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Dient eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nach § 51 SGB III nicht der Vorbereitung auf einen Schulabschluss, sondern allein der allgemeinen Verbesserung vorhandener Fähigkeiten, ist die Maßnahme einer allgemeinen Schulausbildung im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gleichzusetzen.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22.01.2014 gegen den am 10.01.2014 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dorsten wird zurückgewiesen.
Gründe
2I.
3Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.
4Die ##.##.1994 geborene Antragstellerin ist die leibliche Tochter der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin lebt mit ihrem Vater zusammen. Ausweislich des Bescheides des Jobcenters W im Kreis S vom 04.06.2013 beziehen die Antragstellerin und ihr Vater Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt zuletzt nachgewiesenen 862,45 €. Die Antragsgegnerin ist geringfügig beschäftigt und erhält eine Bruttostundenvergütung von 7,50 €; sie erhält ergänzend Leistungen nach dem SGB II.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.06.2013 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung auf.
6Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Antragsgegnerin sei ihr gegenüber gesteigert unterhaltsverpflichtet. Sie, die Antragstellerin, beabsichtige, Altenpflegerin zu werden und wolle die Berufsschule in C mit dem Ziel, dort den Hauptschulabschluss und darauf aufbauend noch den Realschulabschluss zu erreichen, besuchen. Aufgrund ihres Alters sei sie dort jedoch nicht angenommen worden. Ab dem 05.09.2013 habe sie auf Grundlage der Vereinbarung über die Teilnahme an der berufsvorbereitenden Maßnahme (BVB-Maßname) vom 05.09.2013 eine BVB-Maßnahme begonnen. Es handele sich um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Stadt F; der Träger sei die E gGmbH. Ausweislich des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 16.10.2013 erhalte sie eine Berufsausbildungsbeihilfe von monatlich 246,00 €. Da sie eine Lese-, Rechtsschreib- und Lernschwäche habe, sei es ihr nicht gelungen, den Hauptschulabschluss im ersten Anlauf zu erreichen. Sie wolle dies im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung mit paralleler Berufsschultätigkeit nachholen. Sie befinde sich mithin noch in allgemeiner Schulausbildung, so dass die Antragsgegnerin ihr gegenüber gesteigert hafte. Erwerbsbemühungen habe die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen. Ihr Vater erfülle seine Unterhaltsverpflichtung, indem er sie, die Antragstellerin, im Rahmen des Zusammenlebens mit ihr betreue und versorge.
7Die Antragstellerin hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antrag begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, rückständigen Volljährigenunterhalt für den Zeitraum von Juli 2013 bis Oktober 2013 in Höhe von insgesamt 1.216 € und laufenden Volljährigenunterhalt beginnend mit dem Monat November 2013 in Höhe von monatlich 304 € nebst Zinsen zu zahlen.
8Die Antragsgegnerin hat behauptet, die Antragstellerin habe ihre Lehre in T abgebrochen und habe auch nicht die Berufsschule besucht.
9Das Amtsgericht – Familiengericht - Dorsten hat mit am 10.01.2014 erlassenen Beschluss den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ihren Zahlungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin nicht feststellen lasse. Aus der Vorlage der vorgelegten Vereinbarung über die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme lasse sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin privilegiert sei. Überdies ergebe sich auch für den Fall der Privilegierung eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung des Vaters. Dieser komme er derzeit nicht nach. Der Verweis der Antragstellerin auf Naturalunterhaltsleistungen des Vaters sei deswegen nicht durchgreifend, weil sich aus dem vorgelegten Bescheid des Jobcenters ergebe, dass sowohl für sie als auch für ihren Vater der Regelbedarf und die auf sie entfallenden Wohnkosten im Rahmen der bestehenden Bedarfsgemeinschaft von der öffentlichen Hand sichergestellt würden. Ungeachtet dessen seien sowohl der Vater als auch die Antragsgegnerin entsprechend ihren Einkommensverhältnissen am Unterhaltsbedarf der Antragstellerin zu beteiligen. Zu einer Leistungsfähigkeit des Vaters sei indes nicht hinreichend vorgetragen. Überdies erziele die Antragsgegnerin aus einer geringfügigen Beschäftigung eine Bruttostundenvergütung von 7,50 €, so dass sie entsprechend leistungsunfähig sei. Letztlich sei noch beachtlich, dass auf den seitens der Antragstellerin geltend gemachten Unterhaltsbetrag i.H.v. 488,00 € das Kindergeld in voller Höhe und die Ausbildungsbeihilfe anzurechnen seien, so dass sich ein ungedeckter Bedarf in Höhe von noch 58,00 € ergebe; ein Ausbildungsmehrbedarf sei nicht erkennbar, zumal auch noch ein Fahrtkostenbedarf mit einer weiteren Zahlung i.H.v. 29,90 € abgedeckt werde. Dass die Antragstellerin diesen Betrag nicht erhalte, könne nicht dazu führen, stattdessen eine Unterhaltspflicht anzunehmen.
10Gegen diesen Beschluss richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages, dass ihr Vater erwerbsunfähig sei; er sei Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, sei über Jahre massiver Alkoholiker gewesen und habe infolge der Alkoholerkrankung Schädigungen des Hirnstammes und Schädigungen seiner physischen Belastbarkeit hinnehmen müssen. Überdies habe er durch einen Arbeitsunfall mehrere Finger verloren und könne auch deswegen nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Soweit sie selbst Leistungen nach dem SGB II beziehe, sei ihr seitens des Jobcenters erklärt worden, die Kindesmutter in Anspruch nehmen zu sollen. Mithin sei der gestellte Antrag dahingehend umzustellen, dass bis zu dem Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Zahlung entspreche, Leistungen an das Jobcenter der Stadt F zu erbringen seien, soweit bis zu diesem Zeitpunkt das Jobcenter Zahlungen an sie geleistet habe.
11Mit am 14.07.2014 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht – Familienrecht – Dorsten der sofortigen Beschwerde sinngemäß nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung mit der ergänzenden Begründung vorgelegt, dass eine unterhaltsrechtliche Privilegierung nach wie vor nicht ausreichend dargelegt und für diesen Fall auch der Vater der Antragstellerin als unterhaltverpflichtet anzusehen sei. Aufgrund des Leistungsbezuges bestehe eine Antragsbefugnis erst ab Rechtshängigkeit; eine Rückabtretung für die Vergangenheit sei nicht behauptet.
12II.
13Die nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
141.
15Zutreffend verweist die Antragstellerin zwar darauf, dass ihr die Antragsgegnerin die Zahlung von Kindesunterhalt nach §§ 1601, 1602, 1610 Abs. 2 BGB in Form des Ausbildungsunterhalts dann schulde und sie Anspruch auf angemessenen Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten für eine angemessene Ausbildung zu einem Beruf hätte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05. Februar 2013 – II-7 UF 166/12 – zitiert nach juris), wenn sie sich in allgemeiner Schulausbildung befände.
16Vorliegend handelt es sich indes um eine Maßnahme nach den §§ 51, 53 SGB III. Nach § 53 SGB III dient die Maßnahme der Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss. Förderungsbedürftige junge Menschen ohne Schulabschluss haben einen Anspruch, im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses vorbereitet zu werden. Daneben dient die Maßnahme aber auch der beruflichen Integration. Nach § 1 der Vereinbarung soll es der Antragstellerin ermöglicht werden, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen für die Ausnahme einer beruflichen Ausbildung zu überprüfen, zu bewerten und zu erweitern und eine Berufswahlentscheidung zu treffen. Primäres Ziel ist mithin nicht, dass die Antragstellerin die Schulzeit mit einem qualifizierten Abschluss beendet (vgl. Knickrehm, in: jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 53 SGB III Rn. 7), sondern eine allgemeine Verbesserung vorhandener Fähigkeiten zu bewirken.
17Überdies gliedert sich die Maßnahme nach § 2 der Vereinbarung in einen praktischen Arbeits- und Qualifizierungsteil und in einem Berufsschulsteil. Berufsschulen und Berufsfachschulen zählen aber nicht als allgemeine Ausbildung, da sie neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits berufsbezogene Ausbildungsinhalte vermitteln (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Mai 1999 – 5 WF 41/99 – NJWE-FER 2000, 53; OLG Koblenz, Beschluss vom 05. November 1999 – 13 WF 583/99 – FamRZ 2000, 687; Reinken, in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2014, § 1606 Rn. 32).
182.
19Damit aber befindet sich die Antragstellerin nicht in allgemeiner Schulausbildung im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB. Mithin ist die Antragsgegnerin auch nicht gesteigert erwerbsverpflichtet.
20Unter Zugrundelegung ihres tatsächlich erzielten Bruttostundenlohnes in Höhe von 7,50 € ist selbst bei Annahme einer vollschichtigen Tätigkeit von einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.297,50 € (173 Stunden x 7,50 €) auszugehen. Unter Berücksichtigung von Lohnsteuer in Höhe von 50,50 €, Kirchensteuer in Höhe von 4,54 €, einem 9,45%igen Rentenversicherungsanteil in Höhe von 122,61 €, einem 1,5%igen Arbeitslosenversicherungsanteil in Höhe von 19,46 €, einem 8,2%igen Krankenversicherungsanteil in Höhe von 106,40 € und einem 1,275%igen Pflegeversicherungsanteil in Höhe von 16,54 € ergäbe sich ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 977,45 €. Abzuziehen wären noch fiktive berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 %, so dass bei Ansatz des Selbstbehaltes gegenüber Volljährigen im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB von 1.200,00 € keine Leistungsfähigkeit besteht.
213.
22Aber selbst wenn eine Privilegierung im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB anzunehmen wäre, wäre beachtlich, dass sich der Unterhaltsbedarf der Höhe nach nicht auf 304,00 € beläuft.
23Auszugehen ist zwar von einem Bedarf in Höhe von 488,00 €. Abzuziehen ist zunächst das volle Kindergeld von 184,00 € (vgl. Ziffer 3 HLL). Auch die gezahlte Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 246,00 € ist auf den Bedarf anzurechnen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. März 2014 – 10 WF 30/14 – FamRZ 2014, 1786), so dass ohnehin nur ein Anspruch in Höhe von 58,00 € verbliebe. Soweit ein etwaiger ausbildungsbedingter Mehrbedarf von 90,00 € betroffen ist, hat die Antragstellerin allein angekündigt, weiteren Vortrag dazu zu halten, ob der Ansatz der Pauschale von 90 € (Nr. 10.2.3 HLL) gerechtfertigt ist. Entsprechender Vortrag ist nicht erfolgt. Abgesehen hiervon, ist ausweislich des Berechnungsbogens zum Bescheid vom 16.10.2013 ein Betrag in Höhe von 29,90 € als Bedarf für Fahrtkosten nach § 63 SGB III angesetzt worden.
24Überdies ist der gesetzliche Anspruchsübergang beachtlich; insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in seinem am 14.07.2014 erlassenen Nichtabhilfebeschluss.
25III.
26Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.