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Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style BM Techn. 2,0 TDI mit der Fahrgestellnummer … an den Kläger 24.157,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte wegen deliktischer Produktmanipulation auf Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan, hilfsweise auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Wertminderung des Fahrzeugs in Anspruch.
3Der Kläger erwarb am 10.04.2013 das Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style BM Techn. 2,0 TDI von der Autohaus O GmbH und Co. KG in T zu einem Kaufpreis i.H.v. 29.346,26 €.
4Der klägerische Pkw verfügt über einen Dieselmotor vom Typ EA 189 und ist von der Beklagten, dem Hersteller mit einer Software ausgestattet worden, die den Stickoxidausstoß im Prüfstandsbetrieb optimiert. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird oder sich auf der Straße befindet und entsprechend das „Verhalten“ des Motors in Bezug auf die Abgase verändert, hält der genannte Motor während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug anderweitig, nämlich mit einer geringeren Abgasrückführungsrate betrieben und es werden die im Prüfstand erzielten Stickoxidwerte überschritten.
5Die Beklagte kündigte an, die Software unter Aufsicht des Kraftfahrtbundesamts durch eine Rückrufaktion zu entfernen. Zudem wurde die Kanzlei E beauftragt, den internen Aufklärungsprozess bei der Beklagten zu begleiten. In der Folge wurde der Kläger von der Beklagten benachrichtigt, dass auch das streitgegenständliche Fahrzeug von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert.
6Mit der anhängigen Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des VW Tiguan Sport & Style, hilfsweise den Ersatz des eingetretenen Wertverlustes.
7Der Kläger meint, dass ihn die Beklagte vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt habe, wobei der Schaden darin bestehe, dass er ein Geschäft abgeschlossen habe, das er bei Kenntnis der Sachlage nicht getätigt hätte. Er sei von der Beklagten daher so zu stellen, als hätte er das Fahrzeug nicht gekauft.
8Der Kläger behauptet, dass das klägerische Fahrzeug nicht den geltenden Vorschriften hinsichtlich der Euro 5-Abgasnorm entspreche und daher aufgrund der tatsächlichen Nichterfüllung der Voraussetzungen weder gemäß § 8 FZVO zulassungsfähig sei, noch über eine wirksame Allgemeine Betriebserlaubnis nach § 19 StVZO verfüge, so dass das Risiko bestehe, dass die Betriebserlaubnis entzogen werde.
9Er behauptet, dass das Fahrzeug aufgrund des Einsatzes der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware nicht der Sollbeschaffenheit entspreche. Daher sei ihm allein aufgrund dieser Tatsache ein Wertverlust entstanden. Zudem sei zu befürchten, dass er mit einer erhöhten Kraftfahrzeugsteuer belastet werde.
10Der Kläger behauptet, dass sein Fahrzeug die Abgasnormen nicht einhalte. Der gemäß § 38 Abs. 1 BImSchG vorgeschriebene Grenzwert, werde beim Stickoxidausstoß um das 4,7 fache überschritten.
11Zudem würde das von der Beklagten angekündigte Softwareupdate zu Leistungseinbußen, einem erhöhten Kraftstoffverbrauch und einem erhöhten CO² Ausstoß sowie zu einer Verringerung der allgemeinen Lebensdauer des Fahrzeugs führen. Der Kläger ist daher der Ansicht, dass ihm eine Teilnahme an der Durchführung des von der Beklagten initiierten Softwareupdates unzumutbar sei.
12Der Kläger behauptet, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ohne Kenntnis des Vorstandes mit der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware versehen habe. Der damalige Vorstandsvorsitzende, der Zeuge X habe aus Gewinnsucht und in Betrugsabsicht einen Wertverlust um mindestens 30 % gegenüber dem vorherigen Gebrauchtwagenwert bei den betroffenen Fahrzeugen billigend in Kauf genommen, sobald die Mängel auf dem Markt bekannt werden.
13Der Kläger behauptet, dass die C GmbH bereits im Jahr 2004 vom damaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter und Mitglied des Vorstandes, dem Zeugen X beauftragt worden sei, das Motorsteuergerät EDC 17 zu entwickeln, welches später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen „Akustikfunktion“ enthalten habe. Diese später als sog. „Schummelsoftware“ bezeichnete Software sei in der Folge von dem Zeugen X weiterentwickelt worden.
14Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten in den Jahren 2005 und 2006 bei der Optimierung der Stickoxidwerte und den jeweiligen Abgasrückführungswerten festgestellt, dass die Erhöhung der Abgasrückführungswerte zu einem schnellen Zusetzen des Partikelfilters geführt habe. Dass wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter habe dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits um die 50.000 km Laufleistung ihren Dienst einstellten. Mit diesen Testergebnissen im Rücken habe u.a. der Zeuge X Ende des Jahres 2006 entschieden, dass es unmöglich sei, dass Abgasrückführungssystem so zu optimieren, das Langzeitschäden an Motor und Partikelfilter verhindert werden. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Entwicklungsingenieure in Kenntnis des Zeugen X entschieden, die sog. „Schummelsoftware“ einzusetzen, um ausschließlich für den Rollenprüfstand einen Testmodus zu besitzen, der für die Phase des Prüfbetriebes die erforderlichen Stickoxidwerte einhält.
15Der Kläger ist der Auffassung, dass er alles vorgetragen habe, was ihm möglich gewesen sei, sodass die Beklagte aufgrund ihres Wissensvorsprungs eine sekundäre Darlegungslast treffe.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style BM Techn. 2,0 TDI mit der Fahrgestellnummer … an den Kläger 39.346,26 € unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.638,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
18hilfsweise:
19die Beklagte zu verurteilen, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 7.500,00 € an den Kläger zu zahlen,
20die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.564,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.03.2016 zu zahlen.
21Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte meint, dass eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht vorliege. Hierzu behauptet sie, dass sie den Kläger weder getäuscht, noch das streitgegenständliche Fahrzeug manipuliert habe.
24Sie bestreitet, dass der Vorstand der Beklagten im Zeitpunkt des Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis vom Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware gehabt habe.
25Das Fahrzeug sei sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt. Zudem verfüge das Fahrzeug über alle erforderlichen Genehmigungen und die Gefahr des Entzugs der Typengenehmigung bestehe nicht, da das Kraftfahrtbundesamt den von der Beklagten vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan zur Durchführung des Softwareupdates genehmigt und mit Bescheid vom 15.10.2015 für verbindlich erklärt habe.
26Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware um eine verbotene Abschalteinrichtung handle. Sie meint, dass eine verbotene Abschalteinrichtung nur dann vorliege, wenn im Laufe des realen Fahrzeugbetriebes die Wirksamkeit der Abgasreinigungsanlage reduziert würde. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Die streitgegenständliche Software bewirke nicht, dass innerhalb des normalen Fahrbetriebs die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert werde. Das Abgasrückführungssystem sei nicht Bestandteil des Emmissionskontrollsystems, sondern eine innermotorische Anlage.
27Sie bestreitet, dass das klägerische Fahrzeug mehr Schadstoffe, insbesondere Stickoxide ausstoße, als angegeben worden sei. Für die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im normalen Straßenbetrieb gebe es keine gesetzlichen Vorgaben. Zur Erlangung der EG-Typengenehmigung sei nach den gesetzlichen Vorgaben nur der synthetische Fahrzyklus unter Laborbedingungen, der sog. Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ), der nicht den Bedingungen im normalen Fahrbetrieb entspreche, maßgeblich. So komme es naturgemäß zu Abweichungen zwischen den angegebenen Abgaswerten (Laborwerten) und denjenigen Werten, die auf der Straße erzielt werden.
28Die Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug nach dem Softwareupdate einen höheren Schadstoffausstoß und einen höheren Kraftstoffverbrauch aufweise. Hierzu behauptet sie, dass die technische Überarbeitung durch das Softwareupdate dazu führen würde, dass das betroffene Fahrzeug alle Emissionsgrenzwerte einhalte, ohne dass dieses nachteilige Auswirkungen auf die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die CO²-Emissionen habe.
29Sie bestreitet, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Funktionsweise der streitgegenständlichen Software Kenntnis gehabt hätte.
30Die Beklagte bestreitet, dass es bei dem klägerischen Fahrzeug zu einer Wertminderung gekommen sei. Hierzu behauptet sie, dass aufgrund der kostenfreien Softwareaktualisierung keine Wertminderung entstehen könne.
31Die Kammer hat mit Verfügung vom 06.10.2016 Herrn X als Zeugen geladen. Nachdem sich der Zeuge zwischenzeitlich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und der Kläger dieses bestritten hatte, hat die Kammer mit Zwischenurteil vom 20.01.2017 rechtskräftig festgestellt, dass der Zeuge X zu einer umfassenden Zeugnisverweigerung berechtigt ist.
32Die Kammer hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 07.04.2017 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.04.2017 verwiesen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage ist zulässig und in dem sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
35Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn folgt aus § 32 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wurde. Hierzu ist es für die Zuständigkeit ausreichend, dass der Kläger, wie geschehen, die Voraussetzungen für eine unerlaubte Handlung schlüssig vorträgt.
36Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 24.157,26 € Zug um Zug gegen Rückgabe des in der Urteilsformel näher bezeichneten Fahrzeugs aus § 826 BGB iVm § 31 BGB gegen die Beklagte zu.
37Nach dieser Anspruchsgrundlage ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderem vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat dem Kläger durch eine gegen die guten Sitten verstoßenden schädigenden Handlung vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
38Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004, Az.: II ZR 402/02). Der gem. § 826 BGB ersatzfähige Schaden wird von der Rechtsprechung seit jeher weit verstanden und beschränkt sich gerade nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter. Erfasst wird ganz allgemein jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage. In Parallele zur Betrugsdogmatik hat auch der Schadensbegriff des § 826 einen subjektiven Einschlag. Insbesondere werden auch solche Fälle erfasst, die im Strafrecht unter dem Stichwort des Eingehungsbetrugs gewürdigt werden. Das Vermögen wird nicht nur als ökonomischer Wert geschützt, sondern zugleich auch die auf das Vermögen bezogene Dispositionsfreiheit des jeweiligen Rechtssubjekts. Folglich stellt bereits die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. MünchKomm/Wagner, 7. Auflage 2017, BGB, § 826, Rn. 42).
39Die Tatsache, dass der Kläger aufgrund des Verschweigens der Beklagten über den Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen Vertrag mit der Autohaus O GmbH und Co. KG in T und damit im Bezirk des angerufenen Landgerichts geschlossen hat, hat seine Dispositionsfreiheit verletzt, sodass sein Vermögen nunmehr mit einer ungewollten Verpflichtung negativ belastet ist. Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Kauf des Fahrzeugs für den Kläger einen messbaren Vermögensnachteil durch einen entstehenden Wertverlust bewirkt, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit bereits einen Schaden im Sinne des § 826 BGB darstellt.
40Dieses folgt, auf den vorliegenden Fall bezogen, allein daraus, dass bei verständiger Würdigung und unter lebensnaher Betrachtung kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher ein Fahrzeug erwerben würde, welches mit einer gesetzeswidrigen Software ausgestattet ist. Der Durchschnittskäufer eines Fahrzeugs kann und muss nicht davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandslauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird.
41Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 07.04.2017 glaubhaft erklärt, dass er das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er Kenntnis davon gehabt hätte, dass dieses Fahrzeug mit einer Prüfstandsoptimierungssoftware ausgestattet ist, da es ihm auch selbstverständlich darum gegangen sei, ein umweltfreundliches Fahrzeug zu erwerben. Er erklärte weiter, dass er früher zwar sehr viele Dieselfahrzeuge gefahren sei, unter den vorliegenden Umständen dann aber einen Benziner erworben hätte.
42Die von der Beklagten vorgenommene Optimierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzeswidrig, da sie gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 iVm Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 verstößt (vgl. LG Ellwangen, Urt. v. 10.06.2016, Az.: 5 O 385/16; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16; LG Köln, Urt. v. 07.10.2016, Az.: 7 O 138/16). Nach diesen Vorschriften ist eine Abschalteinrichtung, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert, unzulässig, wobei eine Abschalteinrichtung als Konstruktionsteil legal definiert wird, nämlich als ein solches, das in der Lage ist, einen beliebigen Teil des Emissionskontrollsystems zu deaktivieren, so dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Bei verständiger Auslegung der Vorschriften muss die von der Beklagten installierte Software als Abschalteinrichtung angesehen werden. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand. Das Kraftfahrt Bundesamt (KBA) stellte mit rechtskräftigen Bescheid vom 15.10.2015 fest, dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Software um eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ im Sinne des Unionsrechts handele und ordnete den verpflichtenden Rückruf der Dieselfahrzeuge an, von dem auch der Pkw des Klägers betroffen ist. Das im Widerspruch hierzu vorgetragene Bestreiten der Beklagten, wonach es sich bei der verwendeten „Optimierungssoftware“ nicht um eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ handle, ist demgegenüber unzureichend qualifiziert und daher unbeachtlich.
43Die den Kläger schädigende Handlung der Beklagten liegt im Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs u.a. in Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung „optimierte“. Es bestand eine Pflicht der Beklagten, jeden Endverbraucher ihrer Produkte darüber aufzuklären, dass in dem Fahrzeug eine Software verbaut wurde, die dafür sorgt, dass der Schadstoffausstoß nur im Prüfstandsbetrieb die angegebenen Grenzwerte einhält. Unter Berücksichtigung eines bei lebensnaher Betrachtung vorliegenden Informations- und Wissensgefälle zwischen dem Käufer als Verbraucher und dem Hersteller, durfte und musste der Verbraucher davon ausgehen, dass das von ihm erworbene Fahrzeug die Schadstoffgrenzwerte nicht nur im Prüfstandsbetrieb, sondern auch unter Realbedingungen im Straßenverkehr einhält.
44Soweit die Beklagte vorträgt, dass es zwischen dem Prüfstandsbetrieb und dem Straßenbetrieb „naturgemäß“ zu einer Abweichung des angegebenen Schadstoffausstoßes komme, kann derartiges Wissen bei lebensnaher Betrachtung zumindest nicht von einem durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden.
45Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch gemäß § 31 BGB zuzurechnen.
46Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB iVm § 31 BGB voraussetzt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklichen muss (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15). Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Optimierung der Motorsteuerungssoftware gehabt hatte und das Inverkehrbringen der mit der Software ausgerüsteten Motoren veranlasst hat, nicht im ausreichenden Maße nachgekommen ist, geht die Kammer gemäß § 138 Abs. 3 ZPO davon aus, dass die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten Kenntnis vom Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware gehabt und eine Schädigung der Kunden billigend in Kauf genommen haben.
47Die Beklagte traf im hiesigen Fall eine sekundäre Darlegungslast. Eine sekundäre Darlegungslast besteht nur in Fällen, in denen der Kläger außerhalb des betreffenden Geschehensablaufs steht und deshalb keine genaue Kenntnis der interessierenden Tatsachen hat, während der Beklagte über diese Kenntnis verfügt und daher ohne Weiteres die betreffenden Fragen zu klären in der Lage ist. Einfaches Bestreiten reicht in diesen Fällen nicht mehr aus, vielmehr müssen den zurückgewiesenen Behauptungen der Gegenseite substantielle eigene Behauptungen entgegengesetzt werden (vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Auflage 2015, Kapitel 11: Darlegungslast, Rn. 23). Muss eine Partei Umstände beweisen, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, so entstehen ihr erhebliche Beweisprobleme, da Beweisermittlungs- und Ausforschungsanträge nicht zulässig sind (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, ZPO, Vorb. § 284, Rn. 34). Bei der sekundären Darlegungslast handelt es sich jedoch um ein beweisrechtliches Hilfskonstrukt, welches nur Anwendung findet, wenn die beweisbelastete Partei den Beweis mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht erbringen kann oder zu ihren Lasten erhebliche Beweisprobleme bestehen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, ZPO, Vorb. § 284, Rn. 34). Dieses ist zumindest so lange nicht der Fall, wie die beweisbelastete Partei die von ihr aufgestellten Behauptungen durch Zeugen unter Beweis stellen kann. Nachdem der zur Frage der Kenntnis des Vorstandes hinsichtlich des Einsatzes der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware, vom Kläger benannte Zeuge X von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und die Kammer mit Zwischenurteil vom 20.01.2017 die Berechtigung der Zeugnisverweigerung rechtskräftig festgestellt hatte, bestand für den Kläger keine Möglichkeit mehr, die von ihm aufgestellten Behauptungen mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu beweisen.
48Der Kläger hat als Verbraucher keinen Einblick in die internen Entscheidungsprozesse der Beklagten. Er hat den ihm insoweit zuzumutenden Vortrag erbracht. Der Kläger hat bereits überobligatorisch die ihm zur Verfügung stehenden öffentlichen Quellen ausgewertet und die entsprechenden Tatsachenbehauptungen schriftsätzlich vorgetragen. Dem Käufer eines derartigen Fahrzeugs kann nicht abverlangt werden, dass er Tatsachen vorträgt, die alleine im Organisations- und Kenntnisbereich des Herstellers liegen oder sich erst aus den noch andauernden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen einzelne Mitarbeiter der Beklagten ergeben. Daher kann es dem Kläger nicht angelastet werden, dass er seine Behauptung nicht noch konkreter fassen und unter Beweis stellen konnte.
49Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs streiten für die beweisbelastete Partei bereits bei der unterbliebenen Offenbarung eines Mangels trotz Kenntnis vor Abschluss eines Grundstückskaufvertrags die Grundsätze der sekundären Darlegungslast (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2010, Az.: V ZR 181/09). Gemessen daran fehlt es bei der Beklagten an einem substantiierten Vortrag zu der Frage, wer bei der Beklagten Kenntnis über den Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware hatte. Der Kläger hat mit anwaltlichen Schriftsatz vom 04.10.2016 substantiiert vorgetragen, auf welchen Wegen und durch welche Köpfe die Idee bei der Beklagten zum Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware gereift ist und schließlich auch umgesetzt wurde. Hierbei wurde insbesondere zur Kenntnis des ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden und damaligen Mitgliedes des Vorstands, dem Zeugen X über den Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware vorgetragen. Überdies konnte der Kläger auch die Entscheidungsprozesse zum Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware innerhalb der Konzernstruktur der Beklagten skizzieren. Der Kläger hat die ihm obliegende Darlegungs- und Substantiierungslast damit erfüllt. Aufgrund des substantiierten klägerischen Vortrags konnte sich die Beklagte nicht mehr auf ein einfaches Bestreiten, wonach weder der Zeuge X noch andere Vorstandsmitglieder im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses Kenntnis vom Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware hatten, zurückziehen. Die Zurückweisung der klägerischen Behauptungen als unsubstantiiert war folglich nicht ausreichend. Dies gilt umso mehr, als dass die Beklagte ihrem eigenen Vortrag nach (Schriftsatz vom 24.11.2016, S. 8) eine Studie zu den internen Abläufen bei der Kanzlei E in Auftrag gegeben hat, die im 4. Quartal 2016 abgeschlossen werden sollte, so dass sie nunmehr einen entsprechenden Wissensvorsprung gegenüber dem Kläger besitzt.
50Die Schadenszufügung erfolgte auch vorsätzlich und in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise.
51Eine Schädigungsabsicht muss nicht bestehen, ein bedingter Vorsatz reicht bereits aus. Dabei braucht der Schädiger nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004, Az.: II ZR 402/02). Der Vorsatz enthält ein "Wissens-" und ein "Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz bezieht, im Fall des § 826 BGB also die Schädigung des Klägers, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Das setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2012, Az.: VI ZR 268/11). Die Manipulation der Abgaswerte zielt nicht nur auf eine Umgehung von Umweltvorschriften ab, deren Einhaltung der Allgemeinheit dienen, sondern auch auf die individuelle Vermögensdisposition des Kunden. Die Kunden sollten zum Kauf eines Fahrzeugs bewegt werden, obwohl es zwingende umweltrechtliche, unionsrechtliche Vorschriften nicht einhält und deshalb mit einem Makel behaftet ist.
52Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Maßstäbe, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur persönlichen Haftung von Vorstandsmitgliedern aus § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-hoc Mitteilungen festgelegt hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004, Az.: II ZR 402/02). Dort hatte der Bundesgerichtshof wie folgt entschieden:
53„Die Veröffentlichung der Mitteilung vom 20. Mai 1999 als Ad-hoc-Mitteilung setzte bereits nach dem Gesetz (§ 15 Abs. 1 WpHG a.F.) voraus, daß die mitgeteilte neue Tatsache "geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Da dies ohne Kauf- und Verkaufsentscheidungen von individuellen Marktteilnehmern als zu erwartender Reaktion auf die Mitteilung der meldepflichtigen Tatsache nicht möglich ist, wissen die verantwortlichen Vorstände, daß es infolge der fehlerhaften Ad-hoc-Information zu entsprechenden Anlageentscheidungen kommen wird (so zutreffend Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1067). Kennen sie die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung, so wissen sie auch, daß deshalb Wertpapierkäufe auf fehlerhafter Tatsachengrundlage getätigt werden. Da beide Beklagten die Bedeutung der konkreten Ad-hoc-Mitteilung und deren Unrichtigkeit kannten, ist - wie die Revision zutreffend geltend macht - schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die unrichtige Meldung keinen anderen Zweck hatte, als dem Börsenpublikum einen gestiegenen Unternehmenswert vorzuspiegeln und den Börsenpreis positiv zu beeinflussen.“
54Dieser vom Bundesgerichtshof entwickelte Maßstab muss auch im vorliegenden Fall Berücksichtigung finden. Den verantwortlichen Entscheidern bei der Beklagten war die Bedeutung ihres Verschweigens für die Beeinflussung der Kaufentscheidung der Kunden bewusst. Die Beklagte hat als Konzern in der Öffentlichkeit offensiv mit der Umweltverträglichkeit ihrer Fahrzeuge geworben. Den verantwortlichen Organen bei der Beklagten war dabei nach der allgemeinen Lebenserfahrung bewusst, dass die Kunden aufgrund des Verschweigens des Einsatzes der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware die Entscheidung zum Kauf aufgrund einer fehlerhaften bzw. unvollständigen Tatsachengrundlage trafen, die sie bei der gebotenen Aufklärung entweder überhaupt nicht oder aber nur zu anderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer vorsätzlichen Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf. Angesichts der Gesamtumstände bestehen hier an einer vorsätzlichen Handlungsweise der Beklagten in Bezug auf den Einsatz der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware keine vernünftigen Zweifel.
55Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten. Objektiv sittenwidrig ist nach der Rechtsprechung eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Ein Unterlassen ist dann sittenwidrig, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. Insbesondere ist die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten im Grundsatz auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist. Hinzutreten muss nach der Rechtsprechung eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (vgl. Palandt/Sprau, 75. Auflage 2016, BGB, § 826, Rn. 4). Das setzt eine besondere "Verwerflichkeit des Verhaltens" voraus, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann.
56Bei Würdigung der Gesamtumstände war das Verschweigen des Einsatzes der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware auch unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Anstandsmaßstabs als sittenwidrig zu bewerten, da ein derartiges Verhalten mit den Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist und von einem redlichen und rechtstreuen Verbraucher auch nicht erwartet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 09. 07. 1953, Az.: IV ZR 242/52). Gerade das heimliche Vorgehen der Beklagten unter Ausnutzung eines eigenen Informations- und Wissensvorsprungs gegenüber dem nichtsahnenden Verbraucher lässt das Verhalten der Beklagten als rechtlich sittenwidrig erscheinen. Die Manipulation konnte von einem Verbraucher als technischen Laien nicht erkannt werden, sodass die Beklagte von vornherein einkalkulierte, dass die Manipulation nicht entdeckt wird. Dieses erscheint insbesondere vor dem Hintergrund besonders verwerflich, da die Entscheidung zum Kauf einen Kraftfahrzeugs, zumindest für den durchschnittlichen Verbraucher mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist, der bei lebensnaher Betrachtung auf einer wohl überlegten und abwägenden Entscheidung fußt. Es verstößt auch gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden wenn ein Hersteller eine Software einsetzt, die die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards „vorspielt“, um damit ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten. Die objektive Sittenwidrigkeit der schädigenden Handlung rührt auch daher, dass die Beklagte gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen und durch den millionenfachen Vertrieb der betroffenen Fahrzeuge nicht nur eine Schädigung der Umwelt unmittelbar, sondern auch der Gesundheit anderer Menschen in Kauf genommen hat. Ferner wurden Millionen Kunden über die Eigenschaften der von ihnen gekauften Fahrzeuge getäuscht.
57Im Rahmen des § 826 BGB richtet sich die Rechtsfolge des Schadenersatzanspruchs auf den Ersatz des sog. „negativen Interesses“. Der Geschädigte hat einen Anspruch, so gestellt zu werden, wie er ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde (vgl. Staudinger/Oechsler, Neubearbeitung 2014, BGB, § 826, Rn. 153). Seinem Interesse kann durch Rückabwicklung des Vertrages oder durch Ersatz des durch die Täuschung verursachten wirtschaftlichen Mehraufwandes Rechnung getragen werden. (vgl. Staudinger a.a.O.). Der Kläger ist daher so zu stellen, als wenn er den schädigenden Vertrag nicht abgeschlossen hätte und hat folglich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber der Beklagten.
58Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Beklagte im vorliegenden Fall Dritte und damit nicht Vertragspartnerin des Klägers war. Grundsätzlich ist der Schadensersatz gem. § 826 BGB, der auf die Befreiung einer durch Täuschung eingegangen vertraglichen Verbindlichkeit abzielt, in Art und Umfang nur gegen den direkten Vertragspartner möglich (vgl. MünchKomm/Wagner, 7. Auflage 2017, § 826, Rn. 53). Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages kann aber auch gegenüber Dritten bestehen (vgl. OLG München, Urt. v. 20.08.1999, Az.: 14 U 860/98). Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass der Käufer eines Gebrauchtwagens, den er von einem Kfz- Händler gekauft hat, und der einen schweren Vorschaden aufweist, von dem privaten Verkäufer, der den Vorschaden beim Verkauf arglistig verschwiegen hatte, Schadensersatz in der Weise verlangen kann, dass er so gestellt wird, als hätte er das Fahrzeug nicht von dem Kfz- Händler gekauft.
59Die Argumentation des Oberlandesgerichts München greift auch im vorliegenden Fall. Ohne das Verschweigen der Beklagten hinsichtlich des Einsatzes der sog. Prüfstandsentdeckungssoftware hätte der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben. Damit kann der Kläger von der Beklagten aufgrund der von dieser ihm gegenüber bedingt vorsätzlich vorgenommenen Schädigung gemäß § 826 BGB Ersatz des ihm daraus entstandenen Schadens verlangen. Sein „negatives Interesse“ geht dabei nicht nur auf den möglicherweise eingetretenen Wertverlust, er kann vielmehr von der Beklagten auch die Herstellung des Zustandes verlangen, der ohne den Kauf des Fahrzeugs bestehen würden.
60In der Rechtsfolge sind analog § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Beklagte muss den gezahlten Kaufpreis erstatten und erhält neben dem streitgegenständlichen Fahrzeug auch die durch die Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Fahrzeugs ersetzt, § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis in Höhe von 29.346,26 € hat sich der Kläger deswegen eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.189,00 € anrechnen zu lassen.
61Die Kammer hat für die Berechnung die vom Kläger angegebene Laufleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Höhe von 53.046 km angesetzt.
62Die Gesamtlaufzeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs schätzt die Kammer auf 300.000 km.
63Der Anspruch auf die Rechtshängigkeitszinsen seit dem 26.04.2016 folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB iVm § 187 Abs. 1 BGB analog.
64Voraussetzung für einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen ist, dass die geltend gemachte Forderung fällig ist. Dieses ist bei dem vorliegenden Zug um Zug Antrag des Klägers nicht der Fall, da der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB zusteht. Hierbei schadet es auch nicht, wenn die Beklagte nicht ausdrücklich das Zurückbehaltungsrecht geltend macht, da der Kläger dem Zurückbehaltungsrecht der Beklagten schon in seinem Antrag Rechnung getragen hat.
65Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Gläubiger bereits mit der Leistung in Annahmeverzug befindet. Dieses ist hier der Fall. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Dabei setzt § 294 BGB bzw. § 295 BGB voraus, dass dem Gläubiger die Leistung tatsächlich oder wörtlich angeboten wird.
66Gemäß § 295 S. 1 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Ein wörtliches Angebot kann dabei bereits in einem Klageantrag Zug um Zug liegen (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2016, Az.: V ZR 292/95; MünchKomm/Ernst, 7. Auflage 2016, BGB, § 295, Rn. 2). Mit der Zustellung der Klageschrift ist die Beklagte auch in Schuldnerverzug geraten, sodass der Kläger seit dem 26.04.2016 einen Anspruch auf Verzugszinsen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2016, Az.: V ZR 292/95).
67Der Anspruch auf Ersatz außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,82 € ergibt sich aus den §§ 826, 249 Abs.1 BGB. Bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung sind die Anwaltskosten Teil des zu ersetzenden Schadens.
68In der Höhe richten sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nach dem Anspruch, den der Kläger berechtigter Weise verlangen kann.
69Der Zinsanspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist jedoch erst seit dem 26.04.2016 begründet. Dass sich die Beklagte bereits seit dem 19.03.2016 in Verzug befand, ist weder ersichtlich noch wird es von dem Kläger vorgetragen, sodass die Kammer ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO nur Zinsen seit Rechtshängigkeit zusprechen konnte.
70Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 2 ZPO.