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Oberlandesgericht Düsseldorf, 7 StS 3/19

Datum:
16.06.2021
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Strafsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 StS 3/19
ECLI:
ECLI:DE:OLGD:2021:0616.7STS3.19.00
 
Tenor:

Die Angeklagte A. wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge durch Versklavung, einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung, Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Vergewaltigung, Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer, Freiheitsberaubung mit Todesfolge und mit Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die vom 23. Februar 2018 bis zum 21. September 2018 in der Türkei erlittene Freiheitsentziehung der Angeklagten A. wird im Maßstab 1:1 auf die Jugendstrafe angerechnet.

Die Angeklagte C. wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der päischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem dieser Fälle mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Der Angeklagte B. wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem Fall mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Es wird festgestellt, dass jeweils drei Monate der gegen die Angeklagte C. und den Angeklagten B. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.

Die Angeklagten C. und B. tragen die Kosten des Verfahrens. Es wird davon abgesehen, der Angeklagten A. die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen aufzuerlegen.

Angewendete Vorschriften:

Angeklagte A.:

§ 7 Abs. 1 Nrn. 3, 6 und 10, Abs. 3 Alt. 1 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1 Satz 1, § 239 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 51 Abs. 4 Satz 2, § 52, § 53 StGB, §§ 1, 3, 31, 52a, 104, 105, 112 JGG.

Angeklagte C. und B.:

§ 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AWG i.V.m. § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV i.V.m. Teil I Abschnitt A Nr. 0001 der Ausfuhrliste (Anlage 1 zur AWV) und Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, § 18 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 7 Nr. 2 AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr.  881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB.

 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

A. Feststellungen zur Person

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B. Feststellungen zur Sache

49 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221

C. Beweiswürdigung

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(f) Soweit der Nebenklägerin X. vermeintliche Widersprüche zu vorgehenden Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden vorgehalten wurden, wusste sie diese im Wesentlichen überzeugend aufzulösen. Dies gilt etwa für ihre bei der Vernehmung durch den Generalbundesanwalt getätigte Aussage, die Angeklagte A. habe die Auswahlentscheidung für sie und damit gegen M8 getroffen, während sie in der Hauptverhandlung von einer solchen durch Abu H1 gesprochen hat. Die Nebenklägerin hat insoweit auf weiteres Befragen klargestellt, dass sie nicht wisse, was genau Umm und Abu H1 auf das Angebot Abu H2s, sich eine Frau auszusuchen, besprochen und geantwortet hätten, da die Angeklagte A. und I. B. miteinander Deutsch gesprochen hätten. Diese Sprache hätten sie immer gewählt, wenn sie nicht gewollt hätten, dass die Sklavinnen den Inhalt ihres Gesprächs mitbekommen. Die getroffene Entscheidung habe dann I. B. mitgeteilt. Dass sie die Letztentscheidung getroffen habe, habe ihr aber die Angeklagte A. später bestätigt. Die Nebenklägerin bekräftigte insofern zudem glaubhaft, dass – soweit sie das wahrnehmen konnte – wesentliche Entscheidungen in der Ehe von der Angeklagten A. getroffen worden seien. So habe es sowohl für den Erwerb als auch für den sexuellen Missbrauch der Frauen und Mädchen durch I. B. aus ihrer Sicht deren Einverständnisses bedurft. Auch habe die Angeklagte A. unmittelbar vor der Flucht der Nebenklägerin X. und Abu G1s – damit noch im Herbst 2017 – entschieden, nicht gemeinsam mit diesen zu fliehen, sondern in Syrien zu verbleiben, obwohl Abu H1 gemeinsam mit seinem Bruder und den Frauen habe fliehen wollen.

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Maßgeblich spricht letztlich für die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin und gegen die entgegengesetzte Deutung, nach der alleine die die Angeklagte A. und I. B. entlastenden Angaben die zutreffenden wären, auch der Umstand, dass die Nebenklägerin X. die Vorfälle detailliert und in einem Individualisierungsgrad geschildert hat, der es hochgradig unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sie diese im Nachhinein erfunden oder erschwert haben könnte. Zudem werden ihre Angaben durch weitere Beweismittel, insbesondere auch durch die Aussage der Nebenklägerin Y., bestätigt.

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b) Fall 5

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aa) Bestell- und Liefervorgänge

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(11) Die Feststellungen zur Bestellung langer Kabelschalter für 4,90 € und fünf AK QD Sidemount für 92,52 € bei der Firma Gg) GmbH am 8. Dezember 2013 mit Zahlungsweise per Nachnahme durch die Angeklagte C. ergeben sich aus der entsprechenden Rechnung von diesem Tag. Dass die Ware nicht an den Versender zurücklief und somit entsprechend der vereinbarten Nachnahme bei Empfang bar an den Zusteller bezahlt wurde, folgt daraus, dass beim Ausreiseversuch des Angeklagten B. am 8. April 2014 fünf AK QD Sidemount und ein Kabelschalter Cordswitch und die zugehörige Rechnung der Firma Gg) sichergestellt wurden.

(12) Die Feststellungen zur Bestellung von drei Zielfernrohren mit Zubehörteilen für 442,86 € (Walther Zielfernrohr 4-12x50CI, Walther Zielfernrohr 3-9x56, Walther Zielfernrohr 3-9x44 Sniper ZF, drei ASG High Rings für 25 mm Zielfernrohre, G&P / UFC 551 Holosight) bei der Fa. Ff) am 10. Dezember 2013 ergeben sich zunächst aus der entsprechenden Rechnung, in der die Angeklagte C. als Bestellerin und ihre K.er Anschrift als Lieferadresse angegeben sind. Dafür, dass die Ware ungeachtet dessen, dass der Kontoeinzug scheiterte, bei der Angeklagten angekommen ist, spricht deren teilweise Sicherstellung bei dem Ausreiseversuch des Angeklagten B. am 8. April 2014. Es wurden ausweislich des Sicherstellungsverzeichnisses vom 8. April 2014 drei Zielfernrohre (Walther Zielfernrohr 4-12x50CI, Walther Zielfernrohr 3-9x56, Walther Zielfernrohr 3-9x44 Sniper ZF) sichergestellt, die der Auflistung in der Bestellung vom 10. Dezember 2013 entsprechen.

bb) (Versuchte) Verbringung nach Syrien

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Dass die Angeklagte C. Magazine zu ihren Söhnen nach Syrien verbrachte, findet zudem in dem Telefonat mit dem Journalisten Z37 vom 5. Juni 2014 Erwähnung, in dem die Angeklagte entsprechendes selbst angibt. Dies bestätigt sie auch in einem weiteren Telefonat mit dem Journalisten Z37 am 4. Oktober 2014, die Magazine seien aus Syrien über das Internet bei Händlern in Deutschland zu ihr nach Hause bestellt worden, nachdem man sie zuvor gefragt habe, ob sie hiermit einverstanden sei.

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Dass der Angeklagten C. wegen dieses Ausreiseversuches ein Ausreiseverbot erteilt wurde, hat der Zeuge KHK Z20 glaubhaft bekundet. Den Umstand bestätigt zudem der Angeklagte B. in seiner Einlassung.

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Obwohl ein Rechtshilfeersuchen des Generalbundesanwaltes vom 10. Februar 2016 an die türkischen Justizbehörden zum Gegenstand und Ausgang des dortigen Verfahrens gegen die Angeklagte C. unbeantwortet blieb, spricht ein Telefonat der Angeklagten C. mit ihrer Tante vom 6. Oktober 2017, in dem sie rückblickend berichtet, sie habe ja immer „Ferngläser und so für die Kinder mitgenommen“, sie sei deswegen aber nur wegen Steuerhinterziehung bestraft worden und habe die Steuerforderung nachgezahlt, dafür, dass in der Folge eine Verurteilung der Angeklagten in der Türkei erfolgte.

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c) Fälle 6 bis 8

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d) Fälle 12, 13, 17-20

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Dass diese Zahlung für die geschäftlichen Zwecke der Söhne auch zu Gunsten des IS erfolgte, ergibt sich aus der Gesamtschau der im Vorfeld zum 28. Mai 2014 sowie im Nachgang dazu geführten Telefonate: Bereits am 1. Mai 2014 traf die Angeklagte C. mit I. B. – wie dargestellt – die Abrede, dieser solle den Gewinn aus seinen Geschäften behalten, während die Angeklagte ihrerseits das für den Wareneinkauf benötigte Geld an E. Y. in der Türkei schicken werde. Hierzu sollte die Angeklagte C. regelmäßige monatliche Zahlungen an E. Y. leisten. Dass es sich dabei nicht nur um geringfügige, sondern wiederkehrende Zahlungen in beträchtlicher Höhe handelte, ergibt sich aus einem Telefonat E. Y. B.s mit seiner Mutter am 8. Mai 2014. In diesem stellte er klar, dass er „nicht wegen 50 €, sondern wegen Taschengeld gefragt“ habe, sie habe doch von „jedem Monat“ gesprochen. Wenn er das Geld habe, könne er „Dings machen“. Am 18. Mai 2014 bat I. B. seine Mutter telefonisch, seinem Bruder Geld zu schicken, damit dieser Waren, u.a. Bekleidung, kaufen und ihm schicken könne. Am selben Tag berichtete I. B. seiner Mutter von der Idee, einen Internethandel zu eröffnen, wozu er 1000 bis 1500 € benötige. Erneut forderte er seine Mutter auf, Geld an E. zu schicken, der werde „Dings machen“, das Geld solle bei ihm bleiben. Die Angeklagte C. sicherte zu, 500 € und dann zwei Wochen später „300, 350“ zu schicken, „für sein Geschäft“ werde er „noch ein bisschen brauchen“. Am 28. Mai 2014 bat E. Y. B. seine Mutter schließlich um Überweisung des „Taschengeldes“ für den Monat Mai. Er teilte seiner Mutter zudem mit, für seinen Bruder eingekauft und ihm unter anderem zwei Taschen geschickt zu haben. In dem eingangs genannten Telefonat am selben Tag bestätigte die Angeklagte C. E. Y. B., dass sie 500 € geschickt habe, 200 € seien für I.. Am 3. Juni 2014 berichtete I. B. seiner Mutter, dass er von E. ein Paket mit Ware bekommen habe. Zur konkreten Vorgehensweise der Brüder teilte I. B. mit: „Er kauft mir Sachen, die verkaufe ich hier und mache damit so Dings. Also bekomme ich dafür Geld.“

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Gegenüber ihrem Sohn E. Y. erläuterte die Angeklagte C. in einem Telefonat vom selben Tag, dass der Vater das Geld an die Großmutter geschickt habe. Sie selbst könne nicht immer Geld schicken, um keinen Verdacht zu erregen („Nachher fragen sie, was machst Du so?“). E. Y. B. solle die Großmutter auf die 700 €, geschickt vom Vater, ansprechen. Am 27. Juni 2014 erklärte E. Y. B. auf Nachfrage seiner Mutter, dass er noch keine Laptops gekauft habe, I. „wird sich einen aussuchen und es sagen. Den werde ich hinbringen“, woraus sich der tatsächliche Erhalt des Geldes ergibt.

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Den Umstand, dass das Geld aus dem Vermögen der Angeklagten C. stammte und tatsächlich für E. Y. B. bestimmt war, hat der Angeklagte B. in seiner Einlassung bestätigt.

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Soweit die Angeklagte C. in dem Telefonat gegenüber ihrem Vater ausführte, E. Y. B. kaufe hiervon „Schuhe“, geht der Senat nicht von einer Eigenbedarfsdeckung aus. Dagegen spricht schon, dass die Angeklagte gegenüber ihrem Vater im Vagen bleibt („und so“). Auch legt der Gesamtbetrag von 500 € eine solche ausschließliche Eigenbedarfsdeckung nicht nahe. Die Zeugin J. hat zudem glaubhaft bekundet, dass der Ehemann der Angeklagten A., Abu H1, mit Schuhen gehandelt habe. Von ihrem Ehemann habe sie erfahren, dass sich bei I. B. viele Schuhkartons befunden hätten.

ee) (Fall 19) Die Feststellungen zur Zuwendung von insgesamt 15.900 € im April und Mai 2015 durch die Angeklagte C. aus einem von dem Angeklagten B. aufgenommenen Darlehen an ihren Sohn E. Y. B. für den Wareneinkauf zu Gunsten des Geschäftes von I. B. beruhen zunächst auf der bereits angeführten überwachten Telekommunikation zwischen den Angeklagten C. und B. vom 24. April 2015.

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Dass das Geld auch für den Kauf von Waren für I. B. dienen sollte, ergibt sich aus den obigen Ausführungen zur Geschäftstätigkeit des E. Y. B. und der Verbindung zu seinem Bruder, insbesondere auch nach Gründung der Firma „W. G.“ im Herbst 2014. Die entsprechende Vorgehensweise hat auch die Angeklagte A. insofern bestätigt, als sie auch für diesen Zeitraum angegeben hat, dass E. Y. B. die Waren lieferte, die zum Handelsgeschäft I. B.s beigetragen hätten.

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Schließlich liegt es nicht fern, dass E. Y. B. zur Verschleierung seiner wahren „Geschäftstätigkeit“ seinem Onkel gegenüber angegeben haben könnte, er handele mit Damenschuhen und ziviler Kleidung. Hieraus könnte weder der Schluss gezogen werden, dass dies tatsächlich so war, noch dass die Angeklagte C. dies angesichts ihrer Kenntnisse aus der fortlaufenden Kommunikation mit ihren Söhnen geglaubt haben sollte.

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e) Nachgeschehen

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D. Rechtliche Würdigung

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b) Daneben liegen auch die in § 129b Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen für die Anwendung des §129a StGB auf terroristische Vereinigungen außerhalb der europäischen Union vor. Maßgeblich ist insoweit neben der deutschen Staatsbürgerschaft der Angeklagten (§ 129b Abs. 1 Satz 2 StGB) eine nach § 129b Abs. 1 Satz 3 und 4 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung, welche das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 18. März 2014 für die strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern des ISIG erteilt und am 13. Oktober 2015 an die nunmehr von der Organisation geführte Bezeichnung „IS“ angepasst hat.

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Der Senat hat keinen Anlass, an der Qualifikation und Fachkunde des erfahrenen jugendpsychiatrischen Sachverständigen Z3 (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie), welcher auf der Grundlage einer ausführlichen Exploration und Testung der Angeklagten zu diesem Ergebnis gelangt ist, und der dem Senat aus weiteren Verfahren bekannt ist, zu zweifeln.

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Durch die gemeinsam mit I. B. im Sinne der IS-Ideologie – teilweise zeitgleich – erfolgte Haltung der sieben jesidischen Frauen Z., M7, M1, X., M8, Y. und der – später verstorbenen – M2 als Sklavinnen in ihrem Haushalt im Tatzeitraum von September 2015 bis Oktober 2017 (vgl. unter B.III.2.c, Fall 4), hat sich die Angeklagte eines (gemeinschaftlichen) Verbrechens gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge durch Versklavung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VStGB, § 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

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Ob das Tatbestandsmerkmal des gegen die Bevölkerung gerichteten Angriffs im Sinne des § 7 Abs. 1 VStGB zudem ein sogenanntes „Politikelement“ enthalten muss, wonach ein Angriff voraussetzt, dass er in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation vorgenommen wird, die einen solchen Angriff zum Ziel hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2010, AK 3/10, BGHSt 55, 157, Rn. 26; vom  6. Juni 2019, StB 14/19, BGHSt 64, 89, Rn. 61; Urteil vom 20. Dezember 2018, 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10, Rn. 168 und zum Meinungsstand MüKoStGB/Werle, a. a. O., Rn. 30 ff.), kann hier dahinstehen. Die Übergriffe erfolgten in Ausführung der „politischen“ Ideologie des IS mit dem Ziel, die Religion der Jesiden auszurotten und dem Islam radikal-sunnitischer Ausrichtung als der „wahren Religion“ in den vom IS besetzten Gebieten alleinige Geltung zu verschaffen.

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c) Die Angeklagte handelte vorsätzlich. Insbesondere wusste sie, dass die Frauen und Mädchen zuvor vom IS im Zuge des Angriffs auf die Jesiden in der Sinjar-Region gefangen genommen und verschleppt worden waren. In Kenntnis und in Umsetzung des vom IS propagierten Vernichtungsfeldzuges gegen die auch ihrer Meinung nach ungläubigen Jesiden erwarb und hielt sie die Frauen in ihrem Haushalt als Sklavinnen. Sie wusste schließlich, dass sich die Frauen und Mädchen gegen ihren Willen dort aufhielten. Dabei handelte sie in dem Bewusstsein, den vom IS vorgegebenen Regularien zum Umgang mit den Jesidinnen zu entsprechen. Der Umstand, dass ihr die sexuellen Kontakte zwischen I. B. und den versklavten Frauen und Mädchen nicht recht gewesen sein mögen, steht dem nicht entgegen.

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Die Angeklagte hat den Tod M2s fahrlässig verursacht, § 18 StGB. Auch wenn sie, wovon der Senat ausgeht, gehofft haben mag, dass M2 nicht verletzt oder getötet wird, war es doch für sie vorhersehbar, dass M2 einem der auch von der Angeklagten für möglich und wahrscheinlich gehaltenen Bombenangriffe zum Opfer fallen könnte und die Gefahr durch Teilnahme an Fahrten in dem Beschuss ausgesetzte Gebiete gerade erhöht werden würde.

668 669

Das folgt insbesondere aus der Deliktsstruktur des Menschlichkeitsverbrechens, wonach die einzelnen tatbestandlichen Handlungen Bestandteile des Angriffs auf die Zivilbevölkerung sind (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, StB 14/19, juris Rn. 47). Die Versklavung der genannten Frauen und Mädchen erfolgte im Zusammenhang mit dem Angriff des IS gegen die jesidische Zivilbevölkerung, war dessen Teil und diente insoweit der Umsetzung der Ziele des IS. Die Angeklagte und I. B. hatten sich entschieden, jesidische Sklavinnen zu halten, sie als Arbeitskräfte im Haushalt und zur sexuellen Befriedigung B.s zu nutzen, sie sodann wieder zu verkaufen und weitere Sklavinnen anzuschaffen. Da die Erwerbssituationen, Ziele und Handlungsweisen der Angeklagten bei der Sklavenhaltung jeweils identisch waren und die tatsächlichen Gefangenschaften der Frauen hier sachlich, zeitlich und räumlich eng zusammenhingen, erscheint die Annahme einer Bewertungseinheit gerechtfertigt. Sämtliche Handlungen richteten sich wiederholt in gleichartiger Weise gegen die sieben geschädigten Rechtsgutsträger. Die sich zeitlich überschneidenden Versklavungen von M7, M1, M8 und den Nebenklägerinnen X. und Y. erfolgten schließlich teilweise durch dieselben Ausführungshandlungen der Angeklagten.

Durch die Versklavung der jesidischen Frauen und Mädchen hat sie sich die Angeklagte A. zudem eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung aus religiösen sowie aus Gründen des Geschlechts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 10 Var. 6 und 7 VStGB schuldig gemacht.

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Die Angeklagte hat durch ihre dargestellten Handlungen die grundlegenden Menschenrechte der Frauen und Mädchen wesentlich beschränkt, erfolgte die Beschränkung doch durch Versklavung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, was für den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB jedenfalls ausreichend ist (vgl. MüKoStGB/Werle, a.a.O., Rn. 112, 115).

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Zum religiös diskriminierenden Vorgehen des IS gegen das Jesidentum gehörte, dass Männer und Frauen separiert wurden. Während jesidische Männer entweder zu konvertieren hatten und dann in ehemals schiitischen Dörfern angesiedelt oder getötet wurden, sollten nach den Vorgaben des IS, deren Umsetzung die Angeklagte bei der Tat erstrebte, die jesidischen Frauen als Sex- oder Haushaltssklavinnen verwandt werden. Die Angeklagte versklavte die Frauen und Mädchen in ihrem Haushalt entsprechend der IS-Ideologie wegen deren Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Jesiden und weil es sich um jesidische Frauen bzw. Mädchen handelte.

674

Trotz des geringeren Strafrahmens wird der Tatbestand der Verfolgung nicht von dem – aufgrund der sich überschneidenden Ausführungshandlungen tateinheitlich hierzu verwirklichten – Menschlichkeitsverbrechen (mit Todesfolge) der Versklavung im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt. § 7 Abs. 1 VStGB umfasst in den Nummern 1 bis 10 einen Katalog von Einzeltaten. Diese wiederum unterscheiden sich in ihrer Ausgestaltung erheblich, vor allem in den jeweils mitgeschützten Individualrechtsgütern, aber auch im anwendbaren Strafrahmen. Während die Versklavung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB die Fortbewegungs- und Willensfreiheit schützt, richtet sich § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB auf den Schutz vor Diskriminierung; die diskriminierenden Beweggründe in Nr. 10 werden dabei von der Versklavung nach Nr. 3 gerade nicht vorausgesetzt. Echte Auffangvarianten enthält die Vorschrift des § 7 Abs. 1 VStGB im Übrigen insgesamt nicht, weshalb deren Tatbestandsvarianten grundsätzlich nebeneinander stehen (vgl. auch BGH vom 3. Februar 2021, AK 50/20, juris Rn. 39 f., 51; MüKoStGB/Werle, a.a.O., Rn. 144).

675 676 677 678

Beide Tatbestandsalternativen hat I. B. im Fall der Nebenklägerinnen X. und Y. verwirklicht, indem er sie mit körperlicher Gewalt sowie konkludenter Androhung von Gewalt, jedenfalls unter Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage und strukturellen Zwangssituation als Sklavinnen in dem vom IS kontrollierten Gebiet Syriens zum Geschlechtsverkehr gezwungen hat. Seine sexuellen Handlungen waren auch in den Gesamtangriff des IS auf die Jesiden eingebunden. Sie dienten neben seiner sexuellen Befriedigung vor allem dazu, die Ziele des IS durchzusetzen, insbesondere die Vernichtung der jesidischen Religion.

679 680 681

Gegenüber der Nebenklägerin X. äußerte sie, dass ihr Ehemann das Recht habe, Sklavinnen zu besitzen und mit diesen sexuell zu verkehren, dass es eine Sünde sei, sich der Vergewaltigung zu verweigern, und dass es ihr – der Angeklagten – nach islamischen Recht verboten sei, ihren Ehemann von den Vergewaltigungen abzuhalten. Zudem forderte die Angeklagte zur Vorbereitung des Sexualakts die Nebenklägerin X. vor dem ersten erzwungenen Geschlechtsverkehr mit I. B. auf, sich zu duschen und ein bestimmtes Kleid anzuziehen. Die Nebenklägerin Y. wies sie vor deren erster Vergewaltigung durch I. B. aus demselben Grund an, sich den Körper zu enthaaren.

c) Die Angeklagte handelte sowohl hinsichtlich der Haupttat als auch ihrer Beihilfehandlung vorsätzlich. Sie wusste insbesondere, dass der IS die Vergewaltigung jesidischer Frauen und Mädchen zur Durchsetzung seines Ziels der Vernichtung des Jesidentums propagierte, und befürwortete diese Ideologie gegenüber I. B. und den versklavten Frauen. Sie rechnete mit einem erforderlichenfalls gewaltsam durchgesetzten Geschlechtsverkehr I. B.s mit den sich in schutzloser Lage befindenden Nebenklägerinnen und fand sich damit als Konsequenz der von ihr für richtig gehaltenen IS-Ideologie ab.

682 683

Zu dieser Haupttat hat die Angeklagte A. – wenn auch durch mehrere Handlungen – einheitlich Hilfe geleistet; wegen der Akzessorietät der Beihilfe handelt es sich, auch wenn sich die Haupttat wie im vorliegenden Fall als Bewertungseinheit darstellt, nur um ein Beihilfedelikt (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. § 27 Rn. 34 m.w.N.).

684

a) Gegenüber den Nebenklägerinnen Z., X. und Y. sowie den weiteren Geschädigten M7 und M1 hat sich die Angeklagte A. zudem der (gemeinschaftlichen) schweren Freiheitsberaubung in fünf – aufgrund Verklammerung durch das Menschlichkeitsverbrechen mit Todesfolge durch Versklavung des § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VStGB – tateinheitlich zusammentreffenden Fällen gemäß § 239 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB, § 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht, da die Freiheitsberaubung jeweils länger als eine Woche andauerte. Sämtliche als Sklavinnen gehaltenen Frauen wurden – wenn auch möglicherweise nicht durchgehend eingesperrt – jedenfalls auf andere Weise, nämlich durch Drohung (vgl. hierzu Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 239 Rn. 6a), ihrer Freiheit beraubt. Sie durften den Haushalt der Angeklagten und I. B.s nur in deren Begleitung oder in Einzelfällen allein für ganz bestimmte, ihnen vorgegebene Erledigungen verlassen und mussten anschließend dorthin zurückkehren. Im Falle eines – im vom IS kontrollierten Gebiet nahezu aussichtslosen – Fluchtversuchs mussten sie mit massiver Bestrafung rechnen.

b) Gegenüber dem Mädchen M2 hat sich die Angeklagte zudem – tateinheitlich hierzu – der gemeinschaftlichen Freiheitsberaubung mit Todesfolge gemäß § 239 Abs. 1, Abs. 4 StGB, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Insoweit gelten die obigen Ausführungen (unter 3.d) entsprechend. Dahinter tritt die ebenfalls verwirklichte Strafbarkeit gemäß § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

c) In Bezug auf M8 liegt – tateinheitlich – eine (einfache) gemeinschaftliche Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB vor, da diese weniger als eine Woche gegen ihren Willen bei der Angeklagten und I. B. verbleiben musste.

d) Da das Menschlichkeitsverbrechen der Versklavung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB regelmäßig mit Freiheitsentziehung verbunden und insoweit diese regelmäßiges Mittel zu Begehung der Straftat ist, tritt die (einfache) Freiheitsberaubung aufgrund der Anwendbarkeit der allgemeinen Konkurrenzregeln (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010, AK 3/10; BGHSt 55, 157, Rn. 50) im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück (vgl. allg. Schluckebier in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2015, § 239 Rn. 53). Dies gilt hingegen nicht für die (qualifizierte) Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer gemäß § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB und die Freiheitsberaubung mit Todesfolge gemäß § 239 Abs. 1, Abs. 4 StGB, deren Unrechtsgehalt nicht typischerweise vom Menschlichkeitsverbrechen der Versklavung mit umfasst werden.

685

a) In Bezug auf M8 sowie die Nebenklägerinnen X. und Y. hat sich die Angeklagte A. zudem wegen gemeinschaftlichen schweren Menschenhandels in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen gemäß § 232 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, § 25 Abs. 2 StGB sowie in Bezug auf die Geschädigten M7 und M1 wegen gemeinschaftlichen Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen gemäß § 233 Abs. 1 StGB in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung strafbar gemacht. Es ist insoweit gemäß § 2 Abs. 1 und 3 StGB das bis zur Beendigung der jeweiligen Sklavenhaltung geltende Gesetz anzuwenden, da das Verhalten weiterhin mit Strafe bedroht ist und das seit dem 15. Oktober 2016 geltende Gesetz nicht milder ist.

b) Bezüglich der zur Tatzeit minderjährigen M2 liegt ein (gemeinschaftlicher) besonders schwerer Menschenhandel gemäß § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB vor.

c) Von der Verfolgung der Taten gegenüber der Nebenklägerin Z. ist insoweit gemäß § 154a Abs. 2 StPO abgesehen worden.

d) Der schwere Menschenhandel, der besonders schwere Menschenhandel und der Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft gemäß § 233 Abs. 1 StGB in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung treten im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die Strafbarkeit wegen des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zurück. Die Vorschriften des VStGB verdrängen nämlich dann als leges speciales die allgemeinen Straftatbestände des StGB, wenn sie die Begehung allgemeiner Straftaten in einem bestimmten Kontext, etwa im Rahmen eines Angriffs gegen die Zivilbevölkerung besonders unter Strafe stellen (vgl. allg. BT-Drs. 14/8524, 13; Ambos NJW 2010, 1725, 1727; MüKoStGB/Weigend, a.a.O., § 2 Rn. 7). So liegt es im vorliegenden Fall.

686 687 688 689

Soweit die Angeklagte A. schließlich aus den aufgeführten Gründen Beihilfe zu den – tateinheitlich zusammentreffenden – Vergewaltigungen des I. B. zum Nachteil der Nebenklägerinnen X. und Y. geleistet hat, § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung bzw. § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 und 3, Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB in der ab dem 10. November 2016 geltenden Fassung, § 27 StGB, tritt die Strafbarkeit aus den genannten Gründen im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die im spezielleren Kontext des VStGB pönalisierte Beteiligung am Menschlichkeitsverbrechen durch Vergewaltigung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB, § 27 StGB zurück.

690 691

Im Verhältnis zu den weiteren mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten, die keinen weiteren Straftatbestand verwirklichen, (Fall 1) steht dieser in Tatmehrheit (vgl. BGHSt 60, 308, Rn. 23 ff.).

692 693 694 695

Ein Verfahrenshindernis aufgrund des in Art. 54 SDÜ normierten transnationalen Doppelbestrafungsverbots (vgl. hierzu BGHSt 59, 120-130) wegen einer Verurteilung der Angeklagten A. in der Türkei besteht nicht, selbst wenn das dortige Urteil vom 9. Januar 2019 (teilweise) dieselbe (prozessuale) Tat zum Gegenstand hat. Die Türkei ist kein Vertragsstaat des Schengener Durchführungsübereinkommens.

696

Der Senat hat mit Blick auf das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 und 5 StPO davon abgesehen, die jeweils gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, NStZ 1996, 610, 611; Urteil vom 26. März 1997, 5 StR 127/07, juris; Beschluss vom 10. Januar 2006, 5 StR 525/05, juris).

II. Angeklagte C. und B.

697

Der Angeklagte B. hat sich, soweit das Verfahren nicht im Übrigen nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt wurde (Fall 15), in fünf Fällen (Fälle 5, 13, 17, 19 und 20) wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem Fall (Fall 5) mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, strafbar gemacht.

698

Indem die Angeklagten C. und B. aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes in der Zeit vom 10. Oktober bis zum 8. April 2014 Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenstände, die, wie sie wussten, bei Kampfhandlungen islamistischer Kämpfer gegen Angehörige des syrischen Militärs in Syrien zum Einsatz kommen sollten, nach Bestellung durch oder im Auftrag ihrer Söhne verwahrten, sammelten und (teilweise) zu ihren Söhnen nach Syrien verbrachten (Fall 5), haben sie sich der (gemeinschaftlichen) Terrorismusfinanzierung gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

699

aa) Deutsches Strafrecht ist aufgrund des bestehenden inländischen Handlungsortes (§§ 3, 9 Abs. 1 Variante 1 StGB), sowie, soweit die Angeklagte C. auch im Ausland gehandelt hat, gemäß § 89a Abs. 3 S. 2 bzw. § 89c Abs. 3 Satz 2 StGB anwendbar.

bb) Die Angeklagten haben nicht unerhebliche Vermögenswerte, die der Durchführung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienen sollten, gesammelt und (teilweise) zur Verfügung gestellt, § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 30. Juli 2009.

(1) Bei den Angriffen ihrer Söhne und weiterer islamistischer Kämpfer gegen syrische Militärangehörige handelt es sich um schwere staatsgefährdende Gewalttaten. § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB erfasst auch die Sicherheit und den Bestand eines ausländischen Staates (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2019, – AK 5/19 –, juris Rn. 39). Die Beteiligung an Kampfhandlungen in Syrien, bei denen Soldaten der Regierung getötet werden sollen, mit dem Ziel, das bestehende staatliche System zu zerschlagen, ist grundsätzlich bestimmt und geeignet, die Sicherheit des syrischen Staates zu beeinträchtigen (BGH, Beschluss vom 6. April 2017, 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102-114, Rn. 19, 24). Das Waffenzubehör sollte, wie die Angeklagten sicher wussten, in Syrien an islamistische Kämpfer verkauft werden, die es bei entsprechenden Kampfhandlungen gegen die Soldaten der syrischen Regierung einsetzen sollten, oder entsprechend durch ihre Söhne selbst verwendet werden.

(2) Bei den Waffenmagazinen und dem sonstigen Waffenzubehör handelt es sich ungeachtet einer quantitativen oder qualitativen Bestimmung des Tatbestandsmerkmals um erhebliche Vermögenswerte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. März 2019, AK 5/19, juris Rn. 41 m.w.N.). Mit der Vielzahl der Waffenmagazine, den Waffenteilen, wie etwa einem Griffstück, und dem weiteren Waffenzubehör wie Zielvorrichtungen, Magazintaschen und Gewehrgurten konnte ein erheblicher Beitrag zur Durchführung von Anschlägen des IS oder anderer jihadistischer Kämpfer geleistet werden.

(3) Diese Vermögenswerte haben die Angeklagten gesammelt und (teilweise) zur Verfügung gestellt. Sammeln bezeichnet das auf eine größere Menge gerichtete Zusammentragen verschiedener Gegenstände; es umfasst neben dem Einsammeln bei anderen Personen gerade auch das Zusammentragen im Sinne eines Ansammelns (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 42, ferner vom 20. Mai 2021, 3 StR 302/20, juris Rn. 5). Die Angeklagten haben die aufgrund vorgefassten gemeinsamen Tatplans nach und nach erworbenen Waren bei der Angeklagten C. zuhause gelagert und daher in diesem Sinne gesammelt, bis sich die Gelegenheit der Verbringung größerer (Teil‑)Mengen nach Syrien ergab. Mit dem durch die Angeklagte C. in Vollziehung des gemeinsamen Tatplanes durchgeführten Transport der Waffenmagazine zu den Söhnen nach Syrien am 30. November 2013 haben die Angeklagten Teile der Waren auch zur Verfügung gestellt.

700 701 702

Beide Angeklagten handelten jedenfalls mit dem sicheren Wissen, dass mit den von ihnen entgegengenommenen, gesammelten und (teilweise) nach Syrien verbrachten Waffenmagazinen und kriegstauglichen Waren – zu entsprechenden Anschlägen fest entschlossenen – islamistischen Kämpfern die Durchführung von tödlichen Anschlägen gegen das syrische Militär in Syrien ermöglicht wurde. Damit war ihnen auch bewusst, dass es sich bei der späteren Gewalttat um eine Katalogtat handelt. Die Angeklagten wussten schließlich, dass die Kämpfe des IS der Destabilisierung des Syrischen Regimes dienten. Konkreterer Vorstellungen hinsichtlich Ort, Zeit, Opfer und Art des Anschlags bedurfte es nicht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2021, 3 Str 306/20, Rn. 7 ff.; Engelstätter, a. a. O. Rn. 147).

cc) Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB sind erfüllt.

703

(2) § 89c Abs. 1 StGB setzt bezogen auf die vorbereitete Tat voraus, dass der Täter sicheres Wissen oder die Absicht haben muss, dass die dritte Person die Vermögenswerte zur Begehung der genannten Straftaten verwendet (vgl. dazu BT-Drucks. 18/4087, S. 12). Die Angeklagten handelten jeweils in dem sicheren Wissen, mit den von ihnen entgegengenommenen, gesammelten und (teilweise) nach Syrien verbrachten Waffenmagazinen und kriegstauglichen Waren Kämpfern des IS bzw. anderer jihadistischer Gruppen die Durchführung von Anschlägen und militärischen Aktionen in Syrien zu ermöglichen.

b) Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1982, 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80 m. w. N.) stellt der Tatbestand des § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB gegenüber § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 30. Juli 2009 im vorliegenden Einzelfall das mildere Gesetz dar und findet daher Anwendung, § 2 Abs. 3 StGB. Insbesondere kommt ein minder schwerer Fall im Sinne des § 89a Abs. 5 StGB in der Fassung vom 30. Juli 2009 angesichts des Wertes der Vermögensgegenstände und des Umstandes, dass es sich bei dem IS um eine gefährliche, weltweit operierende terroristische Vereinigung handelt, nicht in Betracht. § 89c StGB sieht anders als das zur Tatzeit geltende Recht die Möglichkeit der Anordnung der Führungsaufsicht nicht vor und stellt sich daher hier in der konkreten Betrachtung als für die Angeklagten günstiger dar (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2019, AK 5/19, juris Rn. 45).

c) Die Angeklagten handelten gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Mittäter. Maßgeblich für die Annahme der Mittäterschaft sind insbesondere das Interesse eines Täters an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille, Tatherrschaft auszuüben (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2008, 3 StR 243/08, Rn. 5). Nach diesen Kriterien sind auch die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten B. als mittäterschaftliche Handlungen zu werten. Diese beschränkten sich zwar überwiegend auf die Bezahlung der Waffenmagazine und Waren (Unterfälle 1, 3 bis 6 und 8 bis 10), während die Angeklagte C. die Waffenmagazine und Waren entgegennahm, sammelte und (teilweise) selbst nach Syrien verbrachte. Die Bezahlung der Ware war für die Auslieferung und deren anschließendes Sammeln aber zwingend erforderlich und ein wesentlicher, über eine Beihilfehandlung hinausgehender Tatbeitrag, der durch den Angeklagten B. mit dem Willen zur Verwirklichung des gemeinsamen Tatplanes vollzogen wurde (vgl. hierzu Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 25 Rn. 26 m. w. N.).

d) Die Einzelakte des Sammelns und zur Verfügung Stellens werden im vorliegenden Fall als natürliche Handlungseinheit zu einer einheitlichen Tat im Rechtssinne verbunden (vgl. hierzu auch Schäfer/Anstötz, MüKo-StGB, 4. Aufl. 2021, § 89a Rn. 76). Die auf längere Dauer und Wiederholungen gerichteten gleichartigen tatbestandlichen Einzelhandlungen, die sich teilweise zeitlich überschnitten, beruhten auf dem einheitlichen Vorsatz der Angeklagten, durch eine Sammlung und stückweise Verbringung von Waffenzubehör und Ausrüstung den Angriff islamistischer Kämpfer auf das syrische Regime zu ermöglichen. Das gesamte Tathandeln bis zum Erlass von Ausreiseuntersagungen im April 2014 wurde von einem einheitlichen Willen getragen und ist auf Grund seines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden, dass das Tätigwerden bei natürlicher Betrachtung als einheitliches zusammenhängendes Tun erscheint (vgl. v. Heintschel-Heinegg, MüKo-StGB, 4. Aufl. 2020, § 52, Rn. 55 f.).

704 705 706

a) Die Anwendung deutschen Strafrechts folgt aus § 129b Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Var. 2 StGB, wonach § 129a StGB unter anderem dann für Vereinigungen außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt, wenn der Täter Deutscher ist. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat mit Schreiben vom 18. März 2014 in der Fassung vom 13. Oktober 2015 die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung zur Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ sowie als „Islamischer Staat“ bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung erteilt.

707

In dem Entgegennehmen, Verwahren, Zahlen und dem Transport der Ware durch die Angeklagte C. bzw. dem Zahlen der Ware durch den Angeklagten B. in Kenntnis der mitgliedschaftlichen Betätigung ihrer Söhne, mithin seit der Bestellung vom 17. November 2013, ist jeweils ein ausreichender positiver Nutzen für die Organisation zu sehen, zumal die Angeklagten hierdurch jeweils die Erfüllung der Aufgaben durch ein Mitglied gefördert haben, die von diesem für die Organisation durchgeführt wurden und deren Zwecken entsprachen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Die Söhne der Angeklagten waren für den Bezug der Ware, die sie für den Kampfeinsatz des IS gegen das syrische Regime verwendeten, auf diese logistische Hilfeleistung der Angeklagten angewiesen.

708

Die Straftat nach § 89c StGB tritt nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück, sondern steht bei (teil-)identischen Ausführungshandlungen wie im vorliegenden Fall hierzu in Tateinheit, weil Anwendungsbereich und Strafgrund der Straftatbestände nicht deckungsgleich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20.Dezember 2016, 3 StR 355/16, juris Rn. 5).

709

Die Angeklagten C. und B. haben sich zudem in Fall 5, indem die Angeklagte C. in Vollzug des gemeinsamen Tatplanes gesammelte, zum Teil durch den Angeklagten B. bezahlte und für ihre Söhne in Syrien bestimmte Gegenstände am 30. November 2013 zu diesen nach Syrien und am 7. Dezember 2013 in die Türkei verbrachte sowie am 6. Dezember 2013 am Flughafen Köln/Bonn zum Transport aufgab, des gemeinschaftlichen bandenmäßigen Verstoßes gegen ein unionsrechtliches Ausfuhrverbot in zwei Fällen, sowie im zuletzt genannten Fall des gemeinschaftlichen bandenmäßigen versuchten Verstoßes gegen ein solches Ausfuhrverbot strafbar gemacht, § 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AWG, § 80 Nr. 1, § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV i.V.m. Teil I Abschnitt A Nr. 0001a und d der Ausfuhrliste (Anlage 1 zur AWV) und Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, §§ 22, 23, 25 Abs. 2 StGB.

a) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts für die Auslandstat des § 17 AWG folgt aus § 17 Abs. 7 AWG.

b) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 AWG wird bestraft, wer einer Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 AWG, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung sich auf Güter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste bezieht und für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. § 17 Abs. 2 Nr. 2 AWG sieht eine Strafschärfung vor, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. § 80 Nr. 1 AWV bestimmt mit Verweis auf § 17 Abs. 1 AWG, dass nach § 17 Abs. 1, Absatz 2 bis 5 AWG bestraft wird, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 74 AWV dort genannte Güter ausführt oder befördert. § 74 Abs. 2 Nr. 3 AWV ordnet wiederum an, dass die Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfassten Gütern an Gruppen oder Organisationen, die aufgeführt sind in der jeweils geltenden Fassung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit dem Al-Qaida-Netzwerk in Verbindung stehen, verboten ist.

aa) Die ausgeführten Waren sollten an (kämpfende) Mitglieder des IS im Betätigungsgebiet der Kernorganisation in Syrien gelangen. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013 – im Amtsblatt der Europäischen Union L 293/36 veröffentlicht am 5. November 2013 – führt als „Embargoorganisationen mit dem Al-Qaida-Netzwerk in Verbindung stehend“ u.a. den „m) Islamic State of Iraq, n) ISI“ und „u) Islamic State in Iraq and the Levant“ auf, welche mit Wirkung zum 30. Juni 2013 durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013, ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85, entsprechend gelistet wurden. Die in der Folgezeit erfolgte Umbenennung der Vereinigung in IS steht der Fortdauer der Sanktionierung nicht entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, 3 StR 156/20, Rn. 9 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Januar 2021, 6 StS 4/20, juris Rn. 469; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, § 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 34).

710 711

Die Angeklagte C. handelte auch vorsätzlich, denn sie wusste, dass die Waffenmagazine, die sie zu ihren Söhnen brachte, von diesen für den IS als deren Mitglieder eingesetzt oder an sonstige Kämpfer des IS weitergeleitet wurden. Sie hielt es zudem jedenfalls für möglich und nahm dies auch billigend in Kauf, dass der Kapital- und Warenverkehr mit dem IS strafbewehrten Sanktionen unterlag und dass die Ausfuhr von Waffenzubehör zur Weitergabe an Kämpfer des IS gegen ein in Deutschland geltendes und strafbewehrtes Embargo verstößt.

d) Hinsichtlich der am 6. Dezember 2013 beabsichtigten Verbringung der Waffenmagazine, des Griffstücks und der Waffenstandhilfe zum IS nach Syrien liegt lediglich eine versuchte Straftat i. S. der §§ 22, 23 StGB vor.

aa) Hierzu hatte die Angeklagte C. im Sinne von § 22 StGB unmittelbar angesetzt: Der Zeitpunkt des Versuchsbeginns ist nach allgemeinen Maßstäben dann erreicht, wenn der Täter solche Handlungen vorgenommen hat, die nach seinem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. März 2014, 3 StR 424/13, juris Rn. 8 m.w.N.). Bei Ausfuhrdelikten ist dies jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter die Ware nach seinem Transportplan endgültig auf den Weg gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1965, 1 StR 541/64, BGHSt 20, 150, 152; Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, Vor §§ 17, 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 126). So verhielt es sich hier. Mit der tatplanmäßigen Aufgabe ihres Gepäcks hat die Angeklagte C. – nach der Vorstellung beider Angeklagten – die Güter endgültig auf den Transportweg gebracht und damit unmittelbar zur Ausfuhr der Waren angesetzt.

712 713

Der Angeklagte B. hat insbesondere durch die gemeinsame vorhergehende Planung und durch die überwiegend durch ihn erfolgte Zahlung der Waren im Vorfeld einen eigenen erheblichen Tatbeitrag geleistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlungen der Angeklagten C. und umgekehrt deren Handeln als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Die Angeklagte C. handelte wiederum in Vollzug des mit dem Angeklagten B. bestehenden gemeinsamen Tatplanes, die gemeinsam angeschafften und von ihr gesammelten Waffenzubehörteile bei Gelegenheit nach und nach zu den Söhnen als IS-Mitglieder nach Syrien zu bringen. Dies wusste der Angeklagte B., der ein eigenes Interesse daran hatte, die Söhne mit den gelieferten Waren zu unterstützen, was etwa auch in den eigenen (erfolglosen) Versuchen, am 8. und 9. April 2014 ebenfalls Ware zu den Söhnen nach Syrien zu bringen, zum Ausdruck kam. Auch er wusste, dass das von der Angeklagten C. nach Syrien verbrachte Waffenzubehör von den Söhnen genutzt oder an Kämpfer des IS zwecks Kampfeinsatzes gegen das syrische Regime weitergeleitet wurde. Er hielt es ebenso jedenfalls für möglich und nahm dies auch billigend in Kauf, dass der Kapital- und Warenverkehr mit dem IS strafbewehrten Sanktionen unterlag, und dass die Ausfuhr von Waffenzubehör zur Weitergabe an Kämpfer des IS gegen ein in Deutschland geltendes und strafbewehrtes Embargo verstößt.

714 715

Die Voraussetzungen bandenmäßiger Begehung liegen für beide Angeklagte vor. Zwischen den Angeklagten C. und B. sowie ihren Söhnen bestand die Abrede, dass die Angeklagten die von den Söhnen oder in deren Auftrag bestellten, von der Angeklagten C. gesammelten und von ihr selbst oder dem Angeklagten B. gezahlten Waffenzubehörteile, sofern sich die Gelegenheit bot, nach und nach zu den Söhnen nach Syrien verbringen. Dass der Angeklagte B. einen im Vergleich zur Angeklagten C. geringeren Tatbeitrag leistete, ist unerheblich, weil die Beiträge eines jeden Mitglieds einer Bande nicht gleich sein müssen, solange – wie im vorliegenden Fall – eine über den Beteiligungsakt hinausgehende Einbeziehung in die Gesamtabrede erfolgt (BGH, Beschluss 15. Januar 2002, 4 StR 499/01, juris Rn. 17; Urteil vom 10. Februar 2021, 3 StR 184/20, juris Rn. 18).

716 717

Soweit sich der Angeklagte B. eingelassen hat, er habe aus dem Umstand, dass die Ausreise der Angeklagten C. am 30. November 2013 nebst der sich in ihrem Gepäck befindlichen Waffenmagazine nach Überprüfung des Gepäcks durch den Zoll genehmigt worden war, und aus der Tatsache, dass die Waffenteile in Deutschland frei erworben worden seien, geschlossen, rechtens zu handeln, bezieht sich das, wie seine weitere Einlassung ergibt, (lediglich) auf den Transport und Verkauf entsprechender Waren in der Türkei, nicht aber deren Weiterleitung an IS-Kämpfer nach Syrien.

718

Durch die Lieferung der ca. 50 angesammelten Magazine für Sturmgewehre des Typs AK 47 nach Syrien zur weiteren Verwendung für die Vereinigung IS durch die Angeklagte C. am 30. November 2013 entsprechend dem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten B. haben sich die Angeklagten im Fall 5 ferner der gemeinschaftlichen bandenmäßigen Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot der Europäischen Union gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates der Europäischen Union vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013, § 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

a) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts für die Auslandstat des § 18 AWG folgt aus § 18 Abs. 10 AWG.

b) Der IS unterliegt – wie dargestellt – als im Tatzeitpunkt gelistete Vereinigung diesem Verbot.

c) Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013 dürfen den Gelisteten wirtschaftliche Ressourcen weder direkt noch indirekt zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.

aa) Wirtschaftliche Ressourcen sind Vermögenswerte jeder Art, die für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können (vgl. etwa Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 36). Die hier gelieferten Waffenmagazine konnten von der gelisteten Gruppierung ohne weiteres zum Gegenstand eines Handels- oder Tauschgeschäfts gemacht werden und verbesserten somit nicht nur die militärischen, sondern auch die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten des Empfängers (vgl. auch Wagner, in: MüKo-StGB, 3. Auflage 2019, AWG § 18 Rn. 36).

bb) Der Begriff des Bereitstellens gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG ist mit den Begriffen des Zurverfügungstellens und des Zugutekommenlassens synonym (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, 3 StR 156/20, Rn. 11 ff.; Beschluss vom 5. März 2019, 3 StR 413/18, juris Rn. 10; ferner vom 23. April 2010, AK 2/10, juris Rn. 15 ff.; Wagner, in: Müko-StGB, 3. Auflage 2019, AWG § 18 Rn. 34). Ob die Vereinigung im konkreten Fall bereits unmittelbar nach Anlieferung der Waffenmagazine in Syrien an die Brüder B. die Möglichkeit hatte, auf diese zuzugreifen, kann dahinstehen, denn jedenfalls wurden der Vereinigung die wirtschaftlichen Ressourcen mittelbar zur Verfügung gestellt. Ein mittelbares Bereitstellen liegt bereits vor, wenn der Vermögenswert an einen Dritten geliefert wird, der im Namen, unter der Kontrolle oder auf Weisung der Vereinigung handelt und die Absicht verfolgt, den betreffenden Vermögenswert zu Gunsten der Vereinigung zu nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, C 72/11, Rn. 52 f., zum Bereitstellungsverbot des Art. 7 Abs. 3 der VO Nr. 423/2007). Eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses zu der gelisteten Einrichtung bedarf es dabei nicht, der Dritte kann auch ein eigenes erwerbswirtschaftliches Interesse an der Lieferung haben und das unternehmerische Risiko hierfür tragen (BGH, Beschluss vom 5. März 2019, 3 StR 413/18, juris Rn. 16). Nach diesen Grundsätzen handelten die Söhne der Angeklagten unter der Kontrolle und auf Weisung des IS (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, 3 StR 156/20, Rn. 15; Beschluss vom 24. Februar 2021, AK 6/21, juris Rn. 37 f.). Sie erwarben die Magazine als an Kampfeinsätzen beteiligte IS-Mitglieder zur Selbstnutzung oder entgeltlichen Weiterleitung an andere kämpfende Mitglieder der Vereinigung, unter deren Kontrolle und Befehlsgewalt ihre Aktivitäten standen, und leisteten so ihnen obliegende Beteiligungshandlungen innerhalb der Vereinigung.

d) Die Angeklagten handelten vorsätzlich. Sie stellten die Waffenmagazine in Kenntnis der Mitgliedschaft ihrer Söhne im IS und deren Kampfeinsätzen für die Vereinigung sowie im Wissen um die mögliche Sanktionierung des IS durch die Europäische Union zur Nutzung oder entgeltlichen Weiterleitung an die Mitglieder der Vereinigung zur Verfügung.

e) Zudem liegen auch insoweit die Voraussetzungen der bandenmäßigen Begehung gemäß § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG für beide Angeklagte vor. Dass die Brüder B. zugleich am Bereitstellen als auch (notwendig) am Empfang der Ware auf Seiten der gelisteten Organisation teilnehmen, schließt die bandenmäßige Begehung nicht aus, denn auch Finanzströme innerhalb der Vereinigung unterfallen dem Bereitstellungsverbot (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juni 2010, C-550/09, NJW 2010, 2413 Rn. 65 ff.). Gegen die bandenmäßige Begehung spricht zudem nicht, dass es bezüglich der angesammelten Vermögenswerte bei nur einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot blieb, da die Abrede, auch künftig in dieser Weise vorzugehen, bereits bei dieser Tat bestand (vgl. Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, vor §§ 17, 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 117).

719

Sinn und Zweck des Bereitstellungsverbots ist, dass Mittel den gelisteten Personen oder Organisationen nicht tatsächlich zugänglich gemacht werden (vgl. Morweiser, in: Wolffgang/Simonsen/Rogmann/Pietsch, AWR-Kommentar, § 18 AWG, 56. Erg.-Lfg., Rn. 37). In keinem dieser drei Fälle ist die Ware in die Nähe der syrischen Grenze und der Vereinigung IS verbracht worden. Nach der Vorstellung der Angeklagten war insoweit eine unmittelbare Gefährdung der durch die Sanktionsnorm geschützten Rechtsgüter noch nicht eingetreten.

720

Die mit der erfolgreichen Ausfuhr der Waren am 30. November und 7. Dezember 2013 und der versuchten Ausfuhr am 6. Dezember 2013 verwirklichten § 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 7 Nr. 2 AWG, §§ 22, 23 StGB bilden wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs und der teilweise identischen Ausführungshandlungen mit den weiteren Delikten, die durch das Sammeln und Zur-Verfügung-Stellen der Vermögenswerte verwirklicht wurden (§ 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB, § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b StGB), eine Tat im Sinne des § 52 StGB.

721 722

Die Fälle 7 und 8 der Anklageschrift stellen sich aufgrund der nicht auszuschließenden Überschneidung der Ausführungshandlung als lediglich eine Tat im Rechtssinne dar. Die Bestellung und Verwahrung der Powerbanks im Fall 8 erfolgte, wovon zu Gunsten der Angeklagten C. auszugehen ist, zu einem Zeitpunkt, in dem sie die Powerbanks aus der vorangegangenen Bestellung im Fall 7 noch besaß und verwahrte.

723 724

Die Angeklagten C. und B. handelten vorsätzlich. Sie wussten, dass sie mit ihren Geldzahlungen die mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen ihrer Söhne in Form der geschäftlichen Tätigkeit mit dem und für den IS förderten und wollten dies auch. Sie hatten jedenfalls seit dem 14. November 2013 Kenntnis von der Mitgliedschaft ihrer Söhne beim IS und von der konkreten Art der Waren, die im Herrschaftsgebiet des IS aufgrund der dortigen Umstände besonders nützlich und nachgefragt waren und durch ihre Söhne verkauft wurden.

725

Die Angeklagte C. hat schließlich durch die Übermittlung der Gelder in den sechs Fällen 12, 13, 17, 18, 19 und 20 und der Angeklagte B. in den vier Fällen 13, 17, 19 und 20 jeweils gegen ein Bereitstellungsverbot der Europäischen Union gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 a AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1091/2013 der Kommission vom 4. November 2013 verstoßen.

726

E. Y. und I. B. handelten unter der Kontrolle der Vereinigung und verfolgten die Absicht, die betreffenden Vermögenswerte zu Gunsten der Vereinigung zu nutzen. Bereits mit der Entgegennahme und Weiterleitung der Waffenmagazine an Mitglieder des IS im Jahre 2013 hatten sie eine wirtschaftliche Bindung zum IS begründet. Die sich anschließende Geschäftstätigkeit von I. B. erfolgte unmittelbar im Herrschaftsgebiet des IS und mit dessen Billigung sowie unter dessen Aufsicht und wirkte sich insbesondere durch den Verkauf von im Kriegsgebiet nützlichen Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenständen an IS-Mitglieder positiv auf die Handlungsmöglichkeiten der Vereinigung aus. Damit bildeten die Brüder – ungeachtet eigener wirtschaftlicher Interessen und Risiken – auf der Grundlage der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern, wie diese wussten, ein Handelsnetzwerk, das die Versorgung im Gebiet des IS verbesserte und an dem die Vereinigung ein erhebliches Interesse hatte.

727

Ein Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB liegt auch hier nicht vor, was sich bereits aus den durch die Angeklagten getroffenen Verdeckungsmaßnahmen (etwa Umstellung auf Geldzahlungen statt Warenlieferungen, Stückelung der Überweisungsbeträge, Überweisung über Dritte) ergibt.

c) Die Angeklagten handelten in den Fällen, an denen sie beide beteiligt waren (Fälle 13, 17, 19 und 20) gemeinschaftlich gemäß § 25 Abs. 2 StGB. Eigene Mitwirkungshandlungen des Angeklagten B. in den Fällen 12 und 18 konnten hingegen nicht festgestellt werden.

d) In den Fällen 13, 17, 19 und 20 handelten die Angeklagten C. und B. auch jeweils als Mitglieder einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte, § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG. Zwischen ihren Söhnen und den Angeklagten C. und B. bestand die Übereinkunft zur Begehung wiederholter Verstöße gegen das Bereitstellungsverbot. Die Brüder B. baten ihre Eltern mehrfach um finanzielle Unterstützung ihrer wirtschaftlichen Betätigungshandlungen. Die Angeklagte C. leistete Zahlungen, sobald es ihre finanziellen Möglichkeiten zuließen, und der Angeklagte B. führte die Zahlungen im Einvernehmen mit der Angeklagten C. durch bzw. zahlte seinerseits Geld an die Söhne. I. und E. Y. B. nahmen die Gelder und Vermögenswerte entgegen und verwendeten sie im Sinne der Vereinigung. In diesem gemeinsamen Vorgehen kommt jedenfalls konkludent die Übereinkunft zum Ausdruck, auch in Zukunft und für einen längeren Zeitraum gleichartige Verstöße gegen das Bereitstellungsverbot durch entsprechende Zahlungen an die Söhne zu begehen. Dies genügt den an die Bandenabrede zu stellenden Anforderungen.

e) Die bandenmäßige Begehungsweise liegt bei der Angeklagten C. zudem in den Fällen 12 und 18 vor, denn auch in diesen Fällen handelte die Angeklagte entsprechend der gemeinsam mit ihren Söhnen und dem Angeklagten B. getroffenen Bandenabrede.

728 729

E.Rechtsfolgenentscheidung

I. Angeklagte A.

730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740

Dabei hat sich der Senat in seiner Bewertung insbesondere an der inneren Tatseite orientiert und dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat nur insofern Gewicht beigemessen, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit der Angeklagten und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014, 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155).

a) In diesem Rahmen hat der Senat zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld der Angeklagten auch das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts herangezogen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt (BGH, a.a.O.). Von Bedeutung war daher auch, ob sich die Tat, falls sie nach allgemeinem Strafrecht zu bewerten wäre, als minder schwerer Fall darstellen würde (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019, 3 StR 549/18, juris Rn. 9).

741 742 743

In der Gesamtschau lägen daher die Voraussetzungen des § 129a Abs. 6 StGB nicht vor.

744 745 746 747 748

Die gebotene Abwägung ergäbe aufgrund der massiven Erschwerungsgründe nicht, dass die Annahme des Regelstrafrahmens unangemessen und die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten wäre.

749

Die gebotene Gesamtwürdigung rechtfertigt daher sowohl in Fall 1 als auch in Fall 4 die Annahme von Schuldschwere.

750 751 752 753 754 755 756 757 758 759

sechs Jahren und sechs Monaten

für erforderlich, aber auch ausreichend.

760

Die erlittene Freiheitsentziehung der Angeklagten in der Türkei vom 23. Februar 2018 bis zu ihrer Abschiebung am 21. September 2018 ist gemäß § 52a Abs. 1 Satz 1 JGG, § 51 Abs. 4 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 2 JGG auf die verhängte Jugendstrafe anzurechnen.

a) Erzieherische oder sonstige Gründe, die gemäß § 52a Satz 2 JGG ein Absehen hiervon erforderlich machten, sind nicht ersichtlich.

761

Die Freiheitsentziehung war jeweils durch die Tat und – aufgrund der den türkischen Behörden bekannten Interpol-Ausschreibung zur Verhaftung sowie des bestehenden nationalen Haftbefehls und der dokumentierten Kontakthaltung mit den deutschen Behörden zur Rückführung der Angeklagten – auch infolge der internationalen Fahndung durch die deutschen Behörden veranlasst (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 5. August 2020, 3 StR 231/20, juris Rn.11; ferner Beschluss vom 1. Juli 2021, 3 StR 473/20, juris Rn. 10 f.). Insbesondere war vorliegend wegen der bestehenden Kenntnis von der Strafverfolgung in Deutschland und der konsentierten Rückführung nach Deutschland im Benehmen mit den deutschen Behörden – trotz der späteren Abwesenheitsverurteilung in der Türkei – auch die erlittene Abschiebehaft auf das deutsche Strafverfahren zurückzuführen. In dem hier anzunehmenden Fall der „Auslieferung durch Abschiebung“ liegt die von § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB vorausgesetzte funktionale Verfahrenseinheit zwischen der Auslandshaft und dem deutschen Strafverfahren nämlich (ausnahmsweise) vor (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2020, a.a.O. m.w.N.).

c) Die gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB gebotene Gesamtbetrachtung ihrer geschilderten Beschränkungen rechtfertigt eine Anrechnung der türkischen Freiheitsentziehung für sämtliche Zeiträume vom 23. Februar bis zum 21. September 2018 im Maßstab 1:1.

aa) Dabei hat der Senat angenommen, dass die Angeklagte nach ihrer durch den Senat zugrunde gelegten Schilderung während der gesamten Zeit der Inhaftierung in der Türkei ähnlichen Verhältnissen unterstand. Der Senat hat dabei im Einzelnen insbesondere in den Blick genommen, dass die Angeklagte durchweg mit ihren Töchtern zusammen verblieb, ihr ein Anwalt beigeordnet wurde, der sie auch besuchte und ihre Rechte vertrat, und ihr der Kontakt zu ihrer Familie und zu den deutschen Behörden ermöglicht wurde. Zudem fand eine medizinische Versorgung der Angeklagten und ihrer Kinder statt.

762 763 764 765 766

II. Angeklagte C.

767

a) Für die sieben Fälle (Fälle 5, 12, 13, 17, 18, 19 und 20) der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland jeweils in Tateinheit mit einem bandenmäßigen Verstoß gegen ein Bereitstellungsverbot gemäß § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG sowie im Fall 5 mit weiteren Straftatbeständen ist gemäß § 52 Abs. 1 und 2 StGB vom Strafrahmen des § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht. Der im Fall 5 tateinheitlich verwirklichte bandenmäßige Verstoß gegen ein Waffenembargo gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 AWG sieht denselben Strafrahmen vor.

768

Die Voraussetzungen einer Milderung des Regelstrafrahmens über § 129a Abs. 6 i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB liegen nicht vor. Dafür wäre eine Beteiligung von untergeordneter Bedeutung bei gleichzeitig geringer Schuld notwendig. Beides ist hier nicht der Fall.

769 770

Zu Lasten der Angeklagten C. ist demgegenüber zu würdigen, dass die ausländische terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“, deren terroristische Aktivitäten sie durch ihre Unterstützungshandlungen gefördert hat, eine äußerst gefährliche war.

771

drei Jahren

772 773

Zu Lasten der Angeklagten hat der Senat berücksichtigt, dass sie tateinheitlich mehrere Straftatbestände verwirklich hat. Erheblich strafschärfend sind zudem die besondere Qualität, der insgesamt hohe Wert und das erhebliche Gefährdungspotenzial der Gegenstände, die nach Syrien verbracht werden sollten und wurden, zudem auch der erhebliche Tatzeitraum zu berücksichtigen.

774

sechs Monaten,

775

neun Monaten

776

Neben den für alle Taten geltenden vorerwähnten Strafzumessungsgründen hat der Senat zu Gunsten der Angeklagten C. eingestellt, dass die Geräte, die in Fall 6 lediglich einen geringen Wert hatten, in beiden Fällen letztlich nicht zum IS gelangt sind.

777

einem Jahr,

778

zwei Jahren und sechs Monaten

779

einem Jahr und drei Monaten

780 781

Erschwerend wirkt sich ferner in den Fällen 19 und 20 aus, dass die Angeklagte die mitgliedschaftliche Betätigung ihrer Söhne im Fall 20 mit einem erheblichen und im Fall 19 mit einem besonders hohen Geldbetrag förderte.

782 783

vier Jahren und sechs Monaten

784

III.               Angeklagter B.

785

Der anzuwendende Strafrahmen ergibt sich gemäß § 52 Abs. 1 und 2 StGB für sämtliche fünf Taten des Angeklagten B. (Fälle 5, 13, 17, 19 und 20) aus § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG, welcher Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht. Der im Fall 5 tateinheitlich verwirklichte bandenmäßige Verstoß gegen ein Waffenembargo gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 AWG sieht denselben Strafrahmen vor.

786 787

Zu Lasten des Angeklagten ist zu würdigen, dass die ausländische terroristische Vereinigung IS, deren terroristische Aktivitäten er unterstützt hat, eine besonders gefährliche war.

788

zwei Jahren und drei Monaten

789 790

Zu Lasten des Angeklagten hat der Senat berücksichtigt, dass er tateinheitlich mehrere Straftatbestände verwirklich hat. Erheblich strafschärfend sind zudem die besondere Qualität, der insgesamt hohe Wert und das erhebliche Gefährdungspotenzial der Gegenstände, die nach Syrien verbracht werden sollten und wurden, zudem auch der erhebliche Tatzeitraum zu berücksichtigen.

791

einem Jahr

792

zwei Jahren

793

Neben den bereits benannten für alle Taten geltenden Zumessungserwägungen hat der Senat im Fall 19 mit Gewicht zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die mitgliedschaftliche Betätigung seines Sohnes E. Y. B. mit einem besonders hohen Geldbetrag förderte.

794 795

drei Jahren

796

IV. Kompensation wegen Verfahrensverzögerung

Der Senat hat für die Angeklagten C. und B. eine Kompensation für einen Konventionsverstoß vorgesehen.

797

Mit Verfügung vom 29. Juni 2016 hatte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren unter anderem gegen die Angeklagten C. und B. an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben. Am 7. Juli 2016 gingen dort 89 Ordner Sachakten ein. Aufgrund der Erkenntnisse über die Inhaftierung der Angeklagten A. in der Türkei trennte die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am 20. März 2018 das Verfahren gegen die Angeklagte A. ab. Unter dem 11. September 2018 legte die Generalstaatsanwaltschaft dem Generalbundesanwalt dieses Verfahren mit der Bitte um Prüfung einer Rückübernahme vor. Am 19. September 2018 übernahm der Generalbundesanwalt dieses Verfahren und am 10. Januar 2019 auch die Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten C. und B. und erhob am 8. April 2019 Anklage gegen alle drei Angeklagten.

798

Nach der Abgabe des Ermittlungsverfahrens vom Generalbundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ist es unter Zugrundelegung einer angemessenen Bearbeitungszeit von sechs Monaten in der Zeit vom 10. Januar 2017 bis zur Rückübernahme des Ermittlungsverfahrens durch den Generalbundesanwalt am 10. Januar 2019 zu einer der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerung von zwei Jahren gekommen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Allein der Umstand, dass sich die Angeklagten nicht in Haft befunden haben, rechtfertigt es nicht, eine Strafsache eine solch lange Zeit derart verzögert zu bearbeiten oder gar gänzlich unbearbeitet zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2015, 2 StR 523/14, Rn. 3). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Angeklagten keine starken Belastungen durch das Ermittlungsverfahren zu gewärtigen hatten.

799 800

F.Kosten

801 802 803 804 805 807 808 809
 

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