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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte die vertraglich vereinbarte Monatsrente von 37,34 EUR pro 10.000 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 01 nicht wirksam herabgesetzt hat.
2. Es wird festgestellt, dass § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 der von der Beklagten in dem Versicherungsvertrag Nr. 01 verwendeten Produktbedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung unwirksam ist und der Beklagten aus diesen Regelungen auch in Zukunft kein Recht zur Herabsetzung der Monatsrente je 10.000 EUR zusteht.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Herabsetzung eines in dem Versicherungsschein eines Rentenversicherungsvertrages angegebenen Rentenfaktors.
3Der Kläger schloss im Jahr 2006 bei der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsgarantie ab. Im Versicherungsschein vom 15.11.2006 heißt es:
4„Vertragsdaten Versicherungsbeginn…………………………01.12.2006
5Rentengarantiezeit…………………...................19 Jahre
6Rentenzahlungsbeginn………………............01.02.2039
7Rentenzahlungsweise……………………..........monatlich
8Für die Verrentung zur Verfügung
9stehendes garantiertes
10Vertragsguthaben zum
11Rentenzahlungsbeginn…Summe der eingezahlten Beträge
12Monatsrente pro 10.000 EUR Vertragsguthaben
13zum Rentenzahlungsbeginn………………......37,34 EUR
14Anpassung der Beiträge………………………………….ja
15Anpassung nach der Förderdynamik………… Modell F“
16In den Produktbedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsgarantie (PB) heißt es:
17„§ 1 Was beinhaltet eine Fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsgarantie?
18(…)
19(4) (…) Für die Kalkulation der bei Vertragsbeginn im Versicherungsschein genannten Leistungen verwenden wir die Sterbetafel DAV 2004R und einen Rechnungszins von 2,75%. (Dabei handelt es sich um den bei Abschluss Ihres Vertrages geltenden Höchstrechnungszins gemäß Deckungsrückstellungsverordnung).“
20Außerdem heißt es dort:
21„§ 2 Welche Versicherungsleistungen erbringen wir?
22(…)
23(2) Bereits bei Vertragsabschluss nennen wir Ihnen die Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben zum Ende der Ansparphase. Diese Monatsrente gilt maximal für ein zum Rentenzahlungsbeginn erreichtes Vertragsguthaben von 750.000 EUR. Wird ein höheres Vertragsguthaben erreicht, wird für den darüber hinausgehenden Teil die Rente auf Basis des bei Rentenzahlungsbeginn gültigen Rentenprodukts errechnet.
24Wenn sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht bzw. die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend absinkt und dadurch die langfristige Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist, sind wir berechtigt, Ihre Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben so weit herabzusetzen, wie dies erforderlich ist, um diese langfristige Erfüllbarkeit zu gewährleisten. Dabei darf für die Berechnung Ihrer Monatsrente je 10.000 EUR der Betrag nicht unterschritten werden, der sich ergibt, wenn die Sterbetafel und der Rechnungszins angewendet werden, die zum Ende der Aufschubzeit nach Maßgabe der dann gültigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und Vorgaben als Rechnungsgrundlagen geboten sind. Zusätzlich dürfen 50 % der in Ihrem Versicherungsschein genannten Monatsrente je 10.000 Euro nicht unterschritten werden.
25Dieses Recht steht uns nur bis zum vereinbarten Rentenzahlungsbeginn zu. Wir dürfen es nur mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ausüben, der die Voraussetzungen und die Angemessenheit der Anpassung geprüft und bestätigt hat. Über eine Anpassung werden wir Sie rechtzeitig informieren.“
26Mit Schreiben vom 01.03.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Monatsrente pro 10.000 EUR Vertragsguthaben zum Rentenzahlungsbeginn (der sog. Rentenfaktor) aufgrund der Niedrigzinsphase neu kalkuliert worden sei. Sie würde jetzt 27,97 EUR betragen.
27Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe kein Recht zur Herabsetzung des Rentenfaktors. Die Anpassungsklausel in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 PB sei nach § 171 VVG unwirksam, da sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 163 VVG abweiche. Auch würde sie einer Kontrolle nach § 307 BGB sowie § 305 c BGB nicht standhalten. Zudem seien die in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 PB genannten Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Rente nicht erfüllt.
28Der Kläger beantragt,
291. festzustellen, dass die Beklagte die vertraglich vereinbarte Monatsrente von 37,34 EUR pro 10.000 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 01 nicht wirksam herabgesetzt hat,
302. festzustellen, dass § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 der von der Beklagten in dem Versicherungsvertrag Nr. 01 verwendeten Produktbedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung unwirksam ist und der Beklagten aus diesen Regelungen auch in Zukunft kein Recht zur Herabsetzung der Monatsrente je 10.000 EUR zusteht.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig. Es bestünde kein Feststellungsinteresse des Klägers.
34Die Klage sei auch unbegründet. Durch den Versicherungsschein sei kein bestimmter Rentenfaktor garantiert worden. Auch dürften Anpassungsklauseln grundsätzlich weiter reichen als § 163 VVG. Zumindest seien aber die Voraussetzungen von § 163 VVG erfüllt.
35Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Darüber hinaus ist sie der Meinung, vermeintliche Ansprüche des Klägers seien verwirkt.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Die Klage ist zulässig und begründet.
39I. Zulässigkeit
40Die Klage ist zulässig.
41Ein Feststellungsinteresse des Klägers gem. § 256 Abs. 1 ZPO liegt sowohl für den Klageantrag zu 1) als auch für den Klageantrag zu 2) vor. Ein solches ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 39).
42Vorliegend begehrt der Kläger mit dem Antrag zu 1) die Feststellung, dass die vertraglich vereinbarte Monatsrente von 37,34 EUR pro 10.000 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 01 nicht wirksam herabgesetzt worden ist. Die Feststellung betrifft unmittelbar den Bestand eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Es besteht die Gefahr einer verminderten Rentenauszahlung für den Kläger. Das Feststellungsurteil ist auch geeignet, den Kläger vor einer solchen zu schützen.
43Mit dem Antrag zu 2) begehrt der Kläger die Feststellung, dass § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 der von der Beklagten in dem Versicherungsvertrag Nr. 01 verwendeten Produktbedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung unwirksam ist und der Beklagten aus diesen Regelungen auch in Zukunft kein Recht zur Herabsetzung der Monatsrente je 10.000 EUR zusteht. Das Feststellungsbegehren geht somit über das Rechtsschutzziel des Antrags zu 1) hinaus. Eine Entscheidung nur über den Antrag zu 1) wäre nicht geeignet, die zu klärenden Rechtsbeziehungen erschöpfend zu regeln. Denn es bestünde die Möglichkeit, dass die Beklagte auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 die vertraglich vereinbarte Monatsrente erneut herabsetzt.
44II. Begründetheit
45Die Klage ist auch begründet.
461. Der Feststellungsantrag zu 1) ist begründet.
47Die Beklagte hat den Rentenfaktor von 37,34 EUR pro 10.000 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 01 nicht wirksam herabgesetzt.
48a) Vertragliche Vereinbarung des Rentenfaktors
49Der Rentenfaktor wurde im Versicherungsschein vom 15.11.2006 vertraglich vereinbart und stellt einen wesentlichen Vertragsinhalt dar. Zwar wird dort nicht ausdrücklich auf eine „Garantie“ des Rentenfaktors hingewiesen. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den PB, dass der Versicherungsnehmer von einem Rentenfaktor i. H. v. 37,34 EUR ausgehen durfte.
50Was im Rahmen des streitgegenständlichen Vertrages vereinbar ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Vertrag bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urt. v. 18. 10. 2017 – IV ZR 188/16, juris Rn. 12).
51Im Versicherungsschein wird die Monatsrente pro 10.000 EUR Vertragsguthaben konkret mit 37,34 € zum Rentenzahlungsbeginn benannt. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass es sich hierbei nur um eine bloße Mitteilung des „aktuellen“ Rentenfaktors handelt, der ohne bestimmte Voraussetzungen dauerhaft angepasst werden könnte. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer darf vielmehr berechtigt davon ausgehen, dass der Rentenfaktor in dieser Höhe festgelegt ist und vom Versicherer nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB geändert werden kann.
52Auch die Anpassungsklausel in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB selbst belegt, dass die Beklagte hier einen Rentenfaktor festlegen wollte. Denn hätte die Nennung im Versicherungsschein eine bloße Mittelung darstellen sollen, hätte sie die Änderung nicht von der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders abhängig machen müssen.
53b) Unwirksamkeit der Anpassungsklausel
54Die Anpassungsklausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB ist unwirksam.
55aa) § 171 VVG
56Gemäß § 171 VVG handelt es sich bei § 163 VVG um eine halbzwingende Vorschrift. Das bedeutet, dass nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Regelung des § 163 VVG abgewichen werden darf.
57Die vertragliche Anpassungsklausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB beinhaltet indes Abweichungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 163 VVG.
58Gem. § 163 Abs.1 S.1 VVG ist der Versicherer zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat (Nr.1), die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten (Nr.2), und ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 überprüft und bestätigt hat (Nr.3). Gemäß Absatz 2 kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird.
59§ 163 VVG regelt mithin, unter welchen Voraussetzungen (einer nicht nur vorübergehenden und nicht voraussehbaren Änderung des Leistungsbedarfs) und in welcher Weise (durch Neufestsetzung der erhöhten Prämie) der Versicherer einseitig Änderungen des Versicherungsvertrages vornehmen darf, und räumt dem Versicherungsnehmer in diesem Fall das Recht ein, statt der Erhöhung eine Herabsetzung der Rente zu verlangen.
60(1) Keine Wahl ob Herabsetzung der Leistung oder Erhöhung der Prämie
61§ 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB sieht demgegenüber die Möglichkeit einer einseitigen Herabsetzung der Rente durch den Versicherer vor ohne ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen dieser Herabsetzung oder der Zahlung der erhöhten Beiträge. § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB schneidet somit, anders als § 163 VVG, die alternative Möglichkeit einer erhöhten Beitragszahlung ab. Dabei ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer regelmäßig an einer bestimmten, von ihm zu erwartenden Rentenhöhe interessiert ist und dementsprechend eine erhöhte Beitragszahlung für ihn gegebenenfalls attraktiver wäre. Wenn die Rentenhöhe gekürzt wird, hat er zur Sicherung einer bestimmten Rentenhöhe nur die Möglichkeit mit erneuten Abschlusskosten einen weiteren Vertrag abzuschließen. Könnte er im bestehenden Vertrag nachzahlen oder für die Zukunft erhöhte Beträge zahlen, würden diese dagegen nicht erhoben werden dürfen (vgl. Jaeger: Abschnittsgarantien bei Rentenversicherungen – Zukünftige Probleme absehbar, VersR 2015, 26).
62Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe nach § 10 Abs. 4 PB das Recht zur Übertragung des Vertragsguthabens auf einen anderen Altersvorsorgevertrag bei der Beklagten oder einem anderen Anbieter bzw. könne nach § 10 Abs. 1 PB kündigen, so wiegt dies den Nachteil nicht auf. Denn der Kläger rechnet ja gerade mit dem im Versicherungsschein vereinbarten Rentenfaktor zu den dort festgehaltenen Konditionen.
63(2) Recht zur Herabsetzung bei gesunkener Rendite für Kapitalanlagen
64Die Klausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 +3 PB berechtigt sowohl bei der Erhöhung der Lebenserwartung als auch bei der Absenkung der Rendite der Kapitalanlagen zu einer Herabsetzung des Rentenfaktors. Nach § 163 Abs. 1 S. 1 VVG ist eine Herabsetzung des Rentenfaktors jedoch nur bei einer Änderung des Leistungsbedarfs gegenüber den Rechnungsgrundlagen möglich.
65Die Voraussetzungen für eine Herabsenkung des Rentenfaktors werden somit durch § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB zum Nachteil des Versicherungsnehmers erweitert. Es werden auch solche Faktoren einbezogen, die nicht allein von den Marktverhältnissen, sondern auch von individuellen geschäftspolitischen Entscheidungen des Versicherers als Kapitalanleger abhängen.
66(3) Nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar
67Nach § 163 Abs. 1 Nr. 1 VVG setzt das Anpassungsrecht des Versicherers voraus, dass sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen geändert hat.
68Die Klausel in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 PB stellt demgegenüber und zum Nachteil des Versicherungsnehmers auf die unerwartet starke Erhöhung der Lebenserwartung bzw. das nicht nur vorübergehende Absinken der Rendite der Kapitalanlagen ab. Nach dem Wortlaut der Klausel könnte eine nur vorübergehende Erhöhung der Lebenserwartung somit schon ausreichen bzw. ein erwartetes Absinken der Rendite. Unerheblich ist dabei, dass es weiter heißt: „ (…) und dadurch die langfristige Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist (…).“ Die Merkmale nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar beziehen sich nicht auf die gesamte Klausel.
69(4) Unzureichende Kalkulierung nicht ausgeschlossen
70Gem. § 163 Abs. 1 S. 2 VVG ist Neufestsetzung der Prämie insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen.
71In § 2 Abs. 2 Unterabs.2 PB fehlt eine solche Regelung. Dies ist jedoch unschädlich, da insoweit auf die gesetzliche Regelung des § 163 Abs. 1 S. 2 VVG zurückgegriffen werden kann.
72Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 163 VVG. Dort heißt es, dass solche (abweichende) Klauseln in anderen Fällen nicht ausgeschlossen sind, jedoch der allgemeinen Kontrolle nach § 305 ff. BGB unterliegen. Dies entspreche der bisherigen Regelung des § 172 a.F. (BT-Drs. 16/3945, S. 99). Eine Entsprechung liegt jedoch insoweit nicht vor, als dass § 172 a.F. nicht halbzwingend ist. Mit den in der Gesetzesbegründung genannten „anderen Fällen“, in denen eine vertragliche Anpassungsklausel zulässig sein soll, können daher nur Prämien- und Leistungsanpassungsklauseln außerhalb der Lebensversicherung bzw. Rentenversicherung gemeint sein (Langheid/Wandt/Wandt, 2. Aufl. 2017, VVG § 163 Rn. 81-83).
73bb) § 307 BGB
74Die Klausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB ist hier auch gem. § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
75Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
76Vorliegend wird, wie vorstehend ausgeführt, von den gesetzlichen Grundgedanken des § 163 VVG abgewichen.
77Auch folgt eine unangemessene Benachteiligung daraus, dass der Klausel keine entsprechende „spiegelbildliche“ Verpflichtung zur Weitergabe von Kostenminderungen zu entnehmen ist (Jaeger: Abschnittsgarantien bei Rentenversicherungen – Zukünftige Probleme absehbar, VersR 2015, 26). Anpassungsklauseln dürfen nicht nur bei Äquivalenzstörungen zulasten des Versicherers eine Anpassung vorsehen. Vielmehr müssen sie das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren (Armbrüster: Wirksamkeitsvoraussetzungen für Prämienanpassungsklauseln, r+2 2012, 365).
78Vorliegend regelt die Klausel jedoch nur die Voraussetzungen für die Herabsenkung des Rentenfaktors. Aussagen über Voraussetzungen zur Heraufstufung des Rentenfaktors trifft sie nicht.
79Auch die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer von einer positiven Entwicklung der Rendite der Kapitalanlagen durch eine Beteiligung an den höheren Überschüssen profitiert, wahrt das Äquivalenzprinzip nicht. Denn die Überschüsse fließen nur unter Abzug des Anteils des Versicherers an den Versicherungsnehmer zurück (Wandt: Prämienanpassung in der Lebensversicherung zum Ausgleich niedriger Kapitalerträge des Versicherers, VersR 2015, 918). Auch kann die Zuschlagsrente aus Überschussbeteiligung problemlos gekürzt werden, während der (höhere) Rentenfaktor nur unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden kann (Jaeger: Abschnittsgarantien bei Rentenversicherungen – Zukünftige Probleme absehbar, VersR 2015, 26).
80Weiterhin ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verletzt. Nach § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 PB wird der Versicherungsnehmer „rechtzeitig“ über eine Anpassung informiert. Welcher Zeitraum dem Merkmal „rechtzeitig“ gerecht wird, bleibt unklar. Der Versicherungsnehmer weiß somit nicht, wie viel Zeit ihm bei einer Anpassung bleibt, um gegebenenfalls alternative Maßnahmen zur Rentensicherung zu treffen.
81c) Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 163 VVG
82Eine Herabsetzung des Rentenfaktors nach der gesetzlichen Regelung des § 163 Abs. 1 S. 1 VVG scheidet vorliegend aus, weil die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind. Sie eröffnet keine Anpassungsbefugnis für den Fall, dass der Versicherer geringere Kapitalerträge erwirtschaftet, als er bei der Festlegung des Rechnungszinses kalkuliert hat.
83Dies lässt sich schon dem Wortlaut entnehmen, der eine Änderung des Leistungsbedarfs gegenüber der Rechnungsgrundlagen fordert. Der Begriff „Leistungsbedarf“ ist durch die Vorgängerregelung § 172 VVG a. F. in das VVG eingeführt worden. Nach der Gesetzesbegründung sind damit die „Aufwendungen für Versicherungsfälle“ gemeint. Darunter fällt nur der Kapitalbetrag, den der Versicherer den Versicherten gemäß der vertraglichen Vereinbarung als Versicherungsleistungen schuldet. Die Niedrigzinsphase am Kapitalmarkt führt jedoch nicht zu einer Änderung des Leistungsbedarfs. Vielmehr bleibt der Leistungsbedarf gleich. Der gleichbleibende Leistungsbedarf ist vom Versicherer aufgrund der Niedrigzinsphase nur schwieriger zu finanzieren, als von ihm bei der Prämienkalkulation erwartet wurde (Wandt: Prämienanpassung in der Lebensversicherung zum Ausgleich niedriger Kapitalerträge des Versicherers, VersR 2015, 918).
84Aus der Aufgabe der Beschränkung auf Lebensversicherungen mit ungewisser Eintrittspflicht des Versicherers des § 172 VVG a.F. (Vorgängerregelung des § 163 VVG) VVG ergibt sich nichts anderes. Denn bei der Bewertung der Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 163 VVG gegenüber § 172 VVG a. F. ist zu berücksichtigen, dass es in der Begründung zu VVG § 163 Absatz 1 S. 1 VVG heißt, eine inhaltliche Änderung der Voraussetzungen für die Neufestsetzung der Prämie sei nicht vorgesehen; die Änderungen im Wortlaut des § 163 Absatz 1 S. 1 VVG dienten lediglich der Verdeutlichung (Wandt: Prämienanpassung in der Lebensversicherung zum Ausgleich niedriger Kapitalerträge des Versicherers, VersR 2015, 918; BT-Drucks. 16/3945 S. 99).
85Auch der objektive Gesetzeszweck besagt nichts anderes. Der Zweck des § 163 VVG ist die Wiederherstellung der bei Vertragsschluss vereinbarten Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung im Fall einer dauerhaften, für den Versicherer nicht vorhersehbaren Äquivalenzstörung. Diese Zwecksetzung ist aber vom historischen Gesetzgeber durch die Formulierung „Änderung des Leistungsbedarfs gegenüber den Rechnungsgrundlagen“ aus guten Gründen auf Entwicklungen begrenzt worden, die sich außerhalb der Einflusssphäre des Versicherers vollziehen. Veränderungen der Kapitalerträge aufgrund der Niedrigzinsphase beruhen jedoch zum Teil auch auf einer Unternehmensentscheidung des Versicherers (Wandt: Prämienanpassung in der Lebensversicherung zum Ausgleich niedriger Kapitalerträge des Versicherers, VersR 2015, 918).
86Auch eine analoge Anwendung des § 163 VVG scheidet aus. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. So lehnt die Gesetzesbegründung zu § 203 VVG die Veränderung des Rechnungszinses als Auslöser für eine Prämienanpassung ausdrücklich ab (BT-Drucks. 16/3945 S. 113). Dies zeigt, dass dem Gesetzgeber das Problem durchaus bewusst war.
87d) Nicht verjährt oder verwirkt
88Der Feststellungsantrag zu 1) ist auch nicht verjährt.
89Richtet sich eine Klage auf die Feststellung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 BGB), so muss sie abgewiesen werden, wenn die in Betracht kommenden Ansprüche nach materiellem Recht verjährt sind. Von der Feststellung einer Leistungspflicht ist jedoch die Feststellung eines anderweitigen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage zu unterscheiden. Sie beruht nicht auf einem Anspruch gemäß § 194 Abs. 1 BGB; denn der Beklagte schuldet insoweit kein Tun oder Unterlassen, sondern hat eine sonstige Beurteilung gegen sich gelten zu lassen. Dieser Feststellungsanspruch verjährt nicht (BGH, Urt. v. 2. 12. 2010 − IX ZR 247/09, juris, Rn. 12).
90Auch ist er nicht verwirkt.
91Es fehlt vorliegend am Umstandsmoment. Die vorbehaltlose Zahlung der Prämie durch den Kläger, auch nach Herabsetzung des Rentenfaktors, reicht dafür nicht aus. Auch der Zeitmoment ist nicht gegeben, da der Vertrag noch bis zum Jahr 2039 laufen sollte.
922. Der Feststellungsantrag zu 2) ist begründet.
93Die Klausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 der von der Beklagten verwendeten Produktbedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung ist nicht Vertragsbestandteil geworden, s.o.
94Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 S.1, 2 ZPO.
95Der Streitwert wird auf 10.719,28 EUR festgesetzt.
96Geschätztes Fondsvolumen bei Rentenzahlungsbeginn 2039: 130.000 €
97130.000 € : 10.000 € = 13
9813 x 37,34 € (alter Rentenfaktor) = 485,42 €
9913 x 27,97€ (neuer Rentenfaktor) = 363,61 €
100485,42 € - 363,61 € = 121,81 (Minusbetrag im Monat)
101121,81 x 42 = 5116,02 € x 2 = 10.719,28 €