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1. Die Beklagte wird verurteilt, den in ihrer Datenbank enthaltenen Eintrag über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
Öffentliche Negativmerkmale
Negativmerkmal Unternehmerisches Insolvenzverfahren
Amtsgericht N01 …
Aktenzeichen …IN …/19
Verfahrensschritt Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, 00.00.0000
Verfahrensschritt Eröffnung des Insolvenzverfahrens, 00.00.0000
Verfahrensschritt Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans, 00.00.0000
zu löschen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeinträge über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
a)
Art des Verfahrens Abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren
Betrag der Hauptforderung 6.464,54 EUR
Aktenzeichen bei Creditreform N02
Verzugsdatum N03
Abschlussdatum 00.00.0000
Zuständige Creditreform H.
b)
Art des Verfahrens Abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren
Betrag der Hauptforderung 2.022,37 EUR
Aktenzeichen bei Creditreform N04
Verzugsdatum 00.00.0000
Abschlussdatum 00.00.0000
Zuständige Creditreform R.
c)
Art des Verfahrens Abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren
Betrag der Hauptforderung 5.659,81 EUR
Aktenzeichen bei Creditreform N05
Verzugsdatum 00.00.0000
Abschlussdatum 00.00.0000
Zuständige Creditreform …
zu löschen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von höchstens 250.000,00 Euro oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder der Geschäftsführung der Beklagten, zu unterlassen, die unter Ziff. 1. und 2. des Tenors genannten Eintrag erneut zu speichern.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 579,17 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Löschung personenbezogener Daten des Klägers aus der Auskunftei der Beklagten.
3Der Kläger beantragte 00.00.0000 die Eröffnung eines Insolvenzverfahren. Das Amtsgericht Münster hob das Insolvenzverfahren (AG Münster, AZ … IN …/19) mit Beschluss vom 00.00.0000 auf, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans am 00.00.0000 rechtskräftig wurde. Ein Restschuldbefreiung des Klägers sah die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht vor.
4Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei, die Informationen aus öffentlich einsehbaren Quellen sammelt und speichert. Diese Daten gibt sie an Vertragspartner weiter, um diese bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit potenzieller Kunden zu unterstützen und damit vor potenziellen Verlusten zu schützen. In diesem Zusammenhang speicherte die Beklagte auch die streitgegenständlichen, personenbezogenen Merkmale des Klägers, über den jeweils letzten Stand zu dessen Insolvenzverfahren und über den Forderungsverlauf zu drei Mahnverfahren des Klägers. Hinsichtlich der Einzelheiten der gespeicherten Daten wird auf die Auskunft der Beklagten vom 00.00.0000 (Anlage K2, Bl. 23 ff. der Akte) verwiesen.
5Der Kläger forderte die Beklagte erstmalig mit Schreiben durch dessen Prozessbevollmächtigten vom 00.00.0000 dazu auf, die genannten personenbezogenen Daten in Form der Negativeinträge zu löschen. Die Beklagte lehnte die Löschung dieser Daten mit Schreiben vom 00.00.0000 ab. Mit Schreiben vom 00.00.0000 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte erneut zur Löschung der streitgegenständlichen Negativeinträge auf. Die Löschung der streitgegenständlichen Negativeinträge lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 00.00.0000 wiederholt ab.
6Der Kläger behauptet, dass er aufgrund der Negativeinträge in der Auskunftei der Beklagten keine Möglichkeit habe, einen Kredit zu erhalten. Auch der Abschluss
7eines neuen Handyvertrages oder anderer Verträge mit Vorleistung sei ihm nicht
8möglich. Zudem könne er keinen Vertrag zum Erhalt einer Kreditkarte abschließen und der Kauf auf Rechnung sei ihm nicht möglich. Diese Umstände führten dazu, dass er trotz guter Netto-Einkünfte im Wirtschaftsverkehr als unseriös wahrgenommen werde. Er meint, dass die Beklagte zur weiterlaufenden Speicherung seiner Daten nicht berechtigt sei, da ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der Daten über die Insolvenz nur so lange bestünde, wie die Regelung des § 3 InsBekV dies vorsehe, sprich sechs Monate lang. Über ein fehlendes berechtigtes Interesse der Beklagten hinaus sei die Verarbeitung der Daten über die Insolvenz des Klägers auch nicht mehr erforderlich. Neben der Löschung der Daten könne zudem Unterlassung verlangt werden, da die rechtswidrige Speicherung als Erstbegehung die Wiederholungsgefahr indiziere.
9Der Kläger beantragt,
101. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrer Datenbank enthaltenen Einträge über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
Öffentliche Negativmerkmale
13Negativmerkmal Unternehmerisches Insolvenzverfahren
14Amtsgericht N01 …
15Aktenzeichen .. IN …/19
16Verfahrensschritt Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, 00.00.0000
17Verfahrensschritt Eröffnung des Insolvenzverfahrens, 00.00.0000
18Verfahrensschritt Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans, 00.00.0000
19zur Löschung zu bringen,
202. die Beklagte zu verurteilen, den in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeintrag über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
b)
23Art des Verfahrens Laufendes kaufm. Mahnverfahren
24Betrag der Hauptforderung 6.464,54 EUR
25Aktenzeichen bei Creditreform N02
26Verzugsdatum 00.00.0000
27Eingangsdatum 00.00.0000
28Zuständige Creditreform H.
29b)
30Art des Verfahrens Abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren
31Betrag der Hauptforderung 2.022,37 EUR
32Aktenzeichen bei Creditreform N04
33Verzugsdatum 00.00.0000
34Abschlussdatum 00.00.0000
35Zuständige Creditreform R.
36c)
37Art des Verfahrens Abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren
38Betrag der Hauptforderung 5.659,81 EUR
39Aktenzeichen bei Creditreform N05
40Verzugsdatum 00.00.0000
41Abschlussdatum 00.00.0000
42Zuständige Creditreform …
43zur Löschung zu bringen,
443. die Beklagte zu verurteilen, sie bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von wenigstens 5,00 Euro oder höchstens 250.000,00 Euro oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monate, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder der Geschäftsführung, es zu unterlassen, die im Antrag zu 1. und 2. Genannten Einträge erneut zu verarbeiten,
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den verbleibenden Rest der entstandenen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 579,17 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
49die Klage abzuweisen.
50Die Beklagte ist der Auffassung, dass es für die sachgerechte Beurteilung der Bonität des Klägers für ihre Kunden von Bedeutung sei, dass der Kläger bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zahlungsunfähig war und damit im Wesentlichen vermögenlos und wirtschaftlich nicht zuverlässig gewesen sei. Die Löschung der Negativeintragungen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens führe zu einem erhöhten Risiko bei den potenziellen Geschäftspartnern des Klägers. Zudem meint die Beklagte, dass die Eintragung der Daten des Klägers nur ein Eingriff von geringer Intensität in dessen Interessen darstelle, weil die Daten nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich seien. Demzufolge sei die Speicherung in ihrer Auskunftei auch nicht mit der für jedermann zugänglichen, öffentlich bekanntgemachten Datenbank www.insolvenzbekanntmachungen.de vergleichbar, in welcher die Löschung gemäß § 3 InsBekV nach 6 Monaten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolge. Außerdem sei die Speicherung über 3 Jahre in ihrer Datenbank auch erforderlich, da aufgrund der anfänglichen Vermögenslosigkeit ein erhebliches Risiko eines erneuten Zahlungsausfalls bestehe. Ferner meint die Beklagte, dass der Klageantrag zu 2. a) des Klägers unbestimmt sei.
51Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Inhalte der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
52E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
53Die Klage hat vollumfänglich Erfolg.
54I.Die Klage ist zulässig.1.
55Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG.Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aufgrund des Streitwerts in Höhe von 15.000 EUR aus § 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG. Dabei beruht die Streitwertentscheidung nach § 48 GKG, § 3 ZPO auf dem freien Ermessen des Gerichts. In Anlehnung an vergleichbare Entscheidungen (u.a. LG Neuruppin, Beschluss v. 04.10.2021 – 2 O 157/22; LG Aschaffenburg, Urteil vom 07.10.2020 – 15 O 45/20) und infolge der Auswirkungen von Negativeintragungen bei Auskunfteien im Hinblick auf die Teilnahme des Betroffenen am Rechts- und Wirtschaftsverkehr ist ein Streitwert in Höhe von 15.000 EUR angemessen.
562.Der Klageantrag zu 2.a) dabei in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Löschung des Negativeintrags mit dem Inhalt begehrt, wie er in der Auskunftei tatsächlich geführt und formuliert ist. Der Wortlaut des gestellten Antrags weicht zwar von der tatsächlichen Eintragung in der Auskunftei ab, welche das Verfahren unter dem internen Aktenzeichen der Creditreform N02 nicht mehr als laufendes kaufm. Mahnverfahren, sondern als abgeschlossenes kaufm. Mahnverfahren auflistet (Bl. 25 d. Akte). Es ist entgegen dem Vortrag der Beklagten allerdings erkennbar, dass der Kläger den unter diesem internen Aktenzeichen genannten Negativeintrag aus der Auskunftei entfernt lassen will. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, ob dieses Mahnverfahren noch läuft oder bereits abgeschlossen ist, da der Kläger jedenfalls die Entfernung der Negativeintragung unter dem internen Aktenzeichen der Creditreform N02 anstrebt.
57II.Die Klage ist begründet.
581.Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung des bei der Beklagten eingetragenen, öffentlichen Negativmerkmals hinsichtlich des durch das Amtsgericht Münster aufgehobenen Insolvenzverfahrens aus dem Az. … IN…/19 (Ziffer 1. des Tenors) sowie einen Anspruch auf Löschung der Negativeinträge hinsichtlich der drei abgeschlossenen kaufm. Mahnverfahren (Ziffer 2. des Tenors) aus Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO, da die Datenverarbeitung durch die Beklagte nicht rechtmäßig erfolgte. Eine Speicherung von öffentlich gewonnenen Daten im Zuge von Insolvenzbekanntmachungen ist über den Ablauf der sechsmonatigen Löschfrist des § 3 InsBekV hinaus nicht zulässig.
59Der Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet. Personenbezogene Daten des Klägers, sprich Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO beziehen, werden hier durch die Beklagte als Verantwortliche gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO verarbeitet und gespeichert. Unter Verarbeitung ist gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten zu verstehen.Die Beklagte speichert Daten des Klägers über dessen Insolvenzverfahren und den letzten Verfahrensstand. Darüber hinaus speichert sie mit dem Insolvenzverfahren abgeschlossene, kaufmännische Mahnverfahren. Diese gespeicherten personenbezogenen Daten übermittelt die Beklagte ihren jeweiligen Vertragspartnern, die ihrerseits die Fähigkeit des Klägers zur Teilnahme am Rechtsverkehr einschätzen wollen.
60Die Verarbeitung dieser streitgegenständlichen personenbezogenen Daten des Klägers durch die Beklagte ist allerdings mit Ablauf von sechs Monaten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr rechtmäßig im Sinne von Art. 6 DSGVO. Grundsätzlich ist die Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers durch die Beklagte nach Art. 6 DSGVO nur dann rechtmäßig, wenn eine gesetzliche Grundlage für die jeweilige Datenverarbeitung besteht oder der Kläger in die Verarbeitung seiner Daten eingewilligt hat.Mangels Einwilligung des Klägers in die Verarbeitung seiner Daten durch die Beklagte kommt dementsprechend nur eine rechtmäßige Verarbeitung durch die Beklagte aufgrund gesetzlicher Grundlagen in Betracht.Nach der Überzeugung des Gerichts sind allerdings auch keine Rechtsgrundlagen vorhanden, die die Verarbeitung der streitgegenständlichen personenbezogenen Daten des Klägers durch die Beklagte rechtfertigen.Insbesondere liegen die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO und die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO zugunsten der Beklagten nicht vor.
61Eine rechtmäßige Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO durch die Beklagte liegt nicht vor.Danach ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten dann rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.Für eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten in Ausübung von öffentlicher Gewalt sind unstreitig keine Anhaltspunkte gegeben.Die Verarbeitung ist aber auch nicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt. Die Erlaubnis zur Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO dient staatlichen Informationsdiensten wie dem Portal „www.insolvenzbekanntmachungen.de“. Nicht hingegen ist daraus eine Erlaubnis zur Datenverarbeitung für private Auskunfteien, wie sie auch von der Beklagten betrieben wird, herzuleiten (Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 6, Rn. 132; OLG München, Urteil vom 24.10.2022 – 3 U 2040/22, Rn. 20).
62Ebenso stellt die erfolgte Datenverarbeitung durch die Beklagte keine rechtmäßige Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO dar, weil die Wahrung der Interessen des Klägers das Interesse der Beklagten oder eines Dritten an dessen Datenverarbeitung nach nachfolgender Abwägung dieser verschiedenen Interessen deutlich überwiegt.
63Die Beklagte hat zwar zunächst ein wirtschaftliches Interesse an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers. Dieses wirtschaftliche Interesse wird durch das Angebot einer möglichst umfassenden und vollständigen Datenbank mit möglichst vielen bonitätsrelevanten Daten zu möglichen Schuldnern gefördert. Die Datenverarbeitung dient weitergehend dazu, den Kunden der Beklagten die Informationen im Vorfeld von Vertragsverhandlungen oder bei Abschluss von Verträgen zur Verfügung zu stellen, damit diese einschätzen können, ob es bei den Vertragspartnern möglicherweise zu Zahlungsschwierigkeiten kommt. Die Verarbeitung der Informationen hat mithin einen wirtschaftlichen Wert für die Beklagte (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 23.11.2021 – 13 U 63/21, Rn. 30; vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22, Rn. 60).Dies dient der Beklagten im Ergebnis weitergehend dazu, sich im Angebot von anderen Wirtschaftsauskunfteien abgrenzen zu können und die eigene Markstellung zu stärken (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22, Rn. 61).Ebenso sind auch zu berücksichtigende Interessen Dritter gegeben. Diese sind nicht aufgrund einer fehlenden konkreten Benennung durch die Beklagte von vornherein ausgeschlossen. Bereits ein abstraktes Auskunftsinteresse und das im Kreditverkehr allgemein bestehende Bedürfnis zur Informationsbeschaffung bilden eine typische, im Fall von Kreditgewährungen regelmäßig auftretende Situation. Auch ohne dass ein potenzieller, zukünftiger Vertragspartner bereits namentlich feststünde und der Inhalt eines konkret abzuschließenden Vertrages bereits hinreichend bekannt wäre oder es bereits konkrete Datenabfragen potenzieller Vertragspartner des Klägers geben würde, ist ein berechtigtes Interesse dieser potenziellen Vertragspartner an der wirtschaftlichen Situation des Klägers und damit an der Speicherung dieser in der Auskunftei der Beklagten und die Erteilung der daraus folgenden Informationen bereits hinreichend feststellbar (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 23.11.2021 – 13 U 63/21, Rn. 27 ff.).Dies dient damit dem Ausgleich der vorhandenen Informationsdisparität zwischen potenziellen Kreditgebern und Kreditnehmern im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des potenziellen Kreditnehmers. Andernfalls wären Kreditgeber ausschließlich auf Eigenangaben ihrer möglichen Kreditnehmer angewiesen und damit erheblichen Täuschungsgefahren und sonstigen Unsicherheiten im Geschäftsverkehr ausgesetzt. Die Verarbeitung der Daten durch die Beklagte dient damit im Kern dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu ermöglichen und damit den Rechts- und Kreditverkehr in Deutschland insgesamt abzusichern, zumal Kreditgeber ihrerseits nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet sind, sich von der Belastungsfähigkeit ihrer jeweiligen Vertragspartner (insbesondere im Verbraucherbereich) ein tragfähiges Bild zu machen (OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 – 15 U 153/21, Rn. 38).
64Diesen Interessen der Beklagten und Dritter steht allerdings ein erhebliches Interesse des Klägers gegenüber. Die weiterhin bestehende Aufnahme des Vermerks über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegen den Kläger beeinträchtigt dessen erhebliche Interessen und Grundrechte.Dabei greift die Datenverarbeitung nicht nur erheblich in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1, 2 Grundgesetz und Art. 8 Grundrechte-Charta der Europäischen Union selbst ein, sondern auch in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, die allgemeine Vertragsfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit (OLG Schleswig, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22, Rn. 62).Nach der an den Kläger erteilten Auskunft der Beklagten kann der Scorewert des Klägers aufgrund negativer Zahlungserfahrungen nicht berechnet werden. Dass das Zurverfügungstellen dieser Information an potenzielle Vertragspartner des Klägers einen erheblichen Einfluss auf die Teilnahme des Klägers am allgemeinen Wirtschaftsleben hat, ist offenkundig. Demnach bedarf es aufgrund dieser Sachlage des konkreten Vortrags des Klägers, ob und welche Vertragsabschlüsse im Einzelnen gescheitert sind, nicht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Interessen tatsächlich beeinträchtigter Dritter nicht konkret benannt hat, die allgemeinen Interessen potenzieller Dritter aber trotzdem bei der Abwägung berücksichtigt werden. Aufgrund dieses Scorewerts und der fortlaufenden Eintragung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens des Klägers ist eine Behinderung des Klägers an der Teilnahme am Wirtschaftsleben gegeben. Durch die, über die nach § 3 InsBekV festgelegte sechsmonatige Frist hinausgehende, Verarbeitung der Daten des Klägers, wird es ihm jedenfalls noch weitere zweieinhalb Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens massiv erschwert, Rechtsgeschäfte wie den Abschluss von Mietverträgen, Handyverträge und Kreditverträgen vollziehen zu können. Darüber hinaus werden dem Kläger auch Kreditaufnahmen sowie Vertragsabschlüsse, die als Voraussetzung die Erteilung einer Bonitätsauskunft haben, erheblich erschwert oder nur unter vergleichsweise schlechteren Bedingungen ermöglicht, welche sich wiederum erneut negativ auf die finanzielle Situation des Klägers auswirken. Die Speicherung der streitgegenständlichen Negativeinträge sowie deren Übermittlung durch die Beklagte an deren Vertragspartner führt also im Ergebnis dazu, dass der Kläger mit schwerwiegenden finanziellen Nachteilen belegt ist, obgleich das ursprünglich gegen ihn laufende Insolvenzverfahren bereits seit langer Zeit aufgehoben ist.Es ist außerdem zu beachten, dass allgemein bekannt ist, dass weite Kreise von Wirtschaftsunternehmen vor Abschluss eines Vertrages Auskünfte bei Wirtschaftsauskunfteien einholen. Dies gilt unter anderem für Banken, Energieunternehmen und Telekommunikationsunternehmen. Die Mitteilung, dass der Kläger ein Insolvenzverfahren durchlaufen hat, erschwert dem Kläger die Teilnahme am Rechtsverkehr und konterkariert damit das vom Gesetzgeber mit der Einführung der Privatinsolvenz verfolgte Ziel, dem Schuldner nach erfolgreichem Durchlaufen des Insolvenzverfahrens einen Neustart zu ermöglichen (OLG München, Urteil vom 24.10.2022 – 3 U 2040/22, Rn. 26).Als zu berücksichtigender normativer Anhaltspunkt für die Abwägung der widerstreitenden Interessen ist nach Überzeugung des Gerichts die Löschungsfrist aus § 3 InsBekV zugrunde zu legen (vgl. OLG München, Urteil vom 24.10.2022 – 3 U 2040/22, Rn. 25) Dementsprechend kommt es auf die Frage, ob § 3 InsBekV in Bezug auf private Auskunfteien überhaupt direkt oder analog anwendbar ist und demnach bereits nach Ablauf der danach bestehenden sechsmonatigen Frist zur Löschung schon kein Interesse der Beklagten oder Dritten an der Verarbeitung über die Daten der Insolvenzaufhebung besteht, nicht an. Im Hinblick auf § 3 InsBekV ist zu unterstellen, dass der Verordnungsgeber hinreichend abgewogen hat, in welchem Umfang durch eine öffentliche Bekanntmachung in die Rechte der Insolvenzschuldner eingegriffen wird und inwieweit die berechtigten Informationsinteressen der Allgemeinheit einen solchen Eingriff rechtfertigen. Ergebnis dieser Abwägung durch den Verordnungsgeber war offenkundig, dass eine Veröffentlichungsdauer von sechs Monaten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausreichend und angemessen ist (OLG Schleswig, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22, Rn. 70).Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Daten aus einer behördlichen Veröffentlichung im Internet kopiert hat. Sie legt daher - im großen Stil - eine Paralleldatenbank an. Ob derartige private Paralleldatenbanken europarechtlich im Rahmen der DSGVO überhaupt zulässig sind, wurde vom VG Wiesbaden im Rahmen seiner EuGH-Vorlage (Beschluss vom 31.01.2022, 6 K 1052/21) bezweifelt, kann aber vorliegend offenbleiben. Die Zulässigkeit von Paralleldatenbanken einmal unterstellt, müssen sich derartige Derivativdatenbanken nach dem Sinn und Zweck des Datenschutzrechts an die für die Ursprungsdaten geltenden Regeln halten. Es erscheint mit den grundlegenden Schutzgedanken des Datenschutzrechts unvereinbar, wenn gesetzliche Löschungsfristen dadurch umgangen werden, dass Daten kopiert und anderweitig gespeichert werden (OLG München, Urteil vom 24.10.2022 – 3 U 2040/22, Rn. 25). Die mögliche Problematik hinsichtlich des Erstellens solcher Paralleldatenbanken hat der Gesetzgeber zudem erkannt. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber bei Einführung der Vorschrift des § 3 Abs. 2 InsBekV das damalige Bundesministerium der Justiz aufgefordert, mittels Rechtsverordnung sicherzustellen, dass „die Veröffentlichungen… nach dem Stand der Technik durch Dritte nicht kopiert werden können.“ (BT-Drs. 14/6468). Die Einführung eines derartigen Kopierschutzes ist allerdings an technischen Problemen gescheitert. Laut Aussage der damaligen Bundesregierung konnte das Kopieren von Internetveröffentlichungen nicht verhindert werden (BT-Drs. 16/960).Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich der Vortrag der Beklagten nahezu ausschließlich auf solche Insolvenzverfahren bezieht, die gemäß §§ 286 InsO ff. mit einer Restschuldbefreiung abgeschlossen werden. Die Klage bezieht sich allerdings auf die Löschung zu Negativeintragungen hinsichtlich eines Insolvenzverfahrens, welches ohne Restschuldbefreiung aufgehoben wurde. Die Beklagte trägt insofern nicht substantiiert vor, wieso der Vortrag hinsichtlich der Restschuldbefreiung auch auf die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne Restschuldbefreiung anzuwenden ist. Vielmehr lässt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne Restschuldbefreiung auf eine positive Vermögensentwicklung des Klägers schließen, sodass der Kläger im Vergleich zu einem Insolvenzschuldner, der ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung abgeschlossen hat, ein nochmal gesteigertes Interesse an der Löschung der Negativeintragungen hat. Gleichzeitig ist er auch schutzbedürftiger, da von ihm vergleichsweise ein noch geringeres Risiko für den allgemeinen Rechtsverkehr ausgeht. Die von zitierten Rechtsprechung des OLG Schleswig und des OLG München herausgearbeiteten Argumente, denen sich die Kammer anschließt, müssen somit „erst recht“ für solche Betroffene gelten, deren Insolvenzverfahren – wie beim Kläger des vorliegenden Verfahrens - durch Aufhebung endete.
652.Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Unterlassung der erneuten Speicherung und Übermittlung der streitgegenständlichen personenbezogenen Daten in entsprechender Anwendung von §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 17 Abs. 1 DSGVO.Eine Wiederholungsgefahr liegt bei der Beklagten als Wirtschaftsauskunftei vor. Eine wie in diesem Verfahren vorliegende, durch die Beklagte erfolgte Beeinträchtigung des Klägers begründet die Annahme einer Wiederholungsgefahr (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021 – 17 U 15/21, Rn. 80; Gola/Heckmann/Nolte/Werkmeister, 3. Aufl., DS-GVO Art. 17 Rn. 73).
663.Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 579,17 EUR aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, § 249 BGB sowie §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 249 BGB zu.
67III.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
68Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO und entspricht der Höhe nach dem von der Kammer geschätzten Aufwand der hiesigen Beklagten, der mit der titulierten Löschungsverpflichtung verbunden ist (BeckOK ZPO/Ulrici, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 709 Rn. 5.4).
69Soweit hinsichtlich des Tenors zu 4 und des Tenors zu 5 eine an sich gebotene Vollsteckbarkeitsentscheidung unterblieben ist, beruht dies auf einem Versehen.
70IV.
71Von einer weitergehenden Aussetzung entsprechend § 148 ZPO in Bezug auf das vom VG Wiesbaden vor dem EuGH anhängig gemachte Vorabentscheidungsverfahren (Beschluss vom 31. Januar 2022 – 6 K 1052/21) hat das Gericht zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes für den Kläger abgesehen.