 2) und 3) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
335IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese wird für die Vollstreckung des Klägers aus Ziffer I des Tenors auf jeweils 20.000,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
336Tatbestand
337Der Kläger nimmt die Beklagten im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen in Anspruch, bei denen es sich nach Darstellung der Beklagten um bislang unveröffentlichte, wörtliche Zitate des Klägers handelt, entnommen aus Tonbandprotokollen, die im Haus des Klägers in den Jahren 1999 – 2002 aufgezeichnet worden waren, als Grundlage der Erstellung der Autobiographie des Klägers.
338Der Kläger war 16 Jahre Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte zu 1) ist Journalist und ebenso wie der Kläger promovierter Historiker. Der Beklagte zu 2) ist gleichfalls Journalist.
339Die Beklagten zu 1) und 2) sind Autoren des Buches “Vermächtnis Die Kohl-Protokolle“ (nachfolgend Buch), welches im B-Verlag, einer Verlagsmarke der Beklagten zu 1), erschien und am 07.10.2014 veröffentlicht wurde. Am 13.10.2014 wurde das Buch ferner als Hörbuch in dem zur Verlagsgruppe der Beklagten gehörenden Verlag S Audio veröffentlicht.
340Das Buch besteht zu ca. 10 % aus Äußerungen, gedruckt in Kursivschrift, die in dem Buch (S. 11) wie folgt bezeichnet werden:
341„Originalzitate aus den Kohl-Protokollen“
342Auf der Rückseite des Einbandes wird das Buch wie folgt beworben:
343Innenansichten der Macht – Es geht um nichts weniger als ein historisches Vermächtnis. In 630 Stunden hat Helmut Kohl seine Lebenserinnerungen zu Protokoll gegeben. Sein Gesprächspartner: der Historiker, Journalist und Autor T, den Helmut Kohl als Ghostwriter seiner Memoiren ausgewählt hat… Wie ist Helmut Kohls Wirken zu verstehen? Was ist wahr, was ist verzerrt am Bild dieses Jahrhundertpolitikers? Durch wen erfahren wir, wie er dachte, taktierte, handelte?
344Am besten durch den Altkanzler selbst, ungefiltert, in seinen eigenen Worten – anhand der Kohl-Protokolle. Erstmals werden sie hier der Öffentlichkeit vorgelegt.
345Auf der Innenseite des Bucheinbandes ist u.a. vermerkt:
346Gestützt auf die Kohl-Protokolle, zeichnen T und Q ein authentisches Portrait des Kanzlers – eine Nahaufnahme, bei der Helmut Kohl selbst mit seinen ganz persönlichen Einschätzungen zu zentralen politischen Themen und Personen zu Wort kommt, ein einzigartiges Zeugnis der Zeitgeschichte.“
347Der Kläger nahm die Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung hinsichtlich der in dem Buch veröffentlichten, streitgegenständlichen Zitate Nr. 1 – 114 erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch (teils einschränkend Urteil der erkennenden Kammer vom 13.11.2014 - 14 O 315/14 – Kohls Ghostwriter I (Anlage K 8, Bl. 121 – 241 GA), weitergehend OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 – Kohls Ghostwriter II (Bl. 513 - 528 GA)). Von Beklagtenseite unwidersprochen trug der Prozessbevollmächtigte in dem Verfahren 14 O 315/14 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer vor, dass die Erstauflage des Buches bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 abverkauft sei und begründete hiermit die Rücknahme des zuvor gestellten Antrags auf Vernichtung der Buchbestände.
348In weiteren, vor der erkennenden Kammer derzeit anhängigen Verfahren macht der Kläger gegen die Beklagten Geldentschädigungsansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches geltend (Az.: 14 O 323/15) sowie gegen den Beklagten zu 1) im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Auskunft über und Herausgabe der Vervielfältigungen der Originaltonbänder (Az.: 14 O 286/14). Die Verfahren 14 O 323/15 und 14 O 261/16 sind von dem Ursprungsverfahren 14 O 286/14 mit Beschlüssen vom 08.12.2015 bzw. 08.12.2016 abgetrennt worden.
349In den derzeit vor der Kammer anhängigen Verfahren ist, anders als in dem vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (LG Köln 14 O 315/14) streitig, ob 103 der streitgegenständlichen, in dem Buch wiedergegebenen Zitate nicht von dem Kläger geäußert und weitere 13 Zitate im Wortlaut (teils) unrichtig wiedergegeben wurden.
350Die Auswahl der in das Buch aufgenommenen, als Originalzitate des Klägers gekennzeichneten Äußerungen des Klägers erfolgte nach Darstellung des Justiziars der Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 in dem Verfahren 14 O 315/14 nach einer Sichtung der von dem Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellten Tonbandabschriften durch die Beklagten in einer intensiven, mehrere Monate dauernden Diskussion, an der auch der Justiziar der Beklagten zu 3) teilnahm, und in der insbesondere besprochen wurde, hinsichtlich welcher Zitate ein öffentliches Interesse anzunehmen sei.
351Die Originaltonbandaufnahmen gelangten in den Besitz des Beklagten zu 1) im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Kläger. Der Beklagte zu 1) war von 1999 bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers im Jahr 2009 als Ghostwriter des Klägers an den Memoiren des Klägers mit dem Titel „Erinnerungen“ beteiligt, von welchen bislang drei Bände, den Zeitraum 1930 bis 1994 umfassend, in der F Verlagsanstalt F Nachf. GmbH & Co. erschienen sind. Ein die Memoiren abschließender vierter Band bzw. weitere Bände über die Zeit seit Oktober 1994 sind noch nicht erstellt.
352In Vorbereitung dieser Memoiren führten der Kläger und der Beklagte zu 1) umfangreiche Gespräche im Hause des Klägers, von denen der überwiegende Teil auf (Magnet)Tonbändern aufgezeichnet wurde. An den Gesprächen war teils auch der in dem Verfahren LG Köln 14 O 612/12 als Zeuge vernommene Dr. M beteiligt, der die Erstellung des ersten Bandes der Memoiren (1930-1960) übernommen hatte.
353Im Hinblick auf die Erstellung der Memoiren des Klägers und der Mitarbeit des Beklagten zu 1) hieran schlossen der Kläger sowie der Beklagte zu 1) jeweils mit dem herausgebenden Verlag, der F Verlagsanstalt F Nachf. GmbH & Co. (nachfolgend Verlag genannt) am 12.11.1999 inhaltlich aufeinander abgestimmte Verträge (Anlagenkonvolut K 16, Bl. 426 - 451 GA) mit größtenteils wortgleichen Formulierungen. In diesen Verträgen war u.a. gleichlautend geregelt, dass der Beklagte zu 1) die Memoiren des Klägers nach den Vorgaben und Angaben des Klägers verfassen, nach außen hin jedoch nicht in Erscheinung treten und nur der Kläger als Autor genannt werden sollte. Der Beklagte zu 1) verzichtete auf das Recht, als Urheber bezeichnet zu werden. Der Kläger war zu jeglichen Änderungen an Manuskript und Werk ohne Angabe von Gründen berechtigt, dessen Fertigstellung durfte nur mit Zustimmung des Klägers erklärt werden. Das Eigentum an dem Manuskript stand dem Kläger zu.
354Ferner konnte der Kläger jederzeit die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) beenden und im Einvernehmen mit dem Verlag einen Ersatz bestimmen (§ 4 Nr. 9 des Autorenvertrages). Entsprechend hatte der Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zusammenarbeit mit dem Kläger bis zur Fertigstellung des Manuskripts (§ 1 Nr. 1 des Vertrages Dr.T/Verlag).
355Für die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1), der - für den Kläger kostenlos - für eine Zusammenarbeit mit dem Kläger zur Verfügung zu stehen hatte, war ferner in § 4 Nr. 2 des Autorenvertrages geregelt:
356Der Verlag sichert zu, dass Herr Dr. T persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug Herrn Dr. T entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung stehen (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheit der Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. T und dem Autor werden diese direkt besprechen“.
357Entsprechende Regelungen finden sich in § 1 des Vertrages Dr. T/Verlag.
358Nachdem die Vertragsparameter festgelegt worden waren, begannen der Kläger und der Beklagte zu 1) noch vor Unterzeichnung der schriftlichen Verlagsverträge am 01.10.1999 mit den Memoiren-Gesprächen. Diese wurden im Wohnhaus des Klägers geführt und mit Einverständnis des Klägers mittels eines Tonbandaufzeichnungsgerätes auf Tonband aufgenommen.
359Der Kläger ermöglichte dem Beklagten zu 1) den Zugang zu zahlreichen Unterlagen aus der Zeit als Bundeskanzler bzw. Oppositionsführer zur Durchsicht und Auswertung. Hiervon umfasst waren auch zahlreiche Quellen, die der Wissenschaft und Forschung aufgrund der 30-jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden. U.a. erhielt der Beklagte zu 1) nach einer Sicherheitsüberprüfung mittels „Konferenzbescheinigung“ vom 17.12.2001 (Anlage OC 5, Bl. 1427 GA), lautend auf:
360„T; DR., T vom WDR für Büro BK a.D. Dr. Kohl“
361befristet bis 30.06.2002 Zugang zu Verschlusssachen des Bundeskanzleramtes bis einschließlich des Geheimhaltungsgrades „GEHEIM“ mit dem abschließenden Vermerk:
362„Die Bescheinigung ist nach Beendigung des Auftrags, für den sie ausgestellt worden ist, der ausstellenden Behörde zurückzugeben.“
363Auch veranlasste der Kläger, dass der Beklagte zu 1) Einblick erhielt in die den Kläger betreffenden, 13 Bände umfassenden Ermittlungsunterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR („Stasi-Akte“), deren Veröffentlichung der Kläger in einem langjährigen Rechtsstreit hatte sperren lassen.
364Zur Vorbereitung der Einsichtnahme übermittelte der Beklagte zu 1) einen von ihm selbst verfassten Entwurf eines Antrags auf Akteneinsicht (Telefax vom 12.03.2002, Anlage K 14, Bl. 399 GA) an den Kläger, welcher auszugsweise wie folgt lautet:
365„Sehr geehrte Frau C,
366hiermit beantrage ich Einsicht in meine Stasi-Akten für den Kölner Publizisten und Dokumentarfilmautor Dr. T…. soll in diesem Fall nicht in seiner Eigenschaft als Forscher oder Journalist Einblick in meine Stasi-Akten nehmen, sondern als mein Vertrauter in meinem Auftrag stellvertretend für mich als Opfer des Ministeriums für Staatssicherheit…..Ich habe Herrn Dr. T beauftragt, eine umfassende Expertise über sämtliche Aktenbestände …anzufertigen, die vom Ministerium für Staatssicherheit über mich und meine Familie angelegt und archiviert wurden…. Ich beabsichtige, die Ergebnisse der T-schen Untersuchung in meine Memoiren einfließen zu lassen… Um Vertraulichkeit bitte ich Sie ausdrücklich.“
367Der Beklagte zu 1) sichtete in aufwändigen Recherchen das ihm zugängliche Material. Er entschied, welche von ihm für relevant erachteten, als geheim eingestuften Akten des Bundeskanzleramtes weiter eingesehen werden sollten. Diese wurden vom Bundeskanzleramt in das Büro des Klägers transferiert und dort in einem Panzerschrank gelagert. Auf Wunsch des Beklagten wurden dort umfangreich Kopien für den Beklagten gefertigt. Der Kläger veranlasste ferner, dass Akten aus Gründen der Zeitersparnis dem Beklagten in dessen Privathaus zur Verfügung gestellt wurden. In gleicher Weise recherchierte der Beklagte in den Archiven der Konrad-Adenauer-Stiftung, die auf Veranlassung des Klägers ihm gleichfalls zugänglich gemacht worden waren. Darüber hinaus betrieb der Beklagte zu 1) umfangreiche, eigenständige Recherchen in öffentlichen und allgemein zugänglichen Quellen.
368Auf Basis des von ihm gesichteten Materials erstellte der Beklagte zu 1) ein Stichwortkonzept, das Grundlage für die weiteren Gespräche mit dem Kläger war. In der Zeit vom 01.10.1999 bis 07.04.2002 (der Folgezeitraum ist zwischen den Parteien streitig) wurden an über 100 Tagen während über 600 Stunden auf 200 Tonbändern die Fragen und Stichworte des Beklagten und des Zeugen Dr. M sowie die Ausführungen des Klägers hierzu aufgezeichnet. Über die Erstellung der Tonbandaufnahmen und deren Verwendung trafen der Kläger und der Beklagte zu 1) keine schriftlichen Vereinbarungen.
369Der Kläger sprach in freier Rede sehr ausführlich sein gesamtes Leben auf Band, und zwar aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter sowie aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers ausübte. Der Kläger erwähnte dabei ohne chronologische Gliederung auch aktuelle politische Themen und erläuterte seine persönliche Einschätzung hierzu. Der Kläger äußerte sich teilweise in drastischer sowie umgangssprachlicher Ausdrucksweise. In seinen Memoiren hatte der Kläger Äußerungen in dieser Schärfe und Deutlichkeit bewusst vermieden, um nicht partei- und regierungsschädigend zu agieren und keine Bücher der Rache zu schreiben.
370Wiederholt wies der Kläger den Beklagten zu 1) an, den weiteren Gesprächsverlauf nicht auf Tonband aufzuzeichnen, teils ordnete der Kläger an, dass seine zuvor aufgezeichneten Äußerungen nicht in die Memoiren einfließen sollten („das schreiben wir nicht“). Solche Anweisungen sind u.a. in den von Beklagtenseite auszugsweise vorgelegten Transkriptionen zu den Äußerungen Nr. 15, 95, 96, 110 – 113 enthalten (OC 59, Bl. 2154; OC 125, Bl. 2291; OC 126, Bl. 2293 sowie OC 137, Bl. 2307 GA zu Pressechefs: „Ich muss doch nicht die Namen nennen“).
371Gegenstand der auf Tonband aufgenommenen Gespräche war, beginnend seit Februar 2000, auch die Abfassung eines fiktiven Tagebuches des Klägers „Helmut Kohl – Mein Tagebuch 1998-2000“ (nachfolgend: Tagebuch), aus Anlass der sogenannten „Spendenaffaire“, aufgrund derer der Kläger seine Sicht, die Jahre 1998 – 2000 betreffend, zeitnah darstellen wollte. Hierzu schlossen der Kläger und der Beklagte zu 1) mit dem Verlag im Juli/August 2000 Verträge mit vergleichbaren Regelungen, wie sie in den Verträgen über die Erstellung der „Erinnerungen“ des Klägers vereinbart worden waren. Das Tagebuch wurde gleichfalls von dem Beklagten zu 1) als Ghostwriter verfasst und nur der Kläger als Autor benannt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Dr. T/Verlag vom 25.07./29.07.2000 und Dr. Kohl/Verlag vom 25.07./05.08.2000 (Anlage K 16, Bl. 1786 – 1810 GA) Bezug genommen.
372In dem Tagebuch ließ der Beklagte zu 1) mit Zustimmung des Klägers Selbstaussagen des Klägers, die dieser während der auf Tonband aufgenommenen Gespräche geäußert und teils direkt für das Tagebuch bestimmt hatte, mit einfließen. Vor Veröffentlichung des Tagebuches stimmte der Beklagte zu 1) die Fassung mit dem Kläger ab, „passagenweise blieb kein Stein auf dem anderen“ (Buch S. 37).
373Der Beklagte zu 1) nahm die Originaltonbänder, die der Kläger persönlich zu keinem Zeitpunkt in Händen hatte, zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichungen jeweils mit nach Hause. Er ließ dort die Tonbandgespräche von seiner Schwester, der Zeugin L, niederschreiben. Die Abschrift (Transkription) hat einen Umfang von ca. 3000 Seiten.
374Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Transkriptionen die Äußerungen des Klägers insgesamt zutreffend wiedergeben.
375Die von den Beklagten zu 1) und 2) zum Beweis der Authentizität der streitgegenständlichen Äußerungen vorgelegten Transkriptions-Ausschnitte (Anlagen OC 29 – 46, 48 – 143, Bl. 2108 – 2315 GA) enthalten stellenweise Auslassungen (….), Anmerkungen wie (???) (z.B. OC 80, 83, 98, 114, 115, 117), Neyhauß?? (OC 136), Unterbrechungen mitten im Satz …?? (OC 115, 117). Angaben zu Ausdrucksweise und Emotionen der Äußernden fehlen. Als Satzendzeichen wurden ausschließlich Punkt (.) und Fragezeichen (?) gesetzt.
376Die Sprecher werden, von wenigen Ausnahmen (Kürzel „MJ“ z.B.) nicht bezeichnet. Äußerungen des Klägers sind daran zu erkennen, dass sie nicht in Kursivschrift gesetzt wurden.
377Der Kläger hat zu 13 der streitgegenständlichen Äußerungen (Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 27, 49, 62, 89, 97, 100, 103) von der Zeugin Dr. Kohl - Richter erstellte Auszüge von Abschriften der Originaltonbänder vorgetragen (Schriftsatz vom 21.11.2016, Seite 15-76, Bl. 1692-1753 GA). Diese Abschriften unterscheiden sich teils deutlich im Wortlaut und der jeweiligen Person zugeschriebenen Äußerung von den korrespondierenden, von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen.
378Die Beklagten zu 1) und 2) haben in der Folge Auszüge aus Tonbandkopien zu 11 der Äußerungen (Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 27, 89, 97, 100, 103) vorgelegt (CD mit Audio-Dateien, OC 30, Hülle Bl. 2316). Die Parteien streiten darüber, ob die von Klägerseite vorgetragenen Abschriften zutreffende Wort-für-Wort-Protokolle der Originaltonbänder sind.
379Aufgrund eines Unfalls im Februar 2008, bei dem sich der Kläger eine schwere Kopfverletzung zuzog, musste der Kläger seine Arbeit an den Memoiren unterbrechen. In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis der Parteien. Der Beklagte zu 1) veröffentlichte über die erste Ehefrau des Klägers ein Buch, welches Passagen enthielt, die der Kläger als Vertrauensbruch empfand.
380Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2009 (Anlage K 18, Bl. 973 GA) kündigte der Kläger die Zusammenarbeit mit dem Beklagten auf.
381Mit Vertrag vom 06./10.09.2009 (Bl. 112 f GA) einigten sich der Beklagte zu 1) und der Verlag über die Aufhebung der zuvor zwischen ihnen geschlossenen, hier streitgegenständlichen Verträge unter Aufrechterhaltung der Rechteeinräumung für den Verlag sowie des Verzichts des Beklagten auf seine Benennung als Urheber. Der Beklagte zu 1) wurde von dem Verlag finanziell abgefunden.
382Nachdem der Beklagte zu 1) in einem Interview, veröffentlicht in der Zeitschrift „Z“, Ausgabe 39/2012, für einen späteren Zeitpunkt die Veröffentlichung einer Biografie des Klägers unter Verwendung des Tonbandmaterials in Aussicht gestellt hatte, wurde der Beklagte zu 1) zur Herausgabe der Originaltonbänder verurteilt auf Grundlage eines dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) zustehenden Herausgabeanspruchs aus Auftragsverhältnis (Urteil der erkennenden Kammer vom 12.12.2013 – Az.: 14 O 612/12, in der Begründung abweichend OLG Köln, Urteil vom 01.08.2014 - 6 U 20/14 - Ghostwriter-Tonbänder, nachgehend (bestätigend) BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 206/14 - Kanzler Kohls Tonbänder) – Anlagen K 1 und K 2, Bl. 11 - 48 GA sowie Bl. 677 - 694 GA).
383Der Beklagte gab im Rahmen der Zwangsvollstreckung 200 Tonbänder an den Kläger heraus. Zwischen den Parteien ist streitig, ob auf 4/5 dieser Originaltonbänder keine Tonaufnahmen mehr hörbar sind, weil diese von Seiten des Beklagten zu 1) gelöscht wurden. Aufnahmen auf Tonbändern der Art, wie sie als Originaltonbänder genutzt wurden, können bei Kontakt mit Magneten leicht gelöscht werden.
384Der Beklagte zu 1) verneinte anlässlich eines Interviews in der ARD-Fernsehsendung „Günther Jauch“ vom 12.10.2014 die Frage, ob er die Originaltonbänder gelöscht habe und ergänzte, die (Original)Tonbänder seien mehrfach im Ausland gewesen und hätten durch Kontrollen gemusst (Anlage B 4, Bl. 616 GA).
385Der Beklagte zu 1) verfügt, im Gegensatz zu dem Kläger, über vollständige Abschriften (Transkriptionen) und vollständige digitale Kopien der Originaltonbänder.
386Vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches erschien ein Artikel in der Zeitschrift „Z“ Nr. 41 vom 06.10.2014 (Anlage AS 9 BA 28 O 445/14), in welchem auf dem Deckblatt der Zeitschrift sowie in dem dort enthaltenen Artikel einige Buchpassagen (Zitate) veröffentlicht wurden. Der Artikel ist nach wie vor im Internet abrufbar. Diese Ausgabe des Zs war die auflagenstärkste des Jahres.
387Der Kläger beantragte am 01.10.2014 (Az.: LG Köln 28 O 427/14) und 09.10.2014 (Az.: 28 O 445/14) jeweils gegen den Z-Verlag Z1 GmbH & Co. KG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, einen Vorabdruck des streitgegenständlichen Buches in einem Druckwerk oder im Internet zu untersagen oder daraus wörtlich oder sinngemäß zu zitieren.
388Den Antrag vom 01.10.2014 hat der Kläger nach Hinweis von Seiten des Gerichts auf fehlende Erfolgsaussicht zurückgenommen. Den Antrag vom 09.10.2014 hat das Landgericht Köln mit Beschluss vom 10.10.2014 (Bl. 27 – 30 BA) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einem Verfügungsanspruch, die Abwägung, ob das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers oder die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege, können nur in Ansehung des konkreten Äußerungszusammenhanges beurteilt werden.
389Vor der beabsichtigten Veröffentlichung des Buches, von der der Kläger nur zufällig erfahren hatte, wandte sich der Kläger schriftlich an die Beklagte zu 3) und wies darauf hin, dass er mit einer Veröffentlichung von Zitaten nicht einverstanden sei und dies eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sowie ihm zustehender Urheberrechte darstelle.
390Mit Beschlüssen vom 07.10.2014 hat das Landgericht Köln Anträge des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und 3), gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die Veröffentlichung der Lebenserinnerung des Klägers in den streikgegenständlichen Buch zu untersagen, zurückgewiesen (Az.: 28 O 433/14 und 28 O 434/14).
391Das streitgegenständliche Buch wurde von den Beklagten im Rahmen einer Pressekonferenz vom 07.10.2014 vorgestellt.
392Der Kläger beantragt nunmehr die Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung von 116 konkret bezeichneten Textpassagen aus dem Buch.
393Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass das Zitat Nr. 7 aus dem Verfahren 14 O 315/14 nicht mehr streitgegenständlich ist, der Kläger die Äußerungen hier jedoch fortlaufend nummeriert hat. Die in diesem Verfahren in Bezug genommenen Zitate ab der Nr. 7 entsprechen aus diesem Grund jeweils dem nächsthöheren Zitat in dem Verfahren 14 O 315/14 (hier Zitat Nr. 7, dort Zitat Nr. 8 usw.)
394Die Zitate Nr. 115 und 116 sind vorliegend erstmals streitgegenständlich.
395Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe wegen der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Passagen aus dem Buch gegen den Beklagten zu 1) bereits aus Auftragsverhältnis oder eines Vertrages sui generis im Sinne von § 662 BGB gemäß §§ 666, 667, 241 S. 2 BGB ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerungen zu. Im Rahmen der konkludent getroffenen, vertraglichen Vereinbarung habe sich der Beklagte zu 1) zugleich zur Geheimhaltung der ihm in Zusammenhang mit der Materialsammlung für die Memoiren bekannt gewordenen Tatsachen, einschließlich der Äußerungen des Klägers auf Tonband, verpflichtet. Der Kläger ist der Ansicht, die Vereinbarung einer Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit sei konkludent möglich gewesen und habe insbesondere nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung vorausgesetzt.
396Der Kläger behauptet, die Original-Tonbandaufnahmen seien entsprechend der in den schriftlichen Verträgen mit dem Verlag erwähnten weiteren mündlichen Absprachen ausschließlich zur Erstellung des Manuskripts der Memoiren gefertigt und dem Beklagten ausschließlich für diesen Zweck anvertraut worden. Die Parteien hätten sich ferner dahingehend geeinigt, dass der Beklagte zu 1) im Auftrag des Klägers die Materialsammlung für die geplanten Memoiren erstellen und über deren Inhalt, einschließlich der Tonbänder, Stillschweigen bewahren sollte. Mit einer Aufzeichnung sei er, der Kläger, nur einverstanden gewesen, weil beide sich einig gewesen seien, dass allein der Kläger über die Verwendung der Äußerungen zu bestimmen habe. Sinn und Zweck der Tonbandaufzeichnungen sei neben der Gewährleistung der Spontanität des Klägers gewesen, die aufwendige Erinnerungsleistung des Klägers dauerhaft zu fixieren, um hierauf, auch im Falle des Wechsels des Zuarbeiters, zurückgreifen zu können. Hierzu behauptet der Kläger, er beabsichtige, seine Memoiren zu vollenden.
397Der Kläger behauptet weiter, der Beklagte zu 1) sei für ihn nicht in seiner Funktion als Journalist und Publizist tätig geworden, sondern als Vertrauter und Zuarbeiter des Klägers, da - insoweit unstreitig - der Kläger nicht bereit gewesen sei, dem Beklagten zu 1) als Gesprächspartner für eine weitere Biographie zur Verfügung zu stehen, sondern seine eigene Autobiographie habe schreiben wollen. Hierauf habe sich der Beklagte eingelassen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er über sämtliche Informationen, die der Kläger ihm lediglich zweckgebunden für die Memoiren zur Kenntnis brachte, Stillschweigen bewahren werde.
398Die wesentliche Aufgabe des Beklagten zu 1) als Zuarbeiter habe darin bestanden, nach Vorgaben des Klägers die Kärrnerarbeit der Recherche und des Zusammentragens der Informationen zu erledigen. Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit sei zudem unabdingbare Voraussetzung für den dem Beklagten zu 1) eröffneten Zugang zu Verschlusssachen sowie der Stasi-Akte des Klägers gewesen. Seine Bereitschaft zur Verschwiegenheit habe der Beklagte nicht zuletzt dadurch zu erkennen gegeben, dass er sich einer Sicherheitskontrolle unterworfen habe. Dass die Parteien zu Beginn der Zusammenarbeit sich konkludent über eine Verpflichtung des Beklagten zur Verschwiegenheit verständigt hätten und der Beklagte zu 1) seine Rolle ebenso eingeschätzt habe, folge auch aus dem von dem Beklagten zu 1) verfassten Telefax-Entwurf vom 12.03.2002 (Anlage K 14, Bl. 399 GA, Antrag auf Akteneinsicht), in welchem, insoweit unstreitig, der Beklagte zu 1) ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er nicht als Publizist, sondern als Vertrauter des Klägers handele.
399Die Tonbandaufzeichnungen seien nicht als journalistische Interviews geführt worden, vielmehr hätten der Beklagte zu 1) sowie der Zeuge Dr. M lediglich als Stichwortgeber fungiert. Die Aufzeichnungen als solche seien in allen Punkten aus seiner persönlichen und höchst subjektiven Sicht erfolgt, wobei er umfassend, selbstbestimmt und teils monologartig seine Lebensgeschichte vollständig erzählt habe als Grundlage für die zu erstellenden Memoiren. Die auf den Tonbändern aufgenommenen Erläuterungen für den Zeitraum, der das Projekt „Tagebuch“ umfasste, seien zugleich auch für das Buchprojekt „Erinnerungen“ gedacht gewesen, welches er während der Gespräche als „große Memoiren“ bezeichnet habe. So habe er am 06.08.2000 zugleich für die „Erinnerungen“ und für das „Tagebuch“ auf Band gesprochen, wie aus dem auszugsweise transkribierten Tonbandprotokoll (Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2016, S. 6, Bl. 1683 GA) ersichtlich. Das „Tagebuch“ sei stets nur als Ausschnitt der Gesamterinnerungen gedacht gewesen, wie aus dem Vorwort zum Tagebuch (Anlage K 40, Bl. 1813 GA) folge.
400Der Kläger ist weiter der Ansicht, die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Geheimhaltung werde von dem zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Verlag geschlossenen Aufhebungsvereinbarung nicht berührt, da er, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, diesen Vertrag nicht unterschrieben habe.
401Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass eine Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Geheimhaltung sich auch daraus ergebe, dass unstreitig sowohl in dem Autorenvertrag zwischen dem Kläger und dem Verlag als auch in dem Vertrag zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 1) eine Geheimhaltung bezüglich der Vertragsbedingungen verabredet worden sei, aufgrund derer der Beklagte zu 1) nicht berechtigt gewesen sei, nach außen kund zu tun, dass und welche Informationen er von dem Kläger anlässlich der Gespräche zum Zweck der Erstellung der Memoiren erlangt habe.
402Der Kläger bestreitet unter Bezugnahme auf von ihm vorgelegte Tonbandabschriften die Richtigkeit der von den Beklagten als Originalzitate oder in indirekter Rede wiedergegebenen, dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch.
403Hierzu behauptet er, nur auf 42 der an ihn herausgegebenen Originaltonbänder seien Gespräche oder Stimmen verständlich, teils in sehr schlechter Qualität. Dies habe der Tontechniker festgestellt, welchem die Originaltonbänder unmittelbar nach Herausgabe von Seiten des Beklagten zu 1) ausgehändigt worden seien. Die Originaltonbänder seien von Seiten des Beklagten zu 1) von Hand „angelöscht“ worden.
404Der Kläger behauptet, seine Ehefrau, die Zeugin Dr. Y1 habe sämtliche Tonbänder abgehört und dabei festgestellt, dass lediglich 13 der streitgegenständlichen 116 Äußerungen annähernd im Wortlaut auf den Originaltonbändern hörbar seien. Hierzu nimmt der Kläger Bezug auf von der Zeugin angefertigte Wort-für-Wort-Protokolle zu den Äußerungen Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 49, 62, 89, 97, 100 (Bl. GA).
405Der Kläger behauptet weiter, er habe aufgrund des Zeitablaufs keine detaillierte Erinnerung mehr an den Inhalt und genauen Wortlaut der mit dem Beklagten zu 1) vor 14 – 16 Jahren geführten, mehr als 600 Stunden dauernden Gespräche. Da die Überprüfung der 13 ansatzweise auf den Originaltonbänder noch hörbaren Äußerungen ergeben habe, dass Äußerungen teils unrichtig seien, der Kläger im Wortlaut verfälscht, unkorrekt zitiert worden sei und die Äußerungen zudem aus dem Zusammenhang gerissen worden seien, müsse er davon ausgehen, dass auch die restlichen, von Beklagtenseite behaupteten Äußerungen unzutreffend seien.
406Der Kläger ist der Ansicht, die Wiedergabe der streitgegenständlichen Äußerungen als Originalzitate bzw. Äußerungen in indirekter Rede des Klägers im streitgegenständlichen Buch stelle eine schwerwiegende, rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, die nicht durch das Recht der Beklagten zu 2) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sei.
407Die Beklagten zu 2) und 3) hätten dabei eigennützig in voller Kenntnis der Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit gehandelt. Das Interesse der Beklagten, die Persönlichkeit des Klägers unverfälscht darzustellen und der „Deutungshoheit“ der Ehefrau des Klägers zu entziehen, sei nur vorgeschoben. Tatsächlich sei es den Beklagten allein um Maximierung des wirtschaftlichen Erfolgs unter Ausnutzung der Bekanntheit des Klägers gegangen. Bereits die Art und Weise der Verwendung der angeblichen Originalzitate belege, dass die Beklagten nicht in journalistischer Arbeitsweise um Authentizität bemüht gewesen seien, mit der indes das Buch massiv beworben worden sei.
408Der Kläger beantragt nunmehr,
4091.
410wie erkannt;
4112.
412dem Beklagten zu 1) zu untersagen, Zitate des Klägers von den im Antrag zu 1. genannten Originaltonbandaufnahmen oder von Abschriften und Vervielfältigungsstücken einschließlich von elektronischen Vervielfältigungsstücken von den im Antrag zu 1. genannten Original-Tonbandaufnahmen, in wörtlicher oder indirekter Rede zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf sonstige Weise zu nutzen, die erkennbar Teil der Lebenserinnerungen des Klägers sind und/oder persönliche Bewertungen des Klägers von Sachverhalten oder Personen darstellen.
413Die Beklagten beantragen,
414die Klage abzuweisen.
415Die Beklagten zu 1) und 2) bestreiten den Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1). Sie sind der Ansicht, der Kläger habe bereits die Voraussetzungen eines solchen Vertragsschlusses nicht schlüssig dargelegt. Auch die von dem Kläger in Bezug genommenen Aussagen des Zeugen Dr. M in dem Rechtsstreit LG Köln 14 O 612/12 vermöchten eine Geheimhaltungsabrede nicht zu belegen.
416Die Beklagten behaupten, tatsächlich sei es dem Kläger auf eine Geheimhaltung nicht angekommen, er habe sich vielmehr aus eigenem Antrieb unbefangen in der Öffentlichkeit äußern wollen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er wünsche nicht, dass die Gespräche nicht veröffentlicht würden. Anweisungen wie „das schreiben wir nicht“ seien stets nur auf die einzelne Situation bezogen gewesen. Die Beklagten hätten diese Anweisungen auch beachtet.
417Die mit dem Kläger geführten Gespräche seien journalistische Interviews gewesen. Aufgrund der journalistischen Arbeitsweise des Beklagten zu 1) sei auch für den Kläger klar erkennbar gewesen, dass der Beklagte zu 1) die ihm mitgeteilten Äußerungen verwerten werde. Die Beklagten sind der Ansicht, als Journalist sei der Beklagte zu 1) auch ohne Abstimmung mit dem Kläger berechtigt, die in seiner, des Beklagten zu 1), Gegenwart erfolgten Tonbandaufzeichnungen zu veröffentlichen und zu verbreiten, soweit diese nicht Eingang in die Memoiren gefunden hätten. Dies habe der Beklagte zu 1) in der Folge auch in mehreren Publikationen getan. Der Kläger habe hiervon Kenntnis gehabt, ohne dass Widerspruch von Seiten des Klägers erfolgt sei.
418Die Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers in teils drastischer Wortwahl im Jahr 2010 im Rahmen einer Dissertation des Zeugen Dr. R belege, dass der Kläger schon vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches nicht, wie vom Kläger behauptet, sich stets gegenüber der Öffentlichkeit um gemäßigte Äußerungen gegenüber politischen Freunden und Gegnern bemüht habe. Hierzu behaupten die Beklagten, der Zeuge Dr. R habe ein Schreiben des Klägers, in welchem dieser die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Interviews nur mit Einschränkungen genehmigte, nicht erhalten.
419Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten unter Bezugnahme auf die von ihnen vorgelegten Ausschnitte von Transkriptionen und Audio-Dateien, der Kläger sei in dem streitgegenständlichen Buch zutreffend zitiert worden. Widersprüche zwischen den dokumentierten Äußerungen des Klägers und den von den Beklagten veröffentlichten Zitaten seien nicht ersichtlich. Die sprachliche und grammatikalische Glättung einzelner Äußerungen verstoße nicht gegen den Grundsatz der Zitattreue. Auch seien die Zitate jeweils in zutreffendem Zusammenhang wiedergegeben. Die Beschreibung der Ausdrucksweise einzelner Zitate sowie die Darstellung mit Ausrufezeichen sei im Rahmen der Meinungsfreiheit der Beklagten zulässig. Auch könne der Kläger keinen Anspruch darauf erheben, dass auf den Originaltonbändern möglicherweise enthaltene, positive Äußerungen des Klägers zu den in den streitgegenständlichen Äußerungen Genannten in dem Buch gleichfalls erwähnt würden. Die Auswahl der zu veröffentlichenden Äußerungen stehe im Rahmen der Meinungsfreiheit der Beklagten.
420Die Beklagten zu 2) und 3) bestreiten, Kenntnis von der behaupteten Geheimhaltungsvereinbarung des Klägers mit dem Beklagten zu 1) gehabt zu haben.
421Die Beklagte zu 3), die sich im Übrigen das Vorbringen der Beklagten zu 1) und 2) zu eigen macht, bestreitet eine Kenntnis von dem Telefax vom 12.03.2002 (Anlage K 14, Bl. 399 GA) im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches. Sie behauptet, ihr sei insoweit nur der Wortlaut der von dem Kläger, dem Beklagten und dem Verlag geschlossenen Verträge bekannt gewesen, aus denen sich gerade keine Geheimhaltungsvereinbarung ergebe.
422Die Beklagten zu 2) und 3) vertreten die Auffassung, eine etwaige Geheimhaltungsvereinbarung sei allenfalls geeignet, einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1) zu begründen. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen durch die Beklagten zu 2) und 3) sei hingegen nicht rechtswidrig.
423,
424Hierzu behaupten die Beklagten, an den veröffentlichten Zitaten des Klägers bestünde ein überragendes öffentliches Interesse sowohl im Hinblick auf die Person des Äußernden als herausragende Person der Zeitgeschichte als auch im Hinblick auf den Inhalt der Äußerungen. Sie sind der Ansicht, die Äußerungen des Klägers seien nicht der Privat- sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, weil es sich um Stellungnahmen des Klägers zu seinem Wirken im politischen Leben und zu politischen Freunden und Feinden gehandelt habe. Im Hinblick auf die herausragende Stellung des Klägers als Politiker, der - von Klägerseite insoweit unwidersprochen - der bedeutendste Politiker der letzten 50 Jahre sei, sei der mit der Veröffentlichung der Tonbandprotokolle einhergehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Hinblick auf die den Beklagten zustehende Meinungs- und Pressefreiheit nicht rechtswidrig.
425Die Beklagten sind ferner der Ansicht, die in dem Buch enthaltenen, streitgegenständlichen Textpassagen seien ohnehin nicht geeignet, einen Unterlassungsanspruch des Klägers zu begründen, soweit darin Zitate enthalten seien, die nicht von dem Kläger stammten oder persönliche Wertungen und Stellungnahmen der Autoren enthielten.
426Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
427Mit nachgelassenen Schriftsatz vom 05.01.2017 (Bl. 2330-2363 GA), bei Gericht eingegangen innerhalb der Schriftsatzfrist, bestreitet die Beklagte zu 3) mit Nichtwissen, dass die Zeugin Dr. Y1 alle nicht gelöschten, bzw. hörbaren Stellen der Originaltonbänder abgehört habe sowie den Vortrag des Klägers zum Zustand der Originaltonbänder im Zeitpunkt der Herausgabe.
428Die Beklagte zu 3) trägt vor, sie gehe davon aus, dass die Tonbänder in vollem Umfang verständlich sein und die Gespräche im aufgezeichneten Umfang wiedergäben. Sie beantragt, dem Kläger gemäß § 142 Abs. 1, 144 Abs. 1 S. 2 ZPO aufzugeben, die ihm vorliegenden Originaltonbänder vorzulegen.
429Die Beklagte zu 3) macht sich den Vortrag der Beklagten zu 1) und 2) aus dem Schriftsatz vom 29.11.2016 zu eigen. Sie behauptet, die streitgegenständlichen Zitate seien insgesamt zutreffend wiedergegeben. Soweit Abweichungen zwischen dem Wortlaut der Audio-Dateien und den in dem Buch aufgeführten Originalzitate feststellbar seien, handele es sich um nicht sinnverfälschende, sprachliche bzw. grammatikalische Glättungen, welche zulässig seien. Auch seien die jeweiligen Zitate in ihren zutreffenden Zusammenhang gestellt. Der Sinngehalt des wörtlich nicht geäußerten Zitates Nr,. 89 zu Präsidenten „…“ ergebe sich aus dem Wortlaut der betreffenden Transkription.
430Die Beklagte zu 3) ist der Ansicht, der Kläger könne nicht in zulässiger Weise die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen bestreiten, zumindest nicht in der pauschalen Form, wie mit Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2016. Auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Abstandes sei davon auszugehen, dass der Kläger wissen müsse, ob er bestimmte Aussagen inhaltlich getroffen habe oder nicht.
431Die Beklagte zu 3) ist gleichfalls Ansicht, der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 21.11.2016 sei verspätet, eine Überprüfung der Originaltonbänder sei dem Kläger bereits seit März 2014 möglich gewesen.
432Mit nachgelassenen Schriftsatz vom 16.01.2017 (Bl. 2383-2454 GA), bei Gericht eingegangen innerhalb der Schriftsatzfrist, bestreitet der Kläger erneut die Richtigkeit der 116 streitgegenständlichen Zitate. Er führt dazu aus, dass die von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen die jeweiligen Gespräche in Wortlaut und dem Inhalt nach nicht zutreffend wiedergäben, diese seien nicht geeignet seien, als Nachweis für die in dem Buch als Originalzitate dargestellten Äußerungen des Klägers zu dienen. Hierzu nimmt der Kläger Bezug auf eine Abschrift der von Beklagtenseite vorgelegte Audiodateien (Anlage K 33, Bl. 2 439-2454 GA), vergleicht diese mit den bereits von Klägerseite mit Schriftsatz vom 21.11.2016 vorgetragenen Abschriften der Originaltonbänder und behauptet, der Wortlaut der Audiodateien belege, dass nur die von Klägerseite vorgelegten Abschriften zutreffende Wort-für-Wort-Protokolle darstellten.
433Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag, dass auch die streitgegenständlichen Zitate unter Berücksichtigung der Audio-Dateien und selbst des Wortlautes der Transkriptionen nicht im Zusammenhang dargestellt seien und zudem sinnentstellend wiedergegeben würden. Ein Teil der Zitate sei offensichtlich von den Beklagten frei erdacht, im Übrigen böswillig die Worte des Klägers aus dem Zusammenhang gerissen, durch Kombination von Äußerungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstellt und durch Zuspitzungen zum Nachteil des Klägers verfremdet worden.
434Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten zu 1) und 2) vom 12.01.2017 und 30.03.2017 sowie der Beklagten zu 3) vom 31.03.2017 haben vorgelegen.
435Die Akten LG Köln 14 O 315/14, 14 O 286/14, 14 O 323/15 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
436Mit Beschluss vom 21.04.2016 und 05.07.2016 (Bl. 1009f, 1172 GA) hat die erkennende Kammer dem Beklagten zu 1) gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgegeben, eine vollständige Kopie der streitgegenständliche Originaltonbänder in digitalisierter Form (CD) vorzulegen, sowie den Beklagten zu 2) und 3) aufgegeben, eine vollständige Abschrift der streitgegenständlichen Originaltonbänder zu den Gerichtsakten zu reichen.
437Die Beklagten sind dem nicht nachgekommen. Die Beklagte zu 3) hat erklärt, sie verfüge über keine Abschrift; die Beklagten zu 1) und 2) haben durch ihre Prozessbevollmächtigten zum Besitz von Tonbändern und/oder Abschriften keine Erklärung abgeben lassen.
438Entscheidungsgründe
439I.
440Die Klage ist nur teilweise zulässig.
441Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung oder Nutzungen von nicht näher bezeichneten Zitaten des Klägers aus den streitgegenständlichen Originaltonbandaufnahmen, soweit diese erkennbar Teil der Lebenserinnerungen des Klägers sind und/oder persönliche Bewertungen des Klägers von Sachverhalten oder Person darstellen (Klageantrag zu 2).
442Der Klageantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.
443Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Unterlassungsantrag ist in diesem Sinne bestimmt, wenn er den Gegenstand der zu unterlassenden Handlung so genau beschreibt, dass für den Unterlassungsschuldner unzweideutig zu erkennen ist, welche Verhaltensweise hiervon betroffen wäre.
444Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstandes in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt jedoch auch ab von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalles. (BGH, Urteil vom 4.7.2002 -I ZR 38/00-, WRP 2002, 1269 (1271) - Zugabenbündel, m.w.N.; BGH, Urteil vom 22.11.2007- I ZR 12/05 - Planfreigabesystem, juris Rn 23f). Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrages sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14, juris Rn. 9).
445Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Unterlassungsantrag des Klägers zu unbestimmt, da er zulasten des Beklagten zu 1) die Konkretisierung der zu unterlassenden Handlung, hier der Wiedergabe von Zitaten des Klägers aus den Originaltonbandaufnahmen, auch nicht ansatzweise näher umschreibt. Die Formulierung „erkennbar Teil der Lebenserinnerungen des Klägers“ und „persönliche Bewertungen des Klägers von Sachverhalten oder Personen“ enthält Begriffe, die keinen feststehenden, objektiv zu beurteilenden Inhalt haben. Bereits die Formulierung „erkennbar“ definiert nicht, von welchem Kenntnisstand und von welcher Warte her die Beurteilung erfolgen soll; auch ist offen, was „Lebenserinnerungen“ des Klägers umfassen sollen. In der weitest möglichen Auslegung würden davon sämtliche Umstände umfasst sein, die dem Kläger je zur Kenntnis gebracht wurden, auch sämtliche allgemein bekannten Tatsachen. Schließlich ist auch der Begriff „persönliche Bewertungen“ nicht exakt einzugrenzen, da je nach Art und Weise der Äußerung es sich darüber streiten lässt, ob lediglich eine Tatsache mitgeteilt, oder in der Mitteilung zugleich eine persönliche Bewertung mitschwingt.
446Auf die mangelnde Bestimmtheit des Klageantrages ist der Kläger von Seiten der erkennenden Kammer bereits mehrfach hingewiesen worden.
447II.
448Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
4491.
450Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen aus Vertrag wegen Verletzung der dem Beklagten zu 1) obliegenden Geheimhaltungsverpflichtung, § 241 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB.
451a) Im Rahmen der Einigung des Klägers und des Beklagten zu 1) über die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen zu Zwecken der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers einigten sich der Kläger und der Beklagte zu 1) zugleich konkludent dahingehend, dass der Beklagte zu 1) über die von dem Kläger ihm anvertrauten Informationen und Einschätzungen, jedenfalls soweit sie nicht vorbekannt waren, Stillschweigen zu bewahren hat.
452Diese Vereinbarung war auch konkludent möglich. Die vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit setzte bereits deshalb nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung voraus, weil die Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) keine journalistischen Interviews waren, sondern ausschließlich die Ghostwriter-Tätigkeit des Beklagten ermöglichen und fördern sollten.
453Die Tonbandaufzeichnungen sind nicht Ergebnis der journalistischen (Recherche-) Tätigkeit des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) wurde bei der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen nicht als „Journalist und Historiker“ zugezogen und führte auch nicht im Rahmen eigener journalistischer Recherchen ein Interview mit dem Kläger. Bereits die von den Beklagten zu 1) und 2) vorgelegten Ausschnitte der Transkriptionen sprechen gegen die diesbezügliche Darstellung der Beklagten von dem Gesprächsverlauf. Vielmehr ist den Ausschnitten zu entnehmen, dass in weitem Umfang der (nicht benannte) „Interviewpartner“ nur kurze Fragen oder Bemerkungen von sich gibt, auf die der Kläger umfangreich, teils seitenweise Ausführungen macht. Gegen die von den Beklagten behauptete Interviewsituation spricht nicht zuletzt auch die Bemerkung des Klägers (Transkription OC 96, Bl. 2232 GA):
454„Ich kann doch nicht das ganze Buch ohne jede Unterlage runterdiktieren. Das ist keine Unterlage….
455Vielmehr war der Beklagte zu 1) als von dem Verlag beauftragter und bezahlter, verdeckt arbeitender Schriftsteller (Ghostwriter), der aufgrund der mit dem Verlag getroffenen Vereinbarung nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte, mit der Erstellung der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers betraut worden, wobei das auf Grundlage dieser Materialsammlung von dem Beklagten zu 1) zu erstellende Manuskript nach den gleichlautenden Vereinbarungen in den Verlagsverträgen vor einer Veröffentlichung der Endkontrolle durch den Kläger unterlag.
456Die Kammer hält auch auf Grundlage des Vortrags der Parteien im vorliegenden Verfahren an ihrer mit Urteilen vom 12.12.2013 (Az: 14 O 612/12) und 13.11.2014 (Az.: 14 O 315/14) begründeten Auffassung fest, dass die Erstellung der Tonbandaufnahmen nicht im rechtsfreien Raum oder im Rahmen einer Gefälligkeit von Seiten des Beklagten zu 1) erfolgte, sondern Gegenstand eines zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) vereinbarten Auftragsverhältnisses im Sinne von § 662 BGB war.
457In dem von dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) geführten Rechtsstreit auf Herausgabe der Originaltonbänder hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206714) zur rechtlichen Einordnung der Absprache der Parteien über die Erstellung der Materialsammlung und die Aufzeichnung der Gespräche auf Tonband ausgeführt:
458Der Herausgabeanspruch folgt aber aus einer Vereinbarung über das von dem Kläger für die Abfassung der Memoiren zur Verfügung zu stellende Material, die die Parteien gewissermaßen „unter dem Dach“ ihrer Verträge mit dem Verlag und zur Durchführung der dort nur allgemein angesprochenen Frage der Materialsammlung konkludent getroffen haben. Diese Vereinbarung hat entsprechend der Grundstruktur der auszufüllenden Verlagsverträge den Charakter eines Auftragsverhältnisses und begründet einen Herausgabeanspruch des Klägers aus § 667 BGB.
459Die Parteien haben die ihrer „Besprechung“ vorbehaltenen Modalitäten der Ausstattung des Beklagten mit dem zur Erstellung des Manuskripts erforderlichen Material nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert. Sie haben sich aber rein tatsächlich darüber verständigt, indem der Kläger dem Beklagten Unterlagen zugänglich gemacht und für lange Gespräche zur Verfügung gestanden hat. Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Beklagten weder um eine Absprache im außerrechtlichen, rein gesellschaftlichen Bereich noch um eine bloße Gefälligkeit, sondern um eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit.
460Ob eine Partei eine rechtlich verbindliche Vereinbarung oder nur eine unverbindliche Absprache treffen will, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.1971 - VII ZR 146/69, BGHZ 56,204,209 f.). Es kommt darauf an, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Dies ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln. Dabei sind vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, die Interessenlage der Parteien (vgl. BGH, Urteile vom 22.Juni1956 - I ZR 198/54, BGHZ 21, 102, 106 f., Vom 21.Juli 2005 - I ZR 312/02, NJW-RR 2006,117, 120, vom 18.Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009,1141 Rn. 7 und vom 21. Juni 2012 - III ZR 291/11, NJW 2012,3366 Rn. 14) und das objektive Bedürfnis nach einer rechtsverbindlichen Regelung (vgl. MÜKoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 662 Rn. 59 f) zu berücksichtigen. Danach haben die Parteien miteinander hier nicht nur eine informelle Absprache getroffen, sondern einen rechtlich verbindlichen Vertrag über ihre Zusammenarbeit bei der Materialsammlung geschlossen.
461Die Regelung dieser Zusammenarbeit war in den Verlagsverträgen der Parteien mit dem Verlag offen gelassen und einer „Besprechung“ der Parteien vorbehalten worden. Hierbei handelt es sich aber nicht, worauf die Verwendung des Begriffs „besprechen“ in den Verträgen auf den ersten Blick hindeuten mag, um einen unbedeutenden Nebenpunkt wie die Absprache eines Termins. Es ging vielmehr um die Einzelheiten der für das Gelingen des Gesamtprojekts und der Verträge der Parteien mit dem Verlag entscheidenden Ausstattung des Beklagten mit dem erforderlichen Material im weitesten Sinne.
462Gegenstand der „Besprechung“ sollten mithin vertrauliche Unterlagen wie Handakten, Briefverkehr, Redemanuskripte und andere Dokumente aus der Zeit der politischen Tätigkeit des Klägers sein, die dieser dem Beklagten zugänglich machen sollte. Darunter befand sich auch zahlreiche Quellen, die der Öffentlichkeit aufgrund der 30-jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden, etwa auch Auszüge aus der „Stasi-Akte“ des Klägers. In den vorgesehenen Gesprächen sollte der Kläger dem Beklagten seine persönlichen Erinnerungen, Informationen, Einschätzungen und unter Umständen auch Gefühle preisgeben. In welchem Umfang er sich dem Beklagten öffnete, konnte er zwar im Grundsatz selbst bestimmen. Er durfte sie aber letztlich nicht zu sehr beschränken, weil die Memoiren der nicht gelingen konnten. Er war deshalb darauf angewiesen, dass er nicht nur Herr über das überlassene Material, sondern auch Herr über seine aufgezeichneten Äußerungen blieb. Das setzt neben dem persönlichen Vertrauensverhältnis eine rechtlich verbindliche Vereinbarung voraus, die ihm die zur Durchsetzung der Vertraulichkeit erforderlichen Ansprüche verschaffte und die die Parteien nach den Verlagsverträgen auch miteinander treffen sollten.
463Die durch die Parteien zur Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit jedenfalls konkludent getroffene Vereinbarung ist zwar eine nach § 311 Abs. 1 BGB ohne Weiteres zulässige Vereinbarung eigener Art, die keinen der gesetzlich geregelten Vertragstypen voll abbildet. Auf eine solche Vereinbarung sind aber, soweit möglich, die Regelungen für den gesetzlichen Vertragstyp anzuwenden, dem sie am nächsten kommt (Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, 3. Aufl., § 311 Rn. 19). Das ist das Auftragsverhältnis.
464Der Beklagte hatte allerdings nach den Verlagsverträgen das Manuskript der Memoiren des Klägers persönlich zu erstellen. Diese Aufgabe ist intellektuell anspruchsvoll und erfordert eine Einarbeitung des Beklagten in die Thematik. Auch bei den Gesprächen beschränkte sich seine Rolle nicht darauf, das Tonband nach Weisung des Klägers an- oder auszuschalten. Sie erforderte ein Gesprächskonzept, mit dem die Erinnerung des Klägers und sein Wissen gewissermaßen „erschlossen“ werden konnten.
465Das bedeutet aber nicht, dass der Beklagten an den Memoiren des Klägers als gleichberechtigter Autor mitwirken sollte wie das etwa bei einem gemeinsamen Buch mehrerer Autoren der Fall ist. Mit dem Abschluss seines Verlagsvertrags hat er, - dem Sujet des Werks geschuldet - eine trotz ihres intellektuellen Anspruchs dienende Rolle übernommen. Autor sollte allein die Kläger sein. Er hatte das Recht, schon in der Entstehungsphase des Werks jederzeit in das Manuskript einzugreifen und der weiteren Arbeit des Beklagten die Richtung zu geben, die er für richtig hielt. Das Manuskript selbst sollte schließlich ihm und nicht dem Beklagten gehören.
466Die dienende Rolle des Beklagten tritt bei der Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Materialsammlung noch deutlicher zu Tage. Nach den Verlagsverträgen entscheidet allein der Kläger darüber, welches Material er in welchem Umfang preisgibt. Die für das Gelingen des Werks erforderliche großzügige Preisgabe von “Material“ konnte der Beklagte von dem Kläger aber, wie bereits ausgeführt, nur erwarten, wenn dieser Herr auch über seine Erinnerungen und Gedanken blieb. Voraussetzung dafür war, dass sich der Beklagte bei der Sammlung des Materials in den Dienst des Klägers stellte und, dieser Rolle entsprechend, das gesammelte Material für den Kläger zu treuen Händen verwaltete. Diese Rollenverteilung ist aber das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2006), § 662 Rn. 2; Erman/Berger, BGB, 14. Aufl., § 662 Rn. 3), dessen Regeln deshalb auf die Vereinbarung der Parteien über die Zusammenarbeit bei der Sammlung des Materials anzuwenden sind.
467Die Kammer teilt diese rechtliche Bewertung der Vereinbarung der Parteien uneingeschränkt. Sie entspricht der Einschätzung der Kammer, wie sie diese bereits in den vor der Kammer geführten Verfahren (14 O 612/12, Urteil vom 12.12.2013; Az.: 14 O 315/14, Urteil vom 13.11.2014) zum Ausdruck gebracht hat.
468Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverhältnisses haben der Kläger und der Beklagte zu 1) zugleich vertraglich vereinbart, dass die Äußerungen des Klägers auf den Tonbandprotokollen nicht ohne Zustimmung des Klägers von dem Beklagten zu 1) veröffentlicht oder verbreitet werden durften, § 151 S. 1 1. HS BGB. Die Kammer hält an ihrer Auffassung fest, wie mit Urteil vom 13.11.2014 – Az.: 14 O 315/14 ausgeführt und von dem Oberlandesgericht Köln vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 bestätigt:
469Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) (hier: Beklagten zu 1)) einen vertraglichen Unterlassungsanspruch (§ 241 BGB) aus einer konkludent geschlossenen Geheimhaltungsabrede, weil er die durch Unterschrift des Beklagten zu 2) unter den Verlagsvertrag geäußerte Bereitschaft, zu den dort geregelten Konditionen als Ghostwriter an der Erstellung der Memoiren mitzuwirken, als Angebot hinsichtlich einer Geheimhaltungsabrede verstehen durfte und sie seinerseits durch die im Beginn der Stoffsammlung liegende Aufnahme der Zusammenarbeit im Keller des klägerischen Hauses angenommen hat. Ob und in welchem Umfang dem tatsächlichen Verhalten einer Person der Wille zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung bzw. zu deren Annahme zukommt, ist durch Auslegung des objektiv erkennbaren Willens sowie der erkennbaren äußeren Umstände zu ermitteln. Im vorliegenden Fall ergibt sich bei Würdigung der Gesamtumstände der Zusammenarbeit zwischen den Parteien, namentlich der Regelungen in den jeweiligen Verlagsverträgen sowie der Zweckbindung der in Form von Tonbandaufnahmen erfolgten Stoffsammlung ein erkennbarer Wille des Beklagten zu 2), sich gegenüber dem Kläger zu verpflichten, die im Rahmen der Tonbandaufnahmen gemachten Äußerungen nicht ohne Einwilligung des Klägers zu veröffentlichen sowie eine Annahme dieses Angebotes durch den Kläger.
470Im Einzelnen:
471aa. Dass der Beklagte zu 2) sich gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichten wollte, den Inhalt der Stoffsammlung für die Memoiren gegenüber der Öffentlichkeit geheim zu halten, ergibt sich zunächst aus seiner Rolle im dreiseitigen Verhältnis zwischen ihm, dem Kläger und dem F-Verlag. Der Beklagte zu 2) hat sich durch seine Unterschrift unter den Verlagsvertrag zu einer Zusammenarbeit mit dem Kläger bereit erklärt, in der er weitgehend die Rolle eines anonym bleibenden Zuarbeiters einnahm. Er hatte keinen Anspruch darauf, mit dem Kläger tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten (§ 1 Abs. 1 S. 3), er hatte die schriftliche Abfassung des Werkes nach den Vorgaben und Angaben des Klägers vorzunehmen (§ 1 Abs. 2), dem Kläger stand ein jederzeitiges Einsichtsrecht in das Manuskript zu (§ 1 Abs. 3), welches in seinem Eigentum stand (§ 4 Abs. 2), er hatte ein Recht zu jeglichen Änderungen und zur Erklärung der Fertigstellung (§ 2 Abs. 5 und 6) und schließlich hatte der Beklagte zu 2) in § 2 soweit zulässig auf eventuelle Urheberrechte verzichtet. Diese Regelungen machen in einer Gesamtschau deutlich, dass dem Kläger sämtliche Entscheidungsbefugnisse sowohl im Hinblick auf die Erstellung als auch auf die abschließende Fertigstellung des Werkes zustanden. Musste der Beklagte zu 2) damit jeglichen Änderungswünschen des Klägers sowohl im Hinblick auf den Inhalt des Manuskriptes als auch im Hinblick auf seine eigene Person nachkommen und konnte eine Fertigstellung des Werkes nur durch den Kläger erklärt werden, so folgt daraus, dass der Beklagte zu 2) durch seine Akzeptanz dieser vertraglichen Regelungen auch dem Kläger gegenüber die konkludente Erklärung abgab, nicht eigenmächtig mit dem Inhalt der Memoiren bzw. der Stoffsammlung zu verfahren. Angesichts der ihm in den Verträgen zugedachten „dienenden“ Stellung im Rahmen des Memoiren-Projektes konnte er auch nicht davon ausgehen, vom Kläger als Journalist wahrgenommen zu werden, der im Rahmen einer Interviewsituation Informationen zu einem bestimmten Themengebiet sammelt und mit diesen dann nach eigenem Gutdünken verfahren darf. Vielmehr war ihm aufgrund der Kenntnis der jeweiligen vertraglichen Regelungen klar, dass der Kläger ihn als einen letztlich austauschbaren Mitarbeiter ansehen musste, der Hilfestellung bei der Stoffsammlung und Formulierung erbringen sollte, jedoch keine eigenen Entscheidungen im Hinblick auf Art und Inhalt der Veröffentlichung treffen durfte.
472Das Zustandekommen einer konkludenten Geheimhaltungsabrede zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die jeweiligen Verlagsverträge in § 4 Abs. 2 S. 3 (Kläger) bzw. § 1 Abs. 4 S. 2 (Beklagter zu 2)) eine bewusste Lücke enthielten, die nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hätte geschlossen werden können. Denn die entsprechende Regelung, wonach die „Einzelheiten der Zusammenarbeit“ zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) „direkt besprochen“ werden sollten, bezieht sich sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zweck nach auf die in der praktischen Zusammenarbeit auftretenden Fragen, wann, wo und wie konkret die Gespräche ablaufen oder wann welche Unterlagen übergeben bzw. zur Einsicht zur Verfügung gestellte werden sollten. Dagegen lässt sich den betreffenden Regelungen nicht entnehmen, dass eine Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) nur dann bestehen sollte, wenn sie Gegenstand einer ausdrücklichen Regelung zwischen ihm und dem Kläger geworden war.
473bb. Für eine konkludent geäußerte Bereitschaft des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsabrede mit dem Kläger spricht des Weiteren auch die Zweckbindung der Tonbandaufnahmen. Diese Aufnahmen hatten keinen eigenständigen Zweck, insbesondere waren sie als solche nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, sondern dienten vielmehr als Stoffsammlung für die zu erstellenden Memoiren des Klägers. Schon aus dieser Zweckbindung ergibt sich die objektiv erkennbare Pflicht des Beklagten zu 2), mit den betreffenden Äußerungen und Informationen vertraulich zu verfahren. …Die sich damit aus der Zweckbindung der Stoffsammlung ergebende Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 2) bestand nicht nur gegenüber dem F-Verlag, dessen Memoiren-Projekt durch die (Vorab-) Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers möglicherweise gefährdet worden wäre. Vielmehr bestand eine solche Pflicht auch gegenüber dem Kläger. Denn unabhängig von der Frage, ob der Kläger gegebenenfalls durch die Veröffentlichung einzelner – insbesondere der in ihrer Wortwahl mitunter drastischen – Äußerungen in Schwierigkeiten hätte geraten können, widersprach bereits aufgrund der Eigenschaft als Stoffsammlung und damit einer nur vorläufiger Zusammenstellung der Erinnerungen des Klägers jede Veröffentlichung dem gemeinsamen Vertragszweck „Erstellung der Memoiren“, zu dem der Beklagte zu 2) Hilfestellung zu leisten hatte.
474Soweit sich der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang darauf beruft, die Gespräche mit dem Kläger seien thematisch gerade nicht auf die Memoiren beschränkt gewesen, sondern ihr Zweck sei weitergehend auch gewesen, die Erinnerungen des Klägers für die Nachwelt aufzubewahren, zumal auch andere, teilweise tagesaktuelle Themen besprochen worden seien, zwingt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Memoiren des Klägers ausweislich § 1 Abs. 1 seines auch dem Beklagten zu 2) bekannten Verlagsvertrages wie folgt definiert sind: „Das Werk hat den Charakter der Autobiographie von Helmut Kohl. Es umfasst den Zeitraum von der Geburt bis zur Gegenwart und soll dem Leser einen nachhaltigen Eindruck von dem Menschen Helmut Kohl und seiner Zeit sowie dem „homo politicus“ Helmut Kohl und den politischen Ereignissen, die er wesentlich mitprägte, vermitteln“. Insofern enthält die Werkbeschreibung schon dem Wortlaut nach keine Einschränkung dahingehend, dass die Memoiren nicht auch gegebenenfalls Themen von im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen tagesaktueller Bedeutung mit umfassen können bzw. dass nicht auch durch die zu solchen Themen getätigten Äußerungen des Klägers dem Leser ein Eindruck von ihm als Mensch und Politiker vermittelt wird. Selbst die Bejahung einer zeitlichen und/oder inhaltlichen Beschränkung des Gegenstands der Memoiren und damit des Vertragszwecks stützt aber nicht die von den Beklagten gezogene Schlussfolgerung. Denn jedenfalls war im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen überhaupt nicht absehbar, welche der Äußerungen des Klägers in welchem Umfang in den späteren Memoiren Verwendung finden würden, so dass zu diesem Zeitpunkt auch kein Teil der Tonbandaufnahmen identifiziert werden konnte, für die die Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) keine Geltung hätte beanspruchen sollen. Dass der Umfang des gemeinsamen Projektes sich gegenüber der ursprünglich in den Verlagsverträgen enthaltenen Annahmen erheblich ausgeweitet hat, ist schon daran zu erkennen, dass die Verlagsverträge von ca. 200 Stunden Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) sowie einem Manuskript von ca. 500 Seiten ausgingen, während die gemeinsamen Gespräche tatsächlich über 600 Stunden dauerten und die bisher erschienenen drei Bände der Memoiren ca. 2.300 Seiten umfassen, ohne dass das Projekt damit sein beabsichtigtes Ende gefunden hätte.
475..
476Das damit aus den Gesamtumständen folgende Angebot des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsverpflichtung hat der Kläger durch Aufnahme der Zusammenarbeit auch angenommen.
477Das Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Verfahren gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
478Der Umstand, dass der Beginn der Tonbandaufzeichnungen (01.10.1999), zeitlich vor Abschluss der „Verlagsverträge“ im November 1999 erfolgte, wie nach Herausgabe der Originaltonbänder an den Kläger nunmehr zwischen den Parteien unstreitig ist, steht der Annahme einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht entgegen. Der Beklagte zu 1) trägt selbst vor, dass die Tonbandaufzeichnungen erst begannen, nachdem die wesentlichen Vertragsparameter festgelegt worden waren.
479Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht gegen die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien auch nicht, dass eine solche nicht in den im November 1999 geschlossenen Verträgen der Parteien mit dem Verlag schriftlich fixiert wurde. Die schriftlichen Verträge aus November 1999 wurden nicht zwischen den Parteien geschlossen, sondern von diesen jeweils gesondert mit dem Verlag. Aus diesem Grund konnte eine unmittelbare Vereinbarung zwischen den Parteien, an der der Verlag zudem nicht beteiligt war, nicht Gegenstand der „Verlagsverträge“ sein. Folgerichtig wurde in den von den Parteien jeweils mit dem Verlag geschlossenen Verträgen die Abstimmung der Parteien über das von dem Kläger dem Beklagten zu 1) zur Verfügung zu stellende Material einer gesonderten „Besprechung“ vorbehalten.
480Auch unter Zugrundelegung des jetzigen Vorbringens der Beklagten ging es bei der „Besprechung“ nicht nur um die Abstimmung technischer Einzelheiten oder organisatorischer Fragen, sondern um das für das Gelingen des Gesamtprojekts der Verträge mit dem Verlag entscheidenden Ausstattung des Beklagten zu 1) mit dem erforderlichen Material im weitesten Sinne (BGH a.a.O Rn. 29). Soweit der Beklagte zu 1) nunmehr geltend macht, der Kläger habe hierzu einen nur untergeordneten Beitrag geleistet im Vergleich zu der aufwändigen Recherchearbeit und schriftstellerischen Tätigkeit des Beklagten zu 1), verkennt er, dass die vom Beklagten zu 1) so genannte „Unterstützung bei der Zugangsgewährung zu vertraulichen Quellen“ bei wertender Betrachtung neben den Memoiren-Gesprächen der entscheidende Beitrag zur Ausstattung des Beklagten zu 1) mit dem erforderlichen Material war.
481Auch der Beklagte zu 1) stellt letztlich nicht in Abrede, dass von wesentlicher Bedeutung für die Abfassung der Memoiren war, dass der Beklagte zu 1) „als erster Journalist und Historiker überhaupt ..Quellen einsehen (konnte), die noch für Jahrzehnte kein Kollege zu Gesicht bekommen wird“ (Buch Seite 48). Die Entscheidung darüber, welches umfangreiche, der Öffentlichkeit bislang verschlossene Aktenmaterial, darunter die Privatkorrespondenz des Klägers, der Beklagte zum Zweck der Materialsammlung sichten konnte, lag aber allein bei dem Kläger. Zugang zu diesen Akten erhielt der Beklagte nur auf Veranlassung des Klägers. Auch nach Vorbringen der Beklagten war es der Kläger, der dem Beklagten das Erlangen einer „Konferenzbescheinigung“ zwecks Einsichtnahme in die Akten des Bundeskanzleramtes vermittelte, ebenso wie den Einblick in die Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung und „Kabinetts- und Fraktionsprotokolle, vertrauliche Mitschriften der Viermächtegespräche über die Einheit, die haarklein abgetippten Telefongespräche mit den Großen der Welt“…(Buch s. 48), die Archive der Partei sowie die Stasi-Akte des Klägers (Buch Seite 49).
482Der Zugang zu diesen Akten wurde dem Beklagten zu 1) auch nicht in seiner Eigenschaft als Journalist, sondern ausschließlich im Interesse des Klägers und als dessen Beauftragter gewährt. Nach dem Wortlaut der Konferenzbescheinigung („T, Dr. T vom WDR für Büro BK a.D. Dr. Kohl“) welche „nach Beendigung des Auftrags“ zurückzugeben war, war nicht die Tätigkeit des Beklagten zu 1) bei dem WDR ausschlaggebend für die Erteilung der Zulassung, sondern dass dieser im Auftrag des Klägers handelte.
483Den Beitrag des Klägers zu dem Materialsammlung, den der Beklagte zu 1) und ihm folgend die Beklagten zu 2) und 3) als „allenfalls Unterstützung bei der Zugangsgewährung zu vertraulichen Quellen“ bagatellisieren, war damit tatsächlich von entscheidender Bedeutung für deren Erstellung, ebenso wie die Ausführungen des Klägers zu seinen Lebenserinnerungen, die auf Tonband festgehalten wurden. Allein der Kläger bestimmte, welche Informationen, die der Öffentlichkeit zuvor nicht bekannt waren, in diese einfließen konnten.
484Die zweifellos anspruchsvolle und aufwändige Recherchetätigkeit, die der Beklagte zu 1) in Auswertung der ihm zugänglichen gemachten Quellen und bei der Erstellung der Materialsammlung leistete, entsprach dagegen der zwischen den Parteien vorgenommenen Aufgabenverteilung, wonach der Beklagte zu 1) als Zuarbeiter des Klägers die „Kärrnerarbeit“ der Informationsbeschaffung zu erbringen hatte, nachdem der Kläger die entscheidenden Vorgaben gemacht hatte.
485Soweit der Beklagte zu 1) des Weiteren vorträgt, die Memoirengespräche seien von eher untergeordneter Bedeutung für die „Erinnerungen“ gewesen, ist dies mit der Einschätzung, wie sie die Beklagten zuvor selbst geäußert hatten („ein unwiederbringliches Dokument der Zeitgeschichte“, Buch Seite 18) nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus ist der Vortrag des Beklagten zu 1), entscheidend für die „Erinnerungen“ sei die von ihm vorgenommene Auswertung von Quellen, nicht aber seien es die auf Band gesprochenen Lebenserinnerungen des Klägers gewesen, nicht mit dem unstreitigen Vorbringen der Parteien vereinbar, dass das Buchprojekt als Autobiografie des Klägers verfasst werden sollte. In einer Autobiografie stehen denknotwendig die persönlichen Einschätzungen und Lebenserfahrungen des Porträtierten im Mittelpunkt, die durch reines Quellenstudium nicht ersetzt werden können.
486Auch aus der Gestaltung der Verlagsverträge ergibt sich, dass die „Erinnerungen“ nicht, wie der Beklagte zu 1) behauptet, als gemeinsames Projekt der Parteien konzipiert waren, sondern als Vorhaben des Klägers, zu dem der Beklagte zu 1) als von dem Verlag bezahlter Mitarbeiter des Klägers seinen Beitrag leisten sollte. Die Recherchekosten des Beklagten zu 1) waren von dem Verlag pauschal abgegolten worden, weshalb dahinstehen kann und für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien ohne Belang ist, ob und in welchem Umfang der Beklagte zu 1) Recherchekosten (zunächst) selbst getragen hat.
487Ersichtlich hat der Beklagte zu 1) während der Materialsammlung für die Memoiren, welche auch die umfangreichen Gespräche mit dem Kläger einschloss, seine Rolle nicht als Journalist, sondern als ein aufgrund seiner Qualifikation als Schriftsteller und Historiker ausgewählter Vertrauter und Beauftragter des Klägers gesehen, der die ihm anvertrauten, zum Teil der Geheimhaltung unterliegenden Quellen im Interesse des Klägers auswertete und treuhänderisch verwahrte.
488Der Beklagte zu 1) trägt selbst vor, dass er geheimhaltungsbedürftiges, ihm auf Veranlassung des Klägers ausgehändigtes Aktenmaterial jeweils nach Auswertung unverzüglich zurückgegeben habe. Auch in dem von dem Beklagten zu 1) aufgesetzten Entwurf eines Antrags auf Akteneinsicht in die Stasi-Akten des Klägers weist der Beklagte zu 1) ausdrücklich darauf hin, dass er “nicht in seiner Eigenschaft als Forscher oder Journalist“, sondern als Vertrauter im Auftrag des Klägers und stellvertretend für diesen handele (Telefax vom 12.03.2002, Anlage K 14, Bl. 399 GA).
489Der Beklagte zu 1) wurde nach der von ihm selbst formulierten Tätigkeitsbeschreibung nicht im eigenen, sondern ausschließlich mit Einverständnis des Klägers im Fremdinteresse tätig. Diese Rollenverteilung ist das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses. Die von den Beklagten detailliert beschriebene journalistische Arbeitsweise insbesondere bei der Gesprächsführung mit dem Kläger steht der Annahme eines Auftragsverhältnisses gleichfalls nicht entgegen, da für die Materialsammlung eine journalistische Herangehensweise an die Informationsbeschaffung zweckdienlich war und der Beklagte zu 1) nicht zuletzt auch aufgrund seiner Berufserfahrung als Journalist als Zuarbeiter des Klägers ausgewählt worden sein dürfte.
490Die Vereinbarung der Parteien über das dem Beklagten zu 1) zur Verfügung zu stellende Material erstreckte sich in der Folge auch auf das Material für das Buchprojekt „Helmut Kohl - Mein Tagebuch 1998-2000“ (Tagebuch). Dies ergibt sich aus den von den Parteien jeweils mit dem Verlag im Juli 2000 geschlossenen Verträgen (Anlage K 16, Bl. 1786 bis 1810 GA), in welchen gleichlautend mit den zuvor bereits geschlossenen Verträgen in § 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 2 jeweils die Ausgestaltung der Zusammenarbeit einer gesonderten Absprache der Parteien vorbehalten war. Es folgt ferner daraus, dass das für die Jahre 1998-2000 vorgesehene Tagebuch sich auf einen Zeitraum erstreckte, in welchem, beginnend mit 01.10.1999, der Kläger bereits umfangreich seine Lebenserinnerungen auf Band gesprochen hatte, so dass die Materialsammlung für beide Buchprojekte nicht voneinander zu trennen war (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 15 U 193/14 - Kohls Ghostwriter, juris Rn. 36).
491Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine ausdrückliche Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen den Parteien nicht erforderlich war, da Grundlage für die Zusammenarbeit der Parteien bei der Materialsammlung die Erstellung der Memoiren durch den Beklagten zu 1) als Ghostwriter war, der nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte und für diese Tätigkeit bezahlt worden war. Da die Durchführung dieses Projektes nur bei Einhaltung der Verschwiegenheit, zu der sich der Beklagte zu 1) gegenüber dem Verlag zudem ausdrücklich verpflichtet hatte, möglich war, war die Mitwirkung des Beklagten zu 1) an der Materialsammlung und damit auch an den Tonbandaufnahmen, die zudem auf Veranlassung des Klägers erfolgte, aus Sicht des Klägers nur so zu verstehen, dass der Beklagte zu 1) bereit war, das Geheimhaltungsinteresse des Klägers zu achten und damit auch die notwendige Verschwiegenheit einzuhalten.
492Die Verpflichtung zum Stillschweigen besteht auch noch heute, da auch nach Vortrag des Beklagten zu 1) der Inhalt der Tonbandaufzeichnungen lediglich zu 10 % in den Memoiren des Klägers verwertet wurde und die veröffentlichten Memoiren mit dem Jahr 1994 enden.
493Dahinstehen kann, ob der Kläger derzeit beabsichtigt, die Memoiren fortzusetzen, da nach der Vertragsgestaltung es der Entscheidungsfreiheit des Klägers auch überlassen blieb (und bleibt) einen Teil seiner Lebensgeschichte nicht der Öffentlichkeit preiszugeben.
494Die Ansicht des Beklagten zu 1), er sei berechtigt, sämtliche Informationen, die nicht Eingang in die Memoiren gefunden haben, eigenständig zu verwerten, ist offensichtlich nicht von dem Willen der Parteien bei verständiger Auslegung der jeweiligen Erklärungen gedeckt. Informationen, die der Kläger aus welchen Gründen auch immer nicht in die Memoiren aufnehmen wollte, aber dem Beklagten zu 1) zum besseren Verständnis und zur Erleichterung der Tätigkeit als Ghostwriter mitteilte, sollten ersichtlich nicht eigenständig von dem Beklagten zu 1) veröffentlicht werden, wie beispielhaft aus der Äußerung des Klägers (Transkriptions-Ausschnitt OC 59, Bl. 2154 f GA zu Nr. 15 (Manfred Abelein) folgt:
495„Aber zum Hintergrund möchte ich etwas sagen, was wir nicht schreiben werden…“
496Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit entfiel auch nicht aufgrund der Aufkündigung der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Beklagten zu 1) im Jahr 2009. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit ließ die bereits eingegangenen Verpflichtungen unberührt und bezog sich nur auf die Erstellung des vierten Bandes der Memoiren. Die von dem Kläger und dem Beklagten zu 1) eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen, für die der Beklagte zu 1) einen von Seiten des Verlags garantierten, auf Honoraransprüche jedoch anrechenbaren Betrag von 50.000,00 DM erhalten hatte, bestehen hingegen unverändert fort, wie auch die Vereinbarungen des Klägers und des Beklagten zu 1) hinsichtlich der ersten drei Bände der Memoiren mit dem Verlag.
497Wie bereits mit Urteil der erkennenden Kammer vom 13.11.2014 (14 O 315/14) ausgeführt, hat der Kläger gegen den Beklagten aufgrund des mit dem Beklagten zu 1) geschlossenen Auftragsvertrages, der den Beklagten zugleich zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Informationen verpflichtete, gemäß § 241 S. 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe sämtlicher von dem Kläger stammender, auf den streitgegenständlichen Tonbändern festgehaltenen Informationen an Dritte, es sei denn, es handelte sich um solche, die entweder bereits vorbekannt waren oder hinsichtlich derer der Kläger den Beklagten zu 1) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hatte.
498Dies beinhaltet auch die Äußerungen, die in Teil II. des Buches enthalten sind, welcher von dem Beklagten zu 2) verfasst wurde, da der Beklagte zu 1) an dieser Auswahl beteiligt war („Wir - T, der Hüter des Schatzes,…und der Journalist und Buchautor Q - haben uns noch einmal durch sein monumentales Vermächtnis gekämpft: Die Kohl Protokolle“, Buch S. 10).
499Auf vorbekannte Informationen und Tatsachen, die der Beklagte zu 1) nicht erstmalig im Rahmen der auf Tonband aufgenommenen Äußerungen des Klägers erfuhr, sondern von denen er bereits zuvor Kenntnis hatte, konnte der Kläger demgegenüber aus Sicht des Beklagten zu 1) mangels ausdrücklicher weitergehender Vereinbarung keine Verschwiegenheit erwarten, da diese Umstände nicht „geheim“ im Sinne von erstmals anvertraut waren und der Kläger deshalb auch keinen Anspruch auf Vertraulichkeit erheben konnte.
500Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast, welche Umstände in diesem Sinne „vorbekannt“ waren und nicht der Verpflichtung zur Geheimhaltung unterlagen, dem Beklagten zu 1). Denn aufgrund der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) vereinbarten Vertraulichkeit der Tonbandprotokolle war der Beklagte zu 1) grundsätzlich zu einer auch nur sinngemäßen Wiedergabe von hierauf enthaltenen Äußerungen des Klägers nicht berechtigt.
501Ferner ist der Beklagte zu 1) nicht berechtigt, auch bezüglich vorbekannter Umstände, die Gegenstand der auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers waren, Zitate des Klägers in wörtlicher oder indirekter Rede wiederzugeben oder zu beschreiben, in welcher Form sich der Kläger verhalten oder ausgedrückt hat. Denn die Art und Weise, wie sich jemand ausdrückt, hängt wesentlich von dem persönlichen Vertrauensverhältnis zu seinem Gesprächspartner ab. Unbefangen mitteilen wird sich nur, wer den Teilnehmerkreis kennt und ihn unter Kontrolle hat oder dies zumindest glaubt (vgl. BGH, Urt.v.10.03.1987- VI ZR 244/85 – BND-Interna, NJW 1987, 2667 – 2669, zit. nach juris Rn. 15). Gerade weil der Kläger aufgrund der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheit sich unbefangen äußern konnte, StimmungsTkungen wie Verbitterung und Zorn nicht verhehlen musste, und sich darauf verlassen konnte, dass diese mangelnde Zurückhaltung nicht nach außen dringen würde, ist der Beklagte zu 1) auch bezüglich vorbekannter Informationen zur Verschwiegenheit über die Art und Weise, in der diese Äußerungen ihren Niederschlag auf den Tonbändern gefunden haben, verpflichtet.
502Äußerungen, bezüglich derer der Kläger den Beklagten zu 1) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat, unterfallen gleichfalls nicht dem Unterlassungsanspruch des Klägers. Auch diesbezüglich gilt jedoch, dass die Darlegungs- und Beweislast nicht dem Kläger obliegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat nicht der Kläger vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass mit Ausnahme der von Seiten des Klägers erteilten Anweisungen ansonsten keine Bindung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit vereinbart worden sei, sondern vielmehr hat der Beklagte zu 1) aufgrund der grundsätzlich vereinbarten Verpflichtung zur Verschwiegenheit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Kläger zu den in das Buch aufgenommenen, den Tonbandprotokollen entnommenen Äußerungen des Klägers, sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung und Verbreitung zum jetzigen Zeitpunkt erteilt hatte. Selbst wenn der Kläger ein solches Einverständnis erklärt hätte, wäre diesem die Geschäftsgrundlage jedoch aufgrund des Wegfalls der Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien durch Kündigung der Verträge von Seiten des Klägers im Jahr 2009 entzogen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14).
503b) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger aus den Gründen der Entscheidung der Kammer zu Az.: 14 O 315/14 (Urteil vom 13.11.2014) Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der damals wie heute streitgegenständlichen Textpassagen Nr. 1 – 114 sowie der neu in den Streit eingeführten Textpassgen Nr. 115 und 116 verlangen.
504Soweit der Kläger in erster Instanz hinsichtlich eines Teils des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gegen den Beklagten zu 1) in dem Verfahren 14 O 315/14 unterlegen ist, verfolgt der Kläger den Anspruch teils nicht weiter, teils erachtet die Kammer den Unterlassungsanspruch aus den Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 für begründet.
505Dabei kann für den dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) zustehenden Unterlassungsanspruch dahinstehen, ob die in dem Buch enthaltenen, als Originalzitate des Klägers bezeichneten Äußerungen wahr und in zutreffenden Zusammenhang wiedergegeben wurden, da bereits bei unterstellter Wahrhaftigkeit ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht:
506Im Einzelnen:
507aa) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung zunächst hinsichtlich der nachfolgenden Textpassagen, die nach Vortrag der Beklagten ausschließlich Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede enthalten:
508Nr. 1 - 7, Nr. 10-16, Nr. 19 - 21, Nr. 23-26, Nr. 28-33, Nr. 36, Nr. 39 - 41, Nr. 43 - 44, Nr. 46 – 48, Nr. 50 – 51, Nr. 53 – 55, Nr. 57 – 58, Nr. 60, Nr. 62 – 65, Nr. 67, Nr. 70, Nr. 73 – 82, Nr. 84, Nr. 87, Nr. 89, Nr. 91, Nr. 93 – 95, Nr. 97-98, Nr. 100, Nr. 102, Nr. 104-113, Nr. 115 - 116
509bb) Ferner besteht ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung bezüglich nachfolgender Textpassagen, auch soweit neben den in direkter oder indirekter Rede dargestellten Äußerungen des Klägers in den angegriffenen Textpassagen Erläuterungen von Autorenseite enthalten sind, da diese ausschließlich dazu dienen, zu verdeutlichen, auf wen oder was sich die ansonsten nicht zuzuordnende, da aus dem Zusammenhang gerissene Äußerung des Klägers bezieht, beispielsweise:
510Nr. 17 …
511Nr. 18 …
512Nr. 34 „Im „Langen Eugen“, …“
513Ohne diese Einleitung wäre nicht nachzuvollziehen, worauf sich das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers, Herrn Geissler betreffend, bezog. Hinzu kommt, dass das Zitat des Klägers
514…
515mitten im Satz beginnt und demzufolge eine vorangegangene, der Einleitung des Autors sinngleiche Erläuterung des Klägers Gegenstand der Tonbandprotokolle sein muss.
516Nr. 52 …
517Nr. 56 …
518Nr. 71 (S. 143 zu Franz Josef Strauß) „…“ leitet das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers ein und erläutert dieses, gleiches gilt für die daran anschließende Einleitung des nächsten wörtlichen Zitat mit „….“
519Nr. 72 …
520Nr. 90 …
521Dies gilt zumal die nachfolgenden Äußerungen von den Beklagten nicht belegt wurden (s.o.).
522Nr. 92 …
523Nr. 114 …
524cc) Weiterhin hat der Kläger Anspruch gegen den Beklagten zu 1) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung auch solcher Textpassagen, die nach Darstellung der Beklagten die Zitate des Klägers einleiten und dabei wiedergeben, in welcher Art der Kläger sich nach Ansicht des Autors geäußert hat.Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit bezieht sich nicht nur auf den Wortlaut, sondern auch auf die Ausdrucksweise des Äußernden, weil diese von erheblichem Einfluss auf den Sinngehalt der Äußerung sein kann. Insbesondere macht es einen Unterschied, ob etwas mit Betonung, Empörung oder in ruhiger Sprechweise als sachliche Feststellung geäußert wird.
525Dies gilt beispielhaft für die Vorbemerkungen „…“ (Nr. 45) und „…“ (Nr. 49).
526Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht des Weiteren hinsichtlich solcher Textpassagen, die die Äußerungen des Klägers zum Teil in wörtlicher oder indirekter Rede, zum Teil mit eigenen Worten des Autors wiedergeben, da es hinsichtlich der Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung keinen Unterschied macht, in welcher Form die von Seiten des Klägers erlangten, auf den Tonbandprotokollen festgehaltenen Äußerungen des Klägers wiedergegeben werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle als Niederschrift 3000 Seiten umfassen und die Autoren mit der komprimierte Zusammenfassung des genauen Wortlauts in ihren Worten bezweckten, ansonsten erforderliche umfangreiche Zitierungen zu vermeiden. Dies gilt ferner für Werturteile, da auch diese einen Tatsachenkern in Bezug nehmen, über den Stillschweigen zu bewahren ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14).
527Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte zu 1) nicht berechtigt, die Informationen und Einschätzungen, die er von dem Kläger erhalten hatte, jedoch nicht vorbekannt waren, zusammenfassend wiederzugeben, da auch bei wertender, zusammenfassender Wiedergabe der Beklagte zu 1) preisgab, welche Mitteilungen er von dem Kläger erhalten hatte und damit seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzte.
528Dies gilt für folgende Textpassagen:
529Nr. 9 S. 61
530…
531Bei dem Zitat des Klägers handelt es sich um ein solches, das gleichfalls auf den Tonbandprotokollen enthalten ist, wie sich aus der Anmerkung Nr. 3, Buch S. 61,237, ergibt. Die Bewertung des Autors „…“ ist aus vorstehenden Gründen gleichfalls zu unterlassen, da sie, eingebunden in ein Werturteil, in gleicher Weise wie das vorangegangene Zitat die von dem Kläger auf den Tonbandprotokollen mitgeteilte Informationen vermittelt.
532Der Beklagte zu 1) hat nicht vorgetragen, dass ihm diese Informationen bereits vorbekannt gewesen sei, hiergegen spricht bereits, dass in dem Buch in Anm. 3 (237) als Quelle ausschließlich Bezug genommen wird darauf, dass der Kläger diese Geschichte auf den Tonbandprotokollen zweimal erzählt habe (08.08.2001, 19.01.2002).
533Nr. 22 Seite 85 f zu Angela Merkel
534Zu einer Wiedergabe der in wörtlicher bzw. indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen des Klägers war der Beklagte zu 1), unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, bereits aus o.g. Gründen nicht berechtigt. Dies gilt aber auch für die im Anschluss erfolgte Zusammenfassung der Äußerungen des Klägers durch den Autor:
535…
536da auch durch diese Kommentierung unmittelbar die Information weitergegeben wird, dass der Kläger die zuvor Genannten … beurteilte. Dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass die von Beklagtenseite auszugsweise vorgelegten Tonbandabschriften letztere Äußerungen des Klägers zu Volker Rühe nicht belegen.
537Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 83 (S. 165f zu Richard von Weizsäcker)
538auch hinsichtlich des Zusatzes des Autors „…“da diese Bemerkung gerade die Information beinhaltet, in welcher Weise der Kläger sich über Herrn von Weizsäcker geäußert hatte.
539Ebenso gilt dies für die Textpassage Nr. 103 (Seite 198 zum jüdischen Weltkongress).
540Neben den wörtlichen Zitaten ist auch die Bemerkung des Autors
541…
542wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht zu unterlassen, da mit der Bewertung der Äußerungen des Klägers durch den Autor zugleich die Tatsacheninformationen über die auf den Tonbändern enthaltenen Äußerungen des Klägers mitgeteilt werden, namentlich, was, mit welchen Emotionen und welcher Einstellung der Kläger zu dem jüdischen Weltverband geäußert habe.
543Nr. 27 zu Gerhard Stoltenberg
544Die Wiedergabe dieser Textpassage ist neben den wörtlichen Zitaten des Klägers auch unzulässig bezüglich des Abschnitts
545„...“,
546da der Autor mit eigenen Worten die auf den Tonbandprotokollen geäußerte Ansicht des Klägers wiedergibt. Auch hier gilt, dass der Beklagte zu 1) nicht dargetan hat, dass ihm diese Ansicht des Klägers, insbesondere der Umstand, dass die Religionszugehörigkeit des Genannten Einfluss auf die Zusammenarbeit mit dem Kläger gehabt habe, vorbekannt gewesen sei.
547Gleiches gilt für Nr. 35 zu Kurt Biedenkopf
548Die Vorbemerkung des Autors
549…
550dient zum einen der Einleitung des ansonsten nicht verständlichen Zitats (siehe oben), die weitere Textpassage
551…
552gibt ersichtlich kurz gefasst die Wertung und Haltung des Klägers zu dem Genannten wieder, wie sie auf den Tonbandprotokollen geäußert worden war.
553Dies gilt ebenso für Nr. 86 (S. 169 zu Richard von Weizsäcker)
554…
555Der Beklagte zu 1) hat nicht dargetan, dass ihm das Verhalten Herrn von Weizsäckers gegenüber dem Kläger in der geschilderten Form vorbekannt gewesen wären, doch auch in dem Fall hätte er nicht Bezug nehmen dürfen auf den „#####“.
556Nr. 59 (S. 110) zu Hans-Jochen Vogel u.A.
557Neben den in indirekter und direkter Rede wiedergegebenen Zitaten des Klägers ist auch der Zusatz des Autors
558…
559zu unterlassen, da damit die Einschätzung und Beurteilung des Verhaltens von Herrn Vogel durch den Kläger, wie sie auf den Tonbandprotokollen ihren Niederschlag gefunden hat, wiedergegeben wird.
560Gleiches gilt für die in den Worten des Autors mitgeteilten Einschätzungen des Klägers in
561Nr. 66 (S. 116) zu Walter Scheel und Egon Bahr „…“
562Nr. 68 (S. 117) zu Otto Graf von Lambsdorff „…“
563Nr. 88 (S. 171 zu Johannes Rau) „…“
564Nr. 96 (S. 184 zum englischen Königshaus)
565Diesbezüglich war die Beklagte zu 1) bereits deshalb zu Unterlassung verpflichtet, weil der Kläger ausweislich der Transskripte OC 125 und 126 (Bl. 2291 – 2293) ausdrücklich angeordnet hatte „darüber schreiben wir nichts“.
566Die in Textpassage Nr. 37 (S. 93) wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 verstößt gleichfalls gegen die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit, da der Beklagte zu 1) nicht dargetan hat, dass ihm diese Geschichte vorbekannt gewesen sei.
567Der Beklagte zu 1) ist insgesamt zur Unterlassung dieser Textpassage verpflichtet, ungeachtet der Tatsache, dass neben wörtlichen und indirekten Zitaten des Klägers die Episode auch in eigenen Worten des Autors zum Teil wiedergegeben wird, da ersichtlich die Schilderung mit eigenen Worten des Autors ausschließlich dazu dient, die von dem Kläger auf Tonband gesprochene Episode zusammenfassend und verkürzt wiederzugeben.
568Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 69 (S. 123 zu Beerdigung von Hannelore Kohl):
569Auch soweit diese neben den wörtlichen Zitaten des Klägers eine Beschreibung des Anlasses und Verlaufs der familiären Auseinandersetzung mit den Worten des Autors enthält,
570„…“
571handelt es sich um die Wiedergabe der Tonbanderzählung des Klägers, deren Details nicht vorbekannt waren. Hierauf wird auch in Anm. 12, Seite 123, 239 des Buches hingewiesen, wonach der jüngere Sohn des Klägers in seinem Buch den heftigen Streit mit dem Vater ausgeklammert habe.
572Dies gilt auch hinsichtlich des Anlasses für den Streit (…). Die Mitteilung dieser Tatsache (Teilnahme des Kanzlers) ist dem Beklagten zu 1) nicht generell untersagt, wohl aber, wie hier, als Ursache für den ….
573Schließlich steht dem Kläger auch ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Textpassage Nr. 8 (S. 49, Herrn Arafat betreffend) zu, auch wenn es sich vorliegend nicht um ein Zitat des Klägers, sondern ein Zitat Herrn Arafats aus einem Telefongespräch mit dem Kläger handelt.
574Bei der Veröffentlichung dieser Information handelt es sich um einen besonders schweren Vertrauensbruch des Beklagten zu 1), da der Beklagte zu 1) Informationen mitgeteilt hat, die als Verschlusssachen nach wie vor der Geheimhaltung der unterliegen und ein Verschulden des Beklagten als Erfüllungsgehilfe des Klägers dem Kläger zur Last fällt.
575dd) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht schließlich auch hinsichtlich der nachfolgenden Äußerungen, die in dem Verfahren 14 O 315/14 teilweise für zulässig erachtet wurden:
576Nr. 38 (Seite 94 zu Lothar Späth)
577Der Kläger hat gegenüber den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Unterlassung der in direkter und indirekter Rede wiedergegebenen Tonbandäußerungen des Klägers.
578Desweiteren kann der Kläger auch aus der Frage des Beklagten zu 1) Unterlassung der Bemerkung „…“ verlangen, da diese Bemerkung impliziert, dass sich der Kläger zuvor in diesem Sinne geäußert habe. Die weitergehenden Textausschnitte, hinsichtlich derer ein Unterlassungsanspruch mit Urteil vom 13.11.2014 (Az. 14 O 315/14) verneint worden war, sind nicht mehr streitgegenständlich.
579Nr. 42 (S. 96 f zu Christian Wulff)
580Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht zunächst hinsichtlich seiner in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen, auf Tonband festgehaltenen Äußerungen, sowie hinsichtlich der Einleitung des zweiten Zitats durch den Autor: „…“, da hierdurch die Art und Weise, in welcher (aggressiven) Form der Kläger sich geäußert hat, mitgeteilt wird.
581Auch im Übrigen besteht bezüglich dieser Textpassage in der nunmehr gekürzten Fassung ein Unterlassungsanspruch des Klägers. Insoweit hält die Kammer an ihrer abweichenden Ansicht im Urteil vom 13.11.2014 zu Az.: 14 O 315/14 nicht fest. Denn die Bemerkung des Autors
582…
583beinhaltet nicht nur eine Wertung des Autors, sondern gibt durch die Bezugnahme auf „…“ sowie den hier nicht streitgegenständlichen Zusatz „böse geweissagt: durch den Doppelpunkt wieder, dass es sich bei der darauf folgenden Bewertung „…“ (auch) um eine Einschätzung des Klägers handele (ebenso OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14).
584Auch hinsichtlich der Textpassage Nr. 85 (S. 167 – 169 zu Richard von Weizsäcker und Walter Leisler Kiep) besteht, soweit in diesem Verfahren noch streitgegenständlich, ein Unterlassungsanspruch des Klägers.
585Der Kläger kann neben der Unterlassung der Wiedergabe der Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede auch verlangen, dass der Beklagte solche Bemerkungen unterlässt, die seine Einstellung wiedergeben:
586…
587Nr. 99 (S. 192)
588Soweit in diesem Verfahren noch streitgegenständlich, ist der Beklagte zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung dieser Textpassage verpflichtet, da diese in direkter und indirekter Rede Äußerungen des Klägers wiedergibt. Dies gilt auch, soweit die Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors zusammengefasst werden:
589„…“, da die Bewertung des Autors zugleich mitteilt, welche Ansichten der Kläger vertrat.
590c) Soweit der Beklagte zu 1) vertraglich zur Verschwiegenheit über die Äußerungen des Klägers verpflichtet ist, handelte er bei der Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerung des Klägers im o.g. Umfang auch rechtswidrig.
591Die Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband fixierten Äußerungen des Klägers ist, soweit ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus o.g. Gründen besteht, auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1S. 1 GG als jederzeit zulässige freie Meinungsäußerung des Beklagten gerechtfertigt. Zwar zählt zu dem von Art. 5 Abs.1 S. 1 GG geschützten Kommunikationsprozess grundsätzlich auch die Mitteilung fremder Meinungen oder Behauptungen, da die Meinungsfreiheit nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt ist, sondern die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen garantiert (OLG Köln, Urteil vom 19.11.2013 – 15 U 53/13, juris Rn. 52).
592Der Beklagte zu 1) hat sich jedoch zur Verschwiegenheit bezüglich der ihm anvertrauten Informationen verpflichtet und insoweit auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Form verzichtet (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 13.11.2014 - 14 O 315/14, ebenso OLG Köln, Urt. vom 05.05.2014 – 15 U 193/14).
5932.
594Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 2) und 3), die nicht in vertraglicher Bindung zu dem Kläger standen, hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 830 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zu.
595a) Die engere persönliche Lebenssphäre jedes Menschen genießt durch das in Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, 826 und 1004 BGB Schutz vor Eingriffen Dritter. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urt.v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08,VersR 2012, 994 Rn. 35; Urt. v. 30.12.2012 - VI ZR 4/12, juris Rn. 10; Urt.v. 11.12.2012, VI ZR 314/10 IM „Christoph“ GRUR 2013, 312 ff, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.). Abwägungskriterien sind u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzbedürftigkeit bestimmter Sphäre, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht: neben der Intimsphäre die Privatsphäre und die Sozialsphäre.
596Die Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen Wortes des Klägers verletzt diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form der Vertraulichkeitssphäre sowie des Rechts am gesprochenen Wort.
597Die in dem streitgegenständlichen Buch enthaltenen, mit der Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind allen Beklagten in gleicher Weise zuzurechnen. Denn die Beklagten haben im bewussten und gewollten Zusammenwirken, damit als Mittäter im Sinne von § 830 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die Veröffentlichungen der Tonbandäußerungen des Klägers in dem Buch getroffen und umgesetzt. Bereits dem Vorwort des Buches (Seite 10) ist zu entnehmen, dass das Buch als „Teamwork“ der Beklagten zu 1) und 2) entstanden ist; die Beklagte zu 3) ist nicht lediglich Verlegerin einer ihr fertig präsentierten Abfassung, sondern war an der Bestimmung des Inhalts des Buches durch ihre Mitarbeiter maßgeblich beteiligt, wie der Justiziar der Beklagten zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 (14 O 315/14) nachdrücklich betont hat. Soweit die Beklagte zu 3) nunmehr behauptet, ihr (bzw. ihrem Justiziar) hätte nur eine von den Beklagten zu 1) und 2) zuvor getroffene Auswahl an Zitaten zur Begutachtung vorgelegen, steht dies in Widerspruch zu der gerichtsbekannten Äußerung des Justiziars vor der erkennenden Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 (14 O 315/14), wonach diesem 3000 Seiten Tonbandabschriften vorgelegen hätten. Die Behauptung der Beklagten zu 3), der Zeuge E habe nur eine Auswahl an Zitaten gesehen, ist wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich, da die Beklagte zu 3) nicht zugleich bestreitet, dass der Zeuge E sich wie vorstehend beschrieben in der Gerichtsverhandlung geäußert hat und auch nicht behauptet, der Zeuge E habe zum damaligen Zeitpunkt die Unwahrheit gesagt.
598Das Verhalten ihrer Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen hat sich die Beklagte zu 3) gemäß § 831 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.
599Die Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch, die dem Kläger als Originalzitate zugeschrieben werden, verletzt den Kläger in seiner Privatsphäre unabhängig von den mit dem Beklagten zu 1) erörterten Themen. Ein Privatgespräch verliert seinen privaten Charakter nicht zwangsläufig durch die politischen Bezüge der Unterhaltung. Denn es hängt wesentlich von dem Kreis der Gesprächsteilnehmer ab, was und wie es gesagt wird; unbefangen kann sich nur mitteilen, wer den Teilnehmerkreis unter Kontrolle hat, ihn jedenfalls kennt (BGH, Urteil vom 19.12.1978, VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120-130, zitiert nach juris Rn. 13).
600So liegt der Fall auch hier. Denn vorliegend steht nicht die Preisgabe von Begebenheiten aus dem privaten oder beruflichen Leben des Klägers im Vordergrund, sondern die Privatheit seiner Gespräche mit dem Beklagten zu 1), die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind, sondern nur als Grundlage für das zu erstellende Manuskript dienen sollten. Abzustellen ist aus diesem Grund nicht auf die Verbreitung der in diesen Gesprächen gewonnenen Information, sondern auf den Umstand, dass die betreffenden Informationen als Äußerungen des Klägers weitergegeben wurden, obwohl dieser sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für den Beklagten zu 1) als eine Hilfskraft im Rahmen der Erstellung der Memoiren zu dessen Unterrichtung gemacht hat (OLG Köln, Urteil vom 05.05.2014 – 15 U 193/14).
601Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort verletzt. Dieses schützt die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation (BVerfG, NJW 1980,2070; NJW 2002,3619 – Mitgehörtes Telefonat). Der Einzelne soll sich nach eigener Einschätzung situationsangemessen in der Kommunikation verhalten können. Dazu gehört auch, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Damit erstreckt sich das Selbstbestimmungsrecht auch auf die Auswahl der Personen, die unmittelbar Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Das Recht schützt daher nicht nur vor einer Verdinglichung des Wortes durch Aufzeichnung auf Tonträger, sondern auch dagegen, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des sich Äußernden eine dritte Person als Zuhörer eines Gespräch mit einbezieht (vgl. Wenzel, a.a.O Rn. 5.28a m.w.N.). Dabei wird der Schutz am gesprochenen Wort unabhängig von seinem Inhalt gewährt (BVerfG, Beschluss v. 08.12.2011, juris Rn. 19 m.w.N.).
602Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stellt eine derart intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf (BGH Urt.v. 10.3.1987 , VI ZR 244/85 BND-Interna NJW 1987,2667-2669; zitiert nach juris Rn. 17 m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass auch deshalb die Persönlichkeit in ihrem Eigenwert durch solche Objektivierung erheblich stärker betroffen ist, als durch eine Indiskretionen über ein vertrauliches Gespräch (BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 , BGHZ 73, 120 – 130 Telefongespräch, zitiert nach juris Rn. 13 a.E.). Zum Schutz der Persönlichkeit dürfen Aufzeichnungen vertraulichen Charakters grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden (BGHZ 15, 249 (247); 36, 77 (83); BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 juris Rn. 14).
603Auch vorliegend liegt die Besonderheit der Tonbandaufzeichnungen darin, dass der Beklagte zu 1) zu der zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Vertrauenssphäre, die durch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeitsabrede zusätzlich abgesichert war, maßgeblich mit beigetragen hat, indem er sich selbst gegenüber dem Kläger als besonders vertrauenswürdige Person präsentierte (Buch S. 47 „Ich habe mich angepasst, … längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen, ich dachte und fühlte fast schon wie Kohl“ ) und dadurch die Spontanität und Mitteilungsbereitschaft des Klägers förderte, welche der Kläger auch durch „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch Seite 19) honoriert hat.
604Der Kläger hat auf den Tonbandprotokollen dem Beklagten zu 1) komplexe Einblicke in seine Person selbst, zu seiner inneren Einstellung zu seiner Familie, seinem Beruf, Freunden und politischen Feinden bis in die Wesenszüge seiner Gedankenwelt eröffnet. Auf den Tonbandprotokollen ist, wie der Beklagte zu 1) im Vorwort des Buches (Seite 17) ausführt, „seine (des Klägers) ganze Persönlichkeit erforscht und nachgezeichnet ..“
605Die Weitergabe dieser Tonbandprotokolle durch den Beklagten zu 1) war rechtswidrig, gleich, ob der Beklagte zu 1) sie den Beklagten zu 2) und zu 3) als Tonbänder überlassen oder ihnen (nur) die 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbänder zur Verfügung gestellt hat.
606Der Beklagte zu 2), der sich nicht dazu geäußert hat, ob ihm Tonbandkopien oder -abschriften vorliegen, muss Einblicke in die Tonbandkopien gehabt haben, da er umfangreich Emotionen und Tonfall des Klägers beschreibt (Seite 95 „er äußert raunend einen Verdacht“; Buch S. 101 „besonders ungehalten reagiert Kohl“; „Bei diesem Reizthema verstummt er, windet sich oder wird heftig..“; S. 127 „derer Kohl nun … in spürbarer Rührung gedenkt,..“ S. 193 „ heizt Kohl in zornigem Stakkato die Stimmung beim Memoirengespräch an..“) und zudem eine Vielzahl von Originalzitaten mit Ausrufezeichen (!) wiedergibt, obgleich in den Transkriptionen entsprechende Emotionen des Klägers nicht dargestellt sind.
607Aber auch in den weitergegebenen Abschriften der Tonbandprotokolle ist die Person des Klägers entsprechend verkörpert und wird gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) bloßgestellt und in ihrer Substanz getroffen. Denn auch ohne nähere Beschreibung der Emotionen des Klägers ist die umfassende Offenbarung der gesamten Lebensbeschreibung des Klägers gegenüber Dritten, für die die Äußerungen „in atemberaubender Offenheit“ gerade nicht gedacht waren, und die der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) als seinem Vertrauten gemacht hatte, als intensive Verfügung über die Persönlichkeit des Klägers und damit rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu bewerten.
608Für die Beklagten zu 2) und 3) war damit auch ohne genauere Kenntnis der vertraglichen Absprachen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) klar erkennbar, dass die Veröffentlichung der Äußerungen des Klägers diesen in seiner Privatsphäre in massiver Weise verletzen würde. Aus dem Wortlaut der Transkriptionen (unabhängig von ihrer Wortgenauigkeit) konnten die Beklagten zu 2) und 3) zudem entnehmen, dass der Kläger mehrfach Anweisungen an den Beklagten zu 1) erteilt hatte, dass bestimmte Sachverhalte nicht in die Memoiren aufgenommen werden sollten. Auch ist bereits aus dem Inhalt der von Beklagtenseite vorgelegten Ausschnitte, welche nur einen Bruchteil der Gesamt-Transkriptionen von 3000 Seiten ausmachen, zu entnehmen, dass die Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zweckgebunden auf die Erstellung der Memoiren und der Lieferung entsprechender Hintergrundinformationen erfolgten.
609Auf dieser Grundlage ist das Verhalten der Beklagten zu 2) und 3) zu würdigen, die von dem Beklagten zu 1) an sie weitergegebenen Äußerungen veröffentlichten, obgleich ihnen bekannt war, dass der Kläger hiermit nicht einverstanden war, wie der Kläger auch gegenüber der Beklagten zu 3) vor Veröffentlichung des Buches ausdrücklich erklärt hatte unter Hinweis auf die Verletzung seines Urhebers- und Persönlichkeitsrechts. Hierüber haben sich die Beklagten bewusst hinweggesetzt, wie nicht zuletzt aus dem Vorwort des Buches (Seite 10) erhellt, wonach Absicht der Autoren sei, dem Versuch der „Kanzlerfamilie“ und der Ehefrau des Klägers, die Gesprächsprotokolle wegzuschließen, durch eine Veröffentlichung zuvorzukommen.
610Grundsätzlich gilt, dass es der Presse nicht schlechthin verwehrt ist, das, was ihr Informant ihr auf rechtswidrigem Weg zugetragen hat, zu veröffentlichen. Das durch die Verfassung in Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus. Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerfGE 66, 116(137f); BGHZ 73, 120 (124 ff). Dabei darf die Presse nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen, nehmen am Schutz der Pressefreiheit teil. Auf das Gewicht des Informationsinteresses und auf die Weise, in der die Berichterstattung einen Bezug zu Fragen aufweist, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehen, kommt es erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten an (BVerfG, Beschluss v. 26.02.2008 1 BvR 1602/07 Bildberichterstattung, Caroline von Monaco III, BVerfGE 120, 180 – 223; zitiert nach juris Rn. 42 m.w.N.).
611Ein Unterlassungsanspruch durch eine Presseveröffentlichung wegen einer darin vorliegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt zunächst die Bestimmung des Aussagegehaltes voraus, wobei insbesondere festzustellen ist, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung, d.h. eine Aussage zu dem Beweis zugänglichen Vorgängen oder eine Meinungsäußerung, oder eine gemischt also mit tatsächlichen und wertenden Elementen handelt.
612Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in Art. 5 GG schützt nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie meinungsbezogen sind. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meines geprägt wird, wird jede Meinung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Die Richtigkeit oder aber Unrichtigkeit der tatsächlichen Bestandteile kann dann aber im Rahmen der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Grundrechte eine Rolle spielen. Enthält eine Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückstehen (BVerfG NJW 1992, 1439 (1441) – Kritische Bayer-Aktionäre; NJW 2007, 2686 (2787)). Liegt Mehrdeutigkeit einer Äußerung vor, so ist im Rahmen des Unterlassungsanspruchs die Deutungsvariante zugrundezulegen, die eine Persönlichkeitsverletzung begründen könnte (BVerfG NJW 2006, 207 – Stolpe). Dabei müssen die Medien die Wahrheit ihrer Berichterstattung nicht gewährleisten, sie müssen sich aber mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit „pressemäßiger“ Sorgfalt von der Wahrheit überzeugt haben (Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466 (2470f)). Die Medien trifft eine erweiterte Darlegungslast für die Wahrheit der Behauptung (BVerfG NJW 1999, 1322 (1324). Wahre Tatsachen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009, AfP 2009, 365 Rn. 17).
613Die Aussage, es handele sich um die Wiedergabe von Originalzitaten des Klägers, stellt eine Tatsachenbehauptung dar, da sie objektiv dem Beweis, etwa durch Anhören der Originaltonbänder oder Kopien, zugänglich ist.
614b) Nach vorstehenden Grundsätzen besteht zunächst ein Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich solcher Äußerungen, für die die Beklagten ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Wahrheit der Äußerung nicht nachgekommen sind, weil die Äußerungen sich weder auf den von Beklagtenseite vorgelegten Audio-Dateien noch auf den zum Beweis für die Äußerungen eingereichten Transkription-Ausschnitten wiederfinden. Da den Beklagten zu 1) und 2) Kopien der Tonbänder und allen Beklagten eine vollständige Transkription derselben bei Abfassung des streitgegenständlichen Buches vorlagen, hätten die Beklagten im Rahmen „pressemäßiger“ Sorgfalt sich jeweils von der Richtigkeit (Authentizität) der veröffentlichten Originalzitate vergewissern können und müssen:
615Nachfolgende Zitate bzw. Ausschnitte von Zitaten sind zu unterlassen, da sie von den Beklagten nicht belegt sind; sie finden sich weder in den Transskripten noch in den Audiodateien, die die Beklagten vorgelegt haben:
616Nr. 12 …
617Nr. 17 …
618Das von den Beklagten vorgelegte Transkript (Anlage OC 32, Bl. 2112 GA), welches diese Äußerung aufführt, ist unrichtig, wie der Vergleich mit der von den Beklagten vorgelegten Audio-Datei OC 30 zeigt. Der Originalton enthält diese Passage nicht.
619Nr. 22 Die teils in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung:
620…
621und die Äußerungen Volker Rühe betreffend
622…
623sind weder durch Transkripte noch Audiodateien belegt. Der Schriftsatz der Beklagten zu 1) und 2) vom 29.11.2016 verhält sich hierzu nicht (S. 58 – 60, Bl. 1947 – 1949 GA). Insbesondere ist auch weder hier noch in sonstigen Tanskripten und Audio-Dateien eine Äußerung des Klägers „… Merkel“ enthalten.
624Nr. 29 (zu Rita Süsmuth)
625…
626Nach dem Wortlaut des von den Beklagten zum Beleg vorgelegten Transkripts (OC 69, Bl. 2175 GA) hat dies der Kläger nicht geäußert.
627Nr. 33 zu Heiner Geißler
628die in indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen:
629…
630finden sich nicht (auch nicht in Entsprechungen) auf den von den Beklagten in Bezug genommenen Transkript-Ausschnitten OC 71 und 73, Bl. 2180, 2184 f GA.
631Nr. 56 zu Herta Däubler-Gmelin
632…
633Ausweislich des Transkripts OC 91, Bl. 2220 GA handelt es sich nicht um ein Originalzitat.
634Nr. 59 zu Michael Naumann
635…
636Auch dies hat der Kläger so bereits auf Grundlage des Transkripts OC 93 (Bl. 2223 GA) nicht geäußert. In dem Ausschnitt wird lediglich – ohne Namensnennung – ein „…“ erwähnt.
637Nr. 61 zu Jürgen Trittin
638…
639Nach dem Wortlaut des (mitten im Satz beginnenden) Ausschnittes OC 96, Bl. 2231 GA, schildert der Kläger, wie er zu seiner Zeit als Bundeskanzler oft mit Eiern beworfen worden sei und, als er noch eine Brille getragen habe, panische Angst gehabt habe, dass das Glas brechen könne. Der Text fährt fort: „...“
640Damit finden sich Äußerungen des Klägers lediglich zu der damaligen Zeit. Dass Jürgen Trittin "noch immer", also im Zeitpunkt der Aufnahme der Tonbandprotokolle, derart tätig gewesen wäre, hat der Kläger gerade nicht gesagt. Transkripte oder Audiodateien, aus denen sich dies ergeben würde, sind von den Beklagten nicht vorgelegt.
641Nr. 66 zu Walter Scheel und Egon Bahr
642…
643Ausweislich des als Beleg angeführten Transkript-Ausschnittes OC 100, Bl. 2241 GA, hat der Kläger eine solche Äußerung weder wörtlich noch sinngemäß von sich gegeben.
644Nr. 69 zu Otto Graf Lambsdorff
645Die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung
646…
647ist unzutreffend. Der Kläger hat diese Äußerung auch nicht sinngemäß getätigt. Der Ausschnitt OC 101, S. 15, Bl. 2245 lautet vielmehr: „Er war in großem Umfang immer unterwegs im Geldtransport. Er war viele Jahre Vorsitzender des Verbands der Kleinaktionäre Deutschlands.“
648Nr. 78 zu Walter Scheel
649…
650Das hierzu vorgelegte Transkript OC 110, Bl. 2263 GA, enthält keine solche Äußerung. Soweit die Beklagten auf eine Tonbandabschrift eines weiteren Tages (03.11.2001) Bezug nehmen, wurde eine solche nicht vorgelegt.
651Nr. 82 zu Richard von Weizsäcker
652…
653Ausweislich OC 114, Bl. 2269 GA, hat der Kläger den damaligen Bundespräsidenten weder nur beim Vornamen genannt, noch die vorstehende Äußerung getätigt.
654Nr. 85 zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep:
655…
656In der Anlage OC 116 (Bl. 2272 – 2277 GA), welche 5 unterschiedliche, teils mitten im Satz beginnende Tonbandausschnitte zusammenfasst, ist diese Äußerung nicht enthalten.
657Nr. 89 zu Präsidenten
658…
659Auch die Beklagten gestehen zu, dass der Kläger sich nicht so nicht geäußert hat. Ausweislich des Transkripts OC 45 (Bl. 2156 GA) vergleicht der Kläger die berufliche Belastung eines Bundeskanzlers und eines Bundespräsidenten am Beispiel von Gerhard Schröder und Roman Herzog und verweist darauf, dass diese bei Herrn Schröder im Gesicht ablesbar sei. Der Text fährt fort:
660…
661Soweit die Beklagten vortragen, der Kläger habe damit seine generelle Missachtung gegenüber dem Amt des Bundespräsidenten ausdrücken wollen, ist dies dem Wortlaut des Transkripts nicht zu entnehmen. Es widerspricht zudem der Wertschätzung, die auch nach Darstellung der Beklagten der Kläger vielen Bundespräsidenten, insbesondere auch Roman Herzog (Buch S. 164, 169), entgegenbrachte. Keinesfalls ist es zulässig, eine – unrichtige – Äußerung als Originalzitat des Klägers darzustellen.
662Nr. 90 zu Wolfgang Thierse
663…
664Dass der Kläger diese Äußerungen getroffen hätte, ist nicht belegt. Die Beklagten haben für diese Äußerung weder ein Transkript noch eine Audio-Datei zum Beleg vorgelegt.
665Nr. 94 zu Hartmut Mehdorn
666…
667Ausweislich des Transkripts OC 124, Bl. 2289 f. GA, hat sich der Kläger so nicht geäußert.
668Nr. 98 zu Fritz Zimmermann und Walther Leisler Kiep
669…
670Der Kläger hat eine solche Äußerung, die hier in indirekter Rede dargestellt wird, nicht getätigt, wie ein Vergleich mit den zum Beleg angeführten Ausschnitten der Transkripte in OC 127, Bl. 2294 f ergibt.
671Nr. 99 (Waffen-SS)
672…
673Die Beklagten nehmen als Beleg Bezug auf Anlagen OC 128, Bl. 2296 GA. Dort findet sich eine solche Äußerung des Klägers nicht, insbesondere nicht die als Originalzitat dargestellten Worte „…“.
674Nr. 101 zu Kardinal Meisner
675…
676Die Beklagten legen 2 Transkripte desselben Tonbandausschnittes vor (Anlagen OC 31, Bl. 2110 und OC 129, Bl. 2297). Nicht nur, dass diese Transkripte im Wortlaut im Übrigen variieren (in der Version OC 129, Bl. 2297 findet sich z.B. die Worte „von deinem Klerus“ nicht, dafür Ausführungen zum Tod des Papstes), ist überdies obiges Originalzitat nicht enthalten.
677c) Soweit die Unrichtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen nicht bereits auf Grundlage fehlender Belege von Beklagtenseite anzunehmen ist, ist zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung eine Abwägung vorzunehmen.
678Bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, auf die sich der Kläger und die Beklagten zu 2) und 3) berufen können, ist davon auszugehen, dass die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit nicht vorbehaltlos gewährleistet sind. Die Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Freiheitsrecht an sich richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 117, 244 (260)). Hierzu zählen die in § 823 Abs. 1 BGB verankerten Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes sowie die im Range einfachen Bundesrechts stehende Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK, in welcher das Recht auf Achtung des Privatlebens verankert ist. Bei der Bestimmung der Reichweite dieses Schutzes ist der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG Beschluss v. 26.02.2008, 1 BvR 1602/07, zitiert nach juris Rn. 50-53 m.w.N.).
679Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. m. Art 1 Abs. 1 GG hergeleitete verfassungsrechtliche Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1, 2 HS GG), zu der neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG auch die in Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit zählt.
680Bei der Abwägung mit kollektiven Rechtsgütern ist davon auszugehen, dass in Art. 5 Abs. 1 GG eine Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll, verbürgt ist (BVerfG a.a.O Rn 58).
681Das Selbstbestimmungsrecht der Presse erfasst allerdings nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist (BVerfG NJW 2001, 1921 (1922). Die Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Betroffenen ist von den Gerichten vorzunehmen, wobei eine inhaltliche Bewertung der jeweiligen Veröffentlichungen als wertvoll oder wertlos, seriös und ernsthaft oder unseriös nicht vorgenommen werden darf, sondern sich die Prüfung auf die Feststellung zu beschränken hat, in welchem Ausmaß der Bericht ein Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu erbringen vermag (BVerfGE 120, 180 ff; zitiert nach juris Rn. 69).
682Die Gerichte haben zu beachten, dass die Garantie der Pressefreiheit nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger dient. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (BVerfGE 20, 162 (177). Bei der Abwägung sind die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Der „Kernbereich der Privatsphäre“ wird von einem besonderen Schutzinteresse des Betroffenen gekennzeichnet. Dieses ist gegenüber einem im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Informationsanliegen regelmäßig vorrangig (vgl. BGHZ 131, 322 (338); BGH Urt.v. 09.12.2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 (523)).
683d) Die Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesses des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit ist nach umstehenden Grundsätzen für jede der angegriffenen Textpassagen gesondert vorzunehmen.
684Dabei geht die Kammer davon aus, wie bereits ausgeführt, dass sämtliche streitgegenständlichen Äußerungen des Klägers der Privatsphäre des Klägers, insbesondere in ihrer besonderen Ausprägung der Vertraulichkeitssphäre (vgl. zu dieser Begrifflichkeit etwa BGH, Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12), zuzuordnen sind. Denn die Aufnahme der Tonbandprotokolle erfolgte im privaten, häuslichen Umfeld des Wohnhauses des Klägers. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) basierte auf der vereinbarten Vertraulichkeit und erfolgte im berechtigten Vertrauen des Klägers darauf, dass nichts, was er auf Tonband sprach, ohne seine Zustimmung veröffentlicht werden würde, da ihm vertraglich die Endkontrolle über den Wortlaut der Memoiren zugesichert worden war (zu dieser Wertung auch für Mitteilungen, die über die Person des sich Äußernden selbst nichts aussagen, die aber einem Vertrauten in der Erwartung gemacht werden, dass er sie – jedenfalls in der abgegebenen Form – für sich behalten werde (vgl. insbesondere auch BGH, Urteil vom 10.03.1987 – VI ZR 244/85 – BND-Interna).
685aa) Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in zulässiger Weise die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen bestritten hat. Das Bestreiten des Klägers ist beachtlich.
686Eigene Handlungen oder Wahrnehmungen der Partei können nicht mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestritten werden. Hat die Partei keine aktuelle Kenntnis, muss sie sich, etwa durch Einsichtnahme in Aufzeichnungen, kundig machen (BGHZ 109,205 (209f). Führt dies zu keinem Ergebnis, muss sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen. Erachtet das Gericht die Darlegung für glaubhaft, ist das dann auch nicht gegen die Wahrheitspflicht verstoßende Bestreiten zu beachten (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016 § 138 Rn. 14 m.w.N.).
687Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat nachvollziehbar begründet, weshalb er keine konkrete Erinnerung mehr an den Inhalt der inzwischen 14-16 Jahre zurückliegenden Gespräche mehr hat. Aufgrund des außerordentlichen Umfangs der Gespräche, welche unstreitig mehr als 600 Stunden dauerten, wären im Gegenteil präzise Kenntnisse zum heutigen Zeitpunkt über Details der Äußerungen kaum glaubhaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger zwischenzeitlich schwer erkrankte und nach einem Schädel-Hirntrauma nicht vollständig genesen ist.
688Die Beklagte zu 3) behauptet, ihr Justiziar habe keine Erinnerung mehr an (erst) zwei Jahre zurückliegende Äußerungen anlässlich einer Pressekonferenz. Vor diesem Hintergrund ist eine fehlende Erinnerung des Klägers an weitaus länger zurückliegende Äußerungen plausibel, insbesondere da der Kläger diese in privaten Gesprächen tätigte und aufgrund dessen – im Gegensatz zu dem Justiziar der Beklagten zu 3) - keinen Anlass hatte, auf Wortwahl und exakte Formulierung zu achten und sich diese zu merken.
689Der Kläger hat vorgetragen, dass er anhand der ihm vorliegenden Originaltonbänder die Richtigkeit der von Beklagtenseite vorgetragenen Äußerungen versucht habe zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen durch die Zeugin Dr. Y1 und hierzu Abschriften (Wort-für-Wort–Protokolle) zu 13 der streitgegenständlichen Äußerungen vorgelegt.
690Die Beklagten haben den Vortrag des Klägers, dass die Tonbänder nur zu rund 1/5 vernehmliche Gespräche beinhalteten, eine weitere Erkundigung ihm deshalb nicht möglich sei, nicht substantiiert bestritten.
691Die Formulierung, die der Beklagte zu 1) gewählt hat (er bestreite, durch aktives Tun die Tonbänder gelöscht zu haben oder ihre Löschung veranlasst zu haben), lässt bereits die Möglichkeit zu, dass der Beklagte zu 1) eine Löschung – passiv – geduldet hat. In diese Richtung deutet auch die Äußerung des Beklagten anlässlich eines Interviews, dass er die Tonbänder nicht gelöscht habe, aber die (für die Einwirkungen von Magneten unstreitig empfindlichen) Originaltonbänder durch Kontrollen mitgenommen habe.
692Des Weiteren hat der Beklagte zu 1), der zu von ihm nicht näher bezeichneten Zeitpunkten Vervielfältigungen von den Originaltonbändern hergestellt hat, sich dahin eingelassen, er habe die Originaltonbänder „in vorhandenem Zustand“ an den Kläger herausgegeben. Den Zustand als solchen hat der Beklagte zu 1) indes nicht beschrieben.
693Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beklagte zu 1) nach eigener Aussage (Buch S. 16) die Vorstellung, dass die Zeugin Dr. Y1 stundenlang Bänder mit gesammeltem Schweigen abhören müsse (wie nach Klägervortrag tatsächlich geschehen), erfreulich fände. Dies ist ein erhebliches Indiz dafür, dass die Originaltonbänder, wie in dem Verfahren 14 O 315/14 vor der erkennenden Kammer unstreitig, tatsächlich nur noch teilweise abhörbar sind.
694Es kann letztlich dahinstehen, ob der Löschvorgang von Beklagtenseite veranlasst wurde, da nach dem unstreitigen Vorbringen des Beklagten zu 1) die Lebensdauer von Magnettonbändern wie den Originaltonbändern begrenzt ist und noch während der Tonbandgespräche der Beklagte zu 1) aus diesem Grunde die Notwendigkeit von Sicherheitskopien mit dem Kläger erörtert haben will. Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ist vor diesem Hintergrund wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich.
695Das Bestreiten der Richtigkeit und Authentizität der streitgegenständlichen Äußerungen ist auch aus einem weiteren Grund zulässig. Die von den Beklagten auszugsweise vorgelegten Tonbandtranskriptionen sind zum Beleg der Richtigkeit der von den Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers nicht geeignet:
696Bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach erfolgten die Transkriptionen der Tonbandprotokolle nicht immer mit der dazu erforderlichen Genauigkeit, wie die Vielzahl der Auslassungen und dokumentierten Unsicherheiten (... oder ??) sowie auch die falsche oder unsichere Schreibweise von Namen („Gescheitle, Nahim, Nagoda“) zeigen.
697Ein Vergleich der von Beklagtenseite vorgelegten Audio-Dateien mit den entsprechenden Transkriptionen ergibt zudem, dass diese keine Wort-für-Wort-Protokolle sind.
698Hingegen geben die von Klägerseite mit Schriftsatz vom 21.11.2016 vorgelegten Tonbandabschriften den auf den teils nur sehr kurzen Audio-Ausschnitten hörbaren Wortlaut, von kurzen Auslassungen (….) oder (???) abgesehen, exakt wieder.
699Auffällig bei den von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen ist auch, dass im Vergleich zu den Audiodateien die Äußerungen des Klägers und der nicht näher bezeichneten Fragesteller mit grammatikalischen und sprachlichen Abweichungen, teils auch anderem Wortlaut wiedergegeben werden (z.B. „Nagoda“ als Äußerung des Klägers im Transkript; „Jagoda“ als Äußerung des Beklagten zu 1) auf der korrespondierenden Audio-Datei zu hören).
700Bestehen aufgrund dieser Umstände bereits Zweifel an der Richtigkeit der Transkriptionen, gilt dies erst recht im Hinblick darauf, dass augenscheinlich die Beklagtenseite über unterschiedliche Versionen von Transkriptionen desselben Tonbandes verfügt, wie anhand der vorgelegten Versionen OC 31 und OC 129 offensichtlich.
701Von den Beklagten wurde OC 31 vorgelegt zum Beleg der Äußerung zu Zitat Nr. 103 (zum jüdischen Weltkongress), OC 129 zu Zitat Nr. 101 (Kardinal Meißner). Beide Äußerungen fielen indes im selben Zusammenhang, sind deshalb auf demselben Band enthalten.
702Im Transskript OC 31 (Bl. 2110 GA) heißt es:
703"…"
704Im Transskript OC 129 (Bl. 2297 GA) heißt es:
705"...“
706Der Wortlaut dieser Transkriptions-Versionen variiert an einigen Stellen (zur Einstellung gegenüber dem Kardinal sowie dem Tod des Papstes) teils erheblich. Andererseits ist der Gesamtwortlaut der Versionen im Hinblick auf Satzstellung, Wortwahl und Einleitung identisch, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger die Geschichte zweifach erzählt hat und es sich um die Transkriptionen unterschiedlicher Tage handelt.
707Eine Erklärung für die Unterschiede haben die Beklagten nicht vorgetragen. Es handelt sich auch nicht um Marginalien. Denn es bedeutet einen erheblichen Unterschied in der Aussage, ob 80 % des Klerus oder 80 % (der Bevölkerung?) mit einem eingesetzten Kardinal (angeblich) unzufrieden sind.
708Dass auch im Übrigen unterschiedliche Versionen der Transkriptionen existieren, lässt der handschriftliche Vermerk auf Anlage OC 55 „Qualität gemäß Original“ (Bl. 2146 f. GA) vermuten.
709Schon in Kenntnis derartiger Unterschiede in den Transskripten wären die Beklagten gehalten gewesen, eine vollständige Kopie der Tonbandprotokolle vorzulegen, wie ihnen dies die Kammer gemäß § 142 ZPO mehrfach aufgegeben hatte. Spätestens hätten die Beklagten jedoch nach Erhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 21.11.2016 zum Nachweis der Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen eine solche vollständige Kopie der Tonbandprotokolle vorlegen müssen.
710Das Bestreiten der Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 21.11.2016 war entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht verspätet, da die Beklagten noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.12.2016 ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, wie nicht zuletzt die Vorlage der Ausschnitte von Transkriptionen und Audio-Ausschnitte zeigt. Eine Verspätung durch den Vortrag des Klägers kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 21.11.2016 nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt, die Sache ist vielmehr entscheidungsreif auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers.
711bb) Vor diesem Hintergrund und der begründeten Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Äußerungen ist die Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit vorzunehmen.
712Dabei gilt, dass die Beklagten für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen darlegungs- und beweispflichtig sind (s.o.).
713Beweis für die Richtigkeit der Äußerungen haben die Beklagten in ausreichendem Maße nur für elf der streitgegenständlichen Äußerungen durch Vorlage von (kurzen) Audio-Abschnitten angetreten. Grundsätzlich sind alle weiteren Äußerungen mangels Erweislichkeit bereits zu untersagen. Denn die Beklagten haben nach wie vor die Möglichkeit (wie bereits die Vorlage kurzer Audio-Ausschnitte zeigt), die Richtigkeit der behaupteten Äußerungen zu überprüfen, weshalb sie nur solche Äußerungen veröffentlichen und verbreiten durften (und dürfen), von deren Wahrheitsgehalt sie sich überzeugt hatten und die sie demzufolge hätten belegen können und müssen.
714Ausgehend von dem Wahrheitsgehalt der streitgegenständlichen Äußerungen zu 1 – 114 hatte die erkennende Kammer mit Urteil vom 13.11.2014 dem Unterlassungsantrag des Klägers in weitem Umfang stattgegeben. Der Unterlassungsantrag des Klägers ist erst recht im Hinblick auf die Zweifel an der Authentizität der behaupteten Originalzitate gerechtfertigt. Die Kammer hält aus diesem Grunde an ihrer Ansicht zur Begründetheit des Unterlassungsantrags zu nachfolgenden Äußerungen fest:
715cc) Die Veröffentlichung und Verbreitung der nachfolgenden Textpassagen ist wegen der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, gegenüber der das öffentliche Interesse zurückzutreten hat, rechtswidrig:
716(1) Die Textpassagen
717Nr. 5 (S. 23 zu Norbert Blüm)
718Nr. 6 (S. 23 zum Chemiegiganten aus Ludwigshafen)
719Nr. 69 (S. 123 zur Beerdigung von Hannelore Kohl)
720verletzen das Recht des Klägers am Schutz des gesprochenen Wortes sowie die engste Privatsphäre des Klägers in besonderem Maße, da sie die Reaktion des Klägers auf den Selbstmord seiner Ehefrau und die familiäre Auseinandersetzung anlässlich der Beisetzung von Frau Hannelore Kohl thematisieren. Jeder Mensch, auch ein Politiker, hat jedoch das Recht, mit der Trauer über den Verlust seiner Ehefrau, sei es durch Tod oder Selbstmord, allein gelassen zu werden und kann verlangen, dass die im privaten, häuslichen Bereich geäußerten Reaktionen auf den Verlust und die Art und Weise, wie der Betroffene mit dem Verlust und den ausgesprochenen Beileidsbekundungen umgeht, nicht an die Öffentlichkeit getragen werden. Dies gilt auch, soweit der Kläger zuvor durch Veröffentlichung von Familienaufnahmen beispielhaft sein Privatleben gegenüber der Öffentlichkeit geöffnet hat, da es vorliegend um eine Ausnahmesituation nach dem Selbstmord eines nahen Angehörigen geht, in der ein Politiker wie jeder andere Betroffene Schutz beanspruchen kann und die Veröffentlichung solcher Belastungssituationen lediglich der Befriedigung der Sensationslust dient.
721Gerechtfertigt ist die Beschreibung auch nicht wegen der Veröffentlichung des Abschiedsbriefs der Ehefrau des Klägers im Jahr 2001, da dieser in keinem Zusammenhang mit der Reaktion der Söhne des Klägers auf die angekündigte Teilnahme des Bundeskanzlers Schröder an der Trauerfeier steht. Dass die Söhne des Klägers sich hierzu später geäußert haben mögen, rechtfertigt gleichfalls nicht ein öffentliches Interesse, da es vorliegend um die persönliche Einschätzung und Situation aus Sicht des Klägers geht. Auch die Beklagten behaupten nicht, dass der Kläger seine Betroffenheit über die persönliche Auseinandersetzung mit seinen Söhnen der Öffentlichkeit zuvor offenbart habe.
722(2) Die Textpassagen Nr. 1, 32, 43, 70, 87 betreffen gleichfalls die innerste Privatsphäre des Klägers, nämlich die Kommunikation mit und das Verhältnis zu seiner Ehefrau. Dies gilt auch, soweit in wörtlichen Zitaten nur die Äußerung der Ehefrau des Klägers und nicht die Reaktion des Klägers hierauf wiedergegeben wird, da die wörtlichen Zitate ersichtlich Teil eines Gesprächs zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau waren und der Wortlaut der Äußerung Rückschlüsse darauf zulässt, in welcher Weise der Kläger mit seiner Ehefrau kommuniziert hat, diese zum Teil Einfluss nehmend und beratend auf ihn eingewirkt hat und er ihrer Meinung Gewicht beigemessen hat. Gegenüber dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre als Ehemann, die dem Kläger auch als Politiker zusteht, hat das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung zurückzutreten, zumal die mitgeteilten Informationen zu den Ansichten Frau Kohls geringen Informations- und eher nur Unterhaltungswert haben. Soweit die Beklagten darauf abstellen, dass der Kläger sein Privatleben, z.B. durch Veröffentlichung von Familienfotos, der Öffentlichkeit geöffnet habe, vermag dies eine Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu rechtfertigen, da ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen der inneren Abstimmung unter Eheleuten und dem Zeigen von Familienbildern besteht. Auch die Beklagten behaupten nicht, dass der Kläger sich zuvor über sein Verhältnis zu seiner Ehefrau in der Öffentlichkeit geäußert habe.
723(3) Die Veröffentlichung der nachfolgenden Textpassagen stellt gleichfalls einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar und beeinträchtigt den Schutz am gesprochenen Wort in besonders massiver Weise, die Rechtsverletzung überwiegt aus diesem Grund das öffentliche Interesse an den nachfolgenden Äußerungen:
724Nr. 2 – 4, Nr. 7, Nr. 10 - 12, Nr. 15 – 21, Nr. 23 – 26, Nr. 28, Nr. 30, Nr. 31, Nr. 35 f, Nr. 40, Nr. 46f, Nr. 48f, Nr. 51 – 53, Nr. 55 – 59, Nr. 61 – 65, Nr. 67, Nr. 72f, Nr. 79, Nr. 81f, Nr. 84, Nr. 89 f, Nr. 93f, Nr. 102, Nr. 105 – 111
725Es handelt sich dabei ausschließlich um wörtliche Zitate des Klägers, die, unabhängig von ihrem Inhalt, dem Schutz des gesprochenen Wortes unterfallen. Sie zeichnen sich durch eine drastische und umgangssprachliche Ausdrucksweise aus und bringen in z.T. abfälliger und herabsetzender Art und Weise die geringe Achtung des Klägers gegenüber den Erwähnten zum Ausdruck. Zu einem großen Teil wären die Ausdrücke, sofern der Kläger sie unmittelbar gegenüber den Betroffenen geäußert hätte, geeignet, den Tatbestand der Beleidigung zu erfüllen (§ 185 StGB).
726Die Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers ist allein aufgrund der Ausdrucksweise in besonderem Maße geeignet, sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und das Verhältnis des Klägers zu den erwähnten Personen nachhaltig zu beeinträchtigen. Zu berücksichtigen ist, dass die oft drastische Ausdrucksweise auch damit zusammenhängen dürfte, dass sich der Kläger zu dem Zeitpunkt zumindest eines Teils der Äußerungen in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden hat, auf dem Höhepunkt der Parteispendenaffäre, isoliert von der Öffentlichkeit und weiten Teilen seiner eigenen Partei und getroffen von dem Selbstmord seiner Ehefrau. Die Situation des Klägers skizziert der Beklagte zu 1) wie folgt skizziert:, „Sein gesellschaftliches Ansehen strebt gegen null (Buch S. 20). In dieser Situation „schüttet er (der Kläger) seinen Gesprächspartnern das Herz aus“, (S. 72) „schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“ (S. 22) und verfasst eine „Enzyklopädie der süßen Rache“ (S. 84), in deren Folge ohne weitere Darstellung eines Zusammenhangs die angegriffenen Textpassagen hintereinander gereiht werden.
727Der Kläger hat diese „Entgleisungen“ (Buch S. 225) augenscheinlich in einem Zustand der Wut, Verbitterung und Rache geäußert in dem Gespräch mit dem Beklagten zu 1) und z.T. Dr. M, die er als seine Vertrauten ansah. Im privaten Umfeld jedoch, auf der Basis einer zugesagten Geheimhaltung der Äußerungen gegenüber Dritten, war auch der Kläger berechtigt, sich gehen zu lassen, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und unbesorgt auch vorschnelle, situationsbedingte Urteile über andere Politiker, politische Weggefährten und Feinde in einem „maßlose(n) Rückblick im Zorn“ (Buch S. 103) zu äußern. Denn aufgrund der zugesicherten Endkontrolle konnte der Kläger gewiss sein, dass keine seiner Äußerungen in der Form ohne seine Zustimmung nach außen dringen würde. Dies gilt zumal der Kläger bereits im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen bezüglich „sehr freimütig(er)“ Äußerungen über damalige und auch heute teils noch aktive Politiker, wenn er ins Erzählen gekommen war, die Anweisung erteilt hatte, „Das schreiben wir aber nicht“, wie der Zeuge Dr. M bekundete und mehrfach auf den Transkriptionen festgehalten.
728Bei der Abfassung der Memoiren bestand er dann auch darauf, „Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicher zu gehen, hatte der ewig Misstrauische auch stets noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren“ (Buch S. 49). Mit der Sicherheit dieser Kontrollmöglichkeit brauchte der Kläger beim Diktieren seiner Lebenserinnerungen auf Tonband kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
729Der Schutz der Vertraulichkeitssphäre des Klägers an den vorstehenden Textpassagen überwiegt das von den Beklagten zu 2) und 3) verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit.
730Wie bereits mit Urteil vom13.11.2014 – 14 O 315/14 – ausgeführt, haben die Äußerungen des Klägers weitgehend keinen hohen „Öffentlichkeitswert“, abgesehen von dem öffentlichen Interesse, das ohnehin jeglicher Äußerung des Klägers als herausragendem Politiker der Zeitgeschichte entgegengebracht wird. Das öffentliche Interesse rechtfertigt aber aus o.g. Gründen nicht per se eine Veröffentlichung jeder dieser Äußerungen, weil dies auf eine komplette Verneinung des Schutzes der Privatsphäre und der Vertraulichkeitssphäre für den Kläger hinauslaufen würde.
731(4) Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Textpassagen ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt. Keine der streitgegenständlichen Textpassagen hat ein – über die Äußerung als solche – strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers zum Gegenstand. Aus dem Gesichtspunkt der Aufdeckung eines Missstandes von erheblichem Gewicht (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12 – Innenminister unter Druck), ist die Veröffentlichung aus diesem Grund gleichfalls nicht gerechtfertigt.
732Hinzu kommt, dass die Äußerungen des Klägers nicht eingebettet in den Gesamtzusammenhang der 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbandprotokolle wiedergegeben werden, sondern ersichtlich wegen ihrer Auffälligkeit „herausgepickt“ und aneinandergereiht wurden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 2) und 3) sich an dem Rechtsbruch des Beklagten zu 1) seine Geheimhaltungsverpflichtung betreffend unterstützend und beratend beteiligt haben.
733Aus diesem Grunde ist die Veröffentlichung und Verbreitung der oben genannten Textpassagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig.
734(5) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Unterlassung folgender Textpassagen:
735Nr. 13f, Nr. 27, Nr. 30, Nr. 33f,, Nr. 39, Nr. 41f, Nr. 44f, Nr. 54, Nr. 66, Nr. 68, Nr. 74-76, Nr. 83, Nr. 88, Nr. 94-98, Nr. 104, Nr. 113
736Bei diesen Textpassagen, die gleichfalls die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede wiedergeben, handelt es sich um die private Selbsteinschätzung des Klägers (Nr. 13, 14, 30) sowie Einschätzungen seiner politischen Gegner und Weggefährten, die, auch soweit sie nicht in der drastischen Ausdrucksweise formuliert sind, dennoch eine negative Grundeinstellung des Klägers zu den Genannten zum Ausdruck bringen (beispielsweise Nr. 27 zu Stoltenberg „…“, zu Geißler „…“ (zumal diese Äußerung nicht durch Transskripte belegt ist), Nr. 39 „…") und geeignet sind, die Angesprochenen verächtlich zu machen, was auf den Kläger als Äußernden unmittelbar zurückfällt. Durch die Wiedergabe wird der Eindruck erweckt, dass der Kläger nicht in der Lage war, differenziert über politische Gegner zu urteilen.
737Die Wiedergabe dieser Textpassagen verletzt ebenfalls in erheblichem Umfang die Privatsphäre des Klägers und damit dessen Persönlichkeitsrecht gerade aufgrund der Wortwahl des Klägers und der auch in diesen Passagen ausgedrückten negativen Einstellung, die geeignet ist, die Achtung vor dem Kläger in der Öffentlichkeit sinken zu lassen. Aus diesem Grund hat der Kläger in besonderem Maße Anspruch auf Schutz der Vertraulichkeit seiner Äußerungen.
738Im Gegenzug ist das Öffentlichkeitsinteresse, auf das sich die Beklagten zu 2) und 3) berufen können, nicht von erheblichem Gewicht, da auch hier ein Sachzusammenhang nicht dargestellt wird und die Äußerungen als solche lediglich Unterhaltungswert haben, der gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Persönlichkeitsschutz nachrangig ist.
739(6) Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) auch zu den folgenden Textpassagen ein Unterlassungsanspruch zu:
740Hinsichtlich der Textpassage Nr. 37 (S.93 zu Kurt Biedenkopf, Franz Josef Strauß)
741ist aus den Gründen, die bereits bezüglich des Beklagten zu 1) ausgeführt wurden, gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegeben. Die in diesen Textpassagen wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 ist zwar stellenweise mit eigenen Worten des Autors verflochten. Diese dienen aber ersichtlich nur dazu, die Erzählung des Klägers zu straffen und um ansonsten ohne Zusammenhang nebeneinander aufgereihte Zitate des Klägers in derber, umgangssprachlicher Wortwahl („…“) zu verbinden. Dies stellt gleichfalls eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Demgegenüber hat im Hinblick auf das Alter der Episode sowie des dargestellten Inhaltes die Geschichte keinen tagesaktuellen Bezug, sondern vielmehr nur einen gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers nachrangiges öffentliches Interesse an unterhaltender Information.
742Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht ferner hinsichtlich der Textpassage Nr. 22 zu Angela Merkel.
743Bezüglich der in direkter Rede wiedergegebenen, drastischen und abfälligen Wertung des Klägers besteht ein Unterlassungsanspruch bereits, weil die Wiedergabe den Kläger erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Frau Merkel war als Nachfolgerin des Klägers in politischen Ämtern im Jahr 2001/2002 aktiv und zählte damit zum Kreis derer, bezüglich derer der Kläger nach Bekundungen des Zeugen Dr. M ausdrücklich nicht wünschte, dass seine Äußerungen veröffentlicht würden. Dies belegt, dass der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt nach seinem Wutausbruch seine Äußerung relativiert hat, dies wegen der nur ausschnittweisen Wiedergabe der 3000 Seiten des Protokolls durch die Beklagten aber nicht dargestellt ist, denn die von dem Zeugen Dr. M bekundeten diesbezüglichen Äußerungen des Klägers „das schreiben wir aber nicht“ finden sich an keiner Stelle des Buches.
744Hinzu kommt, dass die als Originalzitat wiedergegebene Äußerung des Klägers bereits auf Grundlage der von den Beklagten vorgelegten Transskripte so von dem Kläger nicht geäußert worden ist.
745Die Äußerung zu Angela Merkel,
746„....“,
747welche der Darstellung nach als einheitliche Äußerung anmutet, ist tatsächlich aus drei Äußerungen zusammengesetzt, die an drei unterschiedlichen Tagen, mit einem Abstand von mehreren Monaten (30.04.2001, 30.06.2001 und 17.03.2002, OC 40-42, Bl. 2121 – 2123) gefallen sein sollen:
748Für die Äußerung (Teil 1, „die Dame“ ) legen die Beklagten ein Transskript vor, dessen letzter Satz mit „Ich denke, dass die Dame es“ beginnt und zugleich das Transskript endet.
749Teil 2 der Äußerung lautet dem Transskript zufolge:
750…
751Teil 3 der Äußerung „…“ bezieht sich ausweislich des Wortlauts des Transskripts nicht auf die Person der heutigen Kanzlerin, sondern auf die Umgangsweise unter Politikern:
752…
753Auch soweit in dieser Textpassage und den Textpassagen Nr. 59, 83, 88, 92, 96, 101 neben der Wiedergabe der Äußerungen des Klägers in direkter/indirekter Rede die abfälligen Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors wiedergegeben werden, besteht gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es aus den oben ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Unterschied macht, ob die Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede oder mit den eigenen Worten des Autors, aber gleichem Sinngehalt wiederholt wird.
754Im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle 3000 Seiten umfassen, war eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise ein Zusammenhang noch verständlich sein sollte, stellenweise in komprimierter Form notwendig. Die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers und die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre wird aber nicht dadurch gemindert, dass die Äußerungen des Klägers zusammengefasst wiedergegeben werden. Vielmehr liegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers insbesondere darin, dass ohne Darstellung des Tonfalls und Zusammenhangs der Äußerung die Möglichkeit der Verfälschung ihres Sinns besteht. So kann ein Schimpfwort, in leichtem Ton gesprochen, nicht als Beleidigung gemeint und zu verstehen sein, gedruckt jedoch eindeutig negativ wirken.
755Demgegenüber haben die Äußerungen über ihren Unterhaltungswert als solchen, der bezüglich der jetzigen Kanzlerin besonders ausgeprägt sein dürfte, keinen Informationsgehalt. Insbesondere die Textpassage Nr. 22 zu Angela Merkel enthält keinerlei Sachinformationen, die geeignet sein könnten, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, zumal die Textpassage als solche aus vorstehenden Gründen keinen Anspruch auf Authentizität als Originalzitat erheben kann.
756Dies gilt überdies auch hinsichtlich der Bemerkungen Nr. 2 und Nr. 3 über Frau Angela Merkel und Herrn Friedrich Merz. Über die Information hinaus, dass der Kläger diesen Personen gegenüber im Zeitpunkt der Tonbandaufnahme negativ eingestellt wird, ist keinerlei weitere Information mitgeteilt worden. Die Tatsache jedoch, dass sich bis zum Jahr 2001/2002 eine Reihe von Politikern, auch aus der Partei des Klägers, von dem Kläger distanziert hatte, allen voran die jetzige Bundeskanzlerin Frau Merkel in einem Beitrag in der FAZ Ende 1999,war und ist allgemein bekannt, ebenso wie das damalige gespannte Verhältnis des Klägers zu Frau Merkel. Das öffentliche Interesse an den Äußerungen Nr. 2, 3, 23 beschränkt sich damit auf wenig mehr als einen Unterhaltungswert.
757Im Blick auf die drastischen Formulierungen, die der Kläger gewählt hat, und die mit einer Veröffentlichung dieser Wortwahl einhergehende erhebliche Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers ist die Veröffentlichung dieser Textpassagen, sowie der oben genannten, rechtswidrig.
758Zu berücksichtigen ist dabei, dass auf Grundlage der von Beklagtenseite vorgelegten Transskripte bereits davon auszugehen ist, dass die Art und Weise, wie die Frau Merkel betreffenden Zitate (Nr. 2 und Nr. 3) in dem Buch dargestellt werdenird, den tatsächlichen Zusammenhang bewusst verfälscht:
759In dem Buch werden die Zitate wie folgt in den Kontext eingebettet:
760King Lear aus der Pfalz hält Gerichtstag über seine missratene Brut. Angela Merkel? „…“, knurrt der Kanzler außer Diensten bei unserem Termin sechzehn Tage nach Hannelores Selbstmord, „….“ Das Mädchen aus Uckermark und ihr Vertrauter Friedrich Merz? „….“
761Tatsächlich ist ausweislich des Transskripts OC 49 (Bl. 2133 – 2135) die erste Äußerung des Klägers zu Angela Merkel am Ende eines über drei Seiten gehenden Monologes des Klägers gefallen, in welchem er die zur Zeit der Wende bestehenden unterschiedlichen Lebenserfahrungen und religiösen Hintergründe von Ost- und WestdeuT-schen beschreibt:
762..“ sie fand es würdig…“
763In dem Transskript sind weder Anhaltspunkte für eine abfällige Abrechnung, noch für Zorn (Knurren) des Klägers ersichtlich.
764Die zweite Äußerung (Nr. 3) über Angela Merkel und Friedrich Merz, die in dem Buch in unmittelbarem Zusammenhang zu Nr. 2 dargestellt wird, ist ausweislich der Seitenzahlen der Transskripte zu einem gänzlich anderen Zeitpunkt gefallen. Auch diese Äußerung wird bereits auf Grundlage des Transskripts nicht zutreffend wiedergegeben. Sie lautet ohne die von den Beklagten vorgenommenen Kürzungen wie folgt:
765…
766Dass zwischen "nicht können" und "nicht wollen" ein erheblicher Unterschied besteht, liegt auf der Hand.
767Nr. 91 S. 181 zu Rita Süssmuth u.a.
768Die wörtliche Wiedergabe der Äußerung, welche sichtlich eine äußerst drastische Wortwahl auszeichnet, stellt eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers dar, die gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt, auch wenn Thema des Zitats die Erörterung eines möglichen Termins für den Tag der deuT-schen Einheit ist (09.11.). Auch hier ist die Reihenfolge der Äußerung von den Beklagten verdreht und die Erregung, die durch das Ausrufezeichen suggeriert wird, in dem Transskript nicht belegt.
769dd) Bezüglich der nachfolgenden Textpassagen legt die Kammer die Einschätzung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14) zugrunde, wonach selbst bei einem grundsätzlich bestehenden öffentlichen Interesse aufgrund der den Beklagten bekannten Geheimhaltungsvereinbarung des Beklagten zu 1) mit dem Kläger und der Wiedergabe der in privatem, geschützten Bereich erfolgten Äußerungen des Klägers der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Klägers nur vor überragendem öffentlichen Interesse zu zurücktreten muss, welches auch nach Ansicht der Kammer nicht für die nachfolgenden Äußerungen gegeben ist:
770Nr. 8 Seite 49
771Die Textpassage beschreibt mit den Worten des Beklagten zu 1) einen Auszug aus dem zwischen dem Kläger und dem damaligen Palästinenserführer Arafat geführten Telefongespräch, gibt jedoch nur die Bitte um finanzielle Unterstützung von Seiten Arafats, nicht die Reaktion des Klägers hierauf wieder. Auch wenn die Reaktion des Klägers selbst nicht mitgeteilt wird, wird das Persönlichkeitsrecht des Klägers bereits dadurch tangiert, dass wiedergegeben wird, dass Arafat sich an den Kläger in einer kritischen Lage wandte und ersichtlich den Kläger für einen geeigneten Ansprechpartner seines Anliegens erachtete. Ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser Episode besteht bereits deshalb nicht, weil das Ergebnis des Telefonates völlig offen ist.
772Nr. 9 S. 61
773Die Textpassage gibt teilweise das Zitat des Klägers aus einem Brief wieder, das dieser bei Erstellung der Tonbandprotokolle wiederholt hat. Auch insoweit ist die Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die Veröffentlichung der Textpassage verletzt.
774Es besteht grundsätzlich auch ein erhebliches öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung, da die Textpassage thematisiert, wie Parteispenden von einem Politiker eingefordert wurden und welche Beträge für angemessen erachtet wurden. Die Frage der Parteienfinanzierung ist auch heute noch von tagesaktuellem Bezug, insbesondere vor dem Hintergrund des einige Jahre zurückliegenden Parteispendenskandals.
775Zu berücksichtigen ist aber, dass die Beklagten für diese Passage keine Audiodatei als Beleg vorgelegt haben. Aufgrund der vielfachen Ungenauigkeiten, die die von den Beklagten vorgelegten Transkripte aufweisen, ist bei einem solch schwerwiegenden Vorwurf, der die Einforderung von Parteispenden unter Druck thematisiert, ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nur zu bejahen, wenn die Beklagten der ihnen obliegenden Verpflichtung zur Überprüfung der mitgeteilten Tatsachen genügt haben. Dies wäre den Beklagten unschwer möglich durch Anhören (und Vorlage) der entsprechenden Audiodatei. Hiervon haben die Beklagten aber gerade Abstand genommen.
776Ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von möglicherweise unwahren Zitaten ist nicht anzunehmen.
777Die gleiche Wertung gilt für die Zitate
778Nr. 50 S. 102 f u.a. zu Klaus Töpfer
779Nr. 61 (S. 110 zu Manfred Stolpe).
780Bei dem letzten Zitat kommt hinzu, dass die in wörtlicher Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers den unterschiedlichen Umgang der Parteien mit einer möglichen „Stasi-Vergangenheit“ hochrangiger Parteimitglieder betrifft und auch heute noch, über 28 Jahre nach dem Mauerfall, von erheblichem öffentlichen Interesse und geeignet ist, zu einer öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung darüber beizutragen, welche Auswirkungen eine frühere Tätigkeit von Politikern für den Staatssicherheitsdienst der DDR heute noch hat oder haben sollte. Der dem Kläger in den Mund gelegte Vorwurf wäre indes geeignet, den Straftatbestand der üblen Nachrede zu erfüllen, zumal Belege für den geäußerten Verdacht von dem Kläger damals augenscheinlich nicht benannt oder gar vorgelegt wurden.
781Aufgrund der Tragweite, die eine solche Äußerung sowohl für den Beschuldigten, als auch den Sprecher impliziert, ist ein öffentliches Interesse bereits an einer solchen Veröffentlichung nur zu bejahen, wenn nachgewiesen ist, dass es sich tatsächlich um ein Originalzitat handelt. Dies haben die Beklagten indes nicht getan, insbesondere keine Audio-Datei vorgelegt.
782Gleiches gilt hinsichtlich der Äußerungen zu
783Nr. 71 zu Franz-Josef Strauß
784Die Kammer folgt der Einschätzung des Oberlandesgerichts Köln, dass aufgrund der rein persönlichen Prägung der Charakterisierung ein überragendes öffentliches Interesse, welches die Veröffentlichung rechtfertigen könnte, nicht anzunehmen ist, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beklagten diesbezüglich keine Audio-Dateien vorgelegt haben.
785Nr. 80 (S. 164 f) und Nr. 86 (S. 169) zu Richard von Weizsäcker )
786Bezüglich dieser beiden Textpassagen besteht eine Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers durch die Wiedergabe als wörtliche Zitate des Klägers. Der Wortlaut, der veröffentlicht wurde, ist zwar neutral und der Schilderung des Sachverhaltes nicht unangemessen. Im Gegensatz zu den eingangs aufgeführten Textpassagen geht mit einer Veröffentlichung nicht die Gefahr eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit für den Kläger einher, weshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung weniger schwerwiegend erscheint.
787Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bereits auf Grundlage der von Beklagtenseite vorgelegten Transskripte die als Originalzitate des Klägers dargestellten Äußerungen tatsächlich so nicht gefallen sind. Denn ausweislich des Transskripts OC 112 (Bl. 2266) wird die Äußerung Nr. 81 (in leicht abweichendem Wortlaut) von einem „MJ“ getätigt; ersichtlich handelte sich dabei nicht um die Initialen des Klägers.
788Die Äußerung Nr. 86 entspricht nicht der Darstellung, wie sie in der Anlage OC 117, Bl. 2278 f., wiedergegeben wird. Die als einheitliches Zitat dargestellte Äußerung ist tatsächlich von den Beklagten teils im Wortlaut gekürzt, teils sind zwischen den einzelnen Sätzen bzw. Halbsätzen weiterführende Erläuterungen des Klägers, die der Äußerung eine andere Nuance geben, weggelassen worden. Dies betrifft insbesondere die Schilderung des Klägers zu dem Verhältnis zwischen ihm und dem vormaligen Bundespräsidenten einerseits und dem Bundespräsidenten und weiteren Politikern, wie Herrn Schäuble. Zu diesem hatte, wie der Kläger ausführt, aber von den Beklagten gestrichen wurde, der Bundespräsident ein gutes Verhältnis („…“).
789An der Veröffentlichung eines seitens der Beklagten durch Kürzungen und Auslassungen verfälschten Originalzitates, welches in der dargestellten Form keinen Anspruch auf Authentizität erheben kann, besteht kein die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes Klägers überwiegendes öffentliches Interesse, gerade weil die Äußerung des Klägers das Verhältnis der Inhaber höchster Staatsämter zueinander betrifft.
790Nr. 85 zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep
791Ein Unterlassungsanspruch besteht aufgrund der Wortwahl zunächst hinsichtlich der Passage
792…
793Bezüglich dieses Teils der Textpassage, die in umgangssprachlicher Ausdrucksweise die Verärgerung des Klägers über Herrn von Weizsäcker ausdrückt, ansonsten aber keine Sachinformationen enthält, überwiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gegenüber einem öffentlichen Interesse an einer Äußerung mit lediglich Unterhaltungswert. Dies gilt umso mehr, als ausweislich der zu der Äußerung Nr. 86 vorgelegten insgesamt 5 Transkriptseiten, die zudem keine aufeinanderfolgenden, sondern auseinander liegende Seitenzahlen aufweisen (OC 116), ein Teil der Äußerung („…“) nicht belegt ist (siehe oben).
794Das „Originalzitat“ ist, ausgehend von dem Vortrag der Beklagten zu den Transskripten, kein solches, sondern tatsächlich aus unterschiedlichen Texten zusammengesetzt, wobei teils in eine Äußerung des Klägers (OC 116 S. 33, Bl. 2277 GA) die an völlig anderer Stelle gefallene Äußerung (OC 116 S. 22, Bl. 2276) hineinmontiert wurde, jedoch als durchgehendes Originalzitat präsentiert wird, beginnend mit „Ja, es gab… - völlig egal.“
795Äußerungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten getätigt werden, von den Beklagten aber als einheitlichen Zitat „montiert“ werden, beinhalten per se die Möglichkeit, dass diese in ihrem Aussagegehalt verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Jedenfalls hinsichtlich solcher zusammengesetzter Zitate sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig für die Authentizität der Aussage nicht nur nach Wortwahl, sondern auch für den von dem Kläger beabsichtigten Inhalt. Die – kurzen – Transkriptausschnitte sind hierfür nicht ausreichend. Auch haben die Beklagten wiederum keine Audiodatei zum Beleg eingereicht. Vor diesem Hintergrund besteht bereits kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung einer fälschlich als Originalzitat dargestellten Äußerung.
796Nr. 99 S. 192
797Die Äußerung des Klägers „…“ wird von den Beklagten in Bezug auf die Waffen-SS, jedoch ohne sonstigen Zusammenhang wiedergegeben. Eine Äußerung, die aus ihrem Kontext herausgerissen wird, kann sehr schnell in ihrer Bedeutung missverstanden werden, weshalb die Veröffentlichung dieser Äußerung eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers darstellt.
798Tatsächlich hat der Kläger, wie ein Vergleich mit dem von Beklagtenseite vorgelegten Transskript OC 128 (Bl.2296) zeigt, schon nach diesem die Äußerung nicht in der Reihenfolge und damit auch nicht in dem Zusammenhang getätigt, wie von Beklagtenseite dargestellt. Insbesondere hat der Kläger nicht geäußert,
799…
800Die unkorrekte Wiedergabe einer Äußerung, dargestellt als Originalzitat, in Zusammenhang mit einem Thema, das in besonderem Maße Sensibilität und Korrektheit in der Darstellung verlangt, gerade aufgrund der Greuel, die im Zweiten Weltkrieg insbesondere von Angehörigen der Waffen-SS verübt wurden, verletzt das Persönlichkeitsrecht des Klägers besonders stark. Dies gilt insbesondere, da aufgrund der von den Beklagten gewählten Darstellung in Zitat Nr. 99 der Kläger in den Verdacht geraten könnte, tatsächlich, wie von den Beklagten geäußert, Verständnis für die Waffen-SS zu haben.
801Nr. 100 S.193
802Die Äußerung ist zu einem Zeitpunkt 2001/2002 gefallen, als u.a. die rechtsradikalen Verbrechen verübt und vorbereitet wurden, die heute Gegenstand gerichtlicher und politischer Aufarbeitung sind (NSU-Prozess).
803Die Äußerung des Klägers, die darauf hinweisen könnte, dass damalige hochrangige Politiker die Gefahr des Rechtsradikalismus verkannt und unterschätzt haben, hat aktuellen tagespolitischen Bezug und ist deshalb von hohem öffentlichem Interesse.
804Ausweislich des von den Beklagten hierzu vorgelegten Transskripts erfolgte die Äußerung jedoch in Zusammenhang mit dem Wahlerfolg der Partei Die Republikaner anlässlich einer Landtagswahl in den Jahren 1998 und 1992 und damit in anderem zeitlichen Zusammenhang. Von diesem Hintergrund folgt die Kammer der Einschätzung des Oberlandesgerichts Köln, dass kein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser Äußerung besteht.
805Nr. 103 (S. 198 zum jüdischen Weltkongress)
806Entgegen der Darstellung in dem Buch handelt es sich hier nicht um in unmittelbarem Zusammenhang gefallene Äußerungen, sondern die Beklagten haben Äußerungen des Klägers, die die Beklagten vorliegend auch durch Audio-Dateien belegt haben, vom 19.01.2002 und 29.05.2001 (OC 29 zu 103/1 und 103/2, Seite 2108 f. GA) kombiniert, wobei sie den Wortlaut nicht wortgetreu wiedergegeben haben (der Kläger spricht z.B. von jüdischen Organisationen).
807Desweiteren lautet der Zitatteil zum Jüdischen Weltkongress wie folgt (Audiodatei OC 30):
808…
809In der Folge erläutert der Kläger ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Transskripts, dass er zu dem ehemaligen Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses ein gutes Verhältnis gehabt habe.
810Im Hinblick auf das Verstoß gegen die Zitattreue sowie den nicht mitgeteilten Zusammenhang, in welchem das Zitat steht, besteht gerade aufgrund der Bedeutung des Themas, ob man als Deutscher Kritik an jüdischen Organisationen üben kann, und wenn ja, in welcher Form diese geäußert werden muss, um nicht den Vorwurf des Antisemitismus auf sich zu ziehen, eine besondere Verpflichtung der Beklagten zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, auch durch Darstellung des Gesamtzusammenhangs, in welchem sie gefallen sind. Denn der Kläger kann beanspruchen, nicht fälschlich dem Vorwurf der mangelnden Sensibilität für dieses Thema ausgesetzt zu werden, weshalb besonders hohe Anforderungen an die Zitattreue zu stellen sind.
811Dies gilt zumal die Beklagten damit werben, die veröffentlichten Äußerungen des Klägers seien authentisch. Wörtlich wiedergegebene Äußerungen haben Belegfunktion, ihnen wird in der Öffentlichkeit in besonderem Maße Glauben geschenkt. Je bedeutender ein Thema in der Öffentlichkeit ist und je schwerwiegender die Konsequenzen, die der Ruf und das Ansehen des Äußernden erleiden kann, desto höhere Anforderungen sind an die Exaktheit der Wiedergabe eines wörtlichen Zitates zu stellen. Hierüber haben sich die Beklagten ohne zwingenden Grund hinweggesetzt. Mit dem Oberlandesgericht geht die Kammer aus diesem Grund dafür aus, dass ein überragendes Interesse an der Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers aus vorstehenden Gründen nicht gegeben ist.
812Nr. 112 (S. 212 f)
813Die Textpassage beschreibt aus Sicht des Klägers das Verhältnis von Politik und Presse. Die Ansicht des Klägers als ehemaligem Bundeskanzler, …, ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis von Politik und Presse und damit von großem öffentlichen Interesse.
814Den zum Beleg vorgelegten Transskripten (OC 137 - OC 140 , Bl. 2307 ff GA) ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger bei der Äußerung zu diesem Thema, insbesondere zu konkreten Personalien der Presschefs Zurückhaltung üben wollte und insbesondere keinen Namen nennen wollte, nicht einmal in den Memoiren. Weitere Äußerungen hat der Kläger nur auf Insistieren des Fragestellers getätigt.
815Hinzu kommt, dass die Beklagten den Wortlaut der auf der Transkription wiedergegeben Äußerung verfälscht haben durch den dort nicht vorhandenen Zusatz „eben auch“. Die Äußerung erhält dadurch einen ganz anderen Sinn, weil durch den Zusatz unterstellt wird, der Kläger halte auch Pressechefs für Schurken.
816Vor diesem Hintergrund ist ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nicht anzunehmen, denn der Gesamtzusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist, war auch für die Beklagten zu 2) und 3) schon nach dem Wortlaut der Transskripte offensichtlich.
817Nr. 115 und 116 (S. 153 f)
818Die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers zu Michail Gorbatschow verletzt aufgrund ihrer drastischen Ausdrucksweise (Nr. 115) sowie der abfällig anmutenden Bewertung des Lebenswerkes von Michail Gorbatschow (Nr. 116) das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Formulierungen sind objektiv geeignet, bereits aufgrund der Art und Weise der Formulierung als Kränkungen verstanden zu werden. Es bedarf deshalb keines Beweises von Klägerseite, dass durch die Veröffentlichung dieser Formulierungen seine (freundschaftliche) Beziehung zu dem ehemaligen Präsidenten beeinträchtigt wurde.
819Ein die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Äußerungen als Originalzitate besteht nicht, da es sich bei der zum Ausdruck gebrachten Einschätzung des Klägers, der Präsident sei mit seinen Zielen gescheitert, nicht um eine der Öffentlichkeit zuvor so nicht bekannte Beurteilung handelt. Unwidersprochen trägt der Kläger vor (Schriftsatz vom 23.02.2016, Seite 40, Bl. 925 GA), dass er im Vorwort seines 2009 erschienenen Taschenbuches „Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung - Meine Erinnerungen“ auf Seite 19 bereits seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht habe, dass Michail Gorbatschow den Zerfall der Sowjetunion gerade nicht beabsichtigt habe.
820Aus diesen Gründen besteht kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Äußerung des Klägers, die in drastischer Ausdrucksweise eine der Öffentlichkeit bereits vorbekannte Einschätzung des Klägers wiedergibt; der Öffentlichkeitswert besteht insofern lediglich in der Ausdrucksweise als solcher und hat darüber hinaus keinen eigenen Mitteilungswert.
821Zusammenfassend ist festzuhalten, dass an der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerungen kein die scherwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigendes, öffentliches Interesse besteht, weshalb das Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Schutz seines Persönlichkeitsrechtes zurückzutreten hat.
822d) Die für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorausgegangene Rechtsverletzung indiziert, sie kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH, NJW 1996, 723; BGH NJW-RR 2002, 608 (609); eine solche haben die Beklagten indes nicht abgegeben.
8233.
824Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 100 Abs. 1 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
8254.
826Die nachgelassenen Schriftsätze des Klägers sowie der Beklagten zu 3) und die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten zu 2) und 3) geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
827Der Vortrag des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz zum Inhalt der Audiodateien stellt keinen neuen Sachvortrag dar, da der Wortlaut der Audiodateien den Beklagten und dem Gericht bereits im Zeitpunkt der Einreichung, vor der mündlichen Handlung vom 08.12.2017, bekannt war. Auch die von Klägerseite vorgelegte Synopse beschränkt sich auf die Zusammenfassung des bereits zuvor vorgetragenen Streitstoffs.
828Dem Beweisangebot der Beklagten zu 3) zur Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen, welche weder durch Audio-Dateien, noch durch Transskripte belegt sind, durch Einvernahme des Zeugen Dr. M sowie Vorlage der Originaltonbänder gemäß § 142 ZPO durch den Kläger war nicht nachzugehen. Da die Beklagte zu 3) in Person ihres Justiziars an der Auswahl der Originalzitate aus den Kohl-Protokollen beteiligt war, setzt ein geeigneter Beweisantritt voraus, dass die Beklagte zu 3) vorträgt, auf welchem der 200 Bänder bzw. zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständliche Äußerung des Klägers auf Tonband festgehalten worden sein soll. Dies ist der Beklagten auch unschwer möglich, da selbst auf den Transskripten der jeweilige Bandwechsel vermerkt war.
829Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten war nicht zu berücksichtigen (§ 296 a ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass der darin enthaltene Vortrag nicht bereits zuvor, spätestens im Rahmen des Schriftsatznachlasses, hätte vorgetragen werden können. Auch insoweit liegen die Voraussetzungen von § 156 ZPO nicht vor.
830Streitwert:
831für den Klageantrag zu 1) 300.000,00 EUR ( 3 x 100.000,00 EUR)
832für den Klageantrag zu 2) 100.000,00 EUR
833400.000,00 EUR
834Rechtsbehelfsbelehrung:
835Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
8361. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
8372. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
838Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
839Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
840Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
841Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.