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Die Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt,
1) dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Gewinne sie dadurch erzielt hat, daß sie von Verbrauchern bei der Abwicklung von Verträgen über Internet- und/oder Telefondiensten seit dem 21.09.2013
a) Mahnpauschalen i.H.v. 5,00 € sowie
b) Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 9,00 €
vereinnahmt hat.
Dazu hat die Beklagte dem Kläger jeweils kaufmännisch Rechnung zu legen und ihm dabei in monatlich geordneter Aufstellung im Einzelnen mitzuteilen,
(1) welche Einnahmen sie durch die Vereinnahmung der jeweiligen Pauschalen im Auskunftszeitraum jeweils erzielt hat;
(2) welche Ausgabenpositionen in welcher Höhe ihr im Zusammenhang mit der jeweiligen Pauschalerhebung jeweils angefallen sind;
(3) welche nach § 10 Abs. 2 S. 1 UWG abzugsfähigen Leistungen sie aufgrund der Zuwiderhandlung jeweils an Dritte oder den Staat erbracht hat und
(4) welche Nutzungen sie aus den erzielten Gewinnen im Auskunftszeitraum gezogen hat, wobei sie im Falle der Finanzierung ihrer laufenden Geschäftstätigkeit auch über Kredite u.a. mitzuteilen hat, zu welchen Höchstzinssätzen sie Kredite jeweils in Anspruch genommen hat bzw. nimmt.
Die Beklagte kann die Rechnungslegung hinsichtlich der Identität der einzelnen Pauschalierungsfälle jeweils gegenüber einem vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vornehmen, indem die Beklagte dem Wirtschaftsprüfer eine Auflistung der Pauschalierungsfälle übergibt, sofern
(1) sie die Kosten seiner Einschaltung trägt und
(2) den Wirtschaftsprüfer ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob
(i) die dem Kläger nach Satz 2 Nr. (1) mitgeteilten monatlichen Einnahmen mit den sich aus der Auflistung ergebenden monatlichen Einnahmen übereinstimmen und
(ii) in der Rechnungslegung ein oder mehrere bestimmte Pauschalierungsfälle enthalten sind.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 €.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche aus Gewinnabschöpfung wegen behauptet unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen betreffend Rücklastschrift- und Mahngebühren.
3Die Beklagte bietet Internet- und Telefondienstleistungen an. Ihre AGB enthalten in Ziff. 6.6 die „Berechtigung“, nach Verzug des Kunden für jede Mahnung vom Kunden pauschalierten Schadensersatz gemäß der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Preisliste zu verlangen. Gleiches soll gelten, wenn es im Falle eines Lastschriftauftrages zu einer Rückbelastung kommt. Die „Preisliste Telefon und Internet“ der Beklagten sah in der Fassung 09/2015, Version 5, Anlage K 10, Bl. 154 ff. d.A., „ab der 2. Mahnung“ 5,00 € und für eine „Rücklastschrift“ 9,00 € vor.
4Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2015, Anlage K 3, Bl. 46 ff. d.A., wegen der Pauschalen ab. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 30.11.2015, Anlage K 4, Bl. 52 d.A., ab. Der Kläger erhob Klage bzgl. der Rücklastschriftkosten vor dem Landgericht Köln, Az.: 26 O 74/16, und wurde mit Anerkenntnisurteil vom 21.12.2016 zur Unterlassung verurteilt. Der Kläger macht nunmehr Gewinnabschöpfung geltend.
5Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe für den Zeitraum ab dem 21.09.2013 ein Anspruch auf Abschöpfung des mit der Praktik der Pauschalierung ihrer Mahnkosten und des Rücklastschriftschadens erzielten Gewinns gegen die Beklagte zugunsten des Bundeshaushalts zu. Die Beklagte habe mit einer unzulässigen geschäftlichen Handlung vorsätzlich einen Gewinn zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt. Die tatsächlichen Umstände ihrer Wettbewerbsverstöße seien der Beklagten positiv bekannt gewesen. Die Beklagte habe jedenfalls seit dem Jahr 2013 damit rechnen müssen, daß ihre Pauschalierungspraktik rechtswidrig sei. Selbst wenn die Beklagte irrtümlich angenommen habe, daß auch allgemeine Verwaltungskosten, insbesondere Personalkosten anteilig als Mahnkosten auf die säumigen Kunden umgelegt werden könnten, sei für sie offensichtlich gewesen, daß keine anteiligen Verwaltungskosten in der gegebenen Höhe zustande kämen, welche – zusammen mit den Porto- und Materialkosten – die verlangte Pauschale rechtfertigen würden. In der Rechtsprechung seien bereits deutlich niedrigere Pauschalen für unzulässig befunden worden. Jedenfalls ab Zugang der Abmahnung bzw. Rechtshängigkeit der Unterlassungsklage sei von Vorsatz der Beklagten auszugehen. Dem Interesse der Beklagten am Schutz etwaiger Betriebsgeheimnisse könne durch einen Wirtschaftsprüfervorbehalt Rechnung getragen werden.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
81) dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Gewinne sie dadurch erzielt hat, daß sie von Verbrauchern bei der Abwicklung von Verträgen über Internet- und/oder Telefondiensten seit dem 21.09.2013
9a) Mahnpauschalen i.H.v. 5,00 € sowie
10b) Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 9,00 €
11vereinnahmt hat.
12Dazu hat die Beklagte dem Kläger jeweils kaufmännisch Rechnung zu legen und ihm dabei in monatlich geordneter Aufstellung im Einzelnen mitzuteilen,
13(1) welche Einnahmen sie durch die Vereinnahmung der jeweiligen Pauschalen im Auskunftszeitraum jeweils erzielt hat;
14(2) welche Ausgabenpositionen in welcher Höhe ihr im Zusammenhang mit der jeweiligen Pauschalerhebung jeweils angefallen sind;
15(3) welche nach § 10 Abs. 2 S. 1 UWG abzugsfähigen Leistungen sie aufgrund der Zuwiderhandlung jeweils an Dritte oder den Staat erbracht hat und
16(4) welche Nutzungen sie aus den erzielten Gewinnen im Auskunftszeitraum gezogen hat, wobei sie im Falle der Finanzierung ihrer laufenden Geschäftstätigkeit auch über Kredite u.a. mitzuteilen hat, zu welchen Höchstzinssätzen sie Kredite jeweils in Anspruch genommen hat bzw. nimmt.
17Die Beklagte kann die Rechnungslegung hinsichtlich der Identität der einzelnen Pauschalierungsfälle jeweils gegenüber einem vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vornehmen, in dem die Beklagte die Wirtschaftsprüfer eine Auflistung der Pauschalierungsfälle übergibt, sofern
18(1) sie die Kosten seiner Einschaltung trägt und
19(2) den Wirtschaftsprüfer ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob
20(i) die dem Kläger nach Satz 2 Nr. (1) mitgeteilten monatlichen Einnahmen mit den sich aus der Auflistung ergebenden monatlichen Einnahmen übereinstimmen und
21(ii) in der Rechnungslegung ein oder mehrere bestimmte Pauschalierungsfälle enthalten sind.
222) den sich anhand der nach Antrag zu 1) zu erteilenden Auskünfte ergebenden Gewinn an den Bundeshaushalt herauszugeben.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte bestreitet, daß sie aus der Geltendmachung der ehemaligen Gebührenbeträge von 5,- € und 9,- € „Gewinn“ generiert habe. Mit der Änderung der Kostenpauschale sei keinerlei Bewußtsein oder gar ein Geständnis einer Rechtswidrigkeit verbunden gewesen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verwendeten AGB gehabt. Aber auch nach der Abmahnung könne nicht von einer entsprechenden positiven Kenntnis der Beklagten die Rede sein. Es habe zunächst einer umfassenden rechtlichen Bewertung der Klauseln bedurft. In Anbetracht dieser personal- und zeitintensiven Maßnahmen sei die Implementierung der neuen Kostenpauschalen durch die Beklagte zügig vorgenommen worden. Die Höhe der gewählten Werte sei sowohl in der Branche als auch konkret durch die Beklagte lange Zeit als absolut branchenüblich und rechtmäßig angesehen worden. Dies sei dem allgemeinen Verständnis geschuldet gewesen, daß auch indirekte Kosten zumindest partiell in die Berechnung einfließen dürften. Den Umstand, daß der Kläger nach der Abmahnung und trotz abschlägiger Antwort der Beklagten zunächst keine einstweilige Verfügung beantragte, habe die Beklagte so verstehen müssen, daß der Kläger selbst unsicher sei, ob der geltend gemachte Anspruch bestehe. Die Beklagte habe also davon ausgehen dürfen, daß ihre eigene Auffassung, die Klauseln seien rechtmäßig und branchenüblich, richtig sei. Erst nach Einreichung der Hauptsacheklage habe dann Anlass bestanden, diese Rechtsauffassung nochmals zu überprüfen und schließlich ein Anerkenntnis abzugeben. Die Beklagte habe jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt. Bei der Beklagten könne kein bzw. allenfalls ein äußerst geringer Gewinn entstanden sein. Der Auskunftsanspruch sei bereits durch Erfüllung erloschen. Bei Berechnung eines etwaigen Gewinns seien die anteiligen Personalkosten zu berücksichtigen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig und auf erster Stufe begründet.
29I. Der Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gegen die Beklagte aus § 10 Abs. 1 UWG i.V.m. § 242 BGB zu.
30Die Beklagte hat eine vorsätzliche unzulässige geschäftliche Handlung nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG a.F. i.V.m. §§ 309 Nr. 5 BGB begangen.
311. Sowohl die Mahnkostenpauschalierung als auch die Rücklastschriftenpauschalierung sind als unwirksam nach § 309 Nr. 5 BGB anzusehen.
32Die angemessene Höhe von Mahngebühren wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar uneinheitlich beantwortet. Angemessen sind wohl jedenfalls noch Mahnkosten in Höhe von 2,50 Euro (OLG Düsseldorf, WM 1985, 17, 18; OLG Köln, WM 1987, 1548, 1550; Angemessenheit verneinend: OLG Karlsruhe, ZIP 1985, 603, 607: 2,50 DM; OLG Frankfurt, WM 1985, 938; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 242), wenn und soweit klargestellt ist, daß die Kosten der verzugsbegründenden Mahnung nicht ersatzfähig sind (BGH NJW 1985, 320, 324). Unangemessen sind jedenfalls aber Mahnkostenpauschalen von 15,00 Euro (BGH, NJW-RR 2000, 719, 720). Ebenfalls überhöht sind Rücklastschriftpauschalen von 12,00 € und 13,00 € (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 05129 sub II 2c; OLG Koblenz, BeckRS 2014, 12988).
33Die zulässige Höhe kann somit nicht abstrakt bestimmt werden, sondern ist branchenabhängig. Bei der Festsetzung der Höhe der Mahnpauschale ist zudem zu beachten, daß nur solche Schadensposten eingepreist werden dürfen, die im Schadensfall auch erstattungsfähig wären. Unternehmen, die Mahnungen maschinell erzeugen, können etwa Personalkosten für das Ausdrucken des Mahnschreibens sowie dessen Verarbeitung (Eintüten) und Weiterleitung auf dem Postweg pauschalieren, soweit nicht auch diese Maßnahmen maschinell erfolgen. Sonstige Personalkosten können nur dann berücksichtigt werden, wenn es objektive Gründe (z.B. die besondere Schwierigkeit der einzelnen Fälle) dafür gibt, daß die Leistungsaufforderung an den Schuldner ausnahmsweise nur durch einen besonders arbeits- und kostenintensiven Personaleinsatz erstellt werden kann (Wurmnest, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 309 Nr. 5, Rn. 20).
34Im Rahmen des § 309 Nr. 5 a BGB liegt allerdings die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Umstände, die für die Frage des Verhältnisses von Pauschalbetrag und gewöhnlich zu erwartendem Schaden von Bedeutung sind, bei dem Verwender (Wurmnest, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 309 Nr. 5, Rn. 16).
35Dem Verwender obliegt es daher, Tatsachen darzutun und ggf. zu beweisen, aus denen das Gericht sich davon überzeugen kann, daß der Pauschalbetrag den branchenüblichen Durchschnittsschaden nicht wesentlich übersteigt, also angemessen ist. Der Verwender braucht also vor Gericht nicht die Einzelheiten seiner Kostenrechnung und Preiskalkulation offen zu legen, sondern nur den branchenüblichen Durchschnittsgewinn, der sich etwa aus einer tragfähigen Statistik eines Berufs- oder Unternehmensverbandes ergeben kann. Insofern genügt der Verwender seiner Darlegungs- und Beweislast dann, wenn er „im Ansatz nachprüfbare“ Tatsachen vorträgt und ggf. beweist, denen entnommen werden kann, daß in der Branche im Allgemeinen ein Gewinn erwirtschaftet wird, der mit dem Pauschalbetrag im Wesentlichen übereinstimmt.
36Dem ist die Beklagte vorliegend indes nicht ansatzweise nachgekommen. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Beurteilung zuließen, ob die pauschalierten Beträge dem Branchenüblichen entsprechen, hat sie nicht dargetan. Die Beklagte ist damit – unabhängig von der streitigen Frage der Darlegungs- und Beweislast (vgl. Becker, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 43. Edition, Stand: 01.05.2016, § 309 Nr. 5, Rn. 43 ff.) – jedenfalls ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
37Auch die mit Schriftsatz vom 15.11.2017 (Bl. 231 ff. d.A.) übersandten Informationen zur „Logik der Berechnung“ durch die Beklagten bieten keinen weitergehenden Aufschluß.
382. Die Beklagte handelte vorsätzlich im Sinne von § 10 Abs. 1 UWG.
39Vorsatz im Sinne von § 10 Abs. 1 UWG liegt vor, wenn der Täter weiß, daß er den Tatbestand des § 3 UWG verwirklicht und dies auch will („Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs“). Es genügt auch, daß er die Verwirklichung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz; vgl. BGHZ 133, 246, 250; OLG Frankfurt GRUR-RR 2009, 265, 268). Dagegen muss sich der Vorsatz nicht auf die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 10 UWG (Gewinnerzielung zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern) beziehen. Vorsatz ist im Sinne des Zivilrechts zu verstehen, umfasst also das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit (BGHZ 118, 201, 208; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2010, 482, 483; a.A. Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, 2010, 624 ff.).
40Auf eine genaue Rechtskenntnis kann es dabei aber nicht ankommen; es genügt eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“, wenn sich also dem Handelnden auf Grund der Kenntnis der Tatsachen die Rechtswidrigkeit (Unlauterkeit) seines Tuns geradezu aufdrängt (BGHZ 133, 246, 250; BGHZ 160, 151, 156) oder er sich auf Grund der ihm bekannten Tatsachen nicht dieser Einsicht entziehen kann (OLG Stuttgart, GRUR 2007, 435; OLG Hamm, GRUR-RR 2008, 435, 437. Dagegen reicht Fahrlässigkeit, auch grobe, nicht aus. Irrt daher der Handelnde, wenn auch grob fahrlässig, über die Wettbewerbswidrigkeit seiner Handlungsweise, so greift § 10 UWG nicht ein. Vorsätzliche Begehung ist aber regelmäßig anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2010, 482; OLG Schleswig MMR 2013, 579, 584).
41Vorsätzlich handelt schon, wer eine von der eigenen rechtlichen Einschätzung abweichende Beurteilung tatsächlich in Betracht zieht, aber gleichwohl ins Blaue hinein und ohne Beachtung der Rechtsordnung und Prüfung der Rechtslage einfach Fakten schafft und sich im Sinne eines bewussten Ignorierens der Rechtskenntnis verschließt. Denn wer von den Folgen seines Tuns oder vor dessen Bewertung geradezu die Augen verschließt, muss es sich gefallen lassen, wie ein bewusst Handelnder beurteilt zu werden. Wer als wettbewerbsrechtlicher Grenzgänger bei vorhandenen Rechtszweifeln auf zuverlässigen Rechtsrat bewusst verzichtet und es so auf einen Wettbewerbsverstoß ankommen lässt, handelt deshalb vorsätzlich und setzt sich so dem Gewinnabschöpfungsanspruch aus.
42Privilegiert werden durch das Vorsatzerfordernis damit allein die völlig Rechtsblinden und Ignoranten unter den Grenzgängern, die sich um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit überhaupt nicht kümmern. Diesen ist nur sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen, nicht aber ein bewusstes Hinwegsetzen über die Grenzen des lauteren Verhaltens. Völlig rechtsblinde und ignorante Unternehmer wird es indes nur sehr selten geben (Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 10, Rn. 65).
43In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Verhalten der Beklagten vorliegend als vorsätzlich, jedenfalls mit dolus eventualis, anzusehen. Indem die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2015 auf die vorangegangene Abmahnung lediglich erklärte, „aus grundsätzlichen Erwägungen“ keine Unterlassungserklärung abgeben zu wollen und erst eine einstweilige Verfügung als Regelung anerkennen zu wollen, brachte sie zum Ausdruck daß sie sich der naheliegenden Wettbewerbswidrigkeit des eigenen Verhaltens durchaus bewußt war und dieses billigend in Kauf nahm, es aber bewußt darauf ankommen lassen wollte, wie eine gerichtliche Entscheidung ausfallen würde. Es zeigt sich, daß die Beklagte eben erst auf Druck hin bereit war, ihre Preisliste zu ändern.
443. Weiter ist davon auszugehen, daß die Beklagte mit der unzulässigen geschäftlichen Handlung Gewinn zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern erzielt hat. Die Klägerin hat grob berechnet, daß die Beklagte derzeit über rund 600.000 Kunden verfügt. Bei einer monatlichen Rücklastschriftquote von 0,7 % wären damit ca. 4.200 Rücklastschriften angefallen. Die Mahnquote betrage deutlich mehr als 1 %, so daß ca. 6.000 Mal monatlich die Mahnkostenpauschale gefordert worden sei. Die Beklagte ist dem im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht dezidiert entgegengetreten. Sie hat lediglich geltend gemacht, daß auf Seiten der Beklagten kein bzw. ein äußerst geringer Gewinn entstanden sein „könne“. Es seien umfangreiche Posten abzuziehen. Damit genügt die Beklagte nicht ihrer sekundären Darlegungslast. Sie hätte – jedenfalls überschlagsmäßig – angeben können, sofern ihre Kosten tatsächlich die Einnahmen überstiegen hätten. Sie beschränkt sich aber darauf, daß abstrakt bestimmte Posten abzuziehen seien, ohne daß klar würde, ob dies auch vorliegend relevant wurde. Soweit die Beklagte mit Schreiben vom 15.11.2017 geltend macht, in der Summe ergebe sich im Sinne der in dem Schreiben ausgeführten „Logik“ nach Abzug der angesetzten Abzugspositionen nur noch „ein sehr kleiner Betrag von unter 150.000,00 €“, so ist auch dies nicht hinreichend substantiell.
45Der Kläger hat einen Wirtschaftsprüfervorbehalt in den Antrag aufgenommen, um Geheimhaltungsinteressen der Beklagten zu wahren.
464. Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist nicht eingetreten. Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 31.10.2016, Anlage K 9, Bl. 65 d.A., Zahlen genannt, nämlich 146.669,31 € Gewinn im gesamten Zeitraum seit dem 01.01.2013 mittels der streitgegenständlichen Klauseln zu Mahn- und Rücklastschriftgebühren. Sie hat aber keinerlei nachvollziehbare Berechnung dargestellt, wie hoch die Einnahmen aus Mahnkosten und Rücklastschriften insgesamt waren und wieviel Kosten davon abgezogen wurden. Zudem wurde die genannte Zahl im Klageverfahren auch nicht mehr aufgegriffen, so daß unklar ist, ob daran festgehalten werden soll. Die Erklärung erfolgte als „erste Auskunft ohne Anerkennung einer diesbezüglichen Rechtspflicht“. Nach Auffassung der Beklagten sollten auf den relevanten Zeitraum 32.545,92 € Gewinn entfallen. Zur Erfüllung des Auskunftsanspruch ist dies nicht ausreichend.
475. Umstände, die eine Beschränkung der Auskunftspflicht auf den Zeitraum bis zum 01.07.2016, als die verringerten Mahn- und Rückschriftkosten in Geltung traten, rechtfertigten, sind nicht dargetan. Ob sich auch mögliche Zahlungen aufgrund der alten Kostenstruktur nur in den Folgezeitraum erstrecken können – wie von der Beklagten geltend gemacht – läßt sich erst im Rahmen der Auskunft feststellen, ob auch später noch Einnahmen aufgrund der unzulässigen Pauschalierung erzielt wurden.
486. Der Anspruch auf Rechnungslegung stellt keinen gesonderten Anspruch dar, sondern lediglich eine besondere, gesteigerte Form des Anspruchs auf Auskunft (vgl. RGZ 108, 1, 7 – Dauerschmierung), die durch eine den Anforderungen des § 259 BGB entsprechende Abrechnung zu erfolgen hat.
49II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
50Soweit der Kläger geltend macht, die zu leistende Sicherheit für die vorläufige Vollstreckung des Auskunftstitels sei auf höchstens 5.000,00 € festzusetzen, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist nicht ausreichend dargetan, daß sich der mit der Auskunftserteilung verbundene Kostenaufwand voraussichtlich auf den von der Klägerin angegebenen Rahmen beschränken dürfte.
51Der Streitwert wird für den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch auf 10.000,00 € festgesetzt.