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I.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10.01.2018 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 04.09.2017 wird zurückgewiesen.
Auf ihre entsprechenden Anträge vom 18.09.2017 und 22.09.2017 wird gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 6.000,- € festgesetzt sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 500,- € ein Tag Ordnungshaft.
II.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Gläubigerin zu 45 % und die Schuldnerin zu 55 % zu tragen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n de :
2I.
3Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.08.2017 ist der Schuldnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) mit dem Namen „Tinnitus X.“ in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen als
4„zur diätetischen Behandlung von Tinnitus, vor allem bei erniedrigtem Q10-Blutspiegel“,
5wenn dies geschieht wie in den Anlagen BL 2 und/oder BL 3 wiedergegeben, die nachfolgend auszugsweise eingeblendet werden:
6 7 8Dieses Urteil hat die Gläubigerin der Schuldnerin am 10.08.2017 zustellen lassen, die daraufhin am 11.08.2017 eine Abschlusserklärung abgegeben und die genannte Entscheidung des Landgerichts als endgültige Regelung anerkannt hat.
9Mit Schriftsatz vom 04.09.2017 (1. Bestrafungsantrag) hat die Gläubigerin beantragt, gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlung gegen das genannte Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld festzusetzen, nachdem ihr am 17.08.2017 und 21.08.2017 bei unterschiedlichen Apotheken bzw. der Y. GmbH testweise erworbene Produkte „Tinnitus X.“ geliefert worden waren, die weiterhin die Auslobung „zur diätetischen Behandlung von Tinnitus, vor allem bei erniedrigtem Q10-Blutspiegel“ enthielten. Die Schuldnerin hat insoweit eingewandt, alle gewerblichen Abnehmer darüber informiert zu haben, dass ihr mit einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Düsseldorf untersagt worden sei, das Produkt „Tinnitus X.“ als diätetisches Lebensmittel zur diätetischen Behandlung von Tinnitus weiter in den Verkehr zu bringen, und sie aufgefordert zu haben, die entsprechende Ware zurück zu senden. Wenn bei einzelnen Apotheken das entsprechende (auf den 14.08.2017 datierte) Schreiben (Anlage BL 5) verspätet angekommen sein sollte, ergebe sich aus solchen Ausreißern noch kein generelles Verschulden. Demgegenüber hat die Gläubigerin vorgetragen, das Schreiben sei erst am 28.08.2017 versandt worden.
10Mit Antrag vom 18.09.2017 (2. Bestrafungsantrag) hat die Gläubigerin die Verhängung eines weiteren Ordnungsgeldes beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Schuldnerin habe erneut gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, indem sie auf der für die gesamte Pharmabranche entscheidenden, ab dem 13.09.2017 stattfindenden Leit-Messe „P.“ einen Firmenkatalog mit dem Titel „Das Z.-Konzept“ ausgelegt und ausgehändigt habe, auf dessen – nachfolgend eingeblendeter – Seite 16 unter graphischer Abbildung des Produkts „Tinnitus X.“ als Einsatzgebiete für die dort beworbenen ergänzend bilanzierten Diäten auch „Tinnitus“ benannt worden sei, was die Gläubigerin für einen kerngleichen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot hält:
11 12Mit Antrag vom 22.09.2017 (3. Bestrafungsantrag) hat die Gläubigerin unter Hinweis darauf, dass der genannte Katalog von der Schuldnerin am 15.09.2018 auch postalisch versandt worden sei, die Verhängung eines weiteren Ordnungsgeldes beantragt.
13Die Schuldnerin hat sich gegenüber den Bestrafungsanträgen zu 2) und 3) damit verteidigt, ihr sei nicht untersagt worden, den Firmenkatalog zu vertreiben. Das Unterlassungsgebot beziehe sich auf die konkrete Verletzungsform der Anlagen BL 2 und BL 3. Der Katalog sei auf der Messe am 14. und 15.09.2017 nicht in großem Umfang, sondern (nur) auf konkrete Anfrage einzelner Interessenten ausgegeben worden. Bei solchen Anfragen liege keine Werbung vor. § 1 Abs. 5 HWG gelte entsprechend. Eine gewisse Übergangsphase zur Umstellung von Werbemitteln müsse ihr zugestanden werden.
14Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss gegen die Schuld-nerin ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 11.000,- €, ersatzweise für je 500,- € ein Tag Ordnungshaft verhängt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schuldnerin habe zum einen gegen die ihr nach der Rechtsprechung des BGH obliegende Rückrufpflicht verstoßen. Sie habe aber auch dadurch gegen den Verbotstenor verstoßen, dass sie den Firmenkatalog auf der Messe ausgehändigt und im Übrigen verschickt habe. Es handele sich um einen kerngleichen Verstoß. Der Schuldnerin falle auch Verschulden, zumindest Fahrlässigkeit zur Last. Sie habe alles in ihrer Macht stehende unternehmen müssen, um Verstöße gegen das Unterlassungsgebot mit sofortiger Wirkung abzustellen. Vor dem 28.08.2017 habe sie jedoch keine hinreichend wirksamen Maßnahmen ergriffen. Auch wenn für sie nach Abwicklung der entsprechenden Kaufvorgänge keine rechtliche Handhabe bestanden habe, von den Händlern die Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu verlangen, sei es ihr möglich und zumutbar gewesen, die Händler um Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu ersuchen. Bzgl. der Auslegung/Aushändigung des Katalogs auf der Messe und seiner Versendung hätte die Schuldnerin erkennen müssen, dass es sich um eine kerngleiche Verletzung handele. Für den unterlassenen Rückruf hat das Landgericht ein Ordnungsgeld von 5.000,- € für angemessen erachtet, für das Auslegen und Verteilen des Katalogs auf der Messe ein solches von ebenfalls 5.000,- € und für die Versendung des Katalogs ein solches von 1.000,- €. Bei der Bemessung hat es u.a. die Vielzahl der Verstöße und ein grobes Verschulden der Schuldnerin berücksichtigt.
15Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde und macht geltend, das Schreiben vom 14.08.2017 habe noch einer entsprechenden Freigabe durch den Geschäftsführer bedurft, die erst am 28.08.2017 habe erfolgen können. Vorsatz bzw. böse Absicht hätten in diesem Zusammenhang nicht vorgelegen. Die Auslage des Katalogs auf der Messe stelle keinen kerngleichen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot dar. Die bloße Abbildung der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Vertrieb gebrachten Produkte habe einen völlig anderen „Unrechtscharakter“ als die tatsächliche Abgabe eines Produkts. Weshalb sie habe erkennen müssen, dass es sich um eine kerngleiche Verletzung handele, habe das Landgericht nicht begründet. Zudem habe es die Norm des § 1 Abs. 5 HWG nicht berücksichtigt. Die Nichtabgabe des Katalogs auf der Messe hätte sie unverhältnismäßig in ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten beeinträchtigt. Der Katalog beziehe sich auf 40 Präparate, ein Neudruck erfordere daher etwas Zeit. Nichts anderes gelte für die Übersendung des Katalogs. Schließlich sei die Höhe des Ordnungsgeldes unverhältnismäßig. Grobes Verschulden könne ihr nicht zur Last gelegt werden und widerspreche der vom Landgericht zuvor vorgenommenen Einstufung des Verhaltens als fahrlässig.
16Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 15.03.2018 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, das Vorbringen der Schuldnerin zur Urlaubsabwesenheit der zuständigen Sachbearbeiterin führe zu keiner anderen Beurteilung des Verschuldens. Es sei bereits nicht nachvollziehbar, warum der Geschäftsführer eine Entscheidung nicht ohne diese habe treffen können. Das Charakteristische der tenorierten Verletzungshandlung – nämlich die Bewerbung des Produkts „Tinnitus X.“ – finde sich in der Bewerbung durch den Katalog wieder. Das Auslegen und Verteilen des Katalogs auf der Messe stelle eine Werbemaßnahme dar.
17Mit Beschluss vom 30.10.2017 hat das Landgericht im Verfahren 12 O 127/17 (beim Senat unter dem Aktenzeichen I-20 W 83/17 anhängig) wegen identischer Sachverhalte das Produkt „Z. Tinnitus X.“ der Schuldnerin betreffend mit – im Wesentlichen – identischer Begründung ebenfalls ein Ordnungsgeld von insgesamt 11.000,- € verhängt.
18II.
19Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist nur im Hinblick auf das Inverkehrbringen ihres Katalogs durch die Schuldnerin auf der Messe „P.“ im Zeitraum 13. bis 15.09.2017 sowie die Übersendung des Katalogs an Frau R. am 15.09.2017, nicht jedoch im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass unter den Beschlusstenor fallende Produkte am 17.08.2017 und 21.08.2017 noch im Verkehr waren.
201.)
21Was den zuletzt genannten Aspekt anbelangt, fehlt es an einer Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen den von der Gläubigerin erwirkten Unterlassungstitel. Die vom Landgericht angenommene Rückrufpflicht der Schuldnerin besteht aufgrund des Urteils des Landgerichts vom 02.08.2017 nach Ansicht des Senats ebenso wenig wie die Pflicht, selbständige Abnehmer aufzufordern, die angegriffene Ausführungsform vorläufig nicht weiter zu vertreiben, welche der 1. Zivilsenat des BGH von Unterlassungstiteln, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind, erfasst ansieht (vgl. GRUR 2018, 292 - Produkte zur Wundversorgung). Der Senat teilt die für den auch hier vorliegenden Fall, dass von den Parteien im Erkenntnisverfahren weder die Frage einer Rückrufpflicht noch die einer Aufforderungspflicht thematisiert worden ist, vielfach geäußerten Bedenken, die der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 30.4.2018 (GRUR 2018, 855) wie folgt in Worte gefasst hat:
22„2. b)
23bb) ... Bei den Abnehmerinnen handelt es sich um rechtlich selbstständige Unternehmen, die mit den Schuldnerinnen in keiner Weise derart tatsächlich und/oder rechtlich verbunden sind, dass ihr Handeln wie ein Handeln der Schuldnerinnen anzusehen wäre. Die Schuldnerinnen haben ihnen auch keine Tätigkeit übertragen. Schlichte kaufvertragliche Verpflichtungen genügen hierfür nicht, auch dann nicht, wenn daraus dauerhafte enge Geschäftsbeziehungen der jeweiligen Vertragsparteien folgen und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform an die Endkunden ausschließlich über die Abnehmerinnen erfolgt. Allein aufgrund kaufrechtlicher Verträge werden die Abnehmerinnen nicht in die Vertriebsorganisation der Schuldnerinnen eingegliedert oder in die Stellung eines beauftragten Vertriebspartners oder einer Einzelhandelsverkaufsstelle erhoben. Die Käufer bzw. Abnehmerinnen bleiben eigenständig und unterliegen keinerlei Weisungen. Sie entscheiden insbesondere selbstständig, ob und wie sie die angegriffene Ausführungsform in ihren jeweiligen Märkten weitervertreiben. Bei den Abnehmerinnen handelt es sich um große Drogerie- bzw. Handelsketten, die eine Vielzahl verschiedener Produkte an Endkunden vertreiben und zudem die angegriffene Ausführungsform unter ihrer jeweiligen Eigenmarke veräußern.
24Dass zwischen den Schuldnerinnen und den Abnehmerinnen über die mit einem Kaufvertrag einhergehenden Pflichten weitergehende rechtliche und/oder tatsächliche Verpflichtungen bestehen, die die Annahme begründen könnten, die Schuldnerinnen hätten in irgendeiner Art und Weise eine Weisungs- oder Entscheidungsbefugnis bezüglich des Weitervertriebs der angegriffenen Ausführungsform nach Auslieferung dieser an die Abnehmerinnen, ist nicht festzustellen. Die Gläubigerin hat hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgebracht. Soweit sie behauptet, die mit den Abnehmerinnen geschlossenen Verträge beinhalteten z.B. Jahresplanungen, Rückgaberechte und -pflichten oder abgestimmte Verkaufsförderungsaktionen, genügt dies nicht. Auch solche Vertragsbedingungen führen nicht zu der in diesem Zusammenhang notwendigen rechtlichen oder tatsächlichen Verknüpfung der Abnehmerinnen mit den Schuldnerinnen im genannten Sinne. Überdies haben die Schuldnerinnen dies bestritten; Beweis hat die Gläubigerin nicht angetreten.
25Angesichts dessen ist vorliegend auch nicht von einer Dauerverletzungshandlung auszugehen, die infolge schlichten Unterlassens aufrechterhalten bleibt.
26Auch wenn die rechtswidrigen Benutzungshandlungen der Schuldnerinnen kausal für den Weitervertrieb durch die Abnehmerinnen sind, denn ohne entsprechende Belieferungen wären die Abnehmerinnen nicht in der Lage, die angegriffene Ausführungsform unter ihrer jeweiligen Eigenmarkung zu vertreiben, und die Schuldnerinnen damit die Gefahr einer weiteren Rechtsverletzung erhöht haben, so ist diese Kausalität nicht gleichbedeutend mit der Fortsetzung der durch die Schuldnerinnen hervorgerufenen eigenen Rechtsverletzung. Diese Rechtsverletzung wird vielmehr durch das Handeln der eigenständigen Abnehmerinnen unterbrochen; die eigenen Verletzungshandlungen der Schuldnerinnen dauern nicht mehr fort. Die sich anschließende rechtswidrige Benutzung des Verfügungspatents liegt allein im Verantwortungsbereich der von ihnen rechtlich und tatsächlich unabhängigen Abnehmerinnen.
27cc) Für den Fall der Patentverletzung sieht das PatG nicht nur den Unterlassungsanspruch gem. § 139 I PatG, sondern daneben und unabhängig voneinander einen Anspruch auf Rückruf gem. § 140a III PatG vor. Dieser trifft exakt die hier vorliegende Konstellation, die durch die Fortwirkung einer bereits begangenen Patentverletzung und das Erfordernis der Folgenbeseitigung gekennzeichnet ist. § 140a III PatG dient nämlich dem Zweck, patentverletzende Ware, die das Unternehmen des Verletzers bereits verlassen hat und sich in der nachgeordneten Vertriebskette befindet, zurückzuholen, damit eine weitere Schutzrechtsverletzung durch den Erwerber verhindert wird (BT-Drs. 16/5048, 31 f.; Erwägungsgrund 24 der RL 2004/48/EG). Als Rückruf geschuldet ist eine Handlung des Verletzers, nämlich die ernsthafte und unter Hinweis auf die Rechtsverletzung nachdrückliche Aufforderung an die gewerblichen Abnehmer, die patentverletzenden Erzeugnisse entweder nicht weiter zu vertreiben oder – sofern der Störungszustand dadurch nicht hinreichend beseitigt wird – das Erzeugnis freiwillig zurückzugeben (BeckOK PatR/Rinken, § 140a Rn. 48 f.; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 10. Aufl., § 140a Rn. 17; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 10 Aufl., Kap. D Rn. 580; Schulte/Voß, PatG, 10. Aufl., § 140a Rn. 27, 31). Die aus einem Rückrufanspruch folgenden Pflichten des Verletzers sind mithin diejenigen, die die Gläubigerin im hiesigen Vollstreckungsverfahren als Teil des Unterlassungsanspruchs geltend macht.
28Dass der Unterlassungsanspruch – der in die Zukunft gerichtet ist und dessen Beachtung vom Ansatz her nicht mehr als ein Unterlassen und zunächst einmal kein Handeln fordert – dieselben Rechtsfolgen zeitigt wie der spezialgesetzlich normierte Rückrufanspruch, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch dann nicht, wenn § 140a III PatG keine Sperrwirkung gegenüber anderen Vorschriften entfaltet und ein Rückruf vor Einführung des § 140a III PatG zwecks Umsetzung der RL 2004/48/EG auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB analog gestützt werden konnte (BGH, GRUR 2018, 292 – Produkte für Wundversorgung).
29Zunächst würde eine Erstreckung des Unterlassungsgebots auf Handlungen, die als Rückruf geschuldet sind, zu einer Vermischung der beiden Anspruchsgrundlagen führen und insbesondere außer Acht lassen, dass ein Rückruf nach § 140 IV PatG auf Tatbestandsebene unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht, während im Rahmen des § 139 I PatG ein dahingehender Einwand eines Verletzers unbeachtlich ist. Darüber hinaus unterliegen das Unterlassungsgebot und der Rückruf in der Zwangsvollstreckung unterschiedlichen Regelungen. Während ersteres nach § 890 ZPO zu vollstrecken ist, richtet sich die Vollstreckung des Rückrufs nach §§ 887 ff. ZPO. Der Gesetzgeber hat mithin für die nebeneinanderstehenden Ansprüche voneinander abweichende Tatbestandsvoraussetzungen und unterschiedliche Vollstreckungswege vorgesehen.
30Es ist ferner – auch unter Beachtung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Anspruchskonkurrenz – nicht ersichtlich, welcher Anwendungsbereich für § 140a III PatG überhaupt verbleibt, wenn bereits aus § 139 I PatG eine Pflicht zum Rückruf folgt. Soweit der I. Zivilsenat in der Entscheidung „Produkte für Wundversorgung“ (GRUR 2018, 292) zwischen einer konkret drohenden weiteren Verletzungshandlung (dann Rückruf auf Grundlage des Unterlassungsanspruch) und einem Rückruf auch bei abstrakter Gefahr bzw. schlechthin (dann Rückruf aufgrund des Rückrufanspruchs) unterscheidet, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Weder § 139 I PatG noch § 140a III PatG enthalten einen Anknüpfungspunkt für eine derartige Differenzierung und für die Notwendigkeit der jeweiligen Gefährdungslage als jeweilige Tatbestandsvoraussetzung. Zudem ist zu bedenken, dass ein Verletzer seine Abnehmer kennt und, wenn diese an Endkunden vertreiben, er diesen auch gerade zum Weitervertrieb die Verletzungsprodukte liefert. Er erhöht somit regelmäßig das Risiko eines Weitervertriebs. Nur wenn über dieses regelmäßig vorhandene Wissen bzw. Risiko hinaus weitere Anhaltspunkte vorhanden sein müssten, um von einer konkreten Gefährdung auszugehen, bliebe somit für § 140a III PatG ein beachtlicher Anwendungsraum. Weiterhin dürfte nicht außer Acht gelassen werden können, dass für den Verletzten oftmals nicht ersichtlich ist, ob eine Verletzungshandlung konkret droht, so dass er auch nicht weiß, ob ihm insoweit (schon) der Unterlassungsanspruch ausreichen würde. Weiß er dies nicht, kann er im Erkenntnisverfahren hierzu – will er nicht unzulässig ins Blaue vortragen – nichts darlegen, weshalb auch der Verletzer in der Regel keine Veranlassung hat, hierzu vorzutragen. Der Umfang der Entscheidung des Erkenntnisverfahrens ist demzufolge nicht klar umrissen. Die Klärung auch dieser Frage erst im Vollstreckungsverfahren ist jedenfalls nicht praktikabel.
31Es steht einem Verletzten frei, welche Rechtsfolgen er aus einer Verletzung eines Patents herleiten möchte. Entscheidet er sich dafür, keinen Anspruch auf Rückruf gem. § 140a III PatG geltend zu machen, ist kein sachlicher Grund und/oder rechtliche Notwendigkeit zu erkennen, „über den Umweg“ des § 139 I PatG gleichwohl doch noch einen Anspruch auf Rückruf zuzuerkennen und diesen in den Unterlassungstitel hineinzulesen.
32Dies gilt vorliegend umso mehr, wenn man – wie die Gläubigerin – der Ansicht ist, dass ein Rückruf grundsätzlich auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden kann, dies indes nicht tut. In diesem Fall führt die Entscheidung des Verletzten vielmehr zu dem Verständnis, dass er einen Rückruf bereits ausgelieferter Ware gerade nicht geltend machen wollte. Daran ändert die Behauptung der Gläubigerin, sie würde einen Rückrufanspruch nicht vor Ablauf des Verfügungspatents durchsetzen können, nichts. Teilt man ihre Auffassung, belegt das vorliegende Verfahren, dass sie einen Rückrufanspruch ebenso zügig wie den Unterlassungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren hätte durchsetzen können.
33dd) Der Anspruch gem. § 140a III PatG kann indes grundsätzlich nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden (BeckOK PatR/Rinken, § 140a Rn. 56; Benkard/Grabinski/Zülch, § 140a Rn. 21; Cepl/Voß/Voß, Prozesskomm. z. Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl., § 940 Rn. 53; Kühnen, Kap. D Rn. 657; Schulte/Voß, § 940 Rn. 36).
34Im Eilverfahren soll grundsätzlich lediglich eine Sicherung von (Leistungs-) Ansprüchen erfolgen. Eine sofortige Befriedigung des Gläubigers bzw. eine vollständige Erfüllung des Verfügungsanspruchs und damit eine Vorwegnahme der Hauptsache soll nur Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, nämlich dann, wenn der Gläubiger auf die Leistungsverfügung bzw. sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist, die dem Gläubiger ansonsten drohenden Nachteile außer Verhältnis zu den dem Schuldner drohenden Schäden stehen und nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann (so auch BGH, GRUR 2018, 292 – Produkte zur Wundversorgung; Cepl/Voß/Voß, § 940 Rn. 53; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6).
35Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, scheidet die Durchsetzung eines Rückrufanspruchs wegen Patentverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung aus, denn die geschuldete Handlung, die ernsthafte und nachdrückliche Aufforderung nicht weiter zu vertreiben oder zur Rückgabe, stellt keine nur vorläufige Sicherung dar, sondern die Erfüllung des Rückrufanspruchs. Mehr als diese Handlung ist nicht geschuldet, insbesondere kein Erfolg. Ein nur vorläufiger Rückruf ist nicht möglich. Schutzlos ist der Verletzte gleichwohl nicht, da er im Verfügungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 140b VII PatG Auskunft über Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer verlangen und diese direkt in Anspruch nehmen kann (BenkardPatG/Grabinski/Zülch, § 140a Rn. 21; Kühnen, Kap. D. 657; krit. hierzu Busse/Keukenschrijver/Kaess, PatG, 8. Aufl., § 140a Rn. 26).
36Die Gläubigerin hat im Erkenntnisverfahren einen Rückrufanspruch gem. § 140a III PatG nicht geltend gemacht. Sie hat insbesondere auch nichts dazu vorgetragen, dass und weshalb sie dringend auf eine dahingehende Leistungsverfügung bzw. die sofortige Erfüllung eines ihr zustehenden Rückrufanspruchs angewiesen wäre. ...
37ee) Soweit die Gläubigerin in Anlehnung an die Entscheidung des I. Zivilsenats „Produkte zur Wundversorgung“ (GRUR 2018, 292) die Ansicht vertritt, das landgerichtliche Urteil vom 18.7.2017 umfasse mit seinem Unterlassungsgebot als Minus zum Rückruf jedenfalls die Pflicht, die Abnehmerinnen aufzufordern, die angegriffene Ausführungsform vorläufig nicht weiter zu vertreiben, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.
38Diese Aufforderung kann nicht als Minus bzw. bloße Sicherstellung des Rückrufanspruchs angesehen werden. Sie ist vielmehr Bestandteil der geschuldeten Handlung des Rückrufverpflichteten. Auch diese Aufforderung dient dem Zweck des § 140a III PatG, die bereits eingetretene Störung zu beseitigen und zu vermeiden, dass der Erwerber in der nachgeordneten Vertriebskette eine weitere Schutzrechtsverletzung begeht. Einen Erfolg der Aufforderung oder die tatsächliche Rückgabe der patentverletzenden Produkte schuldet der Verletzer wie ausgeführt nicht. Infolge dessen kann eine Aufforderung, den Weitervertrieb (vorläufig) zu stoppen, auch nicht als Sicherung des (eng verstandenen) Rückrufanspruchs begriffen werden. Die Leistungshandlung, die ernsthafte und nachdrückliche Aufforderung zur Rückgabe, hängt nicht davon ab, dass der Erwerber noch im Besitz der angegriffenen Ausführungsform ist und eine tatsächliche Rückgabe erfolgen wird.
39Aber auch dann, wenn als Rückruf lediglich die ernsthafte und nachdrückliche Aufforderung zur Rückgabe der Ware anzusehen wäre, so wäre zu beachten – wie das LG bereits ausgeführt hat –, dass die begehrte Aufforderung zum vorläufigen Vertriebsstopp vorliegend jedenfalls faktisch wie ein Rückruf wirkt. Die Schuldnerinnen haben substantiiert und unter Beweisantritt dargetan, dass ein Abnehmer, der dazu aufgefordert wird, ein bestimmtes Produkt nicht weiter zu verkaufen, dieses nicht – auf unbestimmte Zeit – im eigenen Langer behalten, sondern an den Lieferanten zurückgeben wird. Die Ausführungen der Schuldnerinnen sind zwar nicht auf die konkreten Abnehmerinnen sowie die angegriffene Ausführungsform bezogen und die Gläubigerin hat sie in rechtlich zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten, wobei sie zudem auf den nahen Ablauf des Verfügungspatents hingewiesen hat. Letztlich bedürfte auch dies gleichwohl keiner weiteren Aufklärung. Denn unstreitig haben vier der sieben Abnehmerinnen die angegriffene Ausführungsform freiwillig retourniert, nachdem die Schuldnerinnen sie „nur“ über den Erlass der einstweiligen Verfügung informiert haben. Diese Abnehmerinnen haben die Waren mithin schon aufgrund eines Schreibens, das von ihnen keinerlei Handlung forderte, zurückgegeben. ...“
40Nichts anderes gilt nach Ansicht des hiesigen Senats für den vorliegend betroffenen Bereich des unlauteren Wettbewerbs, für den § 8 Absatz 1 Satz 1 Fall 1 UWG einen Beseitigungsanspruch bereithält. Ist dem Schuldner untersagt worden, eine kennzeichenrechts- oder wettbewerbswidrig gekennzeichnete Ware weiterzuverbreiten, besteht deshalb ebenfalls keine Notwendigkeit, den Anspruch des Gläubigers auf Rückruf der bereits ausgelieferten Ware aus dem Unterlassungsanspruch herzuleiten. Hier wird vom Schuldner ein positives Tun verlangt, und für einen solchen Anspruch steht der gesetzliche Beseitigungsanspruch bereit (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 8 Rdnr. 1.102).
41Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Festsetzung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO für den Betroffenen strafähnliche Wirkung hat, weshalb seine Verhängung grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen muss (vgl. BGH GRUR 2017, 318 Rdnr. 19 - Dügida). Das bedingt zwingend, dass der Schuldner bereits dem Titel entnehmen können muss, wie er sich zu verhalten hat. Die Ansicht, die gebotene Auslegung des Unterlassungstitels könne auch im Vollstreckungsverfahren erfolgen (so BGH GRUR 2018, 292 Rdnr. 21 – Produkte zur Wundversorgung), ist damit nicht zu vereinbaren.
42Würde man der Rechtsprechung des BGH folgen, ergäbe sich zudem ein weiteres, bislang – soweit ersichtlich – noch nicht thematisiertes Problem, wie der vorliegende Fall aufzeigt: Was nämlich hat der Schuldner zu tun, der auf eine Beschlussverfügung, die ihn zum (mit einer Aufforderung verbundenen) Unterlassen verpflichtet, eine Abschlusserklärung abgibt? Bleibt es dann bei dieser Pflicht, die im Verhältnis zur Rückrufpflicht ein „Minus“ darstellt, und muss der Schuldner, der mit der Abschlusserklärung ja an sich ein Hauptsacheverfahren abwenden will, deshalb noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung den Rückruf betreffend abgeben, um diesen Zweck zu erreichen? Oder „mutiert“ die gerichtlich titulierte Pflicht mit Abgabe der Abschlusserklärung ohne weiteres zu einer solchen, wie sie bei einem im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens erlangten Unterlassungstitel bestünde? Letzteres lässt sich dogmatisch kaum begründen. Folge der zuerst genannten Ansicht wären eine Entwertung des Instruments der Abschlusserklärung als Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung und eine erhöhte Belastung der Gerichte durch eine vermehrte Anzahl von (auf einstweilige Verfügungsverfahren folgenden) Hauptsacheverfahren. Denn eine Vielzahl von Schuldnern scheut erfahrungsgemäß die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vor dem Hintergrund, dass die im Fall eines Verstoßes fällig werdende Geldzahlung dann dem Wettbewerber zugutekommt, während sie im Falle eines gerichtlichen Titels der Staatskasse zufließt.
432.)
44Indes hat Schuldnerin gegen das Unterlassungsgebot zum einen dadurch verstoßen, dass sie ihren Firmenkatalog auf der Messe „P.“ im Zeitraum 13. bis 15.09.2017 ausgelegt und an interessierte Besucher verteilt hat, zum anderen dadurch, dass sie einen solchen Katalog am 15.09.2017 an Frau R. versandt hat.
45a)
46Allerdings ist der Schuldnerin nicht per se untersagt worden, den Firmenkatalog „Das Z.-Konzept“ zu vertreiben. Ihr ist aber neben dem Vertrieb des in Rede stehenden Produktes „Tinnitus X.“ als „zur diätetischen Behandlung von Tinnitus, vor allem bei erniedrigtem Q10-Blutspiegel“ auch untersagt worden, dieses entsprechend zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen BL 2 und/oder BL 3 wiedergegeben. Mit der Formulierung „wenn dies geschieht wie“ kommt dabei zum Ausdruck, dass sich der Umfang des Unterlassungstitels nicht auf Verletzungsfälle beschränkt, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch ein Verhalten erfasst, in dem sich – auch wenn nicht alle Einzelmerkmale übereinstimmen – das Charakteristische der konkreten Verletzungsform wiederfindet.
47Hiernach besteht kein Zweifel daran, dass auch die Abbildung der Produktverpackung (Primärverpackung und Umverpackung in identischer Aufmachung wie der in Anlage BL 2 wiedergegebenen) in dem Firmenkatalog, überdies mit dem darunter angeordneten Zusatz „Bilanzierte Diäten … Im Portfolio der A. GmbH finden Sie Bilanzierte Diäten zur diätetischen Behandlung von AMD, Diabetes, Migräne und Tinnitus. …“ und die Verteilung des Katalogs auf der Messe bzw. die Versendung an Frau R. eine Bewerbung im Sinne des Verbotstenors sind. Dieser Annahme steht auch nicht die Vorschrift des § 1 Abs. 5 HWG entgegen. Ungeachtet der Frage ihrer Anwendbarkeit auf den Streitfall, besteht kein Grund zur Annahme, die Aushändigung des Firmenkatalogs auf der Messe bzw. die Übersendung desselben an Frau R. habe nicht Werbezwecken sondern allein der Beantwortung einer konkreten Anfrage zu dem hier in Rede stehenden Produkt gedient. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass sich der Firmenkatalog nach eigenem Vorbringen der Schuldnerin auf 40 Präparate bezieht.
48b)
49Die Schuldnerin hat zumindest grob fahrlässig gegen den Unterlassungstenor verstoßen, denn sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Wenn ihr ausweislich des Unterlassungstenors die Bewerbung in der Produktbroschüre ausweislich Anlage BL 3 untersagt war, musste sich ihr aufdrängen, dass auch eine Bewerbung im Firmenkatalog vom Unterlassungstenor erfasst ist. Auf einen entschuldbaren Verbotsirrtum, den sie nicht geltend macht, könnte sie sich daher schon deshalb nicht mit Erfolg berufen. Hinzukommt, dass sie bereits einen Monat zuvor eine Abschlusserklärung abgegeben hatte, diesen Zeitraum aber keineswegs zum Neudruck des Firmenkatalogs bzw. jedenfalls zur Schwärzung der betroffenen Passagen genutzt hat, sich vielmehr eigenmächtig eine Aufbrauchfrist gestattet hat.
50c)
51Bei der konkreten Ordnungsmittelfestsetzung ist im Hinblick darauf, dass mehrere Verstöße (Verteilen der Kataloge auf der Messe an verschiedene Besucher und an verschiedenen Tage sowie Versenden des Katalogs an eine Verbraucherin) vorliegen, zunächst zu fragen, ob diese unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat angesehen werden können. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können im Zivilrecht und in der Zwangsvollstreckung mehrere – auch fahrlässige – Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH GRUR 2009, 427, 428 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel). Diesen Grundsätzen folgend ist im Verfahren von zwei Zuwiderhandlungen auszugehen, die einerseits in dem Handeln der Schuldnerin auf der Messe und andererseits in dem Versenden des Katalogs an Frau R. zu sehen sind.
52Bemessungsfaktoren für die Festsetzung des Ordnungsgeldes sind die Schwere und Gefährlichkeit des begangenen Verstoßes und seiner möglichen zukünftigen Wiederholung, Grad und Ausmaß des Verschuldens sowie der Vorteil des Verletzten aus der Verletzungshandlung (BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt; Feddersen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Auflage 2019, Kapitel 57 Rdnr. 34). Hiernach sind die vom Landgericht festgesetzten Ordnungsgelder in Höhe von 5.000,- € bzw. 1.000,- € nicht zu beanstanden, liegen im Gegenteil eher am unteren Rand des Angemessenen. Hierbei ist bezogen auf die erste Zuwiderhandlung neben dem groben Verschulden der Schuldnerin zu berücksichtigen, dass sie die Firmenkataloge auf der unstreitig für die gesamte Pharmabranche, insbesondere für den Apothekenmarkt, entscheidenden Leitmesse „P.“ ausgelegt und an interessierte Besucher verteilt hat.
53Gegen die festgesetzte Höhe spricht schließlich nicht, dass gegen die Schuldnerin wegen derselben Handlungen (Handeln auf der Messe bzw. Versenden des Katalogs an eine Verbraucherin) eine weitere Ordnungsmittelfestsetzung wegen Verstoßes gegen einen anderen Vollstreckungstitel derselben Gläubigerin erfolgt ist (LG Düsseldorf 12 O 127/17; beim Senat anhängig unter I-20 W 83/17).
54In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die Ordnungsmittelfestsetzung weder durch eine aufgrund desselben Verstoßes verfallene Vertragsstrafe (BGH GRUR 2014, 909, 910 – Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich; Nieder WRP 2001, 117) noch durch eine aufgrund eines anderen, gleichlautenden Vollstreckungstitels eines anderen Gläubigers wegen derselben Verletzungshandlung bereits erfolgte Ordnungsmittelfestsetzung ausgeschlossen ist (OLG Frankfurt GRUR 1983, 687 f.; Feddersen in Teplitzky, a.a.O., Rdnr. 36). Indes sollen Mehrfachfestsetzungen wegen ein und derselben Zuwiderhandlung bei der Bemessung der Höhe bzw. bei der Beitreibung zu berücksichtigen sein (OLG Frankfurt GRUR 1983, 687 f.; Feddersen in Teplitzky, a.a.O. Rdnr. 26 mwNw.).
55Nichts anderes muss im hiesigen Verfahren gelten, wenn durch dieselbe Handlung gegen mehrere, nicht gleichlautende Vollstreckungstitel desselben Gläubigers verstoßen wird. Die Bemessung der Ordnungsmittel hat sich an deren Zweck, nämlich zukünftigen Zuwiderhandlungen vorzubeugen und begangene Zuwiderhandlungen strafähnlich zu sanktionieren, zu orientieren (BGH GRUR 2004, 264, 267 – Euro-Einführungsrabatt; GRUR 2012, 541 Rdnr. 9 – Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren; GRUR 2017, 318 Rdnr. 19 - Dügida). Ähnlich der ungleichartigen Tateinheit im Strafrecht (§ 52 Abs. 1 1. Fall StGB) gebietet daher auch im Zwangsvollstreckungsverfahren der Grundsatz schuldangemessenerer Bestrafung, anderweitige Sanktionen wegen derselben Handlung bei der Beitreibung oder Festsetzung auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht gleichlautende Vollstreckungstitel betreffen.
56Im Streitfall führt dies indes nicht zu einer Reduzierung des vom Landgericht im hiesigen Verfahren festgesetzten Ordnungsgeldes. Denn auch unter Berücksichtigung der im Parallelverfahren festgesetzten Ordnungsgelder in Höhe von 5.000,- € bzw. 1.000,- € ist die Festsetzung weiterer 5.000,- € bzw. 1.000,- € im hiesigen Verfahren in jeder Hinsicht angemessen.
57III.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
59Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die Zurückweisung des 1. Bestrafungsantrags gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO zugelassen. Der Senat beurteilt die Frage, ob aus einem im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens tenorierten Unterlassungsgebot nach § 8 Abs. 1 UWG die Pflicht eines Schuldners folgt, seine Abnehmer aufzufordern, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform vorläufig einzustellen und diesen anzubieten, die betroffenen Produkte zurückzunehmen anders als der I. Zivilsenat des BGH in der Entscheidung „Produkte zur Wundversorgung“ (GRUR 2018, 292). Wegen des zumindest teilweisen Widerspruchs in den Rechtsansichten und da die Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat, dient die Zulassung der Rechtsbeschwerde der Wahrung der Rechtssicherheit.
60Sollte entgegen der Auffassung des Senats für den Tatkomplex zu Ziff. 1) ein Ordnungsgeld zu verhängen sein, stellt sich ebenfalls die unter Ziff. 2) lit. c) diskutierte Frage.
61Im Hinblick auf die Bestrafungsanträge zu 2. und 3. wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung hat. Die hinsichtlich beider Bestrafungsanträge entscheidungserhebliche Frage, ob und inwieweit eine einheitliche Zuwiderhandlung gegen mehrere nicht gleichlautende Titel desselben Gläubigers bei der Ordnungsgeldbemessung zu berücksichtigen ist, ist soweit ersichtlich bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.