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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.819,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2020 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten N2, I-Weg, F, in Höhe von 215,00 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung restlicher Mietwagenkosten aus abgetretenen Recht durch Herrn N O, C-Straße, S (im weiteren Verlauf der „Geschädigte“) nach einem Verkehrsunfallereignis vom 15.11.2019 in X.
3Den Verkehrsunfall verursachte das bei der Beklagten im Unfallzeitpunkt haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug des P B. Durch den Unfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten, ein Mercedes Benz SL 320, nicht unerheblich beschädigt.
4Das unfallbedingt beschädigte Fahrzeug des Geschädigten nutzte Frau M T als Zweitfahrerin.
5In der Zeit vom 15.11.2019 bis zum 12.12.2019 war das Fahrzeug des Geschädigten unfallbedingt nicht nutzbar. Für die Dauer des Ausfalls des Fahrzeugs mietete der Geschädigte bei der Klägerin über 28 Anmiettage ein Mietfahrzeug an. Für das Mietfahrzeug vereinbarten der Geschädigte und die Klägerin eine Haftungsreduzierung auf unter 500,00 €. Das Mietfahrzeug stellte der Mitarbeiter der Klägerin, Herr S E, dem Geschädigten am 15.11.2019 bei der Q GmbH in X zu und holte es am 12.12.2019 dort wieder ab.
6Die Klägerin berechnete für die Anmietung des Mietfahrzeugs der Fahrzeugklasse 9 einen Betrag in Höhe von 8.281,47 €. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2019 auf, Mietwagenkosten in Höhe von 6.897,00 € innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Rechnung zu erstatten. Die Beklagte zahlte hierauf einen Betrag in Höhe von 2.558,55 €. Die Klägerin machte den Restbetrag in Höhe von 4.338,45 € gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2020 unter Fristsetzung bis zum 18.05.2020 geltend. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.09.2020 (Anlage B2) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 19.05.2020 auf, restliche Mietwagenkosten in Höhe von 1.866,36 € an die Klägerin zu zahlen.
7Am 02.08.2020 unterzeichnete der Geschädigte eine Abtretungserklärung des Anspruchs auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin.
8Die Klägerin ist der Ansicht, dass zur Erstattung der unfallbedingt entstandenen Mietwagenkosten ein Normaltarif in Höhe von 2.296,14 € zuzüglich etwaiger Nebenkosten erforderlich seien. Die Beklagte hätte weiterhin die Nebenkostenpositionen einer Haftungsreduzierung in Bezug auf das Mietfahrzeug von 500,00 € (677,04 €), Winterreifen (306,32 €), Navigationsgerät (255,36 €), Zusatzfahrer (318,36 €), Zustellkosten und Abholkosten in Höhe von jeweils 28,35 € sowie Kosten für die Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten in Höhe von 55,76 € zu erstatten. Weiterhin seien unfallbedingte Mehraufwendungen in Höhe von 20 %, mithin 459,23 € angefallen.
9Die Klägerin beantragt,
101. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.866,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2020 zu zahlen,
112. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten N2, I-Weg, F, i.H.v. 215,00 € freizustellen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie behaupten, dass der Klägerin angemessene Mietwagenkosten für 26 Anmiettage (1.326,40 €) unter Berücksichtigung von Eigenbetriebskosten von 10 % und weiterer Zustellkosten in Höhe von 14,46 €, sowie Abholkosten in Höhe von 14,48 €, Kosten für die Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten in Höhe von 40,34 € sowie Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von 8,07 € zu erstatten seien.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17I.
18Die Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
19Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach erfolgter Teilregulierung einen weiteren Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten in Höhe von 1.819,77 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, § 398 BGB.
201.
21Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte hat mit Abtretungserklärung vom 02.08.2020 seinen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen die Beklagte wirksam an die Klägerin abgetreten, § 398 BGB.
222.
23Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
243.
25In der Höhe kann die Klägerin von der Beklagten weitere Mietwagenkosten in Höhe von 1.819,77 € verlangen.
26Grundsätzlich darf der Geschädigte zum Ausgleich der unfallbedingt verlorenen Nutzungsmöglichkeit seines Wagens für die Dauer der notwendigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Mietwagen in Anspruch nehmen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Umfang dieses Anspruchs bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an dem Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dieser kann nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot dabei für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen (BGH, NJW 2006, 1506 = NZV 2006, 363; NJW 2009, 58 = NZV 2009, 24; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 2016, § 249 BGB Rn. 187 ff. mwN). Darüber hinausgehende bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – VI ZR 316/11-, Rn. 8, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – I-1 U 42/14 -, Rn. 17, juris).
27Es ist Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Unterlässt der Geschädigte die Nachfrage nach günstigeren Tarifen, geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 -, Rn. 15, juris). Dabei kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere in der Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und ggf. ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 210/07 -, Rn. 6, juris).
28Dass dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif nachweislich nicht ohne weiteres zugänglich war, ist in erster Linie bei einer Eil- und Notsituation denkbar, in der es dem Geschädigten ausnahmsweise nicht zuzumuten war, sich vor der Anmietung nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Selbst bei einer Anmietung am gleichen Tag bedarf es der Feststellung von zusätzlichen, die besondere Eilbedürftigkeit begründenden Umständen, so dass etwa eine Zeitspanne von 4 Stunden für eine Recherche per Telefon oder Internet ausreichend sein kann. Mietet der Geschädigte zunächst berechtigterweise zu einem höheren Tarif an, kann er nach Beendigung der Eilsituation verpflichtet sein, einen Tarifwechsel vorzunehmen (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06.08.2020), Rn. 197 m.w.N.).
29Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass der Geschädigte gehindert gewesen wäre, sich über sonstige konkrete Mietwagenangebote zu informieren. Dies hat der Geschädigte weder im Zeitpunkt der Anmietung noch zu einem späteren Zeitpunkt getan. Von einer Eilsituation ist mangels gegenteiligen Sachvortrags ebenfalls nicht auszugehen. Auch hat die Klägerin keine Umstände vorgetragen, die den Geschädigten gehindert hätten, sich über sonstige Mietwagenangebote zu informieren.
30Angesichts dessen ist durch das Gericht die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Für die Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten ist auf die objektive Marktlage abzustellen. Entscheidend ist, zu welchen Bedingungen der Geschädigte einen Mietwagen erlangt hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen und sich über die örtlich zugänglichen Mietwagenangebote unterrichtet hätte.
31Schätzgrundlage ist dabei ein Mittelwert einer Mietwagenkostenberechnung nach den höchstrichterlich als geeignete Schätzgrundlagen anerkannten Mietwagenkostenlisten nach der „Schwacke-Liste“ und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“. Bei der Bemessung nach diesen Tabellen ist auf das gewichtete Mittel der Preise auf dem nach Postleitzahlen relevanten örtlichen bzw. regionalen Markt abzustellen. Dabei kommt es auf den Ort der Anmietung und Übernahme des Kraftfahrzeugs an, der vom Unfallort wie auch vom Wohnort des Geschädigten verschieden sein kann. Ferner ist dem Umstand, dass der Tagesmietpreis erfahrungsgemäß bei längerer Anmietzeit sinkt, Rechnung zu tragen, indem – soweit vorhanden – Wochen- und Wochenendtarife mit in die Berechnung einbezogen werden (Freymann/Rüßmann in: Freymann/wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 06:08.2020), Rn. 192 m.w.N.). Maßgeblich ist bei der Schadenschätzung nach „Fracke“ das arithmetische Mittel zwischen dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel und dem Schwacke-Mietpreisspiegel.
32Im Rahmen dieser Schadenschätzung ist bereits berücksichtigt, dass die Klägerin die Kosten von der Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB für die Winterreifen erstattet verlangen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des OLG Düsseldorf, der sich das Gericht anschließt, stellen zusätzliche Kosten für Winterbereifung bei einer Anmietung in den Wintermonaten grundsätzlich einen erforderlichen Wiederherstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dar, wenn auf dem Mietwagenmarkt Mietfahrzeuge mit Winterbereifung nur gegen Zahlung eines Zuschlags für dieses Ausstattungsmerkmal angeboten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schuldet der Autovermieter zwar die Überlassung eines verkehrstauglichen, mithin gegebenenfalls gemäß § 2 Abs. 3a StVO mit Winterreifen ausgerüsteten Fahrzeugs. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er für eine solche Ausstattung nicht auch eine besondere Vergütung verlangen kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 2015 – I-1 U 114/14 –, Rn. 13, juris). Danach stellen sich die Winterreifen als erstattungsfähig dar, da der Mieter im November und Dezember aufgrund der allseits bekannten winterlichen Witterungsverhältnisse Winterreifen erwarten kann. Auch im November bzw. Dezember ist nicht unwahrscheinlich, dass es zu den in § 2 Nr. 3a StVO erwähnten Witterungserscheinungen wie zum Beispiel Glatteis, Schneeglätte und Eisglätte kommt. Die Ausstattung mit einem Winterreifen ist bei Fraunhofer (vgl. Fraunhofer-Mietpreisspiegel 2019, S. 3, rechte Spalte, 6. Spiegelstrich), nicht jedoch bei Schwacke bereits im Mietpreis enthalten (Schwacke Nebenkostentabelle 2019). Insofern ist bei der Schadenschätzung der Normaltarif von Schwacke um den Preis der Winterreifen zu erhöhen. Die Kosten werden nach der Schwacke-Liste mit 10,94 € brutto pro Tag angegeben. Bei einer Anmietung über 28 Tage beträgt die Erhöhung mithin 306,32 € brutto. Der Kläger hat, was von der Beklagten nicht bestritten worden ist, den Mietwagen vom 15.11.2019 bis zum 12.12.2019, mithin insgesamt 28 Tage angemietet.
33a.
34Dementsprechend ergibt sich folgende Berechnung der zu ersetzenden Mietpreise:
35Mietpreisspiegel Schwacke für Normaltarif 2019 im PLZ-Gebiet 428, Klasse 9:
367-Tagespauschale (arith. Mittel): 1.000,91 ÷ 7 = 142,99 € x 28 Tage = 4.003,72 €
37zuzüglich der Erhöhung des Preises um Kosten der Winterreifen (54,70 €) = 306,32 €
38Marktpreisspiegel Fraunhofer für Normaltarif 2019 im PLZ-Gebiet 42, Klasse 9:
397-Tagespauschale: 393,95 € ÷ 7 = 56,28 € x 28 Tage = 1.575,84 €
40Summe beider Tarife: 5.885,88 €
41geteilt durch 2: 2.942,94 € (brutto)
42b.
43Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der Haftungsreduzierung auf unter 500,00 € in Höhe von 677,04 €, einer Zustell- und Abholgebühr in Höhe von jeweils 28,35 €, Kosten für die Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten in Höhe von 55,76 €, die Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von 318,36 € sowie Erstattung eines Unfallersatztarif in Höhe von 20 %. Diese Nebenkosten sind erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Erstattungsfähigkeit der Winterreifen ist bereits unter a. abgegolten.
44Hierzu nunmehr im Einzelnen:
45aa.
46Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Ersatz der Nebenkosten für die Haftungsreduzierung in Bezug auf das Mitfahrzeug mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 € in Höhe von insgesamt 677,04 €.
47Die Kosten für die Haftungsreduzierung bis hin zu einer Haftungsfreistellung in Form eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann erforderlich, wenn für das Unfallfahrzeug keine Vollkaskoversicherung bestand, der Geschädigte aber während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichem Risiko („Sonderrisiko“) ausgesetzt ist, etwa weil der Mietwagen in einem neuen und gepflegteren Zustand ist als das Unfallfahrzeug (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 74/04 -, Rn. 11, juris) oder weil der Geschädigte eines Leasingfahrzeugs gegenüber seinem Leasinggeber nur eingeschränkt haftet (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05-, Rn. 12, juris). Aber auch wenn sich kein Sonderrisiko feststellen lässt, sind die Prämien für eine Haftungsfreistellung in der Regel ein zu ersetzender Folgeschadene (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 249, Rn. 38; BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – VI ZR 74/04-, Rn. 11, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 19. August 2020 – 2-01 S 41/20 -, Rn. 7, juris).
48Vorliegend hat der Geschädigte mit der Klägerin ausweislich des Mietvertrages vom 15.11.2019 (Anlage 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18.09.2020) eine Haftungsreduzierung der Selbstbeteiligung in Höhe von 50,00 € Selbstbeteiligung je Schadensfall vereinbart. Ob für das Unfallfahrzeug ebenfalls eine Vollkaskoversicherung bestand, kann im Ergebnis dahinstehen, weil das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte erhöhte Risiko vorliegend gegeben ist. Die Benutzung eines kurzfristig angemieteten Mietwagens, den man nicht so gut kennt, wie das eigene Fahrzeug, ist stets mit einem erheblichen Schädigungsrisiko verbunden. Hinzu kommt die Haftungsgefahr, die mit eine Fahrzeuganmietung einhergeht. Den Geschädigten trifft bei einer allein oder mitverschuldeten Schädigung des Mietfahrzeugs die Pflicht, den Schaden im Umfang der erforderlichen Reparaturkosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Geld auszugleichen, während er bei verschuldeter Beschädigung des eigenen Fahrzeugs die Wahr hat, es nicht oder nur notdürftig zu reparieren oder reparieren zu lassen (KG Berlin, Urteil vom 08. Mai 2014 – 22 U 119/13 -, Rn. 16, juris). Da der Fraunhofer-Mietpreisspiegel entsprechende Werte nicht ausweist, ist im Rahmen der Schätzung gemäß § 287 ZPO der Wert anhand der Nebenkostentabelle von Schwacke – hier von 2019 - zu bestimmen. Die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 sieht für eine Haftungsreduzierung durch Vereinbarung einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung unter 500,00 € für die Fahrzeugklasse 9 Nebenkosten in Höhe von 24,18 € brutto (arith. Mittel) pro Tag vor. Bei einer Fahrzeuganmietung von 28 Tagen sind die klageweise geltend gemachten 677,04 € zutreffend berechnet und damit erstattungsfähig.
49bb.
50Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Erstattung von Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietwagens in Höhe von 56,70 € brutto. Bei der Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs handelt es sich um nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel dem Grunde nach erstattungsfähige Zusatzleistungen, für die als gewichtetes Mittel eine besondere Vergütung in Höhe von jeweils 28,35 € brutto angegeben wird. Ein Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch nehmen (OLG Köln, Urteil vom 02. März 2007 – 19 U 181/06 –, Rn. 35, juris). Zustellkosten sind ersatzfähig, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Geschädigte auf das Bringen und Abholen der Fahrzeuge angewiesen war (OLG Köln, Urteil vom 30. Juli 2013 – 15 U 212/12 -, Rn. 50, juris). Dass ein Mietfahrzeug dem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall mit nicht unerheblichen Reparaturkosten zugestellt und wieder abgeholt wird, ist denklogisch und üblicherweise der Fall. Der Geschädigte muss während der Reparatur auf sein Fahrzeug verzichten. Die Mietwagenfirma liegt üblicherweise auch nicht fußläufig vom Wohnort des Geschädigten bzw. dem Ort der Reparaturwerkstatt, in dem das Unfallfahrzeug zur Reparatur abgegeben worden ist, entfernt. Es ist dem Geschädigten nicht zusätzlich anzulasten, in diesem Zeitraum das Mietfahrzeug bei der Mietwagenfirma abzuholen und auch wieder zu dieser zurückzubringen. Wenn der jeweils Geschädigte unfallbedingt schon sein eigenes Fahrzeug in die Werkstatt bringen muss, so ist ihm jedenfalls nicht auch noch zumutbar, von der Werkstatt - nunmehr ohne Auto und somit auf ungeklärtem Wege - zum Vermieterbüro zu gelangen, um dort seinen Mietwagen in Empfang zu nehmen. Die Alternative wäre, dass sich der jeweils Geschädigte ein Taxi von der Werkstatt zum Vermieterbüro nähme; kostengünstiger erscheint das nicht (LG Köln, Urteil vom 22. Februar 2010 – 20 O 376/09 –, Rn. 31, juris). Im Übrigen belegt die Mietwagenrechnung vom 18.12.2019, dass die Zustell- und Abholgebühr tatsächlich angefallen sind.
51cc.
52Die Kostenpauschale für eine Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten in Höhe von 55,75 € brutto ist erstattungsfähig. Diese Kosten sind erstattungsfähig, wenn die Klägerin vorträgt, wodurch sie konkret ausgelöst worden sind. (OLG Koblenz, Urteil vom 02. Februar 2015 – 12 U 925/13-, Rn. 24, juris). Dies ist hier der Fall. Der Geschädigte mietete das Mietfahrzeug am 15.11.2019 um 19:30 Uhr, mithin, was seitens der Beklagten nicht bestritten worden ist, außerhalb der Geschäftszeiten an.
53dd.
54Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von 318,36 €.
55Gesonderte Kosten für einen Zusatzfahrer sind erstattungsfähig. Es kommt nicht darauf an, ob die angegebenen Zusatzfahrer das Fahrzeug tatsächlich nutzten. Maßgeblich ist allein, ob es für die Nutzung auch durch Zusatzfahrer angemietet wurde bzw. ob eine solche Nutzung vorgesehen war. Denn bereits damit war das mit der Nutzung des Fahrzeugs durch eine weitere Person verbundene Risiko eines intensiveren Fahrzeuggebrauchs eröffnet, welches mit den Kosten für den Zusatzfahrer abgedeckt werden soll´(OLG Köln, Urteil vom 10. Juli 2012 – 15 U 204/11 –, Rn. 32, juris). In dem Mietvertrag vom 15.11.2019 (Bl. 34 d.A.) ist neben dem Geschädigten die weitere Mieterin Frau M T aufgeführt. Damit hat die Klägerin hinreichend konkret dargelegt, dass das angemietete Fahrzeug als durch Zusatzfahrer genutzt werden sollte.
56Die insoweit erforderlichen Kosten für einen Zweitfahrer sind nicht bereits in dem Grundtarif der maßgeblichen Listen enthalten (vgl. Fraunhofer, Mietpreisspiegel 2019, S. 24; Schwacke, Nebenkostentabelle, Bl. 30 d.A.). Dementsprechend sind die hierfür anzusetzenden Kosten zu schätzen, wobei die Nebenkostentabelle von Schwacke – hier für das Jahr 2019 – zugrunde zu legen ist, weil der Fraunhofer Mietpreisspiegel entsprechende Nebenkosten nicht ausweist.
57Die Nebenkostentabelle von Schwacke für das Jahr 2019 sieht für die Vereinbarung eines Zusatzfahrers Nebenkosten in Höhe von 11,37 € brutto (arith. Mittel) pro Tag vor. Insofern kann die Klägerin die klageweise geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 318,36 € ersetzt verlangen.
58ee.
59Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Ausstattung des Mietwagens mit einem Navigationsgerät in Höhe von 255,36 €.
60Gesonderte Kosten für ein Navigationsgerät sind ersatzfähig, soweit das unfallbeschädigte Fahrzeug ebenfalls dementsprechend ausgestattet ist bzw. war (Geigel, Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Aufl. 2020, Rn. 141, Kap. 3, Rn. 141; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrechts, 1. Aufl., § 249 (Stand 06.08.2020), Rn. 2020 m.w.N.; OLG Koblenz, Urteil vom 02. Februar 2015 – 12 U 1429/13 -, Rn. 24-25, juris). So liegt der Fall hier nicht. Der klägerische Vortrag entbehrt jeden Vortrags hinsichtlich des Vorhandenseins eines Navigationssystems im beschädigten Fahrzeug. Auch ergibt sich aus dem mit der Klageschrift zur Akte gereichten Gutachten, dass das beschädigte Fahrzeug nicht über ein Navigationssystem verfügte (Bl. 38 d.A.).
61ff.
62Ferner kann die Klägerin einen Zuschlag in Höhe von 20 % auf den geschätzten Normaltarif zur Abgeltung des unfallbedingten Mehraufwands, mithin in Höhe von 588,47 € verlangen. Nach der Rechtsprechung Bundesgerichtshofs kann sich die Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs zwar daraus ergeben, dass es dem Geschädigten aufgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit in der konkreten Anmietsituation nicht zuzumuten war, sich vor Anmietung nach günstigeren Tarifen zu erkundigen (BGH, Urteil vom 05. März 2013 – VI ZR 245/11 –, Rn. 22, juris). Eine solche Eil- oder Notsituation kann bei Anmietung einen Tag nach dem Unfall grundsätzlich nicht angenommen werden (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05, aaO Rn. 13; vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 16). Eine besondere Eilbedürftigkeit kann sogar bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen (BGH, Urteil vom 05. März 2013 – VI ZR 245/11 –, Rn. 22, juris). Der zu berücksichtigende unfallbedingte Mehraufwand folgt nicht bereits aus einer Not- oder Eilsituation bei der Anmietung, sondern aus der fehlenden Möglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Vorfinanzierung bzw. der fehlenden Stellung einer Kaution durch den Geschädigten und der damit einhergehenden Vorfinanzierung des Mitwagens durch die Klägerin als Vermieterin. Es handelt sich hierbei um einen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten gemäß § 254 BGB betreffenden Umstand. Die Beklagtenseite hat nicht bestritten, dass hier vorliegend ein sogenannter Unfallersatztarif angefallen und erforderlich ist, so dass dieser Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
63In der Höhe bemisst sich der Zuschlag hier nach 20 % des geschätzten Normaltarifs ohne Berücksichtigung der aufgeschlagenen Winterreifenkosten (s.o.), mithin anhand eines Grundpreises in Höhe von 2.789,78 € ((4.003,72 + 1.575,84 €) : 2). Hierdurch errechnet sich ein Zuschlag in Höhe von 557,96 €.
64gg.
65Von den Mietwagenkosten sind zudem 5 % ersparte Aufwendungen abzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1998, 280).
66hh.
67Unter Berücksichtigung der von der Beklagten bereits gezahlten 2.558,55 € ergibt sich somit eine offene Forderung der Klägerin in Höhe von 1.819,77 € (4.608,76 € abzüglich 5 % und der bereits gezahlten 2.558,55 €).
684.
69Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin anhand eines Gegenstandswerts von 1.819,77 € und damit in Höhe von 215,00 € zu (1,3 Geschäftsgebühr: 195,00 €; Auslagenpauschale: 20,00 €; aufgrund der Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Umsatzsteuer). Die Klägerin kann hier gegenüber der Beklagten auch eine 1,3-Gebühr und nicht lediglich eine 0,8-Gebühr abrechnen. Dies insbesondere deshalb, weil das als Anlage B2 zum Schriftsatz vom 26.11.2020 gereichte Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Auslegung nicht nur ein automatisiertes Schreiben darstellt, sondern sich mit den Einzelheiten der hier geltend gemachten Mietwagenkosten und den hiesigen Parteien auseinandersetzt.
70II.
71Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
72III.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
74VI.
75Der Streitwert wird auf 1.866,36 € festgesetzt.
76Rechtsbehelfsbelehrung:
77A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
781. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
792. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
80Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Wuppertal, Eiland 1, 42103 Wuppertal, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
81Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Wuppertal zu begründen.
82Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Wuppertal durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
83Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
84B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Wuppertal statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Wuppertal, Eiland 2, 42103 Wuppertal, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
85Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
86Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
87Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.