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I. Der Antrag der Beteiligten zu 1. und 2. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde vom 22. Januar 2016 gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 22. Dezember 2015 (B 9 – 121/13) wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten, die zum weltweit tätigen US-amerikanischen Konzern „U. Q. Group Inc.“ gehören, betreiben ein über die Internetadresse „www….“ erreichbares und in Deutschland und Europa führendes Hotelbuchungsportal, welches potentiellen Hotelkunden Direktbuchungen mit Sofortbestätigungen zu den jeweils aktuellen Zimmerpreisen ermöglicht.
4Das Bundeskartellamt hat die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von verschiedenen Hotelbuchungsportalen mit den Hotelbetrieben vertraglich vereinbarten Bestpreisklauseln auf ihre Vereinbarkeit mit nationalem und europäischem Wettbewerbsrecht überprüft. Daraufhin hat es der Beigeladenen zu 1. mit Beschluss vom 20.12.2013 (B 9 – 66/10) die Verwendung der im Markt als „weite Bestpreisklauseln“ bezeichneten Preisklauseln untersagt. Die von der Beigeladenen zu 1. dagegen erhobene Beschwerde ist erfolgslos geblieben (Senat, Beschluss vom 09.01.2015, VI-Kart 1/14 (V), juris, rechtskräftig).
5Daraufhin änderten die Hotelbuchungsportale ihre bislang verwendeten Bestpreisklauseln oder wendeten sie nicht mehr an.
6In den ab dem 01.07.2015 geltenden geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beteiligten (X.-AGB), die im Markt als „enge Bestpreisklauseln“ bezeichnet werden, ist unter anderem festgelegt:
72.2. Parität und Mindestkontingent
82.2.1 Die Unterkunft gewährt X. Raten- und Bedingungsparität. „Raten und Bedingungsparität“ bezeichnet den gleichen oder einen besseren Preis für dieselbe Unterkunft, die gleiche Zimmerkategorie, das gleiche Datum, die gleiche Bettenkategorie, die gleiche Anzahl von Gästen, die gleichen oder besseren Annehmlichkeiten und Zusatzleistungen (z.B. kostenfrei Frühstück, WLAN, früher/später Check-out), die gleichen oder besseren Beschränkungen und Bestimmungen, darunter Buchungsänderungen und Stornierungsbedingungen, wie sie von der Unterkunft angeboten wird.
9Raten- und Bedingungsparität gilt nicht für Preise und Bedingungen:
10die auf anderen Online-Reservierungsportalen angeboten werden;
11die auf Offline-Vertriebswegen angeboten werden, vorausgesetzt, dass diese Zimmerpreise weder online veröffentlicht noch vermarktet werden, und/oder die nicht veröffentlicht sind, vorausgesetzt, dass die Zimmerpreise nicht online vermarktet werden.
122.2.2 Mindestkontingent
13Die Unterkunft verpflichtet sich zur Bereitstellung einer Mindestanzahl an Zimmern, die auf den Plattformen zur Buchung zur Verfügung stehen, wie im Partnervertrag oder System festgelegt (im Folgenden: Das „Mindestkontingent“). X. ermuntert die Unterkunft von Zeit zu Zeit und je nach Verfügbarkeit für bestimmte Zeiträume zusätzliche Verfügbarkeiten für alle Zimmerkategorien zur Verfügung zu stellen.
14(…)
152.2.4 X. ist berechtigt, den Mitgliedern seiner geschlossenen Nutzergruppe eine Ermäßigung auf den Zimmerpreis zu geben.
162.2.5 Die Unterkunft ist im Sinne dieses Vertrages und gemäß Abschnitt 2.2.1 und 2.2.2 dazu angehalten, X. jederzeit (nach Verfügbarkeit) einige Verfügbarkeiten für alle Zimmer und Zimmerkategorien zu gewähren und fairen Zugang zu allen Zimmern und Zimmerkategorien (einschließlich verschiedenen, an pfändbarer Richtlinieneinschränkungen) und verfügbaren Raten während der Vertragsdauer zu gewähren (in Zeiträume in niedriger und hoher Nachfrage (einschließlich Messen, Kongressen und Veranstaltung).
17In 7.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist ein fristloses Kündigungsrecht der Beteiligten bei einer Verletzung der „Raten- und Bedingungsparitätsgarantie“ durch den Hotelbetrieb vorgesehen.
18Auch die Bedingungen der Preferred Mitgliedschaft wurden geändert. Hinsichtlich der Bestpreisklauseln ist unter anderem festgelegt:
19Leistungskategorien
20…
eine überdurchschnittlich hohe Verfügbarkeit (prozentual berechnet) im Vergleich zu allen anderen Unterkünften, mit denen X. in der jeweiligen Region zusammenarbeitet;
…
25f. eine durchgehende Raten- und Konditionsparität sowie die Einwilligung, jederzeit (je nach Verfügbarkeit) ein bestimmtes Kontingent für alle Zimmer und Zimmerkategorien bereitzustellen.
26Die Beteiligten gewähren den über ihr Portal buchenden Hotelkunden weiterhin eine „Bestpreisgarantie“, aufgrund der sie beim Vorliegen bestimmter Bedingungen die Differenz zwischen dem gebuchten und dem niedrigeren Preis auf einer anderen Internetseite erstatten.
27Das Bundeskartellamt, welches auch die geänderten Preisklauseln der Beteiligten für wettbewerbswidrig hält, hat mit der angefochtenen Verfügung beschlossen:
28Es wird festgestellt, dass die Klauseln zur Raten- und Bedingungsparität, die zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. und ihren Vertragspartnern in Ziffern 2.2.1 und 7.2 Buchst. (a) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung vom 01.07.2015, im Formular für die „Preferred Mitgliedschaft“ und den weiteren inhaltlich entsprechenden Individualverträgen vereinbart wurden, soweit sie in Deutschland gelegene Hotels und andere Unterkünfte betreffen, kartellrechtswidrig sind.
Den Beteiligten zu 1. und 2. wird die weitere Durchführung der vorgenannten Klauseln untersagt, soweit sie in Deutschland gelegene Hotels und andere Unterkünfte betreffen.
Den Beteiligten zu 1. und 2. wird aufgegeben, die Bestpreisklauseln bis zum 31.01.2016 aus den Verträgen bzw. diesen Verträgen zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu entfernen, soweit sie Deutschland gelegene Hotels und andere Unterkünfte betreffen.
Dem Gebot in Ziffer 3 würde bei Individualverträgen auch durch fristgemäße Änderungskündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt genügt, selbst wenn diese erst nach Fristablauf wirksam würden.
Dagegen richten sich die Beteiligten mit ihrer Beschwerde. Mit ihrem Eilantrag begehren sie die gerichtliche Anordnung des Suspensiveffekts der Beschwerde. Sie sind der Auffassung, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung und die Vollziehung stelle für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Sie vertreten die Auffassung, die Klauseln führten weder auf dem Hotelportalmarkt noch auf dem Markt für Hotelzimmer zu einer Wettbewerbsbeschränkung. Die neuen, von ihnen als „vertikale Paritätsklauseln“ bezeichneten Bestpreisklauseln müssten grundlegend anders bewertet werden als die Klauseln, die Gegenstand der Y.-Entscheidung gewesen seien. Des Weiteren habe das Bundeskartellamt fundamentale Grund- und Verfahrensrechte verletzt. Das Verfahren sei unfair, voreingenommen und parteilich sowie unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes geführt worden. Ferner habe das Bundeskartellamt seine Pflicht zur einheitlichen Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts verletzt. Die Verfügung habe erhebliche negative Auswirkungen auf die Reputation und die Unternehmensentwicklung sowie auf die Verbraucherinteressen. Die Verbraucher würden bei einer Umsetzung der Verfügung innerhalb kurzer Zeit das Vertrauen in das Hotelportal verlieren.
37Die Beteiligten sind der Ziffer 3 der Verfügung nachgekommen und haben die beanstandeten Klauseln aus allen vertraglichen Vereinbarungen fristgerecht entfernt und verwenden diese in neuen vertraglichen Vereinbarungen nicht mehr.
38Die Beteiligten beantragen,
39die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde vom 22.01.2016 gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 22.12.2015 (B 9 - 121/13) bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren anzuordnen.
40Das Bundeskartellamt beantragt,
41den Antrag der Beteiligten zurückzuweisen.
42Das Bundeskartellamt und die Beigeladene zu 3. verteidigen den angefochtenen Beschluss und treten den Ausführungen der Beteiligten entgegen.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Amtsbeschluss sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
44II.
45Der Antrag der Beteiligten, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde vom 22.01.2016 gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 22.12.2015 gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 u. Nr. 3 i.V.m. S. 3 GWB anzuordnen, ist erfolglos. Er ist zwar zulässig, nach dem bisherigen Sach- und Streitstand aber unbegründet.
461.
47Gemäß § 64 Abs. 1 GWB hat die Beschwerde gegen eine auf § 32 Abs. 1 GWB gestützte Amtsverfügung keinen Suspensiveffekt. Das Beschwerdegericht hat allerdings gemäß § 65 Abs. 3 S. 3 i.V.m. S. 1 GWB auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder teilweise anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (§ 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB) oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB). Die Tatsachen, auf die der Antrag gestützt wird, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 65 Abs. 4 S. 2 GWB).
48Im Entscheidungsfall bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung (nachfolgend 2.) noch bedeutet deren Vollziehung für die Beteiligten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte (nachfolgend 3.), so dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht anzuordnen ist. Im Übrigen fehlt es an der notwendigen Glaubhaftmachung (nachfolgend 4.).
492.
50Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 2081 – Kalksandsteinwerk; WuW/E DE-R 1993, 1994 – Außenwerbeflächen; WuW/E DE-R 1931, 1932 – Sulzer/Kelmix ; WuW/E DE-R 1869, 1871- Deutscher Lotto- und Totoblock ; WuW/E DE-R 1473 - Konsolidierer ; WuW/E DE-R 1246, 1247 - GETEC net ; WuW/E DE-R 867, 868 – Germania ; WuW/E DE-R 665, 666 - Net Cologne I ; WuW/E DE-R 6, 7 - Müllverbrennungsanlage; vgl. auch BGH, WuW/E DE-R 2035, 2037/2038 – Lotto im Internet) liegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit im Sinne von § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB vor, wenn bei einer summarischen Überprüfung die Aufhebung der angefochtenen Verfügung überwiegend wahrscheinlich ist. Ob sich die Bedenken an der Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Verfügung aus tatsächlichen Gründen (z.B. einer unzureichenden Sachaufklärung) oder aus rechtlichen (verfahrens- oder materiell-rechtlichen) Erwägungen ergeben, ist unerheblich. Es reicht nicht aus, wenn die Sach- und Rechtslage bei der gebotenen vorläufigen Beurteilung offen ist. Unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs begegnet die angegriffene Verfügung keinen Rechtmäßigkeitsbedenken.
51Im Einzelnen:
52a) Verletzung von Grund- und Verfahrensrechten:
53Das Bundeskartellamt hat das Recht der Beteiligten auf ein faires Verfahren nicht verletzt. Es ist nicht ersichtlich, dass die zuständige 9. Beschlussabteilung im Sinne von § 21 VwVfG voreingenommen und parteilich ermittelt oder entschieden hat. Weder das Abmahnschreiben vom 30.03.2015, die Presseerklärung des Bundeskartellamts vom 02.04.2015, der Beschlussentwurf vom 30.10.2015 und der Beschluss vom 22.12.2015, noch die übrige Verfahrensführung geben bei vernünftiger Betrachtung Anlass, an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einzelner oder aller Mitglieder der Beschlussabteilung zu zweifeln. Von ihrer Befangenheit wäre nur auszugehen, wenn ein Grund vorläge, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Misstrauen tatsächlich gerechtfertigt ist oder sich der abgelehnte Entscheider für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht eines vernünftig und besonnen denkenden Betroffenen objektive Gründe bestehen, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts einen Grund zu der Annahme hat, der Entscheider nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Auf die Art und Weise der Verfahrensführung und die Rechtsauffassung des Entscheiders kann eine Befangenheit grundsätzlich nicht gestützt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen selbst in einer Weise von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass für den Betroffenen der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht (siehe auch: Senat, Beschlüsse vom 21.12.2015 und 21.01.2016, VI-W (Kart) 8/15, Seite 3 und Seite 2 f. des Umdrucks; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.04.2012, VI-4 Kart 2 - 6/10 (OWi), S. 3 des Umdrucks).
54Vorliegend bestehen aus der Sicht eines vernünftig und besonnen denkenden Betroffenen keine derartigen Gründe.
55aa) Mit Recht hat das Bundeskartellamt auf die Erkenntnisse aus dem bei ihm zuvor geführten Y.-Verfahren und dem anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem Senat zurückgegriffen, weil bereits dort wirtschaftliche, wettbewerbliche und kartell-rechtliche Zusammenhänge geklärt und Rechtsfragen beantwortet worden sind, die auch im vorliegenden Kartellverfahren von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere die (sachliche und räumliche) Abgrenzung des relevanten Hotelportalmarkts, die Wettbewerbsverhältnisse auf jenem Hotelportalmarkt und die wettbewerblichen Wirkungszusammenhänge, auf die eine weite bzw. enge Bestpreisklausel Einfluss nimmt. Dabei hat das Amt jene verwertbaren Beurteilungen aus dem Y.-Verfahren soweit wie möglich berücksichtigt, dabei aber jederzeit die Unterschiede in den beiden Verfahrensgegenständen – bei Y. ging es um die weite Bestpreisklausel, während vorliegend die enge Bestpreisklausel zur Überprüfung steht – beachtet und ihnen Rechnung getragen hat. Die gegenteiligen Vorwürfe der Beschwerde sind substanzlos und entbehren jeder Grundlage.
56bb) Das Abmahnschreiben vom 30.03.2015 gibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Beschlussabteilung zu zweifeln. In einem Abmahnschreiben werden die festgestellten Tatsachen, die rechtliche Würdigung und die dem Betroffenen drohenden Rechtsfolgen dargestellt, wobei im Allgemeinen – und so auch hier („Nach derzeitigem Sach- und Kenntnisstand …“) – sogar ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Feststellungen und der rechtlichen Ausführungen hingewiesen wird. Das Abmahnschreiben hat Hinweischarakter. Es dient der Information und der Gewährung rechtlichen Gehörs. Es soll den Betroffenen veranlassen, sein bisheriges Verhalten im Wirtschaftsverkehr zu überprüfen, um die angedrohte Behördenentscheidung abzuwenden, indem er entweder das beanstandete Verhalten ändert oder die Behörde durch weiteren Vortrag zu einer Änderung ihrer Rechtsauffassung veranlasst. Geschieht beides nicht, dient das Abmahnschreiben selbstverständlich als Vorlage für die nachfolgende kartellbehördliche Verfügung. Aus diesem Grund wird das Abmahnschreiben vielfach bereits im Sinne einer abschließenden rechtlichen Beurteilung des Streitfalles wie der spätere Amtsbeschluss formuliert. Geschieht dies, kann daraus vernünftigerweise nicht der Vorwurf hergeleitet werden, die Beschlussabteilung habe sich bereits eine abschließende Rechtsmeinung gebildet und die Anhörung des Betroffenen erfolge nur zum Schein.
57Vorliegend kommt Folgendes hinzu: Die Beteiligten stützen ihre Behauptung, die Beschlussabteilung habe sich im Abmahnschreiben vorzeitig auf eine bestimmte Rechtsauffassung festgelegt, auf Randziffer 94 des Amtsbeschlusses vom 22.12.2015. Sie zitieren diese indes selektiv und mittels Hervorhebung durch Unterstreichen wie folgt: „ … dass die Beschlussabteilung spätestens mit ihrem Abmahnschreiben vom 30.03.2015 ihre wettbewerblichen Bedenken geäußert und damit eine klare Position bezogen hat.“. Es fehlen jedoch folgende weitere Ausführungen der Beschlussabteilung: „Gerade im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs ist die Äußerung einer solchen vorläufigen wettbewerblichen Einschätzung erforderlich, andernfalls könnte sich ein potentieller Adressat nicht auf einen ihm drohenden Beschluss einstellen und entsprechende Argumente vorbringen, um die wettbewerblichen Bedenken der Kartellbehörde vielleicht doch noch auszuräumen“. Mit dieser Vorgehensweise erwecken die Beteiligten den Eindruck einer Aussage der Beschlussabteilung, die tatsächlich gegenteilig abgegeben worden ist. Dies ist äußerst bedenklich.
58cc) Die Presseerklärung des Bundeskartellamts vom 02.04.2015 gibt gleichfalls keinen Anlass, an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Mitglieder der Beschlussabteilung zu zweifeln.
59Abgesehen davon, dass grundsätzlich nur Verlautbarungen der Beschlussabteilung und ihrer Mitglieder selbst – und nicht Presseerklärungen des Bundeskartellamts oder öffentliche Erklärungen seines Präsidenten – geeignet sind, deren Befangenheit zu begründen (vgl. § 51 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 GWB), geben weder Form noch Inhalt der in Rede stehenden Presseerklärung Veranlassung, an der Unvoreingenommenheit der Mitglieder der entscheidenden Beschlussabteilung zu zweifeln. Es ist Sinn und Zweck einer Presseerklärung, in knapper und gedrängter Weise den Sachverhalt und seine Rechtsfolgen auf das Wesentliche reduziert darzustellen, so dass eine Übernahme in Print- und Onlinemedien erfolgen kann. Geht es – wie hier – um eine Presseerklärung des Amtes zu einem laufenden Kartellverwaltungsverfahren, in der über ein Abmahnschreiben der Beschlussabteilung berichtet wird, ist dem verständigen Leser ohne weiteres bewusst, dass die in der Presseerklärung referierte Rechtsauffassung nur vorläufig ist und selbstverständlich unter dem Vorbehalt steht, dass gegebenenfalls vorgebrachte Einwendungen des Betroffenen zu einer erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage führen. Völlig fern liegt die Annahme des Lesers, die Beschlussabteilung werde von einer solchen – verfahrensrechtlich zwingend gebotenen - Überprüfung ihrer Rechtsansicht mit Rücksicht auf die Presseerklärung absehen.
60dd) Der Beschlussentwurf vom 30.10.2015 zieht die Unvoreingenommenheit der Beschlussabteilung ebenfalls nicht in Zweifel. Der Vorwurf der Beschwerde, die entscheidende Beschlussabteilung habe sich schon seinerzeit eine abschließende Rechtsmeinung gebildet, ist unberechtigt, weil die Unterlage ausdrücklich als „Entwurf“ gekennzeichnet worden ist. Der Umstand, dass in einzelnen Punkten unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen und die Beteiligten ihre Rechtsauffassung nicht durchsetzen konnten, trägt den Vorwurf der Parteilichkeit ebenso wenig wie die schlichte Wiedergabe von Textpassagen aus dem Abmahnschreiben vom 30.3.2015. Das liegt bei vernünftiger Betrachtung auf der Hand.
61ee) Der Inhalt des Amtsbeschlusses vom 22.12.2015 ist ebenfalls vollkommen unbedenklich. Er rechtfertigt nicht ansatzweise die Annahme, dass die Beschlussabteilung bereits im Zeitpunkt der Versendung des Abmahnschreibens in seiner rechtlichen Beurteilung des Streitfalles festgelegt und Argumenten der Beteiligten nicht mehr zugänglich gewesen sei.
62ff) Die Gestaltung und der Ablauf des kartellbehördlichen Verfahrens rechtfertigen bei vernünftiger Betrachtung gleichfalls nicht den Vorwurf der Voreingenommenheit.
63Geradezu haltlos ist der Vorwurf, der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör sei missachtet worden. Die Beteiligten haben im Verlaufe des zwei Jahre dauernden Kartellverwaltungsverfahrens in mehr als 30 (!) Schriftsätzen zur Sache vorgetragen; sie sind überdies insgesamt drei Mal mündlich angehört worden, zuletzt auf ihre ausdrückliche Bitte hin noch knapp eine Woche vor Erlass der angefochtenen Verfügung. Nichts ist dafür ersichtlich, dass die – anwaltlich vertretenen - Beteiligten gleichwohl gehindert waren, irgendeinen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkt in das Verfahren einzuführen. Auch die Beschwerde vermag diesbezüglich keinen einzigen Aspekt aufzuzeigen. Anspruch auf eine mündliche Anhörung durch die Kartellbehörde bestand ohnehin nicht. Das folgt aus einem Umkehrschluss aus § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB, der alleine die Pflicht der Kartellbehörde vorsieht, auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Im Übrigen ist auch insoweit nicht zu erkennen, welcher für die rechtliche Beurteilung relevante Gesichtspunkt ausschließlich mündlich – und nicht auch durch anwaltlichen Schriftsatz – geltend zu machen gewesen sein soll.
64Der Umstand, dass das Amt die zunächst bis zum 20.11.2015 gewährte Frist für die Stellungnahme zum Beschlussentwurf vom 30.10.2015 antragsgemäß bis zum 30.11.2015 verlängert und nach Vorlage eines rund 300-seitigen anwaltlichen Schriftsatzes die zugleich bis zum 23.12.2015 erbetene weitere Stellungnahmefrist nur bis zum 18.12.2015 gewährt hat, begründet den Anschein der Parteilichkeit ganz offensichtlich nicht. Dass der anwaltliche Vertreter eine bestimmte Frist für ergänzenden Sachvortrag begehrt, bedeutet nicht, dass sie ihm auch gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr alleine, ob sachliche Gründe geltend gemacht werden können, die die begehrte Frist als notwendig erscheinen lassen. Solche Gründe haben die Beteiligten seinerzeit dem Bundeskartellamt gegenüber nicht reklamiert; sie sind bis heute auch nicht ersichtlich. Schon aus diesem Grund war die Gewährung einer (um 3 Tage) verkürzten Stellungnahmefrist völlig unbedenklich. Es kann deshalb auf sich beruhen, ob beim Bundeskartellamt nicht überdies der Eindruck entstehen musste, dass der Antrag auf Gewährung einer weiteren Stellungnahmefrist bis zum 23.12.2015 alleine dem Zweck diente, das kartellbehördliche Verfahren über den Jahreswechsel hinaus zu verzögern. Einer solchen Verfahrensverzögerung durfte selbstverständlich entgegen getreten werden. Das gilt umso mehr, als im Y.-Verfahren der Beigeladenen zu 1. bereits die Verwendung der weiten Bestpreisklausel untersagt worden war und das Bundeskartellamt im Interesse möglichst gleicher Wettbewerbsverhältnisse gehalten war, auch das Verfahren gegen die Beteiligten zügig zu betreiben und ohne vermeidbare Verzögerungen abzuschließen.
65Zu Unrecht beanstandet die Beschwerde, dass die Beteiligten nicht durch Übersendung eines Auskunftsbeschlusses zur Sachaufklärung aufgefordert worden sind. Denn die Beteiligten waren als Betroffene im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 2 GWB Beteiligte des kartellbehördlichen Verfahrens und haben sich durch die Einreichung einer außergewöhnlich hohen Anzahl von – teils sehr umfangreichen – Schriftsätzen, Unterlagen, Studien und Erhebungen rechtliches Gehör verschafft. Nichts spricht dafür, dass das Amt für eine ordnungsgemäße Aufklärung des relevanten Sachverhalts gehalten war, zusätzliche Informationen bei den Beteiligten zu erfragen. Dazu vermag auch die Beschwerde nicht im Ansatz irgendetwas Konkretes aufzuzeigen.
66Anders als die Beschwerde behauptet, hat sich die Beschlussabteilung mit den vorgelegten Studien und ökonomischen Stellungnahmen auseinandergesetzt, sie gewürdigt und beschieden. Das belegen die Ausführungen in den Randziffern 202 bis 210 des angefochtenen Beschlusses. Dass darüber hinausgehende Ausführungen zwingend geboten waren und deshalb der Anschein einer sachwidrigen, voreinge-nommenen Verfahrensführung oder Entscheidung entstehen konnte, ist nicht zu erkennen und wird von den Beteiligten auch nicht nachvollziehbar dargelegt.
67Gleiches gilt in Bezug auf die von den Beteiligten vorgelegten Privatgutachten. Das Bundeskartellamt hat jene Unterlagen zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen in der den Unterlagen gebührenden Weise auseinandergesetzt. Die Beschwerde zeigt nicht im Ansatz auf, welche entscheidungserheblichen Aspekte der Privatgutachten vom Amt übersehen und nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sein sollen. Alleine die Tatsache, dass die Privatgutachter der Beteiligten zu einer anderen wettbewerblichen Einschätzung als die Beschlussabteilung gelangt sind, ist in diesem Kontext ohne jeden Aussagewert. Die abweichende Beurteilung bedeutet schon nicht, dass die Einschätzung des Amtes fehlerhaft sein oder auf einer unzureichenden Grundlage beruhen muss.
68gg) Die Sachaufklärung des Amtes ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
69Mit Recht hat das Amt hat die Frage nach den wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der streitgegenständlichen engen Bestpreisklausel anhand eines vernünftigen kaufmännischen Verhaltens unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung beantwortet und dazu ergänzend die Branchenstudie ... 2013 sowie das Ergebnis der durchgeführten Hotelunternehmerbefragung herangezogen (vgl. Senatsbeschluss vom 9.1.2015, VI – Kart 1/14 (V), Tz. 54, 71, 76). Es bedurfte deshalb - anders als die Beschwerde reklamiert - keiner repräsentativen Marktbefragung. Die Auswahl der am 10.06.2015 zusätzlich befragten Hotelunternehmen und die gestellten Fragen waren bedenkenfrei. Die Fragen waren nicht suggestiv, manipulativ, wertend o.ä., sondern neutral formuliert und ausgewogen. Die Teilnehmer wurden vom Bundeskartellamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einführung einer „weniger umfangreichen“ Bestpreisklausel beabsichtigt sei (S. 1 des Fragenkatalogs, Anlage 12 zur Antragsschrift), die „größere Freiheiten“ biete, als die frühere Bestpreisklausel (S. 3 des Fragenkatalogs). Die Teilnehmer wurden gebeten, die potentiellen Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Hotelvertriebs auf den verschiedenen Vertriebskanälen zu erläutern, und sie wurden in diesem Zusammenhang befragt, ob die enge Bestpreisklausel „hinderlich“ sei oder nicht (Seite 5 des Fragenkatalogs). Dies sei zu begründen. Auch die Frage, was die Teilnehmer an der früheren Bestpreisklausel gestört habe und welche „Beschränkungen der wettbewerblichen Bewegungsfreiheit“ sich „besonders negativ“ ausgewirkt hätten (Seite 2 des Fragenkatalogs), ist jedenfalls vor dem Hintergrund des rechtskräftig abgeschlossenen Y.-Verfahrens zu solchen Klauseln nicht zu beanstanden. Die erhaltenen Antworten konnten der Beschlussabteilung einen persönlichen Eindruck vermitteln, wie die Wirkungen der engen Bestpreisklauseln von einem Teil der betroffenen Marktteilnehmer eingeschätzt wurden. Die Mutmaßung der Beschwerde, die Antworten seien nicht verlässlich, weil für die Befragten keine genügende Bedenkzeit bestanden hat, ist lebensfremd und durch Nichts gerechtfertigt. Der weitere Einwand, Klein-Hotelier (Betreiber von Hotels mit weniger als 20 Zimmern) seien nicht direkt befragt worden, trifft zwar als solcher zu. Daraus folgt indes keine lückenhafte Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts. Die Beschwerde macht nämlich selbst nicht geltend, dass in den streitentscheidenden Punkten die wettbewerbliche Interessenlage der Klein-Hoteliers grundlegend anders gelagert ist als bei den mittleren und großen Hotelunternehmen.
70Zu Recht hat das Amt im Zuge der Sachaufklärung die Beigeladene zu 3. als Interessenvertreterin der Hotellerie befragt und um eine Einschätzung der von den Bestpreisklauseln ausgehenden wettbewerblichen Wirkungen gebeten. Soweit die Beschwerde den Eindruck zu erwecken versuchen, die Beschlussabteilung habe mehrfach Auskunftsersuchen an die Beigeladene zu 3. gerichtet, die Beteiligten insoweit dagegen ignoriert, geht dies fehl. Bei mehreren Schreiben der Beschlussabteilung, die von den Beteiligten als Auskunftsersuchen bezeichnet werden, handelt es sich in Wahrheit um kurze Nachfragen zu erhaltenen Antworten und/oder die Präzisierung einer früheren Fragestellung per Email, wobei teilweise nur Randaspekte des Verfahrens betroffen sind (siehe Anlagen 27 bis 30 der Antragsschrift).
71Das Bundeskartellamt hat bei seiner Entscheidungsfindung ebenso die abweichenden wettbewerblichen Einschätzungen anderer europäischer Wettbewerbsbehörden berücksichtigt. Das belegt u.a. die Textziffer 328 der angefochtenen Amtsverfügung. Der Vorwurf der Beschwerde, die Beschlussabteilung habe den betreffenden Sachverhalt ignoriert, widerspricht den Tatsachen.
72Schließlich ist dem Amt nicht vorzuwerfen, die Beteiligten vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht auf die Bedenken an der Belastbarkeit der vorgetragenen Preiserhebungen von S. und L. hingewiesen zu haben. Die in den Textziffern 207 – 210 der Amtsentscheidung zu Recht aufgeführten durchgreifenden Zweifel an der Aussagekraft der vorgetragenen Zahlen lagen derart auf der Hand, dass die – kartellrechtlich erfahrenen – Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten darauf nicht aufmerksam gemacht werden mussten.
73b) Wettbewerbsverstoß:
74Die zwischen den Beteiligten und ihren Hotelpartnern vertraglich vereinbarte enge Bestpreisklausel verstößt gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV. Eine Freistellung nach § 2 Abs. 1 GWB und Art. 101 Abs. 3 AEUV kommt nach dem bisherigen Sachstand nicht in Betracht.
75aa) Die vom Bundeskartellamt vorgenommene sachliche und räumliche Marktabgrenzung ist nicht zu beanstanden.
76In sachlicher Hinsicht betrifft die Bestpreisklausel den Angebotsmarkt für die Vermittlungsdienstleistungen der Hotelbuchungsportale (Hotelportalmarkt), auf dem sich die Hotelbuchungsportale als Anbieter und die Hotelunternehmen als Nachfrager gegenüberstehen. Nicht zum Markt gehören die eigene Buchungswebseite des Hotels, spezialisierte Portale, Online-Reisebüros, Portale der Reiseveranstalter und Metasuchmaschinen (Senat, Beschluss vom 09.01.2015, VI-Kart 1/14 (V) „HRS-Best-preisklauseln“, juris, Rn. 23). Metasuchmaschinen wie S. oder L. sind nach wie vor keine Wettbewerber der Hotelbuchungsportale auf dem relevanten Hotelportalmarkt. Hotelbuchungsportale bieten den Hotelunternehmen auf der Grundlage eines entgeltpflichtigen Vertrages die Vermittlung von Hotelzimmerbuchungen/-reservierungen über das von ihnen betriebene Internetportal an und vermitteln den Vertragsabschluss zwischen Hotelkunde und Hotelunternehmen. Metasuchmaschinen erbringen hingegen nach wie vor gegenüber den Hotelunternehmen in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle keine entgeltliche Vermittlungsdienstleistung. Zu den meisten Hotelunternehmen bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Die Metasuchmaschinen erlauben dem Endkunden zwar einen zusammengefassten (Preis-) Vergleich. Bei Interesse an einer Hotelzimmerbuchung wird der Endkunde aber im Allgemeinen nicht unmittelbar an das Hotel vermittelt, sondern an die Reise- bzw. Hotelportale weitergeleitet, die dann ihrerseits für das Hotel entgeltpflichtig die Zimmerbuchung vermitteln (Senat, a.a.O., Rn. 44ff).
77In räumlicher Hinsicht ist der Hotelportalmarkt auf Deutschland begrenzt (Senat, Rn. 60).
78Die Beteiligten greifen die sachliche und räumliche Marktabgrenzung auch nicht an.
79bb) Die von den Beteiligten praktizierte enge Bestpreisklausel bewirkt eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von § 1 GWB und Art. 101 AEUV. Die Klausel, die eine Verhaltensbindung im Vertikalverhältnis zwischen den Beteiligten und den Hotelunternehmen enthält, beschränkt die Handlungsfreiheit der Hotelunternehmen bei der Preisbildung, und sie bewirkt dadurch eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs sowohl auf dem Hotelportalmarkt wie auch auf dem Markt für Hotelzimmer.
80Lässt sich ein wettbewerbsbeschränkender Zweck der Vereinbarung - so wie hier - nicht ermitteln, kommt es auf die zu erwartenden wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen im Einzelfall an. Denn bei den nur "bewirkten" Wettbewerbsbeschränkungen kann nicht schon auf Grund der Art der Vereinbarung darauf geschlossen werden, dass negative Marktauswirkungen eintreten werden. Vielmehr müssen im Einzelfall negative Marktauswirkungen zu erwarten sein. Die Vereinbarung muss den gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können. Um dies festzustellen, sind die Auswirkungen der Vereinbarung auf die bestehenden wirtschaftlichen, rechtlichen und tatsächlichen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse umfassend zu untersuchen. Hierbei spielen die Marktstellung der Beteiligten und der Wettbewerber sowie die existierenden Marktzutrittsschranken und die Marktentwicklung eine Rolle. Ausschlaggebend ist dabei, ob die zu beurteilende vertikale Inhaltsbindung zu Marktabschottungseffekten oder zu einer messbaren Einschränkung des intrabrand-Wettbewerbs führt (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 65).
81Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hat das Bundeskartellamt eine durch die Bestpreisklausel bewirkte Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Hotelportalmarkt (Rn. 165 ff. des Beschlusses) und auf dem Endkundenmarkt für Hotelzimmer (Rn. 224 ff. des Beschlusses) bejaht. Die Ausführungen des Bundeskartellamts sind zutreffend.
82aaa) Die enge Bestpreisklausel erlaubt den Hotelunternehmen eine Preis- und Konditionendifferenzierung zwischen den Hotelbuchungsportalen. Anders als unter der Geltung der weiten Bestpreisklausel dürfen auf dritten Buchungsportalen niedrigere Hotelzimmerpreise als auf dem Buchungsportal der Beteiligten angeboten werden. Die enge Bestpreisklausel gestattet ferner eine Preis- und Konditionendifferenzierung bei jedem Vertrieb, der ausschließlich außerhalb des Internets, beispielsweise an der Rezeption, schriftlich, per Telefon, über ein Reisebüro usw. erfolgt. Dies gilt allerdings nicht, wenn diese Offlinepreise bzw. -Konditionen zugleich online veröffentlicht, beworben und/oder vermarktet werden.
83Die enge Bestpreisklausel untersagt den Hotelunternehmen, auf der Hotelinternetseite günstigere Preise oder Konditionen als auf dem Buchungsportal der Beteiligten anzubieten.
84Das Hotelunternehmen ist schließlich verpflichtet, für die Beteiligten ein Zimmermindestkontingent sowie jederzeit einige Verfügbarkeiten für alle Zimmer und Zimmerkategorien vorzuhalten und einen fairen Zugang zu allen Zimmern und Zimmerkategorien sowie verfügbaren Raten zu gewähren. Im Rahmen der Preferred-Mitgliedschaft müssen die Hotelunternehmen den Beteiligten zudem eine überdurchschnittlich hohe Verfügbarkeit für alle Zimmer und Zimmerkategorien sowie eine durchgehende Raten- und Konditionenparität gewähren. Ferner müssen sie den Beteiligten jederzeit ein bestimmtes Kontingent für alle Zimmer und Zimmerkategorien bereitstellen.
85bbb) Die vorstehend dargestellte enge Bestpreisklausel beeinträchtigt den freien Wettbewerb auf dem Hotelportalmarkt. Sie beschränkt die Preisbildungsfreiheit der vertragsgebundenen Hotelunternehmen gegenüber dritten Hotelportalen zwar nicht unmittelbar, weil eine Preis- und Konditionendifferenzierung zwischen den Hotelbuchungsportalen zum Nachteil der Beteiligten gestattet ist. Sie bewirkt allerdings mittelbar eine Beschränkung jener Handlungsfreiheit dadurch, dass die Hotelunternehmen im hoteleigenen Onlinevertrieb keine günstigeren Preise und Konditionen als auf dem Hotelbuchungsportal der Beteiligten anbieten dürfen. Legt man ein vernünftiges kaufmännisches Verhalten unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung zugrunde, hält das Verbot, im eigenen Onlinevertrieb günstigere Preise und Konditionen anzubieten sowie im Internet bessere Hotelzimmerpreise und Vertragsbedingungen für den eigenen Offlinevertrieb zu bewerben, die Hotelunternehmen davon ab, einem dritten Hotelportal Preise oder Konditionen anzubieten, die günstiger als diejenigen der Beteiligten sind. Das hat das Bundeskartellamt mit zutreffenden Erwägungen angenommen.
86(1) Der eigene Onlinevertrieb hat für die Hotelunternehmen eine erhebliche Bedeutung. Er macht die Hotelunternehmen nicht nur von der Vermittlungsdienstleistung der Hotelbuchungsportale unabhängig, sondern verschafft ihnen auch wirtschaftliche Vorteile. Diese Vorteile resultieren insbesondere daraus, dass den Hotelunternehmen für die Buchung eines Hotelzimmers über die eigene Internetseite lediglich Kosten in Höhe von ... % des Zimmerpreises entstehen, während bei der Buchung über das Hotelbuchungsportal der Beteiligten (oder ein anderes Hotelportal) eine Provision in Höhe von rund ... % anfällt. Weitere Vorzüge des eigenen Onlinevertriebs bestehen in der intensiveren Kundenbindung aufgrund des unmittelbaren und individuellen Kundenkontakts sowie der Möglichkeit einer besseren und flexibleren Hotelauslastung durch besondere Preise und Aktionen. Der eigene Onlinevertrieb gestattet schließlich eine zielgenaue und hotelbezogene Vertriebsstrategie.
87(2) Macht das Hotelunternehmen von der Möglichkeit Gebrauch, auf dritten Hotelbuchungsportalen günstigere Zimmerpreise oder Vertragskonditionen anzubieten, als die Beteiligten sie offerieren können, würde dies zu einer deutlichen Schwächung des eigenen Onlinevertriebs führen. Der Hotelier wäre aufgrund der in Rede stehenden engen Bestpreisklausel nämlich gehindert, die niedrigeren Preise oder günstigeren Konditionen auch auf seiner eigenen Internetseite anbieten oder zu bewerben. Das begründet zum einen die naheliegende Gefahr, dass der betreffende Umsatz nicht über den hoteleigenen Onlinevertrieb generiert werden kann, sondern auf das dritte (günstigere) Hotelportal entfällt. Denn aus Sicht des Hotelkunden, der sich für eine Hotelübernachtung in einem bestimmten Hotel und eine bestimmte Zimmerkategorie interessiert, ist der Zimmerpreis von entscheidender Bedeutung. Er wird das Zimmer deshalb über denjenigen Vertriebskanal buchen, der ihm den günstigsten Zimmerpreis oder die besseren Vertragskonditionen anbietet (Senat, a.a.O. Tz. 101). Ein höherer Zimmerpreis oder ungünstigere Vertragskonditionen im eigenen Internetvertrieb des Hotels führen zum anderen zu einer imageschädigenden Preisspreizung, weil das Hotelzimmer auf der Hotelinternetseite zu schlechteren Konditionen angeboten wird als auf dem dritten Buchungsportal. Vor dem dargestellten Hintergrund wird ein Hotelunternehmer bei kaufmännisch vernünftiger Betrachtung von einer Preis- und Konditionendifferenzierung gegenüber den Hotelportalbetreibern absehen. Ohne die enge Bestpreisklausel könnten die hoteleigene Internetseite dagegen als preisattraktive Vertriebsvariante zu den Hotelbuchungsportalen etabliert und zudem eine Preis- und Konditionendifferenzierung gegenüber den Hotelportalbetreibern praktiziert werden.
88Ohne Erfolg verweisen die Beteiligten in diesem Zusammenhang auf eine Auswertung von Preisdaten, die ihnen von L. und S. zur Verfügung gestellt worden sein soll und aus denen die Beschwerde die Behauptung ableitet, es komme entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts auch unter Geltung der engen Bestpreisklausel zu Preisdifferenzierungen zwischen den Hotelbuchungsportalen. Die betreffenden Daten begründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung, weil sie schon bei einer summarischen Prüfung kaum belastbar sind.
89(2.1) So ist schon nicht feststellbar, dass L. und S. Zimmerangebote ausgewertet haben, die hinreichend miteinander vergleichbar sind. Die Beteiligten tragen selbst vor, dass die in die Hotelpreisauswertung einbezogenen Portalangebote ausschließlich nach den Kriterien „Doppelzimmer“, „Anreisedatum“ und „Dauer“ (so Anlage 18 der Antragsschrift, S. 2) ausgewählt worden sind. Ein derart grobes Raster ist praktisch unbrauchbar, um belastbaren Aufschluss über einen Preiswettbewerb zwischen Hotelportalen zu geben. Es liegt auf der Hand, dass eine Vielzahl von weiteren Kriterien (z.B. Zimmerkategorie, Zimmer mit oder ohne Mehrblick, Zusatzleistungen vielfältiger Art) existieren, die maßgeblichen Einfluss auf die Höhe des Zimmerpreises haben und deshalb berücksichtigt werden müssen, wenn man einen aussagekräftigen und redlichen Preisvergleich anstellen will. Das gilt umso mehr, als die von der Beschwerde vorgelegte Preisauswertung einen Preiswettbewerb bereits ab einer Differenz von lediglich ... % zum Zimmerpreis der Beteiligten (vgl. Anlage 18 der Antragsschrift, S. 4 Fußnote 6) annimmt.
90Es kommt hinzu, dass ein Preisunterschied von bloß ... % ohne weiteres das Ergebnis eines sog. Provisionssplittings sein kann, bei dem das Hotelportal seinem Kunden im Zuge einer besonderen Werbekampagne einen Teil seiner eigenen Vermittlungsprovision gutschreibt (siehe Anlage 19 der Antragsschrift, Seite 3/4 zu Ziffer 4). Ein derart reduzierter Preis ist nicht Ausdruck einer Preisdifferenzierung durch das Hotelunternehmen und im vorliegenden Zusammenhang folglich ohne jeden Aussagewert.
91(2.2) Das Zahlenwerk von L. und S. ist darüber hinaus deshalb nicht tragfähig, weil eine - auf vorhandenen Preiswettbewerb zwischen den Hotelportalen hinweisende - Paritätsabweichungsrate bereits dann angenommen wird, wenn nur ein einziges drittes Hotelbuchungsportal einen niedrigeren Preis als die Beteiligten angegeben hat (siehe Anlage 17 der Antragsschrift, S. 4; ferner Anlage 18 der Antragsschrift, S. 5;), wobei weder die Anzahl noch die Identität der in die Auswertung einbezogenen dritten Plattformen bekannt gemacht wird. Es ist aus diesem Grund ohne weiteres denkbar, dass 20 oder mehr Hotelportale in den Preisabgleich einbezogen worden sind und die ausgewiesene Preisunterbietung von einem „Außenseiterportal“ ohne nennenswerte Marktbedeutung stammt. Unter diesen Umständen kann die Annahme des Bundeskartellamtes, dass ein Hotelunternehmer bei kaufmännisch vernünftiger Betrachtung angesichts der Wirkungen der engen Bestpreisklausel von einer Preis- und Konditionendifferenzierung gegenüber den Hotelportalbetreibern absehen wird, durch das Zahlenwerk von L. und S. nicht in Zweifel gezogen werden kann.
92(3) Durch die enge Bestpreisklausel wird ferner ein Wettbewerb der Hotelportalbetreiber über die Höhe der Provisionen, die Senkung der Vergütung gegen niedrigere Hotelpreise und/oder bessere Konditionen verhindert. Zwar wird auf Seiten der dritten Hotelportalbetreiber ein wirtschaftlicher Anreiz vorhanden sein, den Hotelunternehmen niedrigere Vermittlungsprovisionen anzubieten, um im Gegenzug die Möglichkeit zu erhalten, die Hotelzimmer über das eigene Portal zu günstigeren Preisen und Konditionen als die Beteiligten anbieten zu können. Die Hotelunternehmen wären auch rechtlich in der Lage, auf ein entsprechendes Angebot einzugehen, weil ihnen die enge Bestpreisklausel eine Preis- und Konditionendifferenzierung gegenüber den Hotelportalbetreibern nicht untersagt. Sie werden von dieser Handlungsfreiheit indes zum Schutz ihres eigenen Onlinevertriebs keinen Gebrauch machen. Insoweit kann auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden.
93(4) Die Klauseln zur (Mindest-)Verfügbarkeit von Hotelzimmern verstärken die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der engen Bestpreisklausel. Die Beteiligten haben gegenüber dem vertragsgebundenen Hotelunternehmen einen Anspruch auf ein bestimmtes Zimmermindestkontingent. Sie können nach Ausschöpfung dieses Min-destkontingents darüber hinaus verlangen, dass das Hotelunternehmen jederzeit zumindest ein Zimmer aus jeder Zimmerkategorie nach den Regeln der Bestpreisklausel bereithält. Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass die beschriebenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Bestpreisklausel, nämlich die mittelbare Beeinträchtigung des Preis- und Konditionenwettbewerbs auf dem Hotelportalmarkt, zeitlich lückenlos gewährleistet sind. Denn das vertragsgebundene Hotelunternehmen darf zu keinem Zeitpunkt ein Zimmer auf der eigenen Internetseite günstiger anbieten als auf dem Buchungsportal der Beteiligten, weshalb es zum Schutz des eigenen Onlinevertriebs auch von einer Preis- und Konditionendifferenzierung gegenüber dritten Portalbetreibern absehen wird.
94Weiter verstärkt werden die in Rede stehenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen schließlich durch die Regelungen der Preferred-Partnerschaft, die dem Hotellier eine besonders hohe Zimmerverfügbarkeit und eine durchgehende Raten- und Konditionsparität auferlegt sowie die Bereitschaft fordert, ein bestimmtes Kontingent für alle Zimmer und Zimmerkategorien bereitzustellen.
95(5) Die - öffentlich beworbene - Bestpreisgarantiezusage, die die Beteiligten verpflichtet, ihren Endkunden die Differenz zu einem preisgünstigeren dritten Hotelportal zu erstatten, erschwert zusätzlich Preis- und Konditionenvorstöße konkurrierender Anbieter auf dem Hotelportalmarkt. Sie hemmt überdies den Markteintritt neuer Hotelportalbetreiber, weil diese dem Kunden im Ergebnis keine günstigeren Hotelpreise oder Vertragskonditionen verschaffen können als die Beteiligten.
96ccc) Die enge Bestpreisklausel der Beteiligten beschränkt außerdem den Wettbewerb auf dem Markt für Hotelzimmer.
97(1) Das durch die Bestpreisklausel gebundene Hotel darf im eigenen Onlinevertrieb nämlich keine günstigeren Zimmerpreise anbieten als auf dem Hotelbuchungsportal der Beteiligten, wodurch zugleich auch der Wettbewerb zwischen den Hotels beim Absatz der Zimmer an die Endkunden über die hoteleigenen Internetseiten beeinträchtigt wird (vgl. Senat, a.a.O., Rn. 96 ff.). Dem Endverbraucher wird die Möglichkeit genommen, ein Hotelzimmer auf einem wesentlichen Vertriebskanal, und zwar über die Hotelinternetseiten oder andere Onlinevertriebskanäle, zu einem niedrigeren Preis als auf dem Hotelbuchungsportal der Beteiligten zu finden. Faktisch wird durch die Beteiligten ein Online-Mindestpreis festgesetzt.
98Die dadurch verursachte Beschränkung des Wettbewerbs wird schon dadurch belegt, dass bisher nur rund … % der Onlinebuchungen (= ... % des Gesamtabsatzes), bei kleineren Hotels sogar nur ... % der Onlinebuchungen über die Internetseiten der Hotels erfolgen. Da die Hotels auf ihren Seiten keine niedrigeren Preise als auf dem Portal der Beteiligten anbieten dürfen, besteht für die potentiellen Kunden, denen dieser Umstand bekannt ist, bisher auch kein verstärkter Anreiz, über die Internetseiten der Hotels zu buchen.
99Zudem sind die Möglichkeiten des Hotels zum Einsatz von Maßnahmen des Kapazitätsmanagements durch die Bestpreisklausel eingeschränkt. Entscheidet sich ein Hotel, seine Preise auf dem Portal der Beteiligten zu senken, ist es wegen der Bestpreisklausel gezwungen, dieselbe Preissenkung auch auf seiner eigenen Internetseite vorzunehmen. Will das Hotel flächendeckende Niedrigpreise verbunden mit dem Risiko insgesamt sinkender Erträge vermeiden, muss es wegen der Bestpreisklausel folglich darauf verzichten, Restkontingente im Interesse einer höheren Hotelaus-lastung zu günstigen Preise anzubieten. Mögliche Preissenkungen zu Gunsten des Endkunden - beispielsweise für bestimmte Tage oder Zeiträume - bleiben ebenfalls aus.
100(2) Beschränkt wird auch der Offlinevertrieb von Hotelzimmern durch den Hotelier. Zwar dürfen hier günstigere Zimmerpreise und Vertragskonditionen angeboten werden. Ausgeschlossen ist aber die Möglichkeit, diese Offlinepreise oder Offlinekonditionen im Internet zu veröffentlichen, zu bewerben und/oder zu vermarkten. Dadurch wird die Kundenreichweite der gegenüber dem Portalangebot der Beteiligten günstigeren Zimmerangebot des Hotelunternehmens erheblich eingeschränkt.
101cc) Die Bestpreisklausel stellt eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar.
102Das ungeschriebene Tatbestandmerkmal der Spürbarkeit ist nicht erfüllt, wenn die Wettbewerbsbeschränkung den Markt wegen der schwachen Stellung der Beteiligten auf dem relevanten Markt nur geringfügig beeinträchtigt. Hierbei wird in der Regel eine quantitative Beurteilung der tatsächlichen oder möglichen Auswirkungen der zu untersuchenden Vereinbarung vorgenommen, wobei auch die Stellung und Bedeutung der beteiligten Unternehmen auf dem Markt heranzuziehen sind. Relevanz kommt dabei den Marktanteilen der beteiligten Unternehmen zu (vgl. nur: BGH WuW/E DE-R 115 – Carpartner; BGH WuW/E DE-R 289, 295 – Lottospielgemeinschaft).
103Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist die durch die Bestpreisklausel bewirkte Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht bloß als geringfügig oder unbedeutend einzustufen. Hierfür sprechen schon die Marktstellung und der Marktanteil der Beteiligten. Im Jahr 2013 betrug ihr Marktanteil ... % bis ... %. Eine signifikante Reduzierung dieses Marktanteils in den Jahren 2014 bis 2015 ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Die Beteiligten sind unverändert die Marktführer auf dem Hotelportalmarkt in Deutschland. Bereits die damit verbundene Marktbedeutung der Beteiligten zwingt zur Bejahung der Spürbarkeit. Hinzu kommen die dargestellten erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen, die von der engen Bestpreisklausel ausgehen, sowie der massive Durchsetzungswille der Beteiligten gegenüber den Hotelunternehmen. Die Einhaltung der Regelungen der Bestpreisklauseln wird durch Internetcrawler strikt überwacht und Verstöße werden abgemahnt sowie im Widerholungsfalle geahndet. Dies ist nur dann verständlich, wenn die Bestpreisklausel für die Beteiligten im Wettbewerb von erheblichem Vorteil ist.
104dd) Von einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels durch die Bestpreisklausel ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundeskartellamtes in der angefochtenen Entscheidung auszugehen (Beschluss Rn. 162 f.).
105ee) Die Bestpreisklausel ist nicht vom Verbot des Art 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB freigestellt.
106aaa) Eine Freistellung folgt nicht aus Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20.04.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (Vertikal-GVO).
107(1) Es ist bereits fraglich, ob die in Rede stehende Bestpreisklausel überhaupt in den Anwendungsbereich der Vertikal GVO fällt. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der Bestpreisklausel um eine Vereinbarung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 a) Vertikal-GVO handelt. Eine vertikale Vereinbarung ist danach eine Vereinbarung, die zwischen zwei oder mehr Unternehmen, von denen jedes für die Zwecke der Vereinbarung auf einer anderen Ebene der Produktions- oder Vertriebskette tätig ist, geschlossen wird und die Bedingungen betrifft, zu denen die beteiligten Unternehmen Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen.
108Zwar erbringt das Hotelportal Vermittlungsleistungen gegenüber den Hotelunternehmen als Abnehmer dieser Leistungen, so dass beide auf einer anderen Ebene der Vertriebskette tätig sind und zwischen ihnen ein Vertikalverhältnis besteht. Jedoch regelt die vereinbarte Bestpreisklausel weder die Bedingungen für den Bezug der Vermittlungsdienstleistungen noch die Konditionen für den Weiterverkauf dieser Dienstleistung durch die Hotelunternehmen. Vielmehr wirkt sich die Bestpreisklausel primär zu Lasten der Hotelunternehmer beim Absatz von Hotelzimmern aus. Auf diesem Absatzmarkt stehen die als Vermittler tätigen Hotelplattformen jedoch in keiner vertikalen Beziehung zu den Hotels (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 123 f.).
109In der Literatur werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten, ob sich die Wettbewerbsbeschränkung gerade auf die vom Anbieter bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen beziehen muss bzw. ein innerer Zusammenhang zwischen der Vereinbarung über die Beschränkung und der Austauschbeziehung im Vertikalverhältnis bestehen muss (bejahend: Veelken in Immenga/Mestmäcker, EG Teil 1, 4. Aufl., Vertikal GVO Rn. 78; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG Kartellrecht, 2. Aufl., Art. 2 VO 2790/1999 Rn. 10; Fiebig, WuW 2013, 812, 825; a.A. Baron in Loewenheim/Meesen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., Art. 2 Vert-GVO Rn. 65; Ellger in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 EU/1. Teil, 5. Aufl., Art. 2 Vertikal-GVO Rn. 17).
110(2) Jedoch bedarf diese Frage vorliegend keiner Entscheidung, denn selbst wenn die Vertikal GVO anwendbar wäre, käme eine Freistellung nicht in Betracht (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 125).
111Nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal GVO gilt die Freistellung nach Art. 2 nur, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienst-leistungen anbietet, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen bezieht, jeweils nicht mehr als ... % beträgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Marktanteil der Beteiligten auf dem Portalmarkt beträgt unstreitig mehr als ... %. Wie vorstehend ausgeführt, lag der Marktanteil der Beteiligten im Jahr 2013 zwischen ... % und ... %. Eine Reduzierung des Marktanteils in den Jahren 2014 bis 2015 - erst recht eine solche um ... % oder mehr - ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ansatzweise ersichtlich.
112bbb) Die Bestpreisklausel erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB.
113(1) Eine Freistellung hängt von dem kumulativen Vorliegen von zwei positiven und zwei negativen Voraussetzungen ab: Zum einen muss in positiver Hinsicht ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts geleistet werden und eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn garantiert sein; zum anderen ist in negativer Hinsicht die Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbeschränkungen erforderlich sowie die Unmöglichkeit, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten (siehe Senat, a.a.O., Rn. 128). Sämtliche Freistellungsvoraussetzungen müssen dabei für jeden einzelnen sachlich und räumlich betroffenen Markt dargelegt und nachgewiesen werden (EuGH, Slg. 2002 II Seite 2023 Rdnr. 163) (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 130).
114Art. 101 Abs. 3 AEUV verlangt über das Merkmal der Verbesserung der Warenverteilung hinaus, dass die Vereinbarung zu deutlichen Effizienzvorteilen führt. Erforderlich sind echte nachvollziehbare objektive Vorteile, die aufgrund der Vereinbarung prognostiziert werden können. Ob sich Vorteile ergeben, ist durch Vergleich mit dem Zustand zu beurteilen, der ohne die betreffende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung bestand oder bestehen würde. Dabei müssen die Vorteile, die sich aus der Absprache ergeben, größer als die sich aus ihr ergebenen Nachteile sein, um einen Vorteil im Sinne von Art. 101 Abs. 3 AEUV) darstellen zu können (Ellger in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 EU/1. Teil, 5. Aufl., Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 144; Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, a.a.O., Art. 81 EG Rn. 143, 146; Bunte in Langen/Bunte, a.a.O., Art. 81 Rn. 192 jeweils m.w.N.). Die Behauptungs- und Beweisleist für die Effizienzgewinne liegt gemäß Art. 2 Satz 2 VO 1/2003 bei den Unternehmen, die sich auf die Freistellung berufen (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 130).
115(2) Vorliegend scheitert eine Einzelfreistellung schon am fehlenden Vortrag der Beteiligten zum Vorliegen der vier Voraussetzungen. Die Beteiligten haben nicht dargetan, dass die streitbefangene Bestpreisklausel unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung und Warenverteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beiträgt, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele unerlässlich sind, oder Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Die Antragsschrift und die Replik nennen nicht einmal Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB.
116Das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Im Gegenteil dürfte es fraglich sein, ob eine Vereinbarung vorliegt, die zur Verbesserung der Warenverteilung beiträgt, und zwar unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn, etwa durch niedrigere Hotelzimmerpreise. Ebenso zweifelhaft ist, dass den betroffenen Unternehmen durch die Vereinbarung eine Beschränkung auferlegt wird, die unerlässlich ist.
117ff) Da die Bestpreisklausel - wie ausgeführt - gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV verstößt, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Anwendung der Bestpreisklausel durch die Beteiligten zugleich einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot des § 20 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB begründet, wie das Amt in der angefochtenen Verfügung angenommen hat. Es handelt es sich eine Untersagungsentscheidung mit zwei alternativen Begründungen (vgl. BGHZ 147, 325, juris, Rn. 7-12 - Ostfleisch), so dass hier offen bleiben kann, ob die Untersagung der Bestpreisklausel auch unter dem Gesichtspunkt des Marktmissbrauchs gerechtfertigt ist (siehe auch: Senat, a.a.O., Rn. 144).
118c) Verstoß gegen die Verpflichtung zur einheitlichen Anwendung des EU-Wettbe-werbsrechts:
119Die Beschlussabteilung, deren Kompetenzen sich aus Art. 5 VO (EG) 1/2003 ergeben, hat durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht gegen Art. 4 Abs. 3 EUV sowie Art. 11 und Art. 16 VO (EG) 1/2003 oder andere europarechtlich determinierte Pflichten verstoßen. Es bestehen folglich insoweit auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung.
120aa) Gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben. Gemäß Art. 11 Abs. 1 VO (EG) 1/2003 arbeiten die Kommission und die Wettbewerbsbehörden bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft eng zusammen. Des Weiteren unterrichten die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten die Kommission gemäß Art. 11 Abs. 3 S. 1 VO (EG) 1/2003, wenn sie aufgrund von Art. 81 oder Art. 82 des Vertrags (= Art. 101, 102 AEUV) tätig werden. Ferner unterrichten die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten die Kommission gemäß Art. 11 Abs. 4 S. 1 VO (EG) 1/2003 vor Erlass einer Entscheidung, mit der die Abstellung einer Zuwiderhandlung angeordnet wird.
121bb) Es ist weder von den Beteiligten substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beschlussabteilung gegen eine dieser Vorschriften verstoßen hat. Deshalb kann es auf sich beruhen, ob sich die Beteiligten überhaupt auf diese Vorschriften und Pflichten berufen und aus deren Verletzung subjektive Rechte herleiten können. Dies erscheint zumindest zweifelhaft, denn die Beteiligten dürften von deren Schutzbereich – die Vorschriften regeln ausschließlich die Kooperationspflichten zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten und dürften daher nur öffentlichen Zwecken dienen – nicht erfasst sein.
122(1) Das Bundeskartellamt hat die Kommission unterrichtet und mit dieser zusammengearbeitet, auch im Rahmen der vom European Competition Network (ECN) initiierten Untersuchung von engen Bestpreisklauseln. Sie hat auch die anderen europäischen Wettbewerbsbehörden über das eigene Verfahren unterrichtet und deren Entscheidungen sowie die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen zur engen Bestpreisklausel zur Kenntnis genommen und in die eigenen Überlegungen einbezogen. Dass die Beschlussabteilung die wettbewerblichen Auswirkungen der engen Bestpreisklausel abweichend prognostiziert und angenommen hat, dass diese mittelbar eine Preisdifferenzierung auf dem Hotelportalmarkt verhindert, wird durch keine Norm des europäischen Rechts untersagt. Insbesondere ist die Beschlussabteilung nicht an abweichende Erkenntnisse anderer Wettbewerbsbehörden gebunden. In diesem Zusammenhang geht der Hinweis der Beteiligten auf den Effektivitätsgrundsatz fehl. Für die wirksame Durchsetzung des europäischen Kartellrechts ist alleine die richtige Rechtsanwendung entscheidend. Das bloße Abzählen der Befürworter der einen oder anderen Rechtsauffassung ist für die richtige Rechtserkenntnis offensichtlich unzureichend. Nach den vorstehenden Ausführungen spricht bei der gebotenen summarischen Prüfung derzeit Alles dafür, dass die wettbewerbliche Beurteilung der Beschlussabteilung zutreffend ist.
123(2) Soweit die Beteiligten dem Bundeskartellamt einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zusammenarbeit im ECN vorwerfen, besteht der Vortrag aus bloßen Mutmaßungen und Spekulationen. Woher die Beteiligten ihr Wissen nehmen, dass Bundeskartellamt habe nur „passiv kooperiert“ – was damit gemeint ist, bleibt offen –, ist nicht ersichtlich. Auch aus welchem Grund das Bundeskartellamt eine „führende Rolle“ hätte übernehmen sollen und welche (positiven) rechtlichen Folgen daraus zugunsten der Beteiligten resultieren sollen, wird nicht dargelegt.
124(3) Dass die konkrete (und nicht bloß abstrakte) Möglichkeit einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Wettbewerbswidrigkeit von engen Bestpreisklauseln besteht, was zur Anwendung der Grundsätze der Delimitis- und Masterfoods-Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 28.02.1991, C-234/89, Rn. 43ff; Urteil vom 14.12.2000, C-344/98, Rn. 45ff, bes. Rn. 51) führen würde, wonach nationale Behörden und Gerichte nicht (mehr) tätig werden dürfen, wenn eine anderslautende Entscheidung der Kommission möglich ist, ist ebenfalls weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Der Vortrag der Beteiligten erschöpft sich dazu in Spekulationen und Vermutungen, weil die Kommission bislang nicht einmal Ermittlungen für die spätere Durchführung eines eigenen kartellbehördlichen Verfahrens eingeleitet hat. Auch hat sie nicht die Möglichkeit genutzt, eines der zahlreichen nationalen Verfahren zur Überprüfung von Bestpreisklauseln gemäß Art. 11 Abs. 6 VO (EG) 1/2003 an sich zu ziehen.
125(4) Auch der Umstand, dass einige EU-Mitgliedstaaten am 04.04.2016 einen gemeinsamen Brief an den Leiter der EU-Arbeitsgruppe "Digital Single Market" gerichtet haben (Anlage 46 zur Replik vom 07.04.2016), in dem sie um eine möglichst zurückhaltende Regulierung von digitalen Plattformen bitten, steht der angefochtenen Amtsentscheidung nicht entgegen. Unabhängig davon, dass Hotelbuchungsplattformen nicht explizit erwähnt werden, handelt es sich lediglich um eine politische Initiative, deren Schicksal gänzlich ungewiss ist.
126cc) Die Beschlussabteilung war – anders als die Beschwerde meint – nicht gehalten, das Verfahren gegen die Beteiligten gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO (EG) 1/2003 auszusetzen oder einzustellen, weil Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten bereits mit der Sache befasst (gewesen) sind. Bei jener Entscheidung handelt es sich nämlich um eine Ermessensentscheidung. Die Beschlussabteilung hat ihr Ermessen dahin ausgeübt, das eigene Verfahren nicht auszusetzen oder einzustellen, sondern die durch Art. 5 VO (EG) 1/2003 eingeräumten Kompetenzen zu nutzen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1273.
128Die Vollziehung der angefochtenen Amtsverfügung hat für die Beteiligten keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB).
129a) Für die Annahme einer unbilligen Härte ist es nicht ausreichend, wenn die Vollziehung für die Beteiligten mit schwerwiegenden Eingriffen oder Nachteilen verbunden ist, deren Folgen nach einer erfolgreichen Beschwerde nicht ohne weiteres beseitigt werden können. Es ist vielmehr maßgebend, ob und inwieweit die Nachteile im über-wiegenden öffentlichen Interesse hinzunehmen sind. Zur Beurteilung ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sind unter anderem der voraussichtliche Ausgang des Beschwerdeverfahrens, die voraussichtliche Verfahrensdauer, der Aufwand zur Änderung der Marktstrategie, die Art und der Umfang nicht wieder auszugleichender Folgen und die Gefahr einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung zu berücksichtigen. In Fällen, in denen die Beschwerde - wie hier – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung besitzt, ist erforderlich, dass Nachteilen geltend gemacht werden, die über den eigentlichen Zweck der kartellbehördlichen Verfügung hinausgehen (Senat, Beschluss vom 15.07.2013, VI-Kart 9/12 (V), Chemikalienhandel II, juris, Rn. 11; Lembach in Langen/Bunte, a.a.O., § 65, Rn. 19).
130b) Dies ist im Streitfall nicht ersichtlich.
131Nach dem Vortrag der Beteiligten, der durch pauschale Behauptungen ohne weitere Substantiierungen gekennzeichnet ist, sollen durch die Vollziehung der Verfügung negative Auswirkungen (1) auf die Reputation der von den Beteiligten betriebenen Hotelportalseite als eine vertrauenswürdige Preisvergleichsseite, (2) die gesamte Unternehmensentwicklung sowie (3) auf die Verbraucherinteressen ausgelöst werden. Die Verbraucher würden bei einer Umsetzung der Verfügung - so meinen die Beteiligten - innerhalb kurzer Zeit das Vertrauen in die Funktionen und individuellen Vorteile ihres Hotelportals verlieren, weil ein erheblicher Teil der Hotels auf der eigenen Internetseite günstigere Preise anbieten werde.
132aa) Die Erwartung der Beteiligten, dass im Falle der Streichung der engen Bestpreisklausel ein nicht unerheblicher Teil der Hotels auf der eigenen Internetseite günstigere Hotelpreise anbieten, dürfte zutreffend sein. Diese Wirkung ist mit der Amtsverfügung indes gerade intendiert und geht über den eigentlichen Zweck der angefochtenen Verbotsentscheidung nicht hinaus. Ihr Ziel ist es, die von der engen Bestpreisklausel ausgehende Beschränkung des Wettbewerbs zu beseitigen und den vertragsgebundenen Hotelunternehmen wieder die Möglichkeit zu verschaffen, im eigenen Onlinevertrieb niedrigere Zimmerpreise oder günstigere Konditionen anzubieten als sie die Beteiligten auf ihrem Hotelportal offerieren. Die Einschätzung der Beteiligten, durch diese Wiederherstellung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs werde das Vertrauen ihrer Kunden und die eigene Reputation verloren gehen, teilt der Senat nicht. Die Beteiligten lassen bei ihrer Argumentation unberücksichtigt, dass ihre Reputation und das Vertrauen der Kunden nicht nur auf den günstigen Preisen für die Buchung eines Hotelzimmers beruhen. Die Beteiligten betreiben keine schlichte Hotelpreisvergleichsseite, sondern bieten ihren Kunden bei der Nutzung ihrer Vermittlungsdienstleistungen einen nicht unerheblichen Mehrwert, der auch nach dem Vollzug der Amtsverfügung ungeschmälert erhalten bleibt und die Kunden bindet. Sie verschaffen den Kunden bei der Inanspruchnahme ihrer Hotelportalseite einen umfassenden Überblick über den Hotelmarkt des ausgewählten Gebiets, geben mit Bildern versehene detaillierte Informationen zu den Hotels und zum Reiseziel, stellen aussagekräftige Bewertungen früherer Hotelkunden zur Verfügung und gewähren großzügige Stornierungsmöglichkeiten. Zu den Kundenvorteilen gehört ferner die den Kunden weiterhin angebotene „Bestpreisgarantie“, die dem befürchteten Reputationsschaden entgegenwirken dürfte.
133Die von den Beteiligten angeführten Nachteile für die Verbraucher, der insbesondere in einem sehr hohen Suchaufwand nach dem günstigsten Preis für ein Hotelzimmer bestehen soll, sind bei realistischer Betrachtung fern liegend. Den Verbrauchern, die das Internet zum Einkauf von Dienstleistungen und Waren nutzen, ist inzwischen aus allen Lebensbereichen die Notwendigkeit eines Onlinepreisvergleichs bekannt, um den günstigsten Preis auffinden zu können. Dies stellt keine Besonderheit des Hotelzimmermarkts dar. Vielmehr ist gerade dort der Suchaufwand denkbar gering, weil der günstigste Preis problemlos durch die Inanspruchnahme einer Metasuchmaschine wie L. oder S. ermittelt werden kann.
134bb) Die Beteiligten haben die Tatsachen, auf die der Antrag gestützt wird, überdies nicht glaubhaft gemacht (§ 65 Abs. 4 S. 2 GWB). Die Antragsschrift und die Replik enthalten mit Ausnahme von - in den Fußnoten enthaltenen - Verweisen auf beigefügte Kopien einiger Urkunden weder irgendwelche Beweismittel (siehe auch § 57 Abs. 2 GWB) noch sind die Tatsachen durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht worden (siehe dazu § 294 Abs. 1 ZPO). Dies gilt insbesondere für den Vortrag zur angeblich fehlenden Wettbewerbsbeschränkung und zu den vermeintlichen Auswirkungen der Verfügung des Bundeskartellamts. Die vorgelegten Privatgutachten, von denen zwei nicht einmal den Ersteller erkennen lassen (Anlagen 11 und 15 zur Antragsschrift), stellen schlichten Sachvortrag dar und sind als Mittel der Glaubhaftmachung ungeeignet.
135III.
136Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie erfolgt mit der Beschwerdeentscheidung nach den Vorgaben des § 78 GWB, denn das Verfahren nach § 65 GWB und das Hauptsacheverfahren bilden eine Einheit (Bechtold/Bosch, GWB, 8. Aufl., 2015, § 65 Rn. 11 m.w.N.; Lembach in Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd. 1, 12. Aufl., 2014, § 78 Rn. 5).
137Der Streitwert wird auf bis zu 10.000.000 EUR festgesetzt (§ 39 Abs. 2 GKG).
138IV.
139Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 2 GWB) liegen nicht vor.
140Prof. Dr. Kühnen Lingrün Rubel
141Vorsitzender Richter Richter am Richter am
142am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Oberlandesgericht
143Rechtsmittelbelehrung:
144Die Hauptsachenentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
145Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.