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I. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 6. Mai 2020 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf – 37 O 43/20 (Kart) – wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das angefochtene Urteil abgeändert, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt worden ist. Insoweit wird festgestellt, dass sich das Rechtsschutzbegehren der Verfügungsklägerin in der Hauptsache erledigt hat.
III. Der Verfügungsbeklagte hat – in Abänderung des landgerichtlichen Kostenausspruchs – die Kosten beider Instanzen zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt; davon entfällt auf das Rechtsmittel des Verfügungsbeklagten ein Teilbetrag von 16.700 Euro.
G r ü n d e
2I.
3Die Verfügungsklägerin nimmt den Verfügungsbeklagten nach Ausspruch der Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Händlervertrages zum Ablauf des 31. Dezember 2019 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aus Lauterkeitsrecht darauf in Anspruch, ab 1. Januar 2020 an seinem Geschäftslokal die Verwendung der Original-Außensignalisation für autorisierte X.....-Händler einzustellen.
4Das Landgericht hat dem Verfügungsantrag stattgegeben, dem Verfügungsbeklagten allerdings aus §§ 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB eine Übergangsfrist bis Ende Juni 2020 eingeräumt.
5Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Verfügungsklägerin hat die Zubilligung einer Umstellungsfrist für den Verfügungsbeklagten bekämpft, ihr Rechtsmittel aber einseitig für erledigt erklärt, nachdem es durch Zeitablauf gegenstandslos geworden war. Der Verfügungsbeklagte erstrebt die Verwerfung, hilfsweise die Zurückweisung des Verfügungsantrags und weiter hilfsweise die Gewährung einer über den 1. Juli 2020 hinausgehenden Umstellungsfrist auf unbestimmte Zeit.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil, die gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie die im Verhandlungstermin des Senats überreichten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
7II.
8Die Berufung des Verfügungsbeklagten bleibt mit allen Anträgen erfolglos; das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin war begründet und hat sich durch Zeitablauf erledigt.
9Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Verfügungsklägerin den Händlervertrag mit dem Verfügungsbeklagten wirksam zum Ende des Jahres 2019 gekündigt und der Verfügungsbeklagte daher die an seinem Geschäftslokal angebrachte Original-Außensignalisation für autorisierte X......-Händler zu entfernen oder unkenntlich zu machen hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Eine über das kündigungsbedingte Ende der Vertragszeit hinausgehende Umstellungsfrist – wie sie das Landgericht aus Kartellrecht angenommen hat – steht dem Verfügungsbeklagten nicht zu. Die Verfügungsklägerin ist schon nicht Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots (§§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB). Darüber hinaus hat sie nicht dargelegt, für die Umstellung ihres Geschäftsbetriebs auf eine längere als die von der Verfügungsklägerin eingeräumte Kündigungsfrist angewiesen zu sein.
10A. Die vom Verfügungsbeklagten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
111. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war (und ist) zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt und in der bildlichen Darstellung des angegriffenen X....-Zeichens deutlich. Das Landgericht hat dazu das Nötige ausgeführt. Es liegt – anders als der Verfügungsbeklagte meint – auch auf der Hand, dass die Verwendung des X.....-Logos an der Frontseite eines Ladenlokals von dem angesprochenen Verkehr als Hinweis auf eine autorisierte Geschäftsbeziehung mit der Verfügungsklägerin verstanden wird und sie nach Beendigung des Händlervertrages der Parteien zu einer Irreführung des Verbrauchers führt. Die dagegen gerichteten Argumente des Verfügungsbeklagten sind fernliegend und bedürfen deshalb keiner näheren Darlegungen durch den Senat. Das gilt auch für den Einwand, es liege in erster Instanz eine teilweise Antragsrücknahme bzw. im Berufungsverfahren eine teilweise Klageerweiterung vor, weil das Landgericht dem Verfügungsantrag nur teilweise stattgegeben und die Verfügungsklägerin den abgewiesenen Teil mit der Berufung weiterverfolgt habe, sowie für den Einwand, das Landgericht sei bei seinem stattgebenden Urteilsausspruch unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über das von der Verfügungsklägerin Beantragte hinausgegangen.
122. Das Rechtsschutzbegehren der Verfügungsklägerin ist dringlich, so dass dieser ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO) zur Seite steht. Zu Unrecht bezweifelt der Verfügungsbeklagte die Dringlichkeit der Angelegenheit und meint, die Verfügungsklägerin habe durch eine nicht stringente Rechtsverfolgung die Eilbedürftigkeit ihres Anliegens selbst widerlegt. Sämtliche dazu vorgetragenen Argumente gehen fehl.
13a) Die Verfügungsklägerin hat ihr Rechtsschutzbegehren nicht bei einem unzuständigen Landgericht erhoben. Das angerufene Landgericht Wuppertal war bei Antragseinreichung gemäß §§ 937, 12, 13 ZPO für die Entscheidung über den Verfügungsantrag zuständig. Eine verdrängende ausschließliche Zuständigkeit der Kartellgerichte nach § 87 Satz 1 GWB bestand seinerzeit nicht. Denn die Verfügungsklägerin stützt ihren Eilantrag ausschließlich auf Lauterkeitsrecht und nicht daneben auch auf kartellrechtliche Vorschriften. Erst durch die Erhebung des kartellrechtlichen Einwands des Verfügungsbeklagten, dass ihm aus §§ 19, Abs. 1 und 2, 20 Abs. 1 GWB eine Übergangsfrist zu gewähren sei, ist die Streitsache gemäß § 87 Satz 2 GWB zur Kartellsache geworden. Folgerichtig hat das Landgericht Wuppertal das Verfahren mit dieser Begründung an das Landgericht Düsseldorf als das zuständige Kartellgericht verwiesen.
14Ob die Verfügungsklägerin aufgrund zahlreicher anderer Prozesse damit rechnen konnte oder musste, dass der Verfügungsbeklagte zu seiner Rechtsverteidigung einen kartellrechtlichen Einwand erheben würde, spielt für die ursprüngliche Zuständigkeit des Landgerichts Wuppertal keine Rolle. Denn die Zuständigkeit des Kartellgerichts entsteht gemäß § 87 Satz 2 GWB erst dann, wenn ein Kartellrechtseinwand im Prozess erhoben wird und es zudem streitentscheidend auf die Beantwortung der damit verbundenen kartellrechtlichen Frage ankommt. Diese Voraussetzungen sind bei Einreichung eines nicht auf Kartellrecht gestützten Verfügungsantrags naturgemäß noch nicht gegeben.
15b) Das angerufene Landgericht Wuppertal war auch nicht deshalb unzuständig, weil die Parteien durch Gerichtsstandsvereinbarung das Landgericht Düsseldorf als zuständiges Gericht bestimmt hatten. Es kann dahin stehen, ob die Gerichtsstandsabrede der Parteien wirksam (§§ 38, 40 ZPO) war und die streitbefangenen Ansprüche der Verfügungsklägerin erfasst. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, begründet eine Gerichtsstandsvereinbarung keinen ausschließlichen, sondern lediglich einen weiteren Gerichtsstand, der nach § 35 ZPO zur freien Wahl der klagenden Partei steht.
16c) Die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens der Verfügungsklägerin ist auch nicht widerlegt, weil diese ihren Verfügungsantrag am 2. März 2020 zwar innerhalb eines Monats ab am 4. Februar 2020 erlangter Kenntnis von der weiteren Verwendung des X....-Zeichens durch den Verfügungsbeklagten gestellt hat, sie sich die Kenntnis von dem anspruchsbegründenden Sachverhalt durch eigene Recherche aber bereits Anfang Januar 2020 hätte beschaffen können.
17aa) Wann die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Nach den Verhältnissen des einzelnen Falles ist ebenso zu beurteilen, ob eine an sich bestehende oder gesetzlich (z.B. in § 12 Abs. 2 UWG oder § 89 b Abs. 5 GWB) vermutete Dringlichkeit widerlegt ist. Maßgeblich ist stets, ob der Antragsteller das Seinige getan hat, um seine im Eilverfahren verfolgten Rechte oder Ansprüche zügig durchzusetzen. Dabei geht es nicht um eine größtmögliche Schnelligkeit bei der Rechtsverfolgung, sondern darum, dass der Antragsteller seine Rechtsverfolgung in einer Weise vorantreibt, die die Ernsthaftigkeit seines Bemühens erkennen lässt und die es deswegen objektiv rechtfertigt, ihm Zugang zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu gewähren (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat). Auf dieser Grundlage sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung zahlreiche Fallgestaltungen anerkannt, in denen aus dem prozessualen Verhalten der antragstellenden Partei Rückschlüsse auf eine fehlende oder widerlegte Dringlichkeit gezogen werden.
18(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, NZKart 2019, 62; NZKart 2018, 228; Beschluss vom 13.9.2016, VI-W (Kart) 9/16; Beschluss vom 17.10.2014, VI-W (Kart) 5/14; Beschluss vom 22.05.2012, VI-W (Kart) 4/12; Beschluss vom 12.3.2012, VI-W (Kart) 2/12) hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die antragstellende Partei alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen. Kommt sie dieser prozessualen Obliegenheit nicht nach und lässt sie es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommen, rechtfertigt dies in aller Regel den Schluss, dass ihr die Rechtsverfolgung nicht eilig und die Angelegenheit folglich nicht dringlich ist. Nach welchen Zeiträumen des Zuwartens nicht mehr von einer besonderen Dringlichkeit ausgegangen werden kann, hängt zwar von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Sofern nicht besondere rechtfertigende Gründe vorliegen, ist allerdings ein Zeitraum von mehr als vier Wochen dringlichkeitsschädlich (vgl. etwa Senat, NZKart 2019, 62; NZKart 2018, 228; Beschluss vom 13.9.2016, VI-W (Kart) 9/16; vom 17.10.2014, VI-W (Kart) 5/14).
19(2) In gleicher Weise geht die Dringlichkeit verloren, wenn der Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren nicht zügig, sondern lediglich schleppend betreibt. Der antragstellenden Partei ist es zuzumuten, auch nach Einleitung eines Verfahrens alles in ihrer Macht stehende dafür zu tun, dass das Eilverfahren nicht zu einem "Ersatz" für das Hauptsacheverfahren gemacht wird. Hiernach ist er gehalten, eine eingelegte Berufung grundsätzlich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge oder Säumnis im Termin das Verfahren zu verzögern (OLG Dresden, Beschl. vom 25.1.2018 – 4 U 1675/17). Einer Dringlichkeit der Angelegenheit steht ebenso entgegen, wenn der Antragsteller, gleichgültig, ob er in erster Instanz obsiegt hat oder nicht, eine mehr als nur kurzfristige Vertragung beantragt oder ihr zustimmt (OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 10983 – Comedyvideos).
20(3) Hat eine Partei (bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter) in erster Instanz eine einstweilige Verfügung erwirkt, muss sie auch den weiteren Fortgang des Verfahrens in der Berufungsinstanz überwachen. Sie muss sich dafür auch von einem Unterbevollmächtigten einen Terminsbericht geben lassen. Unterlässt sie dies, weshalb ihr erst verspätet auffällt, dass der Termin zur Berufungshauptverhandlung überhaupt nicht wahrgenommen wurde und schöpft sie dann auch noch die Einspruchsfrist gegen ein ergangenes Versäumnisurteil maximal aus, so ist die Sache als nicht mehr dringlich anzusehen (OLG Düsseldorf, WRP 2015, 1541).
21(4) Dringlichkeitsschädlich ist es ebenso, wenn der erstinstanzlich obsiegende Antragsteller ohne besonderen Grund einen vorübergehenden Vollstreckungsverzicht erklärt (KG, BeckRS 2010, 13662) oder er zusagt, die erstrittene einstweilige Verfügung bis zum Verfahrensabschluss nicht vollziehen zu wollen (KG, GRUR-RR 2015, 181 – Vollstreckungsverzicht im Eilverfahren). Der Dringlichkeit steht in gleicher Weise entgegen, wenn der obsiegende Antragsteller die einstweilige Beschlussverfügung zwar rechtzeitig durch Parteizustellung vollzieht, im Anschluss daran eine ihm zur Kenntnis gelangte Zuwiderhandlung des Antragsgegners allerdings über längere Zeit hinweg nicht zum Anlass für die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens nimmt, sondern statt dessen den Ausgang der gerichtlichen Widerspruchsverhandlung abwartet (OLG Köln, MDR 2017, 1265).
22(5) An der Dringlichkeit fehlt es gleichermaßen, wenn der Antragsteller zunächst ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Versäumung des Termins auf einem Versehen beruht oder prozesstaktisch motiviert ist (OLG Hamm, GRUR 2007, 173 – interoptik.de).
23(6) Schließlich ist bei der Beurteilung der Dringlichkeit zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten gezeigt hat, dass ihm bestimmte (an sich erhebliche) Umstände für seinen Entschluss zur Rechtsverfolgung nicht wichtig sind. In einem solchen Fall kann aus solchen Umständen nicht im Nachhinein eine Dringlichkeit mit der Erwägung hergeleitet werden, vernünftigerweise hätte in der betreffenden Hinsicht Klarheit bestehen müssen, bevor der Rechtsweg beschritten wird (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2017, 477 – Vakuumgestütztes Behandlungssystem).
24bb) Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen fehlt es im Streitfall ganz offensichtlich nicht an der Eilbedürftigkeit. Sämtlichen erörterten Fallkonstellationen ist gemein, dass die einstweiligen Rechtsschutz nachsuchende Partei den anspruchsbegründenden Sachverhalt kennt, aber die anschließende gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung der daraus abgeleiteten Ansprüche in einem Maße nachlässig betreibt, dass der Rückschluss auf die fehlende Eilbedürftigkeit der Angelegenheit gerechtfertigt ist. Dem mag der Fall gleichzustellen sein, dass sich die antragstellende Partei mutwillig einer Kenntnisnahme des anspruchsbegründenden Sachverhalts verschließt und ein Verfügungsverfahren nicht oder nur dilatorisch betreibt. Nicht vergleichbar ist indes der Fall, dass die Partei infolge Fahrlässigkeit keine Kenntnis von dem relevanten Sachverhalt besitzt und aus diesem Grund einen Eilrechtsschutz nicht beantragt. Es versteht sich bei vernünftiger Betrachtung von selbst, dass in einer solchen Fallgestaltung aus der unterbliebenen Einleitung eines Eilverfahrens nicht auf die fehlende Dringlichkeit der Sache geschlossen werden kann. Ob dasselbe auch bei grobfahrlässiger Unkenntnis gilt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Verfügungsklägerin fällt nämlich grobe Fahrlässigkeit nicht zur Last. Anhaltspunkte, die für die Verfügungsklägerin vor dem 4. Februar 2020 die dringende Annahme nahelegten, dass der Verfügungsbeklagte die Kündigung des Händlervertrages missachten und das X....-Zeichen nach Vertragsende weiterhin nutzen würde, liegen nicht vor; sie werden vom Verfügungsbeklagten auch nicht aufgezeigt.
253. Die Verfügungsklägerin hat den Händlervertrag mit dem Verfügungsbeklagten im April 2019 unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Ablauf des Jahres 2019 gekündigt. Zu dem Argument, dass der Kündigungserklärung des Prokuristen der Verfügungsklägerin kein Gesellschafterbeschluss zur Umstrukturierung der Vertriebsorganisation zugrunde gelegen habe, hat das Landgericht zutreffend auf § 50 HGB hingewiesen und dazu rechtsfehlerfrei ausgeführt. Die Vorschrift findet – anders als der Verfügungsbeklagte meint – im Streitfall Anwendung. Der von der Berufung reklamierte Ausnahmefall eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Prokuristen und dem Adressaten der von ihm vorgenommenen Maßnahme (hier: den Kündigungsgegnern) liegt ganz offensichtlich nicht vor. Der pauschale Hinweis der Berufung auf die Ausnahmefälle, die im Rahmen von § 174 BGB von Rechtsprechung und Literatur erörtert werden, ist nicht stichhaltig. Eine Relevanz der in diesem Zusammenhang erwogenen Fallgestaltungen für den Streitfall ist weder ansatzweise dargetan noch sonst zu erkennen.
264. Zutreffend hat das Landgericht auch eine Begehungsgefahr für die fortgesetzte Nutzung des X....-Zeichens durch den Verfügungsbeklagten bejaht.
27a) Sie folgt aus der Tatsache, dass der Verfügungsbeklagte nach dem kündigungsbedingten Ende des Händlervertrages ab Januar 2020 sein Geschäftslokal unverändert mit dem X....-Zeichen versehen hat. Diese fortgesetzte eigenmächtige Nutzung des X....-Zeichens begründet die Gefahr einer erneuten Begehung des streitbefangenen Lauterkeitsverstoßes in der Zukunft. Wie noch ausgeführt werden wird, war die Kündigung des Händlervertrages mit dem Verfügungsbeklagten kartellrechtlich wirksam und musste die Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten nicht aus dem Gesichtspunkt des Kartellrechts die Nutzung ihres X....-Zeichens über den 31. Dezember 2019 hinaus gestatten.
28b) Die von der Berufung in diesem Zusammenhang reklamierten prozessualen Probleme stellen sich nicht. Der Verfügungsbeklagte meint, das Landgericht habe, weil es ihn für die Zeit ab dem 1. Juli 2020 zur Unterlassung verurteilt habe, einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch zuerkannt. Ein solcher sei von der Verfügungsklägerin indes nicht geltend gemacht worden, weil sie von Beginn an den Erlass eines zeitlich unbeschränkten Verbotstenors erstrebt habe. Dem ist nicht so. Die Verfügungsklägerin hat einen sofort fälligen Unterlassungsanspruch geltend gemacht, und das Landgericht hat diesem Antrag aus materiell-rechtlichen Gründen nur teilweise, nämlich für die Zeit ab dem 1. Juli 2020, stattgegeben. Das ist prozessual unbedenklich. Die Wiederholungsgefahr für den ab 1. Januar 2020 bestehenden Unterlassungsanspruch resultiert aus der rechtswidrig über das Jahresende 2019 hinausgehenden Nutzung des X....-Zeichens.
295. Die im Händlervertrag der Parteien vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist zum Jahresende ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.
30Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, trägt das Vorbringen des darlegungs- und beweisbelasteten Verfügungsbeklagten nicht die Feststellung, dass die Kündigungsklausel bei der gebotenen abstrakt-generellen Betrachtung zu einer unangemessenen Benachteiligung eines typischen X....-Händlers (§ 310 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) führt. Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das gilt insbesondere für den Standpunkt des Landgerichts, dass weder der Geschäftszuschnitt eines typischen X....-Händlers noch die sich für diesen ergebenden Anforderungen an die Länge der Frist für eine ordentliche Kündigung des Händlervertrages durch die Verfügungsklägerin nachvollziehbar dargelegt sind. Den erforderlichen Sachvortrag hat der Verfügungsbeklagte auch im Berufungsverfahren nicht nachgeholt. Nach wie vor ist nicht dargetan, welchen Zuschnitt der Geschäftsbetrieb eines typischen X....-Vertragshändlers besitzt und aus welchen Gründen die vertraglich vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist zu einer unangemessenen Benachteiligung eines solchen Händlers führen soll. Dazu wäre vorzutragen gewesen, welche Aussichten für einen X....-Vertragshändler bestehen, einen neuen Motorrad-Hersteller zu finden, welcher zeitliche Vorlauf für die Anbahnung eines neuen Vertragshändlervertrages typischerweise erforderlich ist und welche Nachteile dem typischen X....-Vertragshändler entstehen, wenn das Vertragsverhältnis mit der vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende beendet wird. Im letztgenannten Zusammenhang wiederum kann es insbesondere darauf ankommen, ob der X....-Händler im Allgemeinen markengebundene oder sonstige Investitionen tätigt, die sich nach dem kündigungsbedingten Ende des Händlervertrages als nutzlos erweisen. Nur ein solcher Sachvortrag erlaubt dem Gericht die Prüfung und Entscheidung, ob die streitbefangene sechsmonatige Kündigungsfrist zu einer unangemessenen Benachteiligung eines durchschnittlichen X....-Händlers führt. Zu alledem fehlt nachvollziehbares Vorbringen des Verfügungsbeklagten. Der bloße Hinweis, die nennenswerten Marken im Motorradhandel würden im Durchschnitt eine Kündigungsfrist von 18 Monaten vereinbaren, ist vor dem dargestellten Hintergrund nicht ausreichend, weil er nicht ansatzweise Aufschluss über die rechtlich relevanten Umstände im X....-Vertrieb gibt.
316. Die Beendigung des Händlervertrages zum Ablauf des Jahres 2019 ist – anders als das Landgericht angenommen hat – auch kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist weder nachvollziehbar dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB ist. Aus diesem Grund ist die ausgesprochene Kündigung des Händlervertrages mit dem Verfügungsbeklagten nicht kartellnichtig (§ 134 BGB i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. GWB).
32a) Eine marktbeherrschende Stellung der Verfügungsklägerin auf dem bundesdeutschen Angebotsmarkt für neue Motorräder hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt.
33aa) Eine Einzelmarktbeherrschung der Verfügungsklägerin scheidet angesichts eines Marktanteils von maximal rund 15 % schon auf erste Sicht aus.
34bb) Eine gemeinsame Marktbeherrschung der Verfügungsklägerin zusammen mit den Motorradherstellern …, …, … und … kommt gleichfalls nicht in Betracht.
35(1) Die Oligopolvermutung des § 18 Abs. 6 Nr. 2 GWB ist – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – schon tatbestandlich nicht erfüllt. Der Verfügungsbeklagte reklamiert für die von ihm in den Blick genommenen fünf Motorradhersteller einen gemeinsamen Marktanteil von (deutlich) unter 2/3.
36(2) Die Voraussetzungen für ein marktbeherrschendes Oligopol sind von dem Verfügungsbeklagten auch nicht nachvollziehbar vorgetragen.
37(2.1) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein marktbeherrschendes Oligopol vorliegt, hat eine zweistufige wettbewerbliche Prüfung zu erfolgen: In einem ersten Schritt ist festzustellen, dass zwischen mehreren Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb besteht (fehlender Binnenwettbewerb). Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob die Gesamtheit der Oligopol-Unternehmen im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern eine marktbeherrschende Position inne hat, also keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine überragende Marktstellung besitzt (fehlender Außenwettbewerb).
38Maßgebend für die Prognose, ob die Wettbewerbsbedingungen keinen wesentlichen Binnenwettbewerb zwischen den Oligopolmitgliedern erwarten lassen, ist eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände. Dabei kommt den Marktstrukturmerkmalen besonderes Gewicht zu. Insbesondere ist von Bedeutung, ob aufgrund der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder des Oligopols zu rechnen ist, weil ein solches Verhalten aufgrund der Merkmale des relevanten Marktes (und deren Änderung durch den Zusammenschluss) wirtschaftlich vernünftig ist, um den gemeinsamen Gewinn durch Beeinflussung von Wettbewerbsfaktoren zu maximieren (BGH, WuW/E DE-R 3591 Rn. 48 – Total/OMV; BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 55 – Phonak/GN Store; BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 20 – Springer/ProSieben II; BGH, WuW/E DE-R 2094 – E.ON/Stadtwerke Eschwege). Ein einheitliches Verhalten ist zu erwarten, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen eine enge Reaktionsverbundenheit („implizite Kollusion“) besteht. Entscheidendes Indiz dafür ist zum einen die vorhandene Markttransparenz; sie muss die Oligopolmitglieder in die Lage versetzen, ohne größeren Aufwand sowie ausreichend genau und zeitnah Wettbewerbsvorstöße eines anderen Mitglieds des Oligopols zu erkennen. Maßgebliches Indiz sind zum anderen wirksame (d. h. glaubhafte, zeitnah zur Verfügung stehende und mit einem hinreichenden Drohpotenzial verbundene) Abschreckungs- und Sanktionsmittel der Unternehmen gegen Wettbewerbsvorstöße eines anderen Oligopolmitglieds. Es besteht kein Anreiz, von einem einheitlichen Verhalten abzuweichen, wenn ein auf Vergrößerung des eigenen Marktanteils gerichteter Wettbewerbsvorstoß erfolglos bliebe, weil er gleiche Maßnahmen der anderen Unternehmen auslösen würde. In diesem Zusammenhang sind die Symmetrie der beteiligten Unternehmen – und nicht nur ihrer Marktanteile (BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 65 – Phonak/ GN Store) hinsichtlich Produktpalette, verwendeter Technologie und Kostenstruktur, etwaige Marktzutrittsschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite und die Preiselastizität der Nachfrage zu berücksichtigen. Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Homogenität des vertriebenen Produkts ein Produkt- und Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt oder gar nicht in Betracht kommt, sowie ferner, ob die Mitglieder des Oligopols gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten oder durch langfristige Lieferbeziehungen verbunden sind, so dass ein wettbewerbsbeschränkendes Parallelverhalten begünstigt wird (Zu Allem: BGH, WuW/E DE-R 3591 Rn. 49 – Total/OMV; BGH, WuW/E DE-R 2094 – E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 55 – Phonak/GN Store; BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 21 – Springer/ ProSieben II). Von Bedeutung kann auch eine Zusammenarbeit auf vor- oder nachgelagerten Marktstufen sein, insbesondere in Form von Gemeinschaftsunternehmen. Dies alles sind Strukturmerkmale, die grundsätzlich eine Reaktion auf Wettbewerbsvorstöße ermöglichen und deshalb eine enge Reaktionsverbundenheit bewirken. Es kommt bei alledem nicht darauf an, dass die genannten Kriterien sämtlich in dem Sinne erfüllt sind, dass die Analyse jedes einzelnen Strukturmerkmals für sich genommen auf Anreize für einheitliches Verhalten hindeutet. Maßgeblich bleibt vielmehr eine wertende Gesamtbetrachtung, bei der die einzelnen Strukturelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für den konkreten Markt zu gewichten und darauf zu untersuchen sind, ob und in welchem Umfang sie tatsächlich geeignet sind, ein (zumindest stillschweigendes) einheitliches Vorgehen der beteiligten Unternehmen zu erleichtern.
39Ähnlich große Marktanteile sind in diesem Zusammenhang nicht schon als solche ein Indiz für eine enge Reaktionsverbundenheit marktstarker Unternehmen, weil eine solche Verteilung der Marktanteile nicht bedeuten muss, dass damit verbundene Verhaltensspielräume im Wettbewerb ungenutzt bleiben (BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 25 – Springer/ProSieben II; BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 65 – Phonak/GN Store). Die Verteilung der Marktanteile und insbesondere ihre Entwicklung über einen längeren Zeitraum können jedoch im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung berücksichtigt werden (BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 25 – Springer/ ProSieben II; BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 57 – Phonak/GN Store). Weist die Entwicklung der Marktanteile der beteiligten Unternehmen eine erhebliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf, die zu einer Angleichung der Marktanteile führt, spricht dies erfahrungsgemäß gegen die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols. Bleiben die Marktanteile dagegen über längere Zeit unverändert, kann dies als ein im Rahmen der erforderlichen Gesamtbeurteilung für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechender Umstand gewürdigt werden (BGH, WuW/E DE-R 3067 Rn. 25 – Springer/ProSieben II; BGH, WuW/E DE-R 2905 Rn. 54, 57 – Phonak/GN Store).
40(2.2) Der Sachvortrag des Verfügungsbeklagten wird den dargestellten Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines fehlenden Binnenwettbewerbs nicht gerecht. Umstände für die gebotene Gesamtbeurteilung der Wettbewerbsverhältnisse trägt der Verfügungsbeklagte nicht vor. Er beschränkt sich auf die Darstellung der Marktanteile in den Jahren seit 2015, wobei die behaupteten Zahlen schon für sich betrachtet keinen Hinweis auf einen wettbewerbslosen Zustand zwischen den Produzenten …, …, X...., … und … geben. Denn seit 2015 ist es bei mehreren dieser Motorradhersteller zu signifikanten Marktanteilsschwankungen gekommen, die auf einen wirksamen Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen hindeuten können, nämlich bei … (15 % - 18 %), X.... (10 % - 14 %) und … (6 % - 9 %).
41b) Dass die Verfügungsklägerin dem Verfügungsbeklagten gegenüber eine relative Marktmacht besitzt, lässt sich gleichfalls nicht feststellen.
42aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 GWB besteht eine relative Marktmacht, wenn kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem anderen Unternehmen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen.
43bb) Eine solche Abhängigkeit des Verfügungsbeklagten ist weder dargetan noch glaubhaft gemacht.
44(1) Die Abhängigkeitsvermutung des § 20 Abs. 1 Satz 2 GWB greift im Streitfall nicht ein, weil sie nach ihrem klaren Wortlaut nur die Abhängigkeit einzelner Anbieter von marktstarken Nachfragern erfasst. Um einen solchen Fall geht es vorliegend nicht. Im Verhältnis des Verfügungsbeklagten zur Verfügungsklägerin kann die letztere allenfalls eine marktstarke Anbieterin – aber keine marktstarke Nachfragerin – sein.
45(2) Eine Abhängigkeit des Verfügungsbeklagten von dem Fortbestand des Händlervertrages mit der Verfügungsklägerin ist auch nicht schlüssig vorgetragen.
46Die Annahme des Landgerichts, eine unternehmensbedingte Abhängigkeit liege häufig bei Vertragshändlern vor, die ihren gesamten Geschäftsbetrieb auf die Präsentation und den Verkauf der Waren eines einzigen Herstellers ausgerichtet haben, trifft als solche zwar zu, trägt aber nicht die kartellrechtliche Inanspruchnahme der Verfügungsklägerin. Das Landgericht hat nämlich keine Feststellungen getroffen, ob die von ihm formulierte Prämisse im Streitfall erfüllt ist, der Verfügungsbeklagte also seinen kompletten Geschäftsbetrieb auf die Verfügungsklägerin ausgerichtet hat und ihm der Wechsel zu einem anderen Motorradhersteller nicht zumutbar ist. Selbst wenn der Verfügungsbeklagte – wie er behauptet, aber durch Anlage AG B-1 (GA 324) nicht plausibel belegt – 70 % seines Umsatzes aus dem Verkauf von neuen X......-Motorrädern nebst Ersatzteilen und Zubehör generiert, folgt daraus nicht die Unmöglichkeit, künftig Motorräder eines anderen Herstellers zu vertreiben. Nichts ist dafür ersichtlich, dass dem Verfügungsbeklagten ein Wechsel der Zweiradmarke im Neufahrzeuggeschäft unmöglich oder unzumutbar ist, weil dazu beispielsweise prohibitive Investitionen notwendig sind oder Hindernisse anderer Art bestehen. Auf ein berechtigtes Interesse an der Amortisation eigener Investitionen in die Geschäftsbeziehung mit der Verfügungsklägerin kann sich der Verfügungsbeklagte nicht berufen, weil ein solches Investment des Verfügungsbeklagten weder behauptet wird noch sonst ersichtlich ist. Ebenso wenig ist glaubhaft gemacht, dass dem Verfügungsbeklagten der Wechsel zu einem anderen Motorradhersteller deshalb nicht möglich ist, weil dort im Raum R. aktuell und in naher Zukunft kein Vertragsgebiet frei wird. Der Verfügungsbeklagte beschränkt sich auf die Behauptung, dass die konkurrierenden Zweiradhersteller ....., ......, .... und ....... ihre Vertragsgebiete aufgeteilt oder die selektiven Auswahlkriterien so zugespitzt hätten, dass derzeit kein neuer Vertragshändler aufgenommen werde. Dieser Sachvortrag ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Es ist schon unklar, welche Erkenntnisse dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten zugrunde liegen. Bei den genannten Motorradproduzenten nachgefragt und um Aufnahme in deren Vertriebsorganisation gebeten hat der Verfügungsbeklagte offensichtlich nicht. Ungeklärt bleibt ebenso, ob ...., ....., ..... oder ....... nicht in naher Zukunft bereit sind, dem Verfügungsbeklagten eine Vertretung im Gebiet R. anzubieten. Welches Zuwarten dem Verfügungsbeklagten insoweit abzuverlangen ist, hängt von den Umständen des Falles, insbesondere davon ab, über welchen Zeitraum es dem Verfügungsbeklagten bei den ihm abzuverlangenden Anstrengungen möglich ist, seinen Geschäftsbetrieb ohne das X......-Neufahrzeuggeschäft aufrechtzuerhalten. Dass das Gebrauchtfahrzeug- und Reparaturgeschäft für X.......-Motorräder zwangsläufig mit dem X.....-Neufahrzeuggeschäft steht und fällt, kann nicht angenommen werden. Das gilt schon deshalb, weil ein Gebrauchtfahrzeug- und Reparaturgeschäft nicht nur durch die Markentreue, sondern erfahrungsgemäß auch (und vor allem) durch die Kundentreue geprägt ist. Dass dies für X......-Fahrzeuge nicht gilt, macht der Verfügungsbeklagte nicht geltend. Er zeigt insbesondere nicht auf, warum bislang zufriedene Kunden nicht auch fortan mit ihrem Gebrauchtfahrzeug- oder Reparaturbedarf bei seinem (des Verfügungsbeklagten) Betrieb bleiben sollen. Ausgeblendet hat der Verfügungsbeklagte überdies die Motorräder der Marken A., B., C., D. sowie andere Kleinmarken. Auf jene Hersteller entfällt immerhin ein Marktanteil von zusammen rund 40 %. Aus welchem Grund dem Verfügungsbeklagten ein Wechsel zu einem oder mehreren dieser Hersteller nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll, ist nicht zu erkennen. Dazu wird nichts vorgetragen.
477. Dem Verfügungsbeklagten ist aus Kartellrecht auch keine über das Vertragsende hinausgehende Umstellungsfrist zuzugestehen. Die Verfügungsklägerin ist – wie vorstehend ausgeführt – schon nicht Normadressat des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots. Im Übrigen wäre dem Verfügungsbeklagten auch bei einer unterstellten Geltung des Missbrauchsverbots keine über das Jahresende 2019 hinausgehende Umstellungsfrist einzuräumen gewesen.
48a) Es kann zugunsten des Verfügungsbeklagten unterstellt werden, dass die Verfügungsklägerin Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB ist, er (der Verfügungsbeklagte) nach dem gegenwärtigen Zuschnitt seines Geschäftsbetriebs also auf die Lieferbeziehung zur Verfügungsbeklagten angewiesen ist. Unterstellt werden kann ferner die von der Berufung in diesem Kontext reklamierte unternehmensbedingte Abhängigkeit des Verfügungsbeklagten. Sie hat zur Folge, dass die Verfügungsklägerin die Geschäftsbeziehung zum Verfügungsbeklagten nur unter Einhaltung einer ausreichenden und angemessenen Kündigungsfrist beenden darf, die die beiderseitigen Interessen der Parteien wahrt und den Verfügungsbeklagten in die Lage versetzt, mit den gebotenen Anstrengungen eine Lieferbeziehung zu einem anderen Hersteller aufzubauen oder seinen Geschäftsbetrieb in anderer Weise wettbewerbsfähig umzugestalten. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sind an die Schutzwürdigkeit der von einem Normadressaten verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 23.1.2018, KZR 48/15 – Zulassung als Vertragswerkstatt; Urteil vom 26.1.2016, KZR 41/14 – Jaguar-Vertragswerkstatt m.w.N.). Anders als bei der AGB-Kontrolle ist dabei nicht ein objektiv-generali-sierender, sondern – wie der Verfügungsbeklagte erkennt (Seite 12 der Berufungsbegründung vom 19.6.2020, GA 316) – ein auf den konkreten Einzelfall bezogener Maßstab anzulegen, der die tatsächlichen Belange der jeweiligen Vertragsparteien gegeneinander abwägt. Die Darlegungs- und Beweislast für die einzubeziehenden Interessen trägt nach allgemeinen Grundsätzen diejenige Prozesspartei, die sich auf den betreffenden Belang beruft.
49b) Im Streitfall führt die Abwägung der beiderseitigen Interessen zu dem Ergebnis, dass die Verfügungsklägerin die Lieferbeziehung zum Verfügungsbeklagten zum Ablauf des Jahres 2019 beenden durfte.
50aa) Besondere Gründe, die ausnahmsweise einen Kontrahierungszwang der Verfügungsklägerin begründen und einer ordentlichen Kündigung des Händlervertrages der Parteien deshalb von vornherein entgegenstehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 21.2.1995, KZR 33/93 – Kfz-Vertragshändler), liegen nicht vor. Sie sind nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Weder die gut elfjährige Dauer der Geschäftsbeziehung der Parteien (1.9.2008 bis 31.12.2019) noch das im Händlervertrag der Parteien zur Lasten des Verfügungsbeklagten vereinbarte Verbot einer aktiven Werbung bei der Hinzunahme anderer Hersteller oder die mit einem kündigungsbedingten Herstellerwechsel üblicherweise verbundenen Folgen oder der behauptete Ansehensverlust des Verfügungsbeklagten rechtfertigen es, die Verfügungsklägerin auf unbestimmte Zeit in eine Geschäftsbeziehung mit dem Verfügungsbeklagten zu zwingen.
51bb) Die – vor dem Hintergrund der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellgesetzes – vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass dem Verfügungsbeklagten eine über den 31. Dezember 2019 hinausgehende Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zur Verfügungsklägerin nicht zuzugestehen ist.
52(1) Das Landgericht hat die vertraglich vereinbarte sechsmonatige Kündigungsfrist zum Jahresende um eine weitere Umstellungsfrist bis Ende Juni 2020 verlängert und dem Verfügungsbeklagten im Ergebnis eine Kündigungsfrist von gut vierzehn Monaten zugestanden. Es hat – ohne dies in den Entscheidungsgründen freilich auszuführen – die vereinbarte Sechs-Monats-Frist für zu kurz und die betreffende Vertragsbestimmung im Händlervertrag der Parteien für kartellrechtlich unwirksam gehalten (§ 20 Abs. 1 GWB, § 134 BGB) und sie durch die seines Erachtens gebotene längere Frist ersetzt. Das ist als solches rechtlich nicht zu beanstanden. Für das in einem kartellrechtsneutralen Hauptvertrag enthaltene Wettbewerbsverbot, das in zeitlicher Hinsicht über das notwendige Maß hinausgeht und dessen Laufzeitregelung deshalb wegen Verstoßes gegen § 1 GWB oder Art. 101 Abs. 1 AEUV kartellnichtig ist, hat die Rechtsprechung seit langem eine geltungserhaltende Reduktion anerkannt. Sie führt zu dem Ergebnis, dass die nichtige Laufzeitbestimmung durch eine kartellrechtlich zulässige Laufzeitregelung ersetzt wird (BGH, Urteil vom 20.01.2015, II ZR 369/13; Urteil vom 10.12.2008, KZR 54/08 - Subunternehmervertrag II; Urteil vom 18.07.2005, II ZR 159/03, Rn. 14; Urteil vom 19.10.1993, KZR 3/92 - Ausscheidender Gesellschafter; Urteil vom 26.03.1984, II ZR 229/83, Rn. 15 ff.; Senat, Beschluss vom 15.5.2019, VI – W(Kart) 4/19 – Nachvertragliches Wettbewerbsverbot; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.12.2012, 2 U 144/12 Kart – Kooperationsvertrag; OLG Nürnberg, Urteil vom 25.11.2009, 12 U 681/09, Rn. 33 ff.). Im Streitfall können die Grundsätze der geltungserhaltenden Reduktion mit umgekehrter Stoßrichtung angewendet werden; sie haben zur Konsequenz, dass eine – unterstellt: kartellrechtswidrig – zu kurz bemessene Kündigungsfrist der Parteien durch die kartellrechtlich gebotene Kündigungsfrist ersetzt wird.
53(2) Nicht zu folgen ist dem Landgericht allerdings in seiner Annahme, dass den berechtigten Belangen des Verfügungsbeklagten in ausreichender Weise nur dann Genüge getan werde, wenn der Händlervertrag mit einer Frist von gut vierzehn Monaten (21.4.2019 bis 30.6.2020) beendet wird.
54(2.1) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Verfügungsbeklagte die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für alle Umstände, aus denen sich für das von ihm betriebene Einzelhandelsunternehmen nachvollziehbar die Notwendigkeit einer längeren Kündigungsfrist als der tatsächlich gewährten achtmonatigen Frist (21.4.2019 bis 31.12.2019) ergeben soll. Solche Umstände sind dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen.
55(a) Sein Vorbringen erschöpft sich in allgemein gehaltenen Ausführungen (1) zu der gut elfjährigen Geschäftsbeziehung der Parteien, (2) zu dem ihm vertraglich auferlegten Verbot einer aktiven Werbung für andere Marken als die von ihm vertretenen Marken X.... und L......, (3) zu dem Risiko, bei einem Herstellerwechsel das bisherige Geschäft nicht nahtlos und vollumfänglich fortführen zu können, (4) zu der mit einer längeren Kündigungsfrist steigenden Aussicht, eine Gebrauchtfahrzeugsparte aufzubauen oder einen neuen Motorrad-Hersteller zu finden und (5) zu der durchschnittlichen 18-monatigen Kündigungsfrist aller nennenswerten anderen Motorrad-Hersteller. Es gibt nicht im Ansatz Aufschluss darüber, welche konkreten Auswirkungen oder Nachteile sich aus den genannten Umständen für den Geschäftsbetrieb des Verfügungsbeklagten ergeben sollen und wieso es dem Verfügungsbeklagten bei den ihm abzuverlangenden gehörigen Anstrengungen nicht möglich sein soll, innerhalb von gut acht Monaten einen anderen Motorrad-Hersteller zu finden oder seinen Geschäftsbetrieb in anderer Weise wettbewerbsfähig umzugestalten. Dabei sind im Ausgangspunkt nicht nur die großen Marken A., B., C. und D., sondern auch die weiteren Motorrad-Hersteller wie zum Beispiel …, …, …, … und andere Kleinmarken in den Blick zu nehmen, auf die immerhin ein Marktanteil von zusammen rund 40 % entfällt. Der Verfügungsbeklagte trägt zu diesbezüglichen eigenen Anstrengungen, insbesondere zu einem Versuch, einen Händlervertrag mit einem oder mehreren anderen Motorrad-Herstellern abzuschließen, nichts vor. Offensichtlich hat er bis heute derartige Bemühungen überhaupt nicht unternommen. Dass ...., ....., ...... und ..... – wie er behauptet – derzeit keine freien Vertragsgebiete anbieten können, bedeutet nicht, dass diesbezügliche Wechselbemühungen aktuell und in naher Zukunft von vornherein aussichtlos sind. Der Wechsel zu einem dritten Motorradhersteller wie beispielsweise …, …, … oder … ist durch nichts ausgeschlossen. Nicht nachvollziehbar behauptet (und überdies nicht glaubhaft gemacht, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) ist, dass der Verfügungsbeklagte seinen Geschäftsbetrieb ohne eine X....-Vertretung auch für einen Übergangszeitraum nicht wettbewerbsfähig betreiben könne. Es ist nicht zu erkennen, dass und aus welchen Gründen es dem Verfügungsbeklagten ohne den Verkauf von neuen X.....-Motorrädern nicht möglich sein soll, sein X.....-Gebrauchtmarktgeschäft und sein X......-Reparaturgeschäft fortzuführen und gegebenenfalls sogar auszubauen. Das gilt umso mehr, als seine Kunden teilweise eine Entfernung von 50 bis 80 km bis zur nächsten X......-Vertretung zurücklegen müssten. Deshalb ist auch die Befürchtung, es werde infolge der von der Verfügungsklägerin ausgesprochenen Kündigung zahlreicher Händlerverträge zu einer allgemeinen Verdrängung von Einzelhändlern im Motorradvertrieb kommen, vollkommen undifferenziert und nicht plausibel.
56(b) Zum Schutz getätigter Investitionen kann der Verfügungsbeklagte einen längere als die ihm gewährte Kündigungsfrist nicht beanspruchen. Die Verfügungsklägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Verfügungsbeklagte zu Beginn der Geschäftsbeziehung im Jahr 2008 keinerlei Investitionen tätigen und auch keine organisatorischen Maßnahmen ergreifen musste. Sie hat ferner behauptet, dass sie von dem Verfügungsbeklagten auch während der Laufzeit des Händlervertrages keine größeren Investitionen verlangt hat. Auch dem ist der Verfügungsbeklagte nicht entgegen getreten.
57(c) Dass die Kundschaft des Verfügungsbeklagten und der anderen gekündigten X.....-Händler in einem gewissen Umfang zu den verbleibenden Vertragshändlern der Verfügungsklägerin wechseln werden, ist die normale Konsequenz einer beendeten Geschäftsbeziehung. Sie rechtfertigt es als solches nicht, dem Verfügungsbeklagten eine über das notwendige und angemessene Maß hinausgehende Kündigungsfrist zuzubilligen. Der Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei in treuwidriger Weise von der Verfügungsklägerin zum Abschluss des neuen Händlervertrages mit einer von 18 auf sechs Monaten verkürzten Kündigungsfrist veranlasst worden. Das gilt schon deshalb, weil der Verfügungsbeklagte den entsprechenden Sachvortrag nicht glaubhaft gemacht hat. Darauf hat zu Recht schon das Landgericht abgestellt. Dass das zugrunde liegende Schreiben der Verfügungsklägerin deshalb rechtlich zu beanstanden sein und einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben soll, weil es gleichlautend an die 70 gekündigten Händler gerichtet worden ist, liegt fern und wird von der Berufung nicht ansatzweise dargetan. Eine längere Kündigungsfrist kann auch nicht alleine deshalb beansprucht werden, weil der Verfügungsbeklagte die zuvor vertraglich vereinbarte 18-monatige Kündigungsfrist durch den Abschluss des neuen Händlervertrages freiwillig aufgegeben hat. Denn der neue Handelsvertrag ist mit der kürzeren Kündigungsfrist rechtswirksam vereinbart worden und deshalb zwischen den Parteien verbindlich. Maßgeblich für die kartellrechtliche Beurteilung ist daher alleine, ob der Verfügungsbeklagten bei Vornahme gehöriger Anstrengungen in der Lage ist, innerhalb von gut acht Monaten seinen Geschäftsbetrieb ohne einen X.....-Händlervertrag wettbewerbsfähig fortzuführen.
58(2.2) Dass im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung an die Schutzwürdigkeit der von einem Normadressaten verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen sind, wirkt sich im Entscheidungsfall nicht zugunsten des Verfügungsbeklagten aus. Zum einen entfällt nach den Feststellungen des Landgerichts auf den Verkauf neuer X.....-Motorräder ein Umsatzanteil von 70 %, weshalb die Kündigung des Händlervertrages einen signifikanten Umsatzbereich des Verfügungsbeklagten unberührt lässt. Zum anderen – und vor allem – legt der Verfügungsbeklagte nicht ansatzweise dar, dass und aus welchen Gründen ihm die Fortsetzung seines Geschäftsbetriebes bei Wahrung einer achtmonatigen Beendigungsfrist nicht möglich sein soll, weshalb auch die Wechselwirkung zwischen der Abhängigkeit des X.....-Händlers und den Interessen der Verfügungsklägerin nicht zu der vom Verfügungsbeklagten reklamierten längeren Kündigungsfrist führen kann.
59B. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt unmittelbar, dass das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht durch Zeitablauf gegenstandslos geworden wäre. Aus diesem Grund ist die Erledigung des von Landgericht abgewiesenen Rechtsschutzbegehrens der Verfügungsklägerin festzustellen.
60III.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Der Verfügungsbeklagte hat als unterlegene Partei die Kosten beider Instanzen zu tragen. Seine Kostentragungspflicht umfasst auch die durch die Anrufung des Landgerichts Wuppertal etwaig entstandenen Mehrkosten. Wie dargelegt, durfte die Verfügungsklägerin das Landgericht Wuppertal als das für den Geschäftssitz des Verfügungsbeklagten allgemein zuständige Landgericht anrufen.
62Die nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze geben zu einer Wiedereröffnung keine Veranlassung.