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Die Beklagte wird verurteilt, die Abschalteinrichtung im Sinne einer Umschaltlogik an dem Pkw VW Tiguan, Typ 5N2332 2T2TDM, Fahrzeugidentifikationsnummer WVGZZZ#NZEW######, unter Einhaltung der Grenzwerte für die Pkw-Abgasnorm Euro 5 sowie unter Aufrechterhaltung der Motorleistung von 103 kw/140 PS und der Anhängelast von 2,5 to für gebremste Anhänger zu beseitigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
2Entscheidungsgründe:
3Die zulässige Klage ist begründet.
41. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Dieses kann fehlen, wenn dem Kläger ein einfacherer, schnellerer und billigerer Weg zur Erreichung seines Rechtsschutzziels zur Verfügung steht. Dies ist vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht der Fall gewesen.
5a. Der Kläger begehrt mit seiner Klage eine Leistung der Beklagten als seiner Vertragspartnerin in eigenem Namen zur Beseitigung eines behaupteten Mangels. Zwar hat die Beklagte angeboten, das von dem Hersteller des Fahrzeugs entwickelte Software-Update bei dem klägerischen Fahrzeug umzusetzen, wodurch nach dem Vortrag der Beklagten der gerügte Mangel beseitigt wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte dies bei der gebotenen objektiven Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB stets "als Servicepartner" der Herstellerin angeboten hat und nicht im eigenen Namen als Vertragspartnerin des Klägers. Sie hat gerade keine in eigener Verantwortung durchzuführende Leistung angeboten. Insofern unterscheidet sich die Situation grundlegend von den üblichen Fällen, in denen vom Hersteller zur Verfügung gestellte Ersatzteile von dem Verkäufer im Rahmen von Nachbesserungsarbeiten verbaut werden.
6Die vorbenannte Auslegung ergibt sich dabei zunächst daraus, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.01.2016, dort S. 3, ausgeführt hat, dass die Herstellerin mitgeteilt habe, wie die technischen Maßnahmen umgesetzt werden sollen und dass sie, die Beklagte, in diesem Verhältnis lediglich die Rolle eines Vertriebspartners sowie der Fachwerkstatt habe. "In diesem Rahmen" (also gerade nicht als Verkäuferin des Fahrzeugs im Rahmen etwaiger Gewährleistungsansprüche) sei sie bereit, die Maßnahmen vorzunehmen oder zu begleiten. Mit Schriftsatz vom 17.10.2016, dort S. 14, hat die Beklagte weiter ausgeführt, das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da das Fahrzeug "auf Kosten der Volkswagen AG" technisch überarbeitet werde. Auch hieraus ergibt sich indes, dass die angebotene Überarbeitung eine Leistung der Volkswagen AG, durchgeführt durch die Beklagte als Servicepartner, darstellen soll und gerade keine Leistung der Beklagten als Vertragspartnerin. Hierfür spricht auch, dass die Beklagte das von dem Kläger vorgelegte Schreiben der Volkswagen AG aus Oktober 2016 zur Begründung der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, heranzieht. In diesem Schreiben bittet wiederum die Volkswagen AG, also die Herstellerin des Fahrzeugs, darum, sich mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit die Maßnahme kostenlos durchgeführt werden könne. Die Volkswagen AG stelle bei Bedarf eine Ersatzmobilität zur Verfügung. Auch aus diesem Schreiben und der Inbezugnahme dieses Schreibens durch die Beklagte ergibt sich, dass gerade keine Leistung der Beklagten in eigenem Namen und in eigener Verantwortung im Rahmen etwaiger Gewährleistungsrechte angeboten wurde. Unter Berücksichtigung dessen kann auch der nunmehr mit Schriftsatz vom 09.01.2017 vorgetragenen Rechtsansicht der Beklagten, bei Aufsuchen eines anderen VW-Servicepartners durch den Kläger werde dieser ohne weitere Erklärung als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig, nicht gefolgt werden.
7Die vorbenannte Auslegung der Angebote der Beklagten entspricht auch den Ausführungen in dem Schriftsatz vom 06.12.2016, in dem die Beklagte dem Kläger erneut angeboten hat, das Software-Update durchzuführen. Die Beklagte führt diesbezüglich aus, der Kläger könne sein Rechtsschutzziel, die geplante technische Maßnahme durch die Beklagten "umsetzen" zu lassen, einfacher erreichen als mit der Klage. Hier verkennt die Beklagte jedoch, dass sich das Rechtsschutzziel des Klägers - worauf dieser mehrfach hingewiesen hat - nicht darin erschöpft, das Software-Update zu erhalten, sondern dies als Leistung seiner Vertragspartnerin, der Beklagten, zu erlangen. Dieses (weitergehende) Interesse ist auch grundsätzlich anzuerkennen, da der Kläger sich nicht auf eine Leistung letztlich im Namen eines Dritten, der nicht sein Vertragspartner ist und auch nicht für diesen leistet, verweisen lassen muss. Die reine "Umsetzung" der geplanten technischen Maßnahme stellt mithin nicht das Rechtsschutzziel des Klägers dar.
8Eine Leistung der Beklagten in eigenem Namen ist zu keinem Zeitpunkt angeboten worden. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der Anspruch auf Durchführung der Nachbesserungsarbeiten grundsätzlich nicht zugleich einen Anspruch auf Erklärung beinhaltet, dass die Leistungen in eigenem Namen durchgeführt werden. Allerdings ist dies normalerweise auch nicht erforderlich, da sich bereits aus den Umständen ergibt, dass eine Leistung in eigenem Namen vorliegt, wenn auf eine Mängelrüge hin eine Tätigkeit der Verkäuferin erfolgt oder diese durch gerichtliches Urteil hierzu verurteilt wird. Entscheidend ist vorliegend daher allein, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt - schlüssig oder ausdrücklich - zu erkennen gegeben hat, dass sie bereit ist, im Rahmen ihrer Gewährleistungsverpflichtung Leistungen zu erbringen, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht hat, lediglich für die Herstellerin tätig zu werden. Dieses Angebot entspricht - wie dargestellt - nicht dem anzuerkennenden Rechtsschutzziel des Klägers und ist daher für das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses nicht von Belang.
9Erstmals mit außergerichtlichem Schreiben vom 20.12.2016 hat die Beklagte deutlich angeboten, das Update in eigenem Namen als Vertragspartnerin des Klägers aufzuspielen. Dieses Angebot ist indes nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt und dem Gericht sodann zur Kenntnis gebracht worden. Entscheidungsgrundlage ist indes stets der Sachverhalt zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, mithin am 14.12.2016 und der neue Vortrag ist zudem gem. § 296a ZPO zurückzuweisen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass eine Zusage der Leistung in eigenem Namen erst nach einer Rücksprache/Absprache mit der Konzernmutter möglich sei. Auch hieraus ergibt sich im Übrigen, dass die vorherigen Leistungsangebote keine Angebote der Beklagten auf Leistung in eigenem Namen und in eigener Verantwortung waren.
10Gründe, die eine Berücksichtigung der nach dem maßgeblichen Zeitpunkt entstandenen Tatsachen und eine Zulassung des Vortrages aus dem Schriftsatz vom 09.01.2017 rechtfertigen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung begründen könnten, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
11b. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.02.2016 ausführt, zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben zu haben, sich einem berechtigten Nachbesserungsverlangen des Klägers nicht beugen zu wollen, führt dies zu keiner anderen Bewertung und vermag das Rechtsschutzbedürfnis nicht zu beseitigen. Denn die bloße Mitteilung, sich berechtigten Ansprüchen zu beugen, stellt keine hinreichende Anzeige der Leistungsbereitschaft dar, zumal die Beklagte in dem hiesigen Rechtsstreit das Vorliegen eines Mangels und daher auch die Berechtigung des Nachbesserungsverlangen insgesamt bestritten hat. Allein die Bereitschaft, bei einer Berechtigung der Forderung zu leisten, kann denklogisch keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage haben.
12Die Klage ist daher zulässig.
132. Sie ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Beseitigung der verbauten Abschalteinrichtung bzw. Umschaltlogik unter Beibehaltung der übrigen im Kaufvertrag vereinbarten technischen Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs bezüglich Motorleistung und Anhängelast sowie der Grenzwerte der vereinbarten Euro-Abgasnorm gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB. Soweit dem Antrag entsprechend insoweit ausdrücklich die Verpflichtung zur Einhaltung der Pkw-Abgasnorm Euro 5 sowie der Aufrechterhaltung der Motorleistung und der Anhängelast bezeichnet worden ist, handelt es sich um einen rein deklaratorischen Ausspruch. Denn dass diese technischen Gegebenheiten Gegenstand des Kaufvertrages sind, hat die Beklagte nicht bestritten und es ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Vorschriften, dass die Durchführung der Nachbesserung nicht zu einer Verschlechterung der übrigen technischen Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs führen darf, da andernfalls weitergehende Ansprüche bestehen können.
14Die Parteien haben einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen.
15Das Vorliegen der Abschalteinrichtung bzw. Umschaltlogik stellt einen Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar, der im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorlag. Danach ist eine Sache mangelhaft, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich sind und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dies ist hier der Fall. Dabei ist entgegen der Ansicht der Beklagten unerheblich, dass die Abgaswerte im Prüfstand von denen im realen Fahrverkehr oftmals abweichen und daher für die Frage der Mangelhaftigkeit an sich allein die im Prüfstand gemessenen Werte zu berücksichtigen seien. Denn die Mangelhaftigkeit resultiert vorliegend nicht daraus, dass die im Prüfstandlauf gemessenen Werte im realen Fahrverkehr nicht eingehalten werden, sondern daraus, dass die im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb im Prüfstand eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoss reduziert wird. Auf welche technische Weise dies geschieht, ist dabei unerheblich.
16Mit dieser Beschaffenheit muss ein Durchschnittskäufer eines Fahrzeuges nicht rechnen, sondern kann vielmehr erwarten, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Werte nach dem dafür vorgesehenen Verfahren zu Stande kommen, ohne dass eine Manipulationssoftware eine Veränderung am Abgasverhalten hervorruft. Denn es ist Sinn und Zweck des Prüfstandverfahrens, die Abgaswerte bei einer durchschnittlichen Fahrweise durch Imitation bestimmter standardisierter Straßensituationen abzubilden (vgl. zu Vorstehendem so auch statt vieler LG Münster, Urt. v. 14.03.2016, 11 O 341/15; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016, 2 O 425/15; LG Dortmund, Urt. v. 12.05.2016, 25 O 6/16). Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, ob der Kläger beim Kauf zum Ausdruck gebracht hat, dass er ein Fahrzeug mit einem bestimmten Schadstoffausstoß oder einer bestimmten Emissionsklasse erwerben wollte sowie dass das Fahrzeug trotz der Umschalteinrichtung technisch sicher und einsetzbar ist. Das Vorliegen eines Mangels setzt insbesondere nach der eindeutigen Definition aus § 434 BGB nicht stets voraus, dass dieser zu einer vollständigen oder teilweisen Gebrauchsuntauglichkeit führt.
17Ferner verfängt der Vortrag der Beklagten, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, da kein angesichts dessen, dass der Maßnahmeplan der Herstellerin von dem Kraftfahrtbundesamt für verbindlich erklärt worden sei, kein Entzug der Typengenehmigung drohe, nicht. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass - auch aus der Sicht des Kraftfahrtbundesamtes - zunächst überhaupt Maßnahmen erforderlich sind, um einen rechtlich zulässigen Zustand herzustellen. Ob nach der Durchführung der (Nachbesserungs-)Arbeiten ein Entzug der Typengenehmigung droht, ist für die Frage des Vorliegens eines Mangels im derzeitigen und auch bei Gefahrübergang bereits vorliegenden (unbearbeiteten) Zustand irrelevant, zumal auch der drohende Entzug der Typengenehmigung keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Mangels ist.
18Für den geltend gemachten Nachbesserungsanspruch kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte Kenntnis von der verbauten Umschaltlogik hatte und ob dieser eine Kenntnis der Herstellerin zuzurechnen ist. Denn der Nachbesserungsanspruch erfordert kein Verschulden der Verkäuferin und auch keine Kenntnis von dem Mangel. Allein das Vorliegen eines Mangels begründet den geltend gemachten Anspruch. Auch auf die Frage, ob der Mangel erheblich ist und den Kläger zum Rücktritt berechtigt, kommt es in dem hiesigen Rechtsstreit nicht an, da ein Rücktritt nicht erklärt worden ist, sondern allein die Nachbesserung verlangt wird.
19Nach alledem ist der geltend gemachte Anspruch gegeben.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
21Der Streitwert wird angesichts der seitens der Parteien benannten Kosten für die derzeit avisierten Nachbesserungsarbeiten, die das Interesse des Klägers widerspiegeln, auf bis zu 500,00 € festgesetzt.
22Die Berufung war trotz des entsprechenden Antrages der Beklagten nicht zuzulassen. Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zulässigkeitsproblematik des hiesigen Verfahrens stellt sich als Einzelfallproblematik dar, die eine Auslegung im Einzelfall erfordert und daher keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Mangelhaftigkeit eines mit der Umschaltlogik versehenen Fahrzeuges war bereits mehrfach Gegenstand verschiedener gerichtlicher Entscheidungen und wurde - soweit ersichtlich - nahezu einhellig bejaht. Die Fragen, ob der Mangel erheblich ist und zum Rücktritt berechtigt und ob eine Zurechnung der Kenntnisse der Herstellerin an die Verkäuferin erfolgt, werden in der Rechtsprechung zwar teilweise unterschiedlich beurteilt. Auf diese Fragen kommt es in dem vorliegenden Rechtsstreit indes überhaupt nicht an, da allein der Nachbesserungsanspruch geltend gemacht wird, sodass die Zulassung der Berufung auch vor diesem Hintergrund nicht angezeigt ist.
23Rechtsbehelfsbelehrung:
24Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
251. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
262. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
27Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
28Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
29Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
30Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
31Unterschrift