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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Der Kläger erwarb am 00.02.2022 einen Tesla Model N01 über die Internetseite der Beklagten zu einem Kaufpreis von 59.320,00 €. Der Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt und Mitgesellschafter einer Rechtsanwaltskanzlei. Bei der Bestellung gab er seine berufliche E-Mail-Adresse sowie seine private Anschrift an. Die Beklagte übersandte dem Kläger eine Bestellvereinbarung samt AGB und Widerrufsbelehrung (vgl. Bl. 12 ff. d. A.).
3Die Widerrufsbelehrung lautete in der entsprechenden Passage wie folgt:
4„(...) Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Tesla Germany GmbH, …, E-Mail01) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. (...)“
5Das Muster-Widerrufsformular lautete in der entsprechenden Passage wie folgt:
6„(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)
7-An Tesla Germany GmbH, …, E-Mail01:
8(...) “
9Eine auf der Homepage der Beklagten im Impressum genannte Telefonnummer wurde weder in der Belehrung noch im Muster-Formular angegeben.
10Am 30.08.2022 wurde der bestellte Pkw in Holzwickede an den Kläger übergeben.
11Am 23.02.2023 erklärte der Kläger per E-Mail den Widerruf gegenüber der Beklagten.
12Am Freitag den 24.02.2023 schrieb die Beklagte um 15:37 Uhr dem Kläger via SMS, dass die Widerrufsfrist für das Fahrzeug am 13.09.2022 abgelaufen und somit ein Widerruf nicht möglich sei.
13Am 07.03.2023 versuchten die ordnungsgemäß bevollmächtigten Eltern des Klägers vergeblich, das Fahrzeug bei der Niederlassung der Beklagten in Dortmund zurückzugeben.
14Mit Schreiben vom 10.03.2023 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkws unter Fristsetzung zum 20.03.2023 auf.
15Der Kläger ist der Ansicht, er habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen können. Die Widerrufsfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen, da die im Impressum genannte Telefonnummer nicht in der Widerrufsbelehrung bzw. im Muster-Formular angegeben wurde und die Belehrung insoweit unvollständig sei, was er mit umfangreichen Ausführungen näher begründet. Die im Impressum angegebene Nummer sei seitens der Beklagten auch schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum Kundenkontakt genutzt worden. Sein Widerruf sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da er sich wegen im einzelnen ausgeführter Mängel (vgl. S. 5 der Replik) vom Vertrag lösen wolle. Ein Wertersatz sei nicht geschuldet. Er habe bei Abschluss des Kaufvertrags als Verbraucher gehandelt, da er das Fahrzeug als Zweitwagen habe nutzen wollen.
16Der Kläger beantragt,
171. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 59.320,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2023 Zug um Zug nach Herausgabe des Fahrzeugs Tesla Model N01 Fahrgestellnummer N02, zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 07.03.2023 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.085,82 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte meint, der Widerruf sei verfristet, was sie ebenfalls mit umfangreichen Ausführungen begründet. Sie behauptet, die im Impressum angegebene Nummer habe zurzeit des Vertragsschlusses in erster Linie eine technische Hotline dargestellt, deren Mitarbeiter nicht für die Verkaufsberatung mit Kunden zuständig und auch nicht empfangsberechtigt für die Entgegennahme vertragsrelevanter Erklärungen gewesen seien. Erst seit dem vierten Quartal des Jahres 2022 sei es möglich, über die oben genannte Telefonnummer mit einem technischen Mitarbeiter, mit einem Mitarbeiter aus dem Vertrieb oder mit einem lokalen Service Center verbunden zu werden. Zudem bestreitet sie mit Nichtwissen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zu privaten und nicht zu betrieblichen Zwecken erworben hat.
24Ein Widerruf sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich, da ein Fehler der Widerrufsbelehrung allenfalls als gering zu bewerten wäre und es dem Kläger nur um den Erhalt einer Umweltprämie für das Halten des Fahrzeugs über 6 Monate gegangen sei.
25Die Beklagte erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Wertersatz wegen Wertverlusts des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28I.
29Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 59.320,00 € gem. §§ 357 I, 355 BGB gegen die Beklagte.
301.
31Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügte den gesetzlichen Anforderungen, so dass der Fristbeginn mit Übergabe des Fahrzeugs im August 2022 erfolgte und der Widerruf im Februar 2023 damit verfristet war.
32Nach § 356 Abs. 3 EGBGB (der Wortlaut der aktuellen Fassung ist unverändert zur bei Vertragsschluss geltenden Fassung) beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB a. F. unterrichtet hat.
33Für den Beginn der Widerrufsfrist stellt § 356 III BGB damit nicht auf Art. 246a § 1 I EGBGB a. F. (dort insbesondere Nr. 2, welche die Angabe einer Telefonnummer vorsieht) ab. Dies ist so zu verstehen, dass zumindest für die Frage des Fristbeginns nach § 356 III BGB eine vollständige Informationserteilung mit den Angaben aus Absatz 1 nicht erforderlich ist, sondern vielmehr (nur) eine ausreichende Information nach Art. 246 II 1 EGBGB a. F. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 EGBGB. Nach diesen Vorgaben ist über die Form des Widerrufs nicht aufzuklären, so dass auch nicht über einen telefonischen Widerruf bzw. eine Telefonnummer zu informieren wäre.
34Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entsteht nach Ansicht des Gerichts im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht.
35Für diese Sichtweise spricht neben dem Wortlaut auch die Systematik des § 356 III BGB. Denn für Finanzdienstleistungen wird ausdrücklich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB a. F. verwiesen, der durch einen Verweis auf § 1 (des Art. 246b) auch die Informationspflichten einbezieht, was Art. 246a § 1 II EGBGB a. F. gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat also ganz klar für den Fernabsatzvertrag bewusst die Informationspflichten insbesondere zur Telefonnummer aus dem Verweis in § 356 III BGB herausgenommen und fordert die Erteilung der Informationspflichten nicht für den Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fernabsatzverträgen genügt im Gegensatz zu Verträgen über Finanzdienstleistungen die Information nach § 246a § 1 II Nr. 1 EGBGB (Palandt-Grüneberg, 82. Aufl., § 356, Rn. 7).
36Sofern man gegen diese Sicht einwenden wollte, dass dann auch keine Angaben zur Identität des Unternehmers oder seiner Anschrift erforderlich wären und damit ein Widerruf nicht möglich wäre, so kann dem entgegengehalten werden, dass sich diese Informationen schon aus dem obligatorischen Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 EGBGB ergeben.
37Dass die Beklagte sich nicht an das Belehrungsmuster (Anlage 1 zum EGBGB a. F.) und die hierzu geltenden Vorgaben gehalten hat, dürfte bei der Anwendung des § 356 III BGB ohne Relevanz sein. Denn die Nutzung des Belehrungsmusters ist zum einen nicht obligatorisch und zum anderen beziehen sich die Vorgaben des § 356 III BGB für den Fristbeginn nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. (s. o.).
38Soweit der BGH (Entscheidung vom 24.09.2020, GRUR 2021, 84) über die Angabe einer Telefonnummer im Ergebnis anders geurteilt hat, betraf dieses eine andere Konstellation. So hatte er über eine Einzelfrage zu den Gestaltungshinweisen für das in dem dortigen Fall verwendete Belehrungsmuster und zudem über die Frage eines Wettbewerbsverstoßes – und damit nicht über den Fristbeginn des § 356 III BGB – zu urteilen. Es ist auch nicht systemwidrig, wenn in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist andere Voraussetzungen gelten als für die wettbewerbsrechtlich geforderte Informationserteilung, da den zugrundeliegenden Regelungen unterschiedliche Interessenabwägungen und Schutzzwecke zugrunde liegen.
392.
40Selbst wenn man entgegen der obigen Ansicht von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ausgehen würde, so wäre es dem Kläger jedenfalls aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, den Widerruf geltend zu machen.
41Der Kläger würde als Volljurist und Rechtsanwalt weder in eigener noch in fremder Sache einen Widerruf telefonisch einbringen, da er bei einem telefonischen Widerruf diesen in der Regel nicht beweisen können würde. Insoweit wäre es grotesk, wenn dem Kläger ein fehlender Hinweis auf die Telefonnummer dazu verhelfen würde, in den Vorteil der 12-monatigen Widerrufsfrist zu gelangen, obwohl er den Widerruf niemals in telefonischer Form erklärt hätte.
42Ähnliches hat auch der Bundesgerichtshof – allerdings zum Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers – entschieden und ausgeführt, dass es unverhältnismäßig wäre, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben(BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 – IV ZR 353/21 –, Rn. 13 - 18, juris).
43II.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
45III.
46Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.