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Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 27.12.2017 (VK 1-137/17) aufgehoben.
Die Aufhebung des Vergabeverfahrens „Erweiterung Marie-Elisabeth-Lüders-Haus – Abbruch-, Fräs- und HDW-Arbeiten“ wird aufgehoben und das Vergabeverfahren in den Stand vor Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückversetzt.
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragstellerin in diesem Verfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.
G r ü n d e
2I.
3Die Antragsgegnerin schrieb im Juni 2017 Sanierungsarbeiten an der von der Antragstellerin im Rohbau hergestellten WU-Konstruktion aus Stahlbeton im Bereich der Bodenplatte des Erweiterungsbaus des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses (MELH) europaweit im offenen Verfahren aus (2017-S 118-236146). Die Ausschreibung war in zwei Lose aufgeteilt. Los 1 betraf Abbruch-, Fräs- und Hochdruckwasserstrahlen(HDW)-Arbeiten, Los 2 Betonerhaltungsarbeiten nach DIN 18331/18349. Zuschlagskriterium war der Preis. Die Antragstellerin gab für beide Lose das günstigste Angebot ab. Allerdings schloss die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen Ausführungsmängeln des Rohbaus und einer hierauf gestützten vorzeitigen Beendigung des Vertrags gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Verfahren aus. Dies hatte folgenden Hintergrund:
4Die Antragstellerin hatte im Juni 2011 nach europaweiter Ausschreibung den Zuschlag für die Errichtung des Rohbaus einschließlich Bodenplatte für den Erweiterungsbau des MELH in C. von der Antragsgegnerin erhalten. Der Auftragswert betrug rund… Millionen Euro brutto. Grundlage des erteilten Auftrags war das Leistungsverzeichnis „Erweiterung Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Rohbauarbeiten Neubau“ vom 04.01.2011. Die Bodenplatte sollte danach als wasserundurchlässige WU-Konstruktion ausgeführt werden. Da das unterste Geschoss des MELH sämtliche Zentralen der Haustechnik des Gebäudes beherbergen sollte, war die Wasserundurchlässigkeit der Bodenplatte unabdingbar. Gewählt wurde die Nutzungsklasse A gemäß Richtlinie des deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) für „wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“, die folgende Kriterien erfüllen muss: Wasserdurchtritt in flüssiger Form nicht zulässig, Feuchtstellen auf der Bauteiloberfläche als Folge von Wasserdurchtritt sind auszuschließen.
5Die Bodenplatte wurde nach damaligem Stand der Technik als fugenlose WU-Konstruktion mit planmäßig auftretender Rissbildung konzipiert. Dabei war die Dichtigkeit der Bodenplatte so herzustellen, dass auftretende Trennrisse in ihrer Rissbreite begrenzt waren und sich die Trennrisse bei Wasserbeaufschlagung durch Selbstheilung und Versinterung abdichten sollten. In der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis heißt es unter anderem:
6„Zur Sicherstellung einer ausreichenden Gebrauchstauglichkeit wurde die rechnerische Rissbreite infolge Lasten und/oder Zwang gemäß DIN 1045-1 Abschnitt 11.2 mindestens unter der Annahme einer zentrischen Zwangsbeanspruchung aus fließender Hydrationswärme in der statischen Berechnung nachgewiesen. Die Einhaltung dieser Rissbreiten ist unbedingt sicherzustellen und auch durch betontechnologische Maßnahmen zu unterstützen.
7Undichte Stellen, Fehlstellen bzw. Rissbreiten, die die Richtwerte überschreiten, müssen nachträglich vom AN fachgerecht verpresst werden.“
8Eine gesonderte Leistungsposition zum Verpressen etwaiger Risse enthielt das Leistungsverzeichnis nicht.
9Mit Schreiben vom 01.11. und 28.11.2011 sowie vom 16.12.2011 meldete die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin Bedenken gem. § 4 Abs. 3 VOB/B dahingehend an, dass aufgrund der von der Planung vorgesehenen Bauweise ohne Bewegungsfugen Risse auftreten würden. Diese könnten nicht vermieden werden. Eine Nachbesserung könne nicht zu ihren Lasten erfolgen. Die planerische Forderung, die Rissbreiten bis 0,15 mm zu begrenzen, könne bei den gegebenen Bauwerksabmessungen nicht erfüllt werden. Die Vorgaben der WU-Richtlinie seien schon durch die Abbildung des Bauwerks als theoretisches Gesamtsystem (Faltwerk incl. kombinierte Platten-/Pfahlgründung) ohne die Berücksichtigung von Bauzuständen und den reellen Elastizitätsmodulen der einzelnen Betonbauteile nicht möglich.
10Ab Dezember 2012 traten nach Abschaltung der Wasserhaltung Undichtigkeiten in Gestalt wasserführender Risse an der WU-Konstruktion der Bodenplatte auf, die zu Wassereintritten in den Rohbau führte. Der geplante Bauablauf verzögerte sich.
11Unter dem 03.12.2012 und 26.02.2013 verfasste die Antragsgegnerin Mängelanzeigen wegen eindringenden Wassers. Die Antragstellerin führte daraufhin etwa eineinhalb Jahre lang Rissverpressungen zur Abdichtung durch, in deren Verlauf es zu oberflächlichen Betonabsprengungen kam.
12In einer Ergänzungsvereinbarung vom 25.06.2013 (Nachtragsvereinbarung NT 16) vereinbarten die Verfahrensbeteiligten u. a. Folgendes, wobei die Antragstellerin mit AN bezeichnet wird:
13„Präambel
14(…)
15Im Verlauf der bisherigen Bauarbeiten ist es zwischen den Parteien zu unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der weiteren Vertragstermine, dem Vorliegen von Behinderungs- bzw. Verzugstatbeständen und den Vergütungen diverser Nachträge gekommen. Es bestehen auch unterschiedliche Auffassungen über die Abrechnungen von LV-Positionen. Die Parteien schließen zur Beilegung dieser Meinungsverschiedenheiten und unter Abwägung aller Risiken die folgende Vereinbarung.
16(…)
172. Pauschalierung der Vergütung (nachträgliche Pauschalierung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A)
18(…)
19Die Pauschale beinhaltet alle zur Ausführung der Rohbauarbeiten Neubau erforderlichen Leistungen. Ebenso sind alle erkennbaren oder bekannten Mehrforderungen Inhalt der Pauschale.
20(…)
21Im Gebäude treten Risse auf. Der AN vertritt die Auffassung, dass er für diesen Mangel keine Verantwortung trägt. Der AN wird die Risse verpressen. Die Kostenübernahme erfolgt nach dem Verursacherprinzip.“
22Im Nachgang wurden von den Verfahrensbeteiligten und Dritten verschiedene Sachverständige mit der gutachterlichen Klärung der Verantwortlichkeit für die Undichtigkeiten beauftragt.
23Im Herbst 2015 machte die Antragstellerin die Durchführung weiterer Arbeiten von Abschlagszahlungen der Antragsgegnerin abhängig und stellte, als diese ausblieben, die Arbeiten gem. § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B ein. Die Antragsgegnerin war der Auffassung, bestehende Forderungen der Antragstellerin bereits überzahlt zu haben und machte dabei unter anderem Mängeleinbehalte und den Umstand geltend, dass die Verpressarbeiten nicht gesondert zu vergüten seien.
24Unter dem 03.11.2015 kündigte die Antragsgegnerin den Vertrag mit der Antragstellerin unter Berufung auf § 4 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 3 VOB/B aus wichtigem Grund. Die Herstellungs- und Verpressarbeiten seien mangelhaft ausgeführt. Zudem habe die Antragstellerin die Sanierungsarbeiten nicht wie gefordert am 02.11.2015 wieder aufgenommen, sodass sie die Mängelbeseitigungsfrist zum 31.01.2016 nicht einhalten werde. Die Antragstellerin verweigere die Vertragserfüllung. Sie verstoße dauernd und gröblich gegen ihre Mängelbeseitigungsverpflichtung aus § 4 Abs. 7 VOB/B und behebe die von ihr verursachten Mängel an der WU-Konstruktion nicht. Hilfsweise stützte die Antragsgegnerin die Kündigung aus wichtigem Grund auf vollständigen Vertrauensverlust und äußerst hilfsweise auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B. Die Antragstellerin widersprach der Kündigung.
25Im Herbst 2015 leitete die Antragstellerin ein selbständiges Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht Berlin ein. Ein Sachverständigengutachten liegt bisher nicht vor.
26Mit Schreiben vom 13.10.2017 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Vergabeverfahren aufgehoben worden sei, weil kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Es sei beabsichtigt, ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Das Angebot der Antragstellerin könne nicht berücksichtigt werden, weil es auf der Grundlage von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen werden müsse. Im Zeitraum 2013 – 2015 habe es die Antragstellerin nicht vermocht, die WU-Konstruktion mangelfrei und damit abnahmereif herzustellen. Zudem sei die Durchführung weiterer Mängelbeseitigungsarbeiten vertragswidrig von zuvor zu leistenden Abschlagszahlungen in Millionenhöhe abhängig gemacht worden. Nach wiederholter Abmahnung und Kündigungsandrohung habe der Rohbauvertrag aus wichtigem Grund gem. § 4 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 3 VOB/B gekündigt werden müssen, um die verweigerten Mängelbeseitigungsarbeiten von einem Drittunternehmer ausführen zu lassen.
27Mit Schreiben vom 23.10.2017 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren und die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens. Mit Schreiben vom 25.10.2017 wies die Antragsgegnerin die Rüge vollumfänglich zurück.
28Am 08.11.2017 erhob die Antragstellerin Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 27.12.2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die erforderliche mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung aus dem Bauvertrag, die auch von der geforderten Erheblichkeit sei, liege vor. Auch wenn noch keine abschließende rechtliche Klärung der Frage erfolgt sei, ob die Antragstellerin mangelhaft geleistet habe, reiche es für die Begründung der Ausschlussvoraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB aus, dass der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringe, die von einigem Gewicht seien, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basierten und die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters als nachvollziehbar erscheinen ließen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten sei streitig, ob die zum Wassereintritt führenden Risse auf Planungs- oder Ausführungsfehler zurückzuführen seien. Aus Sicht der Vergabekammer seien die Risse jedenfalls auch auf erhebliche Ausführungsmängel zurückzuführen. Dies könne den vorgelegten Sachverständigengutachten entnommen werden. Sowohl die Erstellung als auch die Rissverpressung seien mangelhaft ausgeführt worden. Die Ausführungsmängel seien in Anbetracht der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Bauwerks und des erheblichen Umfangs der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen auch als erheblich einzustufen. Die als belegt anzusehenden Mängel seien die grundlegende Ursache für die Kündigung des Rohbauvertrags. Die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB fehlerfrei ausgeübt.
29Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie geltend macht, ihr Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB und der Wechsel in das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb seien fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe nicht nachgewiesen, dass sie, die Antragstellerin, den Rohbauvertrag mangelhaft erfüllt habe. Die vorliegenden Sachverständigengutachten stellten weit überwiegend keine Ausführungsfehler der Antragstellerin fest. Dass Wasser durch die WU-Bodenplatte in das Untergeschoss des Gebäudes gelange, sei kein ihr anzulastender Mangel. Aufgrund der Bedenkenanzeigen habe sie für das Auftreten der Risse gem. § 13 Abs. 3 VOB/B nicht einzustehen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Bauwerks, namentlich den in der Bodenplatte liegenden Rohren und der Schwindbehinderung durch die Pfahlgründung, sei der Wassereintritt allein auf fehlerhafte Planungsvorgaben zurückzuführen. Es lägen keine relevanten Gefüge- oder Verbundstörungen vor. Dies ergebe sich aus den bislang bekannt gewordenen Erkenntnissen des Sachverständigen in dem selbständigen Beweissicherungsverfahren. Soweit durch Sachverständigengutachten Mängel in Form von Absackungen/Hohlstellen in den oberflächennahen Bereichen festgestellt worden seien, spielten diese für den Kündigungsgrund des Wassereintritts keine Rolle. Betroffen seien allenfalls Teilbereiche. Zudem seien mögliche Verbundstörungen zwischen Beton und Bewehrungsstahl ein planerisch zu antizipierendes Problem und damit kein Mangel. Die Betonnage sei fachgerecht erfolgt und beanstandungsfrei von dem von der Antragsgegnerin beauftragten Ingenieurbüro überwacht worden. Überfestigkeiten des eingebauten Betons seien nicht vorhanden. Die Risssanierung sei nicht fehlerhaft erfolgt. Aufgrund von Planungsfehlern und späteren Lastumlagerungen des Gebäudes nach Fertigstellung in Verbindung mit zusätzlichen unterschiedlichen Setzungen sei es zu erheblichen Rissbildungen mit Wassereintritt gekommen. Die Verpress- und Abdichtungsmaßnahmen seien durchgängig mit der Bauüberwachung abgestimmt und ausgeführt worden. Soweit diese nicht in allen Fällen zum Erfolg geführt hätten, hätte dies – so die Behauptung der Antragstellerin – daran gelegen, dass die Rissbildung zum Zeitpunkt der Durchführung der Verpressarbeiten noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Erfolgreich verpresste Risse hätten sich aufgrund der nicht abgeschlossenen Setzungsbewegung mitunter wieder geöffnet.
30Die angestrebte Nutzungsklasse A sei mit der gewählten fugenlosen Ausführung nicht zu erreichen gewesen. Die Antragsgegnerin habe die angestrebte Selbstheilung der Risse nicht abgewartet und durch vorzeitig angeordnete Verpressarbeiten sogar endgültig vereitelt, weil eine Selbstheilung bei verpressten Rissen nicht mehr möglich sei. Zudem werde seit 2015 in der Fachliteratur bezweifelt, dass die in der vorher gültigen WU-Richtlinie angenommene Selbstheilung als Grundlage einer technischen Regel genügend ausgereift sei. Eine Selbstheilung von Rissen bis 0,15 mm sei bei einem Wasserdruck bis 10 m nicht mehr zuverlässig zu erwarten. Vorliegend seien im Bereich der Wände Rissbreiten bis zu 0,15 mm und im Bereich der Bodenplatte bis zu 0,2 mm vorgegeben gewesen, wobei der Bemessungswasserstand im Bereich der Bodenplatte bei knapp 10 m gelegen habe. Nach der Einschätzung des Bundesverbandes öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V. aus dem Jahr 2016 komme bei Kellerräumen des Wohnungsbaus der Nutzungsklasse A nur der Entwurfsgrundsatz der Rissvermeidung in Betracht. Zudem könne danach bei wechselnden Wasserständen mit einer Selbstheilung nicht gerechnet werden. Im Bereich des MELH schwanke die Wassersäule aber um bis zu 5,21 m. Nach fortgeschriebener WU-Richtlinie mit Stand Dezember 2017 sei der Entwurfsgrundsatz der Rissbreitenbegrenzung bei Beanspruchung durch drückendes Wasser und Annahme der Selbstheilung nur für die Nutzungsklasse B und unter Umständen während der Bauzeit anwendbar. Bei Nutzungsklasse B seien Feuchtestellen durch Wasserdurchtritt zulässig.
31Sie, die Antragstellerin, sei zur Verweigerung weiterer Verpressarbeiten berechtigt gewesen, weil es sich insoweit weder um Arbeiten im Rahmen des ursprünglichen Vertrags, noch um Mangelbeseitigungsarbeiten gehandelt habe. Zudem habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen bei dem Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht ausgeübt. Es bestehe keine negative Eignungsprognose.
32Die Antragstellerin beantragt,
331. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Aufhebung des Vergabeverfahrens „Erweiterung Marie-Elisabeth-Lüders-Haus - Abbruch-, Fräs- u. HDW-Arbeiten, Beton und Betonerhaltungsarbeiten“ zurückzunehmen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdesenats zu wiederholen,
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, in dem von ihr angekündigten Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb einen Zuschlag zu erteilen,
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
38die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
39Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt vor, die Beurteilung der zivilrechtlichen Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung aus wichtigem Grund müsse den Zivilgerichten überlassen bleiben. Durch eine für die Antragstellerin günstige vergaberechtliche Entscheidung werde bei einer Zuschlagserteilung an die Antragstellerin in den Regelungsmechanismus des § 4 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 3 VOB/B eingegriffen, weil dadurch nicht ein Dritter, sondern der Verursacher der Kündigung mit der Mängelbehebung entgeltlich beauftragt würde. Ursächlich für den ausbleibenden Erfolg der Verpressung sei deren zu oberflächennahe Ausführung gewesen. Auch nach neuer WU-Richtlinie seien in der Nutzungsklasse B Wasserdurchtritte in flüssiger Form, die zum Ablaufen oder Abtropfen von Wassertropfen oder zu Pfützen führten, unzulässig. Die hergestellte Bodenplatte erfülle auch nicht die Anforderungen der Nutzungsklasse B.
40Wegen der übrigen Sachverhaltseinzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung, die Schriftsätze nebst Anlagen, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie die Vergabeakten Bezug genommen.
41II.
42Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Ihr Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
431.
44Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
45Die Antragsgegnerin beabsichtigt, als öffentliche Auftraggeberin einen öffentlichen Bauauftrag, der den Schwellenwert von 5.225.000 Euro übersteigt, zu vergeben. Die Antragstellerin ist als Bieterin antragsbefugt gem. § 160 Abs. 2 GWB. Indem sie die Rüge erhebt, die Voraussetzungen ihres Ausschlusses vom Vergabeverfahren gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB lägen nicht vor, macht sie die Verletzung ihrer Rechte nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Durch den Ausschluss vom Vergabeverfahren sind die Zuschlagschancen der Antragstellerin beeinträchtigt.
46Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteilung der Antragsgegnerin, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, gestellt, § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB.
472.
48Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
49Die Aufhebung des Vergabeverfahrens gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A EU mit der Begründung, es sei kein Angebot eingegangen, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche, ist vergaberechtsfehlerhaft.
50Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren auszuschließen mit der Folge, dass letztlich kein zuschlagsfähiges Angebot vorlag, ist fehlerhaft. Die für die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin hat schon nicht nachgewiesen, dass die Antragstellerin eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung des Rohbauvertrages erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat, so dass es keiner weiteren Prüfung bedarf, ob der Vertrag durch die Antragsgegnerin wirksam vorzeitig beendet worden ist.
51a.
52Nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
53Voraussetzung ist danach eine erhebliche oder fortdauernd mangelhafte Vertragserfüllung (siehe unter aa.). Zudem muss sich die Vertragspflichtverletzung auf eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags beziehen (siehe unter bb.).
54aa.
55Der Begriff der mangelhaften Erfüllung ist im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht streng zivilrechtlich zu interpretieren. Er ist vielmehr umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu verstehen (Senatsbeschluss vom 28.03.2018, VII-Verg 49/17; so auch Ley in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Auflage, § 124 GWB Rz. 153). Erfasst sind sowohl vertragliche Haupt- als auch Nebenpflichten (vgl. BT-Drucksache 18/6281, Seite 106). Im Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/14/EU werden als Beispiel für eine mangelhafte Vertragserfüllung Lieferungs- oder Leistungsausfall oder erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, genannt. Die mangelhafte Erfüllung eines früheren Auftrags muss von beträchtlichem Gewicht sein, denn gefordert ist eine erhebliche oder fortdauernde Vertragspflichtverletzung. Das Merkmal der Erheblichkeit betrifft den Umfang, die Intensität und den Grad der Vorwerfbarkeit der früheren Vertragsverletzung (so auch Opitz in Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 124 GWB, Rz. 91, ebenso Ley in Reidt/Stickler/Glahs, a.a.O., § 124 Rz. 153 ff.; Ohrtmann in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl., § 124 Rz. 77). Die Richtlinie 2014/24/EU und auch der nationale Gesetzgeber sprechen in diesem Zusammenhang von einem schwerwiegenden beruflichen Fehlverhalten des Unternehmens (Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU; BT-Drucksache 18/6281, S. 104).
56bb.
57Die erheblich oder fortdauernd mangelhafte Vertragserfüllung muss zudem eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags betreffen. Ohne Zweifel erfasst sind hiervon Hauptleistungspflichten des Vertrags. Allerdings können auch vertragliche Nebenpflichten im Einzelfall eine wesentliche Anforderung eines Vertrags darstellen. Entscheidend für das Merkmal der Wesentlichkeit ist die Bedeutung der vertraglichen Anforderung für den öffentlichen Auftraggeber und infolgedessen, welche Auswirkungen die mangelhafte Leistung für den öffentlichen Auftraggeber hat. Dies können beispielsweise deutliche Belastungen in tatsächlicher oder finanzieller Hinsicht sein (so etwa Opitz in Burgi/Dreher, a.a.O., Rz. 91).
58b.
59Unterschiedliche Auffassungen werden dazu vertreten, welche Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu stellen sind, wenn ein Unternehmen die Kündigung des öffentlichen Auftraggebers – so wie hier - nicht akzeptiert.
60Einigkeit besteht nur insoweit, als die Tatsachen, auf die die Ausschlussentscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützt wird, nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein müssen (vgl. OLG München, Beschluss vom 05.10.2012, Verg 15/12, juris-Tz. 77; OLG Koblenz, Beschluss vom 25.02.2015, 1 Verg 5/14, juris-Tz. 5; so auch Ley in Reidt/Stickler/Glahs, a.a.O., § 124 GWB Rz. 160a).
61Nach Auffassung des OLG Celle liegt das Beweismaß für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO und dem Vollbeweis gemäß § 286 ZPO. Es reiche aus, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringe, die von einigem Gewicht seien, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basierten und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen ließen (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017, 13 Verg 9/16, juris-Tz. 29).
62In der Literatur wird teils die Auffassung vertreten, dass es wegen des Beschleunigungsgebots des Vergabenachprüfungsverfahrens keiner umfangreichen und langwierigen Beweisaufnahme bedürfe und eine Glaubhaftmachung der Ausschlussgründe ausreichend sei (Opitz in Burgi/Dreher, a.a.O, § 124 GWB Rz. 96 und 42; Ley in Reidt/Stickler/Glahs, a.a.O. § 124 GWB, Rz. 160a), teils wird der Vollbeweis durch den öffentlichen Auftraggeber verlangt (vgl. Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 124 GWB Rz. 101; Niebuhr, VergabeR 2017, 335, 346; Friton/Meister, jurisPR-VergR 4/2017 Anm. 3).
63Der Senat hat die Fragen bisher noch nicht entschieden, tendiert allerdings dazu, dass der öffentliche Auftraggeber bezüglich der von der Vorschrift verlangten Schlechterfüllung Gewissheit erlangt haben muss, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (Senatsbeschluss vom 28.03.2018, VII-Verg 49/17).
64c.
65Nach Maßgabe der zuvor genannten Voraussetzungen genügt der auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützte Ausschluss der Antragstellerin aus dem Vergabeverfahren nicht den Anforderungen.
66aa.
67Allerdings ist nach dem Vortrag der Antragsgegnerin von einer erheblich mangelhaften Erfüllung einer wesentlichen Anforderung des Vertrags über die Errichtung des Rohbaus einschließlich der Bodenplatte des Erweiterungsbaus des MELH auszugehen, soweit die Undichtigkeit der Bodenplatte in Rede steht. Unstreitig ist die von der Antragstellerin hergestellte Bodenplatte – nicht wie vertraglich vereinbart – wasserundurchlässig, sondern weist wasserführende Risse auf, wobei die Wasserundurchlässigkeit der Bodenplatte für die Nutzung des Erweiterungsbaus von wesentlicher Bedeutung ist. Gleichwohl liegt eine mangelhafte Vertragserfüllung nur dann vor, wenn die Antragstellerin den Mangel zumindest mitverursacht hat, mithin die Mängelursache auch aus ihrem Verantwortungsbereich stammt und eine Haftung nach § 13 VOB/B begründet. Für eine erheblich mangelhafte Vertragserfüllung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist dabei in der Regel zu fordern, dass der Auftragnehmer den Mangel allein oder überwiegend verursacht hat.
68Zwar behauptet die Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe den Mangel allein durch eine mangelhafte Bauausführung verursacht. Jedoch kann sie die Richtigkeit ihrer von der Antragstellerin in Abrede gestellten Behauptung nicht nachweisen. Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob der vom OLG Celle befürwortete Beweismaßstab anzulegen oder der Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO zu fordern ist. Nach beiden Maßstäben konnte die Antragsgegnerin bei Ausschluss der Antragstellerin von der Teilnahme am Vergabeverfahren nicht davon ausgehen, dass die Antragstellerin die Undichtigkeit der Bodenplatte allein oder weit überwiegend verursacht hat. Die Antragsgegnerin konnte weder Gewissheit darüber erlangen, dass die Antragstellerin eine wesentliche Anforderung des Rohbauvertrags vom 14.06.2011 erheblich mangelhaft erfüllt hat, noch liegen Indiztatsachen von einigem Gewicht vor, die die Entscheidung über den Ausschluss nachvollziehbar erscheinen lassen.
69bb.
70Der Antragsgegnerin lagen zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zehn Gutachten oder gutachtliche Stellungnahmen vor, die teils von ihr selbst, teils von ihrer Versicherung, der Antragstellerin und dem Landgericht Berlin in Auftrag gegeben worden sind. Die Gutachter kommen allerdings zu keinem einheitlichen Ergebnis. Während einige die Mängelverursachung allein der Antragstellerin gestützt auf Ausführungsfehler bei der Erstellung der Bodenplatte zuweisen, sehen andere die alleinige Verantwortung bei der Antragsgegnerin aufgrund ihr zuzurechnender Planungsfehler. Andere gehen schließlich von einer Überlagerung von Planungsfehlern und Ausführungsfehlern aus.
71(1)
72Für eine überwiegende Verursachung der undichten Bodenplatte durch Ausführungsfehler der Antragstellerin sprechen zwei Stellungnahmen. Es handelt sich hierbei um die gutachterliche Stellungnahme der Ls.+Lj. GmbH vom 09.10.2015 (Anlage 20 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018) und das Gutachten der j. N. GmbH vom 30.07.2016 (Anlage 24 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.04.2018 und Anlage 9 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 28.11.2017)
73Die gutachterliche Stellungnahme der Ls.+Lj. GmbH vom 09.10.2015 gelangt zu dem Ergebnis, dass ausführungsbedingte Ursachen für die Wasserdurchlässigkeit vorherrschend sind, namentlich unzureichende und nicht fachgerechte Betonverdichtung, falsche Betonnachbehandlung, Überfestigkeit des verwendeten Betons, falscher Einbau von Rohrleitungen, Verwendung von Schalungsankern ohne Dichtkragen und nicht fachgerechte Verpressarbeiten. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 20 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018 Bezug genommen.
74Das Gutachten der j. N. GmbH vom 30.07.2016 enthält Ausführungen und Lichtbilder zu einer Vielzahl von Ausführungsfehlern der Antragstellerin beim Betonieren und der Betonnachbehandlung. Das Gutachten stellt zusammenfassend fest, dass die Ursachen für die entstandenen Schäden im Wesentlichen ausführungsbedingt seien, aber auch Defizite bei der örtlichen Bauüberwachung begünstigend gewesen seien. Dem Gutachten kann ferner entnommen werden, dass der weit überwiegende Teil der verpressten Risse Rissbreiten von weniger als 0,2 mm aufgewiesen hat und damit im Rahmen der planerischen Vorgaben lag. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 24 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.04.2018 und Anlage 9 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 28.11.2017 Bezug genommen.
75(2)
76Die zuvor genannten Stellungnahmen stehen jedoch in unlösbarem Widerspruch zu den übrigen Gutachten, soweit diese Ausführungen zu den Ursachen der wasserführenden Risse in der Bodenplatte machen.
77(2.1)
78Zwei Gutachten der M. + F. sehen die Ursachen des Wassereintritts allein im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin.
79Die gutachtliche Stellungnahme vom 20.05.2015 (Anlage ASt 13 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2017) geht von einem Planungsfehler der Antragsgegnerin aus. So sei zu erwarten gewesen, dass auftretende Trennrisse wasserführend sein würden. Eine Selbstheilung sei nicht zielsicher zu erwarten gewesen. Signifikante Ausführungsfehler seien nicht feststellbar. Das Nichteintreten der Selbstheilung sei aus technischer Sicht nicht vom Bauunternehmen zu vertreten. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage ASt 13 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2017 verwiesen.
80Die gutachtliche Stellungnahme vom 16.09.2015 (Anlage BF3 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10.01.2018) bezweifelt zudem ausdrücklich die im Gutachten der Q.K. vom 21.07.2015 festgestellte Überfestigkeiten des Betons und falsche Betonzugfestigkeit als Schadensursache und benennt demgegenüber die möglichen großen Schwankungsbreiten der Wasserdrücke und nachträgliche Zwangsbeanspruchungen als Schadensursache. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage BF3 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 10.01.2018 Bezug genommen.
81(2.2)
82Das Gutachten der Q.K. vom 12.03.2014 (Anlage 15 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018 und Anlage ASt 10 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2017) führt in der zusammenfassenden Stellungnahme aus, dass der Wassereintritt weder auf Planungs- noch auf Ausführungsfehler zurückzuführen sei. Die geplante Ausführung habe eine generell gültige Bauweise nach den anerkannten Regeln der Technik dargestellt. Ein temporärer Wasserdurchtritt nach Fertigstellung infolge drückenden Wassers sei absehbar gewesen. Damit sei die angestrebte Nutzungsklasse A nicht zu erreichen gewesen. Der Wasserdurchtritt sei durch Trennrisse erfolgt, die die zulässigen Rissbreiten nicht überschritten hätten. Die Trennrisse müssten nun nachträglich verpresst werden, weil die zur Selbstabdichtung erforderliche Zeit von bis zu sechs Monaten nicht zur Verfügung gestanden habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 15 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018 und Anlage ASt 10 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2017 verwiesen.
83Das Gutachten des E. C.- und Cb. vom 25.04.2014 bestätigt das Ergebnis des vorgenannten Gutachtens und führt aus, dass die Kosten für anfallende Verpressarbeiten in jedem Fall entstanden wären, da die Planung der WU-Konstruktion Bewehrungsstahl eingespart habe und das Verpressen der Risse systembedingt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage ASt 11 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 08.11.2017 Bezug genommen.
84(2.3)
85Von einer Überlagerung von Planungs- und Ausführungsfehlern gehen zwei weitere Gutachten aus.
86Das Gutachten der D. vom 14.10.2014 (Anlage 16 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018) stellt Planungs- und Ausführungsfehler fest. Danach gehören hierzu Schwindvorgänge des Betons, thermisch bedingte Längenänderungen, die weitgehende Ausnutzung planerischer Spielräume, Überfestigkeit des eingebauten Betons, ausführungsbedingte Mängel der unzureichenden Verdichtung sowie unzureichenden Betoneinbaus, die ungeeignete Ausführung ummantelter Rohrleitungen innerhalb der Sohlen ohne Wasserumlaufsperren und von Leerrohrtrassen. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 16 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018 verwiesen.
87Das Gutachten der Q.K. GmbH vom 21.07.2015 wiederholt die vorgenannte Einschätzung und führt aus, dass nicht bewertet werden könne, in welcher Größenordnung sich aufgrund der schadensbegünstigenden planungs- und ausführungsbedingten Ursachen der Umfang der wasserführenden, nachträglich abzudichtenden Trennrisse erhöht habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage 17 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018 und Anlage 4 zum Schriftsatz vom 15.11.2017 Bezug genommen.
88(2.4)
89Der in dem selbständigen Beweissicherungsverfahren vor dem Landgericht Berlin mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige T. hat bisher noch kein Gutachten erstattet, jedoch unter dem 09.02.2017 „Ergebnisse der Untersuchung der Bodenplatte“ schriftlich festgehalten, die auch der Antragsgegnerin bei der Entscheidung über den Ausschluss der Antragstellerin bekannt waren (Anlage ASt 21 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 22.11.2017). Danach bestehen Feuchtigkeitsstellen an der Bodenplattenoberfläche. Es gebe keine Hinweise auf Kavernen, keine signifikante Lunkerbildung und eine Luftporenanreicherung im üblichen Rahmen. Schichtbildungen und Entmischungen seien nur vereinzelt erkennbar, jedoch auch dort keine Schichtenablösungen („Kaltfuge“). Eine „blätterteigartige“ Struktur des Betons sei nicht erkennbar. Es seien Ablösungen des Betons unterhalb der oberen Bewehrung vorhanden. Die obere Bewehrungslage sei teilweise mit Zement (ZL oder ZS) und teilweise mit PU-Schaum verpresst. Die Betondeckung der oberen Bewehrungslage sei teilweise flächig abgesprengt. Wasseraustritt unterhalb der oberen Bewehrungslage sei feststellbar. Wasserführende Risse seien vorhanden. Die Rissbreiten seien nicht messbar. Grundleitungsrohre seien mit einer PE-Hülle ummantelt. Es gebe erkennbare Undichtigkeiten entlang der Einbauteile in der Bodenplatte.
90(3)
91Bei dieser widersprüchlich Gutachtenlage konnte die Antragsgegnerin weder die Überzeugung gewinnen, dass Ausführungsmängel der Antragstellerin beim Erstellen der Bodenplatte für die Undichtigkeit allein oder weit überwiegend ursächlich waren, noch lagen Indiztatsachen von einigem Gewicht vor, die eine Allein- oder überwiegende Mitverursachung nachvollziehbar erscheinen ließen.
92Weder den Gutachten selbst, noch dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, warum der gutachterlichen Stellungnahme der Ls.+Lj. GmbH vom 09.10.2015 (Anlage 20 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 22.01.2018) und dem Gutachten der j. N. GmbH vom 30.07.2016 (Anlage 24 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.04.2018 und Anlage 9 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 28.11.2017) mehr Überzeugungskraft beizumessen sein soll als den anderen, den vorgenannten Gutachten widersprechenden gutachterlichen Feststellungen.
93Das Gutachten der Ls.+Lj. GmbH leidet bereits daran, dass es auf etwaige planerische Fehler aus dem Bereich der Antragsgegnerin nicht eingeht. Grund hierfür mag sein, dass diese Gesellschaft als Tragwerksplaner im Auftrag der Antragsgegnerin am Bau selbst beteiligt war. Dem Gutachten der j. N. GmbH vom 30.07.2016 sind zwar umfassende Prüfungen und Untersuchungen auf der Baustelle vorausgegangen, weshalb es den übrigen Gutachten möglicherweise bei der Feststellung relevanter Tatsachen überlegen sein könnte. Jedoch werden etwaige Ausführungsfehler der Antragstellerin, die auch in dem Gutachten der Q.K. GmbH vom 21.07.2015 angesprochen worden sind, insbesondere in der gutachterlichen Stellungnahme der M. + F. vom 16.09.2015 dezidiert angezweifelt. Zudem hat auch der gerichtlich bestellte Sachverständige T. in seinen vorläufigen Ausführungen gravierende Ausführungsmängel nicht feststellen können.
94Hinzu kommt, dass das Gutachten j. N. keine konkreten Aussagen zu etwaigen Planungsfehlern der Antragsgegnerin enthält, obwohl nach den übrigen Sachverständigengutachten, die teils im Auftrag der Antragsgegnerin (D. ), ihrer Versicherung (Q.K. GmbH) und der Antragstellerin (M. + F. ) erstellt wurden, deutliche Anhaltspunkte für mängelverursachende Planungsfehler der Antragsgegnerin bestehen.
95Ist aber der Verursachungsbeitrag der Antragstellerin in Bezug auf die Undichtigkeit der Bodenplatte völlig unklar, weil neben etwaigen Ausführungsmängeln beim Erstellen der Bodenplatte gleichermaßen Planungsfehler der Antragsgegnerin als Mängelursache in Betracht kommen können, konnte die Antragsgegnerin weder Gewissheit über die Frage der Verursachung erlangen, noch nach den geringeren Anforderungen des Oberlandesgerichts Celle gestützt auf Indiztatsachen zu der nachvollziehbaren Entscheidung gelangen, dass der Antragstellerin eine erheblich mangelhafte Vertragserfüllung anzulasten ist.
96d.
97Auch die übrigen von der Antragsgegnerin in der Kündigung des Rohbauvertrags vom 03.11.2015 angeführten Vertragsverletzungen der Antragstellerin vermögen einen Ausschluss vom Vergabeverfahren gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht zu rechtfertigen.
98Ungeachtet der Frage, ob die Antragsgegnerin die Kündigung des Vertrags überhaupt auch auf Ausführungsmängel bei den Verpressarbeiten gestützt hat, läge darin keine zum Ausschluss vom Vergabeverfahren berechtigende erhebliche mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung des Auftrags. Denn etwaige Mängel an Verpressarbeiten haben allenfalls – so der Vortrag der Verfahrensbeteiligten und die damit übereinstimmenden Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen T. – zu oberflächlichen Betonabplatzungen geführt. Dass es sich hierbei aber auch unter Berücksichtigung des Auftragsvolumens des gesamten Rohbauvertrags um eine gravierende Vertragsverletzung handelt, ist dem Vortrag der Antragsgegnerin und auch dem übrigen Akteninhalt nicht zu entnehmen.
99Auch die von der Antragsgegnerin in der Kündigung angesprochene Weigerung der Antragstellerin, mit der Verpressung der Risse fortzufahren, ist nicht als erhebliche Vertragsverletzung im Sinn von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu qualifizieren. Die Verfahrensbeteiligten sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob die Antragstellerin als Verursacherin der Mängel die Verpressarbeiten an der Betonplatte ohne gesonderte Zahlung auszuführen hat oder ob sie dafür eine gesonderte Vergütung verlangen und infolgedessen gem. § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B die Fortsetzung der Arbeiten von weiteren Zahlungen abhängig machen konnte.
100Meinungsverschiedenheiten oder das Androhen rechtlich zulässiger Schritte reichen für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht aus (BGH, Urteil vom 17.02.1999, X ZR 101/97, juris-Tz. 30; Opitz in Burgi/Dreher, a.a.O., § 124 Rz. 90; Conrad in Müller-Wrede, GWB, § 124 Rz. 52 für den Ausschlussgrund gem. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB). Bei der nachträglichen Pauschalierung der Vergütung für die Rohbauarbeiten haben die Verfahrensbeteiligten den Punkt der Kostenübernahme für die Verpressarbeiten ausdrücklich ausgenommen. Dass in der Folge beide Seiten weiter auf ihrem Rechtsstandpunkt beharren, die jeweils andere Seite sei für den Wassereintritt verantwortlich, begründet keine erhebliche oder fortdauernde Verletzung wesentlicher Vertragspflichten.
101III.
102Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2, 82, 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB.
103Die Entscheidung zur Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Vergabekammer beruht auf §§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB, 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 VwVfG.
104Streitwert: bis 185.000,00 Euro (§ 50 Abs. 2 GKG).