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Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. April 2021 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I.Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung der im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Ordnungsmittel künftig zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen in Telekommunikationsverträgen gegenüber Verbrauchern
1.bei einem Vertragswechsel Vereinbarungen zu treffen, wonach der neue Telekommunikationsvertrag eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten hat, die erst nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu laufen beginnt, wie geschehen in (als Anlage beigefügter) Anlage K 1, wenn die Aktivierung des neuen Telekommunikationsvertrages aber bereits vor dem Laufzeitende des vorherigen Telekommunikationsvertrages erfolgen soll, wenn dies geschieht wie bei dem von der Zeugin I. gebuchten neuen Tarif „…mit Basic Phone“ in (als Anlage beigefügter) Anlage K2 dokumentiert und wenn dies dazu führt, dass hierdurch eine vertragliche Bindung des Kunden von 24 Monaten überschritten wird,
2.in Rechnungen und/oder in Bestätigungen von Vertragsänderungen zu Telekommunikationsverträgen ein Datum für ein Ende der Mindestvertragslaufzeit in Monaten anzugeben, durch die eine Vertragsbindung des Verbrauchers entsteht, die 24 Monate überschreitet, wenn dies geschieht wie in (als Anlage beigefügter) Anlage K 2 im Fall der Zeugen I. und in (als Anlage beigefügter) Anlage K 3 im Fall des Zeugen Q. dokumentiert,
3.sich darauf zu berufen, dass bei Vertragsänderungen vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu der mit dem neuen Telekommunikationsvertrag beginnenden Vertragslaufzeit von 24 Monaten die Restlaufzeit aus dem vorherigen Telekommunikationsvertrag dazu addiert werde, wenn dies geschieht wie in (als Anlage beigefügter) Anlage K 5 dokumentiert.
II.Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger 234,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. Januar 2020 zu zahlen.
III.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung von Zahlungsansprüchen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.
Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.Die Revision wird zugelassen.
I.
2Der Kläger, ein die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, beanstandet eine bestimmte Verhaltensweise der Beklagten, einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen u.a im Bereich Mobilfunk, gegenüber Bestandskunden, wie sie beispielsweise bei zwei Kunden, den Zeugen I. und Q., vorgefallen sind.
3Die Kunden hatten mit der Beklagten einen Erstvertrag mit fester Mindestvertragslaufzeit abgeschlossen. Vor Ende dieses Erstvertrages wünschten sie einen Tarifwechsel, verbunden mit dem – verbilligten – Kauf eines neuen Smartphones und einer höheren monatlichen Rate, und wandten sich daher an die Beklagte.
4In der daraufhin von der Beklagten erstellten und von der Kundin I. unter derselben Vertragsnummer unterzeichneten Urkunde (Anlage K 1) hieß es u.a.:
5Ihr Vertrag läuft wie vereinbart weiter. Unten sehen Sie Details zu Ihrer Vertragsverlängerung. (…) Sie haben sich für den Kauf eines neuen vergünstigen Smartphones oder Tablets vor Ende der Mindestvertragslaufzeit und damit für einen neuen Vertrag entschieden. Am … [ersten Tag nach Ablauf der Mindestvertragsdauer des Erstvertrages] beginnt für Ihren Vertrag eine neue Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten. (…) Sie erhalten ab dem (…) [ersten Tag nach Ablauf der Mindestvertragsdauer des Erstvertrages] folgenden Tarif: …
6Ausweislich der von der Beklagten zu nächstfolgenden Fälligkeitsdaten bis zum in der oben genannten Urkunde aufgeführten Beginn der Vertragsverlängerung erstellten Rechnungen (Anlage K 2) musste die Kundin I. jedoch bereits ab – einige Zeit vor diesem Datum liegenden - Erhalt des neuen Geräts und Inanspruchnahme des „neuen“ Tarifs Raten entsprechend dem „neuen“ Tarif zahlen.
7In der mit „Vertragsverlängerung“ überschriebenen Bestätigung der Beklagten für den Kunden Q. gab sie als Vertragsbeginn den Tag nach Abschluss des Vertrages über den Folgevertrag und als Mindestvertragslaufzeit 26 Monate an. Als Begründung hierfür gab sie auf Nachfrage des Kunden an, zur der neuen Vertragslaufzeit von 24 Monaten werde die Restlaufzeit aus dem Vorvertrag dazu addiert.
8Der Kläger hat geltend gemacht, dadurch werde der Kunde entgegen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB und § 43b S. 1 TKG (a.F.) über einen Zeitraum von mehr als 24 Monaten gebunden. Er hat daher, gestützt auf das UKlaG, beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen,
10I.
11es bei Vermeidung näher bezeichneter Ordnungsmittel künftig zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen in Telekommunikationsverträgen gegenüber Verbrauchern
121.bei einem Vertragswechsel Vereinbarungen zu treffen, wonach der neue Telekommunikationsvertrag eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten hat, die erst nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu laufen beginnt, wie geschehen in Anlage K 1, wenn die Aktivierung des neuen Telekommunikationsvertrages aber bereits vor dem Laufzeitende des vorherigen Telekommunikationsvertrages erfolgen soll, wenn dies geschieht wie bei dem von der Zeugin I. gebuchten neuen Tarif „…mit Basic Phone“ in Anlage K2 dokumentiert und wenn dies dazu führt ,dass hierdurch eine vertragliche Bindung des Kunden von 24 Monaten überschritten wird.
13hilfsweise,
14bei einem Vertragswechsel Vereinbarungen zu treffen, wonach der neue Telekommunikationsvertrag eine den anderen Vertragsteil für zwei Jahre bindende Laufzeit hat, die erst nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu laufen beginnt, wie geschehen in Anlage K 1, wenn die Aktivierung aber bereits vor dem Laufzeitende des vorherigen Telekommunikationsvertrages erfolgen soll, wenn dies geschieht wie bei dem von der Zeugin I. gebuchten neuen Tarif „…mit Basic Phone“ in Anlage K 2 dokumentiert und wenn dies dazu führt, dass hierdurch eine vertragliche Bindung des Kunden von 24 Monaten überschritten wird, sofern es sich hierbei nicht um Individualvereinbarungen handelt.
15und/oder
162.in Rechnungen und/oder in Bestätigungen von Vertragsänderungen zu Telekommunikationsverträgen ein Datum für ein Ende der Mindestvertragslaufzeit in Monaten anzugeben, durch die eine Vertragsbindung des Verbrauchers entsteht, die 24 Monate überschreitet, wenn dies geschieht wie in Anlage K 2 im Fall der Zeugen I. und in Anlage K 3 im Fall des Zeugen Q. dokumentiert,
17hilfsweise
18in Rechnungen und/oder in Bestätigungen von Vertragsänderungen zu Telekommunikationsverträgen ein Datum für ein Ende der Mindestvertragslaufzeit und/oder eine Dauer der Mindestvertragslaufzeit in Monaten anzugeben, durch die eine den Verbraucher länger als zwei Jahre bindende Laufzeit entsteht, sofern es sich hierbei nicht um eine Individualvereinbarung handelt, wenn dies geschieht wie in Anlage K 2 im Fall der Zeugin I. und in Anlage K 3 im Fall des Zeugen Q. dokumentiert
19und/oder
203.
21sich darauf zu berufen, dass bei Vertragsänderungen vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des vorherigen Telekommunikationsvertrages zu der mit dem neuen Telekommunikationsvertrag beginnenden Vertragslaufzeit von 24 Monaten die Restlaufzeit aus dem vorherigen Telekommunikationsvertrag dazu addiert werde, wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 dokumentiert.
22II.
23an den Kläger 234,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
24Die Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie hat geltend gemacht, es handele sich um eine bloße Vertragsverlängerung, auf die § 309 Nr. 9 lit.a) BGB und § 43b S. 1 TKG nicht anwendbar seien. Eine AGB-Kontrolle finde nicht statt, weil es sich um Individualabreden handele.
27Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, die Beklagte entsprechend den Hilfsanträgen zu I.1. und I.2. sowie gemäß dem Antrag zu II. verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
28Die beanstandeten Handlungen verstießen weder gegen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB noch gegen § 43b S. 1 TKG a.F.; die dort enthaltenen Verbote richteten sich allein gegen die Dauer von Erstverträgen, nicht gegen die Dauer von Folgeverträgen, um die es sich - trotz Veränderungen beim Vertragsinhalt – handele. Bei den Absprachen handele es sich jedoch um AGB, die gegen § 307 BGB verstießen; bei der Prüfung, ob sie rechtswidrig seien, sei die Wertung des § 309 Nr. 9 lit. a) BGB zu berücksichtigen.
29Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien, soweit ihnen nachteilig, unter Weiterverfolgung ihres Vortrages. Die Parteien sind des Weiteren unterschiedlicher Auffassung über die Auslegung des seit dem 01. Dezember 2021 geltenden § 56 TKG (zukünftig: TKG n.F.) vor dem Hintergrund von Art. 105 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2018/1972.
30Der Kläger beantragt,
31das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und nach den erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung des Klägers zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage vollständig abzuweisen.
34Der Kläger beantragt,
35die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
37II.
38Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Demgegenüber bleibt die Berufung der Beklagten erfolglos.
391.
40Der Antrag ist hinreichend bestimmt,§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das gilt auch für den Begriff „Vertragswechsel“. Die Parteien streiten zwar darüber, ob es sich rechtlich gesehen um bloße Vertragsverlängerungen und – fortsetzungen oder um die Abschlüsse neuer Verträge gehandelt habe. Aus den Ausführungen der Klageschrift, die zur Auslegung des Klageantrages beizuziehen sind, geht jedoch hervor, dass unter „Vertragswechsel“ jeder Vertragsabschluss zu verstehen ist, der über die Verlängerung des ansonsten unveränderten Erstvertrages hinausgeht, insbesondere andere Geräte und andere Raten als zuvor enthält.
412.
42Die Klagebefugnis des Klägers hat das Landgericht zutreffend bejaht, dagegen erhebt die Beklagte auch keine Rügen.
433.
44a) Was den Unterlassungsanspruch betrifft, hat er – soweit er auf die Vorfälle mit den Zeugen I. und Q. gestützt wird - vor dem Hintergrund der Ersetzung des § 43b S. 1 TKG a.F. durch § 56 Abs. 1 TKG n.F. zum 01. Dezember 2021 (vgl. Art. 61 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz), BGBl 2021, I 1858,1981) nur dann Erfolg, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl nach altem als auch nach neuem Recht rechtswidrig war bzw. ist (vgl. zuletzt BGH GRUR 2022, 399 Rn. 21 m.w.N. – Werbung für Fernbehandlung). Allein auf das neue Recht kommt es nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht an; Verletzungsfälle ab dem 01. Dezember 2021 werden nicht behauptet, auch eine Erstbegehungsgefahr wird nicht geltend gemacht.
45Soweit der Kläger Erstattung für seine Abmahnkosten verlangt, ist allein das damals geltende Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 66 m.w.N.).
46b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts (so allerdings auch OLG Köln GRUR 2021, 539) verstößt das beanstandete Verhalten der Beklagten gegen § 43b S. 1 TKG a.F. und § 56 Abs. 1 S. 1 TKG n.F., bei denen es sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 14 UKlaG um Verbraucherschutzgesetze handelt. Dabei ist der Streit der Parteien darüber, ob es sich jeweils um einen neuen Vertragsabschluss des Kunden mit der Beklagten oder lediglich um eine Vertragsverlängerung des Erstvertrages (mit veränderten Bedingungen) handelt, unerheblich.
47aa) Die Anwendung des § 43b S. 1 TKG a.F. und des § 56 Abs. 1 S. 1 TKG n.F. scheitert nicht daran, dass es sich nicht um Abreden über die „anfängliche Mindestvertragslaufzeit“ gehandelt hat. Unter „anfänglicher Mindestvertragslaufzeit“ ist nicht – so aber das Landgericht im angefochtenen Urteil und das OLG Köln (a.a.O.) – nur die im Erstvertrag festgesetzte Mindestvertragslaufzeit zu verstehen, sondern jeglicher Vertragsschluss, der durch aktuelle Willenserklärung zustande kommt.
48Dies ergibt sich aus der systematischen Auslegung vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung. Diese Vorschrift entspricht nach der Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Drs. 17/5707 S. 65) der Vorschrift des § 309 Nr. 9 lit.a) BGB, jedoch mit der Besonderheit, dass sie auch für Individualvereinbarungen gilt. § 309 Nr. 9 lit. a) BGB bezieht sich jedoch auf sämtliche Verträge, die durch aktuelle Willenserklärungen zustande kommen. Die Regelung des § 309 Nr. 9 lit. b) BGB – auf die das Landgericht und das OLG Köln als Gegenstück abstellen – betrifft nur „automatische Vertragsverlängerungen“, also auf fingierte Vertragsschlüsse bzw. bereits bei Abschluss des Erstvertrags für den Fall des Schweigens des Kunden getroffene Vereinbarungen (vgl. in anderem Zusammenhang Wals NJW 2021, 2833 Rn. 16). Die Abgrenzung zwischen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB einerseits und lit. b) andererseits hat dementsprechend nicht zwischen Erst- (dieser lit. a)) und Folgevertrag (dieser lit. b)), sondern zwischen durch aktuelle Willenserklärung zustande gekommene (lit. a)) und durch fiktive bzw. vorweggenommene Willenserklärung zustande gekommene (lit. b)) Verträge zu erfolgen. Die Regelungen unterscheiden je nach Schutzbedürftigkeit des Kunden, die bei fiktiven/vorweggenommenen Willenserklärungen größer ist als bei aktuellen Willenserklärungen. Die Auslegung des Landgerichts führt dazu, dass bei durch aktuelle Willenserklärungen zustande gekommenen Verlängerungsverträge weder lit. a) (kein Erstvertrag) noch lit. b) (keine fiktiven Erklärungen) gilt und sich dadurch eine Lücke auftut. In der Literatur finden sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine derartige Lücke, geschweige denn, wie diese Lücke zu schließen wäre. Es ist auch – was das Landgericht selbst anspricht – kein Grund dafür ersichtlich, Erst- und Verlängerungsverträge unterschiedlich zu behandeln. § 309 Nr. 9 lit. a) soll den Kunden allgemein vor überlanger Vertragsbindung bewahren. Auch die Bemerkung von Wurmnest (in Münchener Kommentar, 8. Aufl., § 309 Nr. 9 Rn. 12), die Vorschrift „bezieh[e] sich auf die erste Laufzeit“ (ebenso Christensen, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., § 309 Nr. 9 BGB Rn. 13; Coester-Waltjen, in Staudinger, § 309 Nr. 9 Rn. 17: „Erstlaufzeit“) betrifft nicht die Frage, ob es sich um einen Erst- oder um einen Fortsetzungsvertrag handelt.
49Auch der Wortlaut des § 43b S. 1 TKG a.F. spricht nicht dagegen (anders wohl ohne nähere Erörterung: Rugullis, in Säcker, TKG § 43b Rn. 4, Schadow, in Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl., § 43b Rn. 3). Zwar ist dort – im Gegensatz zu § 309 Nr. 9 lit. a) BGB – von „anfängliche[r] Mindestvertragslaufzeit“ die Rede. Dies führt aber nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Die Gesetzesbegründung (BT-DRs. 17/5707 S. 65) spricht eine Beschränkung auf Erstverträge nicht an. Der Begriff ist zudem vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden Richtlinien auszulegen. § 43b S. 1 TKG a.F. diente der Umsetzung von Art. 30 Abs. 5 S. 1 RL 2002/22/EG i.d.F. von Art. 1 Nr. 21 RL 2009/136/EG. Soweit dort von „anfängliche Mindestvertragslaufzeiten“ die Rede ist, ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass Verlängerungsklauseln typischerweise durch AGB vereinbart wurden, die bereits durch Anhang lit. h) RL 93/13/EWG reguliert wurden, während durch aktuelle Willenserklärungen zustande gekommene Laufzeitklauseln nicht reguliert wurden und insoweit unionsrechtlich weitergehender Regulierungsbedarf bestand. Auch insoweit ist nicht zwischen Erst- und Folgevertrag, sondern zwischen durch aktuelle Willenserklärungen zustande gekommene Vertrag einerseits und durch fiktive/vorweggenommene Willenserklärung zustande gekommenen Vertrag andererseits zu unterscheiden. Die Klausel wird in Erwägungsgrund 47 mit der Schaffung eines wettbewerbsorientierten Umfeldes gerechtfertigt, dem die Festlegung zumutbarer Mindestlaufzeiten in Verbraucherverträgen nicht entgegen stünden. Diese Begründung für die Einschränkung der Vertragsfreiheit gilt aber unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder um einen Folgevertrag handelt. Soweit die Beklagte im Termin gemeint hat, bei einem bloßen Fortsetzungsbedarf sei der Verbraucher weniger schutzwürdig, weil er das Produkt bereits kenne, trifft dies für die vorliegenden Fallgestaltungen (vgl. oben unter 1.) nicht zu (durch den „Verlängerungsvertrag“ werden Produkt und Rate geändert); zudem trifft diese Erwägung nicht den Grund für die Beschränkung der Vertragsfreiheit, nämlich wettbewerbliche Gründe. Das Wort „anfänglich“ (im Englischen: „initial“) bezieht sich nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf die Vertragslaufzeit.
50Die Folgeregelung des Art. 105 RL (EU) 2018/1972 regelt dies klarer. Sie regelt in Abs. 1 UA 1 S. 1 die vereinbarte Mindestvertragslaufzeit und in Abs. 3 die Möglichkeit jederzeitiger und kurzfristiger Kündigungsmöglichkeit bei „automatischer Verlängerung“. Sie regelt nunmehr selbst den Fall stillschweigender Verlängerung. Das Wort „anfänglich“ ist in Abs. 1 UA 1 S. 1 nicht mehr enthalten. Als erhebliche Änderung wird dies nicht angesehen, da die Erwägungsgründe (259) darauf nicht eingehen. Von daher ist aus der fehlenden Erwähnung der Änderung in den Erwägungsgründen sowie dem Übersehen der Textänderung der Richtlinie bei der Umsetzung in § 56 TKG n.F. zu schlussfolgern, dass sich Wesentliches nicht geändert hat. Auch § 56 Abs. 1 TKG n.F. ist folglich im gleichen Sinne auszulegen.
51Die Regelungen sehen keine Ausnahme für aus wirtschaftlichen Gründen gewünschte längere Vertragslaufzeiten vor. Die Beklagte kann ihrem Anliegen, die durch die vorzeitige Beendigung des Erstvertrages entstehenden Nachteile auszugleichen, nur durch anderweitige Vereinbarungen (z.B. höhere Raten, einmalige Ausgleichszahlungen) Rechnung tragen.
52b) Die Vertragslaufzeit betrug mehr als 24 Monate. Unabhängig davon, dass insoweit der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich ist (vgl. Wurmnest, a.a.O., § 309 Nr. 9 Rn. 12; Christensen, a.a.O., Rn. 13; Coester-Waltjen, a.a.O., § 309 Nr. 9 Rn. 17), übersteigt auch der Zeitraum, in dem die Leistungen entsprechend dem upgegradeten Vertrag miteinander ausgetauscht werden, 24 Monate.
53c) Die Beklagte schuldet demgemäß Unterlassung der verbraucherschutzrechtswidrigen Praktiken gemäß § 2 UKlaG. Das gilt auch für den Antrag zu 3. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Meinungsäußerung der Beklagten zur Rechtslage, sondern um eine unbedingte und vorbehaltlose Behauptung.
54Des Weiteren schuldet die Beklagte gemäß § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Erstattung der Abmahnkosten, deren Höhe von der Berufung nicht angegriffen wird.
555.
56Auf die Frage, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und – wenn ja – ob diese gegen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB (bzw. § 307 BGB) verstoßen, kommt es im Hinblick darauf, dass dies lediglich Gegenstand der Hilfsanträge ist, nicht mehr an. Es sei lediglich Folgendes angemerkt:
57a) Es handelt sich um AGB. Die Beklagte bietet in den Fällen, in denen der Kunde bei noch laufendem Erstvertrag ein „upgrade“ begehrt, lediglich einen Vertrag (unabhängig davon, ob man diesen als Neuvertrag oder als Vertragsverlängerung ansieht), bei dem die Leistungen bereits sofort entsprechend dem „upgrade“ ausgetauscht werden, die noch bis zum regulären Ende des Erstvertrages „fehlenden“ Monate jedoch bei der Berechnung der Vertragslaufzeit des upgegradeten Vertrages von 24 Monaten jedoch nicht berücksichtigt werden, so dass aber wirtschaftlich der upgegradete Vertrag länger als 24 Monate dauert. Dabei kann die Frage, unter welchen Umständen die Darstellung von Varianten in dem Angebot des Unternehmers zum Ausschluss von AGB führt (vgl. Basedow, in Münchener Kommentar, 8. Aufl., § 305 Rn. 35; BGH NJW 2017, 2346 Rn. 10 ff. einerseits; BGH NJW 2018, 2039 Rn. 11 ff. andererseits; vgl. dazu Hoffmann-Grambow, Anm. NJW 2018, 2039, 2042; Christensen, a.a.O., § 309 Nr. 9 Rn. 13; Coester-Waltjen, a.a.O., § 309 Nr. 9 17), offen bleiben. Denn die Beklagte bietet ihren Kunden keine Alternative (etwa in Form höherer Raten oder einer Einmalzahlung) an. Dass die Kunden auf den Vertragsabschluss verzichten könnten oder der weitere Vertragsschluss allein auf Betreiben der Kunden erfolgt, ist unerheblich.
58b) Die AGB verstoßen gegen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB, wie bereits dargelegt
59III.
60Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
61Die Revision ist zuzulassen, weil der Senat von dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln (GRUR 2021, 539) abweicht.
62Von einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV im Hinblick auf die Auslegung von Art. 30 Abs. 5 S. 1 RL 2002/22/EG i.d.F. von Art. 1 Nr. 21 RL 2009/136/EG und Art. 105 RL (EU) 2018/1972 sieht der Senat im Hinblick auf die Zulassung der Revision ab.
63Der Streitwert wird in Abänderung auch der landgerichtlichen Festsetzung auf 2.500 € festgesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beträgt der Streitwert in UKlaG-Verfahren 2.500 €. Bei den 3 Anträgen handelt es sich wirtschaftlich gesehen um einen Angriff.