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I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Düsseldorf vom 12.08.2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Das Verfahrenskostenhilfegesuch der Kindesmutter für ihre Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Beschwerdewert: 4.000 €.
G r ü n d e :
2I.
3Das beteiligte Kind, der am 00.00.2016 geborene A., ist aus der nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern hervorgegangen, die 2009 begann und 2016 während der Schwangerschaft der Kindesmutter mit dem Jungen endete. Der Kindesvater ist mit einer anderen Frau verheiratet, mit der er weitere, teils schon volljährige Kinder hat. Bis Sommer 2019 hatte der Kindesvater regelmäßig Umgang mit A. Ab August 2019, als sich die Kindeseltern über Kindesunterhaltszahlungen und Forderungen des Jobcenters stritten, fanden zunächst keine Kontakte zwischen dem Kindesvater und A. mehr statt.
4Die Kindesmutter hat dem Kindesvater vorgeworfen, dem Kind und ihr gegenüber in der Zeit des Zusammenlebens und während der Umgangskontakte immer wieder gewalttätig geworden zu sein. Auf Anregung des Kindesvaters leitete das Amtsgericht im Februar 2020 ein Verfahren zur Regelung des Umgangs des Kindes mit dem Kindesvater ein (Az. 275 F 11/20). Ab März 2021 fanden stundenweise, vom Kinderschutzbund begleitete Umgangskontakte statt. Im Umgangsverfahren regelten die Beteiligten, nachdem das Amtsgericht ein familienpsychologisches Gutachten der Sachverständigen B. eingeholt hatte, mit Zwischenvergleich vom 16.07.2021 stundenweise Umgangskontakte des Kindesvaters unter Mitwirkung einer Umgangspflegerin, wobei die ersten zehn Kontakte von der Umgangspflegerin begleitet werden sollten. Im November 2021 kam es kurzzeitig zu einer Versöhnung der Kindeseltern. Mit weiterem im Umgangsverfahren geschlossenen Zwischenvergleich vom 08.04.2022 wurden unbegleitete Umgangskontakte festgelegt, und zwar zunächst für die ersten vier Wochen an jedem Mittwochnachmittag und sodann an jedem Mittwoch- und Freitagnachmittag. Nachdem am 13.04.2022 der erste dieser Kontakte unter zeitweiser Anwesenheit der Verfahrensbeiständin durchgeführt worden war, ließ die Kindesmutter am 14.04.2022 über den für sie zuständigen Jobcenter-Mitarbeiter mitteilen, der Kindesvater habe A. im Zuge des am Vortrag durchgeführten Umgangs nach der Verabschiedung der Verfahrensbeiständin geschlagen, bedroht und eingeschüchtert. Seither hat kein Umgangskontakt mehr stattgefunden.
5Der Kindesvater hat im August 2022 beim Amtsgericht beantragt, ihm die elterliche Sorge für A. zu übertragen. In dem diesbezüglichen Sorgerechtsverfahren holt das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Erziehungsfähigkeit ein (Az. 275 F 76/22).
6Im vorliegenden, auf die Gefährdungsmeldung des Jugendamts nach § 8a SGB VIII im Mai 2022 eingeleiteten Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB hat das Amtsgericht die Kindesmutter verpflichtet, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten und ambulante Hilfen bzw. Hilfen zur Erziehung für sich und das beteiligte Kind in Anspruch zu nehmen. Eine konkrete Kindeswohlgefährdung ergebe sich aus der Haltung der Kindesmutter, die den Umgang des Kindes mit dem Kindesvater vehement ablehne und das Kind seit Jahren in einem Loyalitätskonflikt halte, indem sie zeitweise Umgangskontakte zulasse und zeitweise unter Darstellung des Kindesvaters als böse und gewalttätig jeden Kontakt ablehne, wobei sie jeweils von A. erwarte, dass er ihre Haltung mittrage. Es sei davon auszugehen, dass der Junge am 13.04.2022 nicht vom Kindesvater misshandelt worden sei. Die erteilte Weisung sei das mildeste Interventionsmittel. Damit sei sicherzustellen, dass A. nicht aus dem Blick gerate und sein Befinden kontrolliert und unterstützt werden könne. Im Fall der nicht adäquaten Zusammenarbeit der Kindesmutter mit den ambulanten Hilfen sei zu überprüfen, ob weitergehende sorgerechtliche Maßnahmen angezeigt seien.
7Mit ihrer Beschwerde rügt die Kindesmutter, die Anordnungen des Amtsgerichts seien zu unbestimmt und einer Vollstreckung nicht fähig. Eine Kindeswohlgefährdung könne nicht ohne weiteres bejaht werden, insbesondere nicht ohne die – vom Amtsgericht vor Entscheidungserlass nicht durchgeführte – Anhörung des Kindes. Zu berücksichtigen sei, dass das Kind Gewalthandlungen gegenüber dem Jugendamt bestätigt habe. Fehlerhafterweise habe das Amtsgericht nicht ermittelt, ob der Junge überhaupt Kontakt zum Kindesvater wünsche. Er habe keinerlei Bezug zum Kindesvater. Jedenfalls sei die angeordnete Maßnahme ein völlig ungeeignetes Mittel. Das Amtsgericht habe nicht dargelegt, wie eine ambulante Hilfe bzw. Hilfe zur Erziehung das Umgangsproblem zwischen dem Kindesvater und ihr, der Kindesmutter, lösen könne.
8Das Jugendamt hat auf Anzeichen für eine Instrumentalisierung und Manipulation A.s durch die Kindesmutter verwiesen und die Einschätzung geäußert, die Verhinderung des Umgangs und der Loyalitätskonflikt für A. seien zum Nachteil des Kindes.
9Der Kindesvater und die Verfahrensbeiständin verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts.
10Die Akte des Amtsgerichts 275 F 11/20 war beigezogen und Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
11II.
12Die zulässige Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Weisung ist nicht zu beanstanden. Sie rechtfertigt sich aus § 1666 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BGB, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Das Beschwerdevorbringen der Kindesmutter gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
131.
14Voraussetzung für die Anordnung auf § 1666 BGB gestützter Kinderschutzmaßnahmen ist eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls, zu deren Abwendung die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind. Eine Kindeswohlgefährdung besteht bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Einer ziemlichen Sicherheit des Schadenseintritts im Sinne einer höheren Schadenswahrscheinlichkeit bedarf es unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit nicht, soweit es um eine der in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch normierten Kinderschutzmaßnahmen unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung geht (BGH, Beschluss vom 21.09.2022 – XII ZB 150/19, Rn. 21; BGH, FamRZ 2019, 598, Rn. 18 f., 34; BGH, FamRZ 2017, 212, Rn. 13 ff., 27). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die anzuordnende Maßnahme zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung effektiv geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen (BGH, FamRZ 2014, 543, Rn. 20).
152.
16Nach diesem Maßstab ist die angefochtene Weisung gemäß § 1666 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BGB zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung geboten.
17a)
18Aufgrund konkreter Verdachtsmomente ist jedenfalls mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass das seelische Wohl des beteiligten Kindes bei der weiteren Entwicklung der Dinge erheblich geschädigt würde. Das ergibt sich aus der manifestierten negativen Haltung der Kindesmutter gegenüber Umgangskontakten A.s mit dem Kindesvater. Diese ist insbesondere im Zuge des vor dem Amtsgericht anhängigen Umgangsverfahrens (Az. 275 F 11/20) zu Tage getreten und hat zumindest maßgeblich dazu beigetragen, dass aktuell überhaupt kein Umgang mehr stattfindet. Der somit eingetretene Kontaktabbruch ist nicht zuletzt im Hinblick auf die normative Wertung des § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach der Umgang mit beiden Elternteilen in der Regel zum Wohl des Kindes gehört, als erheblich kindeswohlschädigend einzuschätzen.
19Dass die Kindesmutter den Umgang des Kindes mit dem Kindesvater kategorisch ablehnt, ist in aller Deutlichkeit ihren Äußerungen gegenüber der Sachverständigen B. im Rahmen der familienpsychologischen Begutachtung im Umgangsverfahren im Oktober 2020 zu entnehmen. Dort hat die Kindesmutter bekundet, Umgänge zwischen dem Kindesvater und A. nicht akzeptieren zu können. Das einzige, was sie sich wünsche sei, dass diese Person (der Kindesvater) von ihnen fernbleibe (S. 34 des Gutachtens vom 04.03.2021 = Bl. 191 der Beiakte 275 F 11/20). Auf dieser Grundlage hat es die Sachverständige als notwendig erachtet, kontinuierliche fachliche Beratungskontakte zur Kindesmutter zu installieren und vorrangig psychoedukative Einheiten hinsichtlich der Auswirkungen ihres Verhaltens auf die emotionale Befindlichkeit und die weitere Entwicklung A.s vorzusehen (S. 85 des Gutachtens vom 04.03.2021 = Bl. 242 der Beiakte 275 F 11/20). Nach Maßgabe dieser überzeugenden fachpsychologischen Einschätzung unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass eine Fortsetzung des Verhaltens der Kindesmutter im Hinblick auf den Umgang des Kindes mit dem Kindesvater ohne eine Änderung durch fachliche Beratung negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung des Kindes und das Wohlbefinden des Kindes hat.
20Offenkundig geworden sind diese Defizite bei der Durchführung der vom Kinderschutzbund begleiteten Umgangskontakte ab März 2021. Im Zwischenbericht vom 10.06.2021 hat der Kinderschutzbund ausgeführt, die Kindesmutter sei gegen Kontakte zwischen dem Kindesvater und A. gewesen. Sie habe mehrfach versucht zu untermauern, wie schädlich und gefährlich Kontakte für A. seien (S. 2 des Zwischenberichts des Kinderschutzbundes vom 10.06.2021 = Bl. 295 der Beiakte 275 F 11/20). A. sei sehr bewusst gewesen, dass die Kindesmutter die Kontakte nicht wünsche. Er wolle nichts tun, was die Kindesmutter verärgere (S. 5 des Zwischenberichts vom 10.06.2021 = Bl. 298 der Beiakte 275 F 11/20). Die Kindesmutter sei ihren eigenen Emotionen so verhaftet, dass sie andere Sichtweisen nicht habe zulassen und auch den massiven Loyalitätskonflikt des Jungen nicht habe wahrnehmen können (S. 2 des Zwischenberichts vom 10.06.2021 = Bl. 295 der Beiakte 275 F 11/20). Dieses Verhalten der Kindesmutter ist nicht zuletzt auch deshalb ein klares Anzeichen für ihre mangelnde Fähigkeit, die Belange des Kindes in einer dessen Bedürfnissen entsprechenden Weise wahrzunehmen, weil A. nach Maßgabe der Wahrnehmungen der Umgangsbegleiterin während der Kontakte in der Interaktion mit dem Kindesvater große Freude zeigte, ausgelassen war und großen Spaß hatte (S. 3 ff. des Zwischenberichts vom 10.06.2021 = Bl. 296 ff. der Beiakte 275 F 11/20).
21Konkrete Anzeichen einer Kindeswohlschädigung durch das Verhalten der Kindesmutter im Hinblick auf den Umgang des Kindes mit dem Kindesvater finden sich schließlich in der fachlichen Einschätzung des Jugendamts im Bericht vom 24.05.2022, der zufolge von einem Instrumentalisieren und Manipulieren A.s durch die Kindesmutter auszugehen ist (S. 3 des Berichts des Jugendamts vom 24.05.2022 = Bl. 227 der Beiakte 275 F 11/20).
22Eine abweichende Würdigung ist auch nicht wegen der seitens der Kindesmutter wiederholt gegen den Kindesvater erhobenen Gewaltvorwürfe geboten. Zum einen sind diese nicht substanziiert, wie schon die Sachverständige B. ausgeführt hat (S. 82 des Gutachtens = Bl. 239 der Beiakte 275 F 11/20). Zum anderen steht ein etwaiges Gewalterleben des Kindes jedenfalls einem begleiteten Umgang nicht entgegen. Auch in diesem Punkt ist die fachpsychologische Einschätzung der Sachverständigen B. eindeutig (S. 82 ff. des Gutachtens = Bl. 239 ff. der Beiakte 275 F 11/20). Soweit es eines besonderen Schutzes des Kindes bedürfen sollte, wäre dieser durch eine Begleitung des Umgangs hinreichend sichergestellt. Eine andere Kindeswohleinschätzung ist nicht mit den ausgesprochen positiven Verhaltensweisen des Kindes in der Interaktion mit dem Kindesvater während der im Zuge des Umgangsverfahrens durchgeführten Kontakte in Einklang zu bringen.
23Nichts anderes ist aus dem auf den Umgangskontakt vom 13.04.2022 bezogenen Gewaltvorwurf abzuleiten. Auch dieser ist nicht substanziiert und insbesondere mit Blick auf die sehr unklaren, nicht kohärenten Angaben des Kindes nicht valide, wie das Jugendamt im Bericht vom 24.05.2022 eingehend dargelegt hat (Bl. 225 ff. der Beiakte 275 F 11/20). Aus den erörterten Gründen ergibt sich auch aus diesem Vorwurf jedenfalls kein Hinderungsgrund für die Durchführung begleiteter Umgangskontakte.
24Der Annahme einer Kindeswohlgefährdung stehen schließlich auch nicht die Willensäußerungen des Kindes entgegen. Diese erfüllen bereits nicht die Mindestanforderungen an einen beachtlichen Kindeswillen. Hierzu wird auf die methodisch stringente und in keiner Weise zu beanstandende fachpsychologische Einschätzung der Sachverständigen B. Bezug genommen (S. 69 f. des Gutachtens = Bl. 226 f. der Beiakte 275 F 11/20). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass A. während der Umgangskontakte in der Interaktion mit dem Kindesvater ausgesprochen positive Verhaltensweisen zeigte, obwohl er zuvor einen den Umgang ablehnenden Willen geäußert hatte. In Ansehung dieser Umstände ergibt sich aus den Willensäußerungen des Kindes keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass der Umgang des Jungen mit dem Kindesvater aufgrund besonderer Umstände nicht zum Kindeswohl gehört.
25b)
26Die Weisung ist zur Abwendung der somit festzustellenden Kindeswohlgefährdung geeignet. Entscheidend ist aus den zu Punkt a) erörterten Gründen, dass der Umgang des Kindes mit dem Kindesvater zumindest in begleiteter Form alsbald wieder aufgenommen wird. Hierzu bedarf es einer Verhaltensänderung der Kindesmutter, damit dem Jungen nicht weiterhin durch seine primäre Bindungsperson vermittelt wird, dass jedweder Kontakt mit dem Kindesvater schädlich sei. Dies kann im Wege einer fachlichen Beratung der Kindesmutter erreicht werden. Noch scheint die Annahme, die Kindesmutter sei von vornherein außerstande oder nicht willens, sich auf eine solche Beratung einzulassen, nicht hinreichend gerechtfertigt. Unabhängig davon, welche Folgerungen sich aus einem etwaigen diesbezüglichen gänzlichen Unvermögen oder einer fehlenden Bereitschaft der Kindesmutter für eine Sorgerechtsübertragung gemäß § 1671 BGB ergäben, die Gegenstand des Weiteren vor dem Amtsgericht geführten Verfahrens ist (Az. 278 F 76/22), sieht der Senat noch hinreichende Ressourcen der Kindesmutter, sich auf eine fachliche Beratung einzulassen und entsprechende Hilfen anzunehmen. Denn die Kindesmutter hat es im Zuge des Umgangsverfahrens zwischenzeitlich geschafft, an Umgangskontakten des Kindes mit dem Kindesvater mitzuwirken. Das genügt für eine positive Prognose dahin, dass dies – unter dem Eindruck von Beratungen und Hilfeleistungen der Jugendhilfe – ein weiteres Mal möglich sein wird.
27c)
28Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Weisung auch erforderlich und angemessen. Insbesondere ist aktuell kein milderes Mittel zur Abwendung der dargestellten Kindeswohlgefährdung ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass derzeit keine Umgangsregelung besteht. Eine solche ist zwar das vorrangige Mittel zur Abwendung umgangsbezogener Kindeswohlgefährdungen. Da es hier aber lediglich um den niedrigschwelligen Sorgerechtseingriff einer Auflage nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB geht und der Erfolg der Umsetzung einer Umgangsregelung auch vom Verhalten der Kindesmutter bestimmt wird – insbesondere auch davon, ob es ihr gelingt, den Umgang zuzulassen – , ist die Weisung als mildestes effektives Mittel der Gefahrabwendung anzusehen. Darüber hinaus sollte aber seitens des Amtsgerichts vor allem zur Vermeidung einer Entfremdung zwischen A. und dem Kindesvater die Regelung zumindest begleiteter Umgangskontakte – etwa im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung – geprüft werden.
29d)
30Die vom Amtsgericht erteilte Weisung erweist sich auch als hinreichend bestimmt.
31aa)
32An die Bestimmtheit eines Gebots zur Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB sind nur geringe Anforderungen zu stellen. Denn solche Gebote haben typischerweise nicht primär den Zweck, vollstreckt zu werden, sondern zielen auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, indem sie einen stärkeren Eingriff in das Sorgerecht, etwa eine (Teil-)Sorgerechtsentziehung, erübrigen können. Bei Nichtbefolgung der Gebote ist vorrangig nicht deren zwangsweise Durchsetzung in Betracht zu ziehen. Vielmehr sind angesichts fehlender Kooperation der Eltern weitergehende Sorgerechtsmaßnahmen zu prüfen (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2017, 453, 454; Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch, Familienrecht, 7. Auflage, § 1666 BGB Rn. 114). Die Weisung muss aber inhaltlich so bestimmt sein, dass die Eltern eindeutig erkennen können, welches konkrete Verhalten von ihnen verlangt wird (Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch, Familienrecht, 7. Auflage, § 1666 BGB Rn. 114).
33bb)
34Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt die angefochtene Auflage. Im Hinblick auf die im hiesigen Verfahren und vor allem im Umgangsverfahren eingehend erörterte Problematik des Umgangs des Kindes mit dem Kindesvater kann die Kindesmutter ohne Weiteres erkennen, was die Weisung des Amtsgerichts von ihr verlangt, nämlich mit dem Jugendamt bezüglich dieses Umgangs zusammenzuarbeiten und die ihr hierzu seitens des Jugendamts angebotenen Hilfen anzunehmen. Schon durch eine Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt und eine Anfrage hinsichtlich möglicher Hilfen im Zusammenhang mit der Umgangsproblematik könnte die Kindesmutter etwaige Unklarheiten beseitigen und die geforderte Mitwirkung leisten. Dies ist von ihr im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung zu verlangen. Abgesehen davon ist für die Kindesmutter auch deshalb klar gewesen, was von ihr verlangt wird, weil ihr das Jugendamt umgehend nach Erlass der angefochtenen Entscheidung am 15.08.2022 einen entsprechenden Jugendhilfeantrag mit der Bitte um Unterschrift übermittelt hat. Spätestens mit Erhalt dieser Aufforderung verblieb kein Zweifel, was die Kindesmutter zu tun hatte, um der angefochtenen Weisung zu entsprechen, nämlich in einem ersten Schritt den unterschriebenen Jugendhilfeantrag beim Jugendamt einzureichen, um so die Voraussetzungen für die erforderlichen Hilfemaßnahmen zu schaffen.
353.
36Schließlich greift auch der Einwand der unterlassenen Kindesanhörung nicht durch, hat doch das Amtsgericht den Jungen am 03.11.2022 persönlich in der Schule angehört, nachdem er von der Kindemutter nicht zu dem zunächst für den 06.09.2022 beim Amtsgericht anberaumten Anhörungstermin gebracht worden war. Unerheblich ist, dass die Kindesanhörung im Umgangsverfahren erfolgt ist. Denn im hiesigen Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB geht es um die Abwendung einer umgangsbezogenen Kindeswohlgefährdung. Die Kindesanhörung hatte die vorliegend maßgebliche Problematik des Umgangs mit dem Kindesvater zum Gegenstand. In welchem konkreten Verfahren und unter welchem Aktenzeichen die Kindesanhörung durchgeführt worden ist, spielt für den allein entscheidenden sachlichen Erkenntnisgewinn keine Rolle.
37III.
38Von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten hat der Senat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, weil diese vom Amtsgericht vorgenommen wurde und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die maßgeblichen Umstände sind bereits Gegenstand der Ermittlungen des Amtsgerichts gewesen.
39IV.
40Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 84 FamFG.
41Das Verfahrenskostenhilfegesuch der Kindesmutter war gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde zurückzuweisen.
42Die Wertfestsetzung beruht auf § 40 Abs. 1 iVm § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
43Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.