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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.10.2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert und neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.029,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.05.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.05.2015 und weitere Zinsen in Höhe von 728,60 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
3I.
4Die Klägerin betreibt ein auf den Rohrleitungsbau spezialisiertes Bauunternehmen.
5Sie hat im Auftrag der Beklagten Bauleistungen erbracht und verlangt mit ihrer Klage die Zahlung restlicher Vergütung.
6Mit Vertrag vom 06.04.2006 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit der Erstellung einer Fernwärmetrasse zum Pauschalfestpreis von 650.000,- € netto.
7Als Endtermin für die Erstellung der Versorgungstrasse war in § 7 des Vertrages der 28.07.2006 festgelegt. Weiter heißt es in § 7:
8„Falls der AN [= die Klägerin] seine Leistungen durch Verschulden des AG’s [= die Beklagte] nicht termingerecht erbringen kann, verschieben sich die im Vertrag genannten Termine um die Zahl der Kalendertage der durch den AG nachweislich verursachten Verzögerung. Der AN kann sich auf Verzögerungen nur berufen, wenn diese unverzüglich schriftlich dem AG angezeigt worden sind.“
9In § 11 des Vertrages vereinbarten die Parteien:
10„Wird die vereinbarte Fertigstellungsfrist aus Gründen, die der AN zu vertreten hat, überschritten, so hat der AN eine Verzugspauschale in Höhe von 1,0 % pro angefangener Kalenderwoche bis zu einem Betrag von maximal 5 % der Auftragssumme zu zahlen.“
11Unter dem 12.06.2006 und dem 27.06.2006 übersandte die Klägerin Behinderungsanzeigen an die Beklagte, die hierauf mit Schreiben vom 29.06.2006 und 11.07.2006 antwortete.
12Am 01.08.2006 wurde das Versorgungsnetz befüllt. Es waren allerdings noch weitere Leistungen der Klägerin erforderlich.
13Am 24.11.2014 erfolgte die Abnahme des Werks der Klägerin durch die Beklagte.
14Unter dem 17.12.2014 erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung über 645.078,13 € netto (entspricht 748.290,63 € brutto) und forderte die Beklagte auf, den noch offenen Restbetrag in Höhe von 52.290,63 € binnen 30 Kalendertagen zu zahlen.
15Mit Schreiben vom 13.03.2015 mahnte die Klägerin die Zahlung an.
16Mit Schreiben vom 23.04.2015 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin die vereinbarte Verzugspauschale von 5 % der Auftragssumme (= 32.253,90 € netto) wegen Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins durch die Klägerin in Anspruch.
17Am 26.05.2015 zahlte die Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 15.260,83 € an die Klägerin.
18Mit ihrer Klage macht die Klägerin den von der Beklagten noch nicht gezahlten Restbetrag von 37.029,80 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
19Die Klägerin hat behauptet, dass die Beklagte den Bauvertrag vom 06.04.2006 zur Mehrfachverwendung formuliert und gestellt habe. Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie durch § 11 des Vertrages entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt worden sei, so dass § 11 gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei.
20Die Beklagte habe mehrere Behinderungen des Baufortschritts zu vertreten, die zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen geführt hätten, nämlich mindestens bis zum 19.10.2006. Hierdurch sei die Vertragsstrafenzusage hinfällig geworden.
21Die Beklagte hat behauptet, den Vertrag ausschließlich für den streitgegenständlichen Auftrag ausgearbeitet und verwendet zu haben. Ferner sei über den gesamten Vertragsinhalt ernsthaft verhandelt worden, so dass keine AGB, sondern eine Individualvereinbarung vorliege. Die Beklagte habe der Klägerin bereits unter dem 23.03.2006 einen Vertragsentwurf als Verhandlungsgrundlage für die gemeinsame Besprechung am 03.04.2006 übersandt. Am 03.04.2006 seien sämtliche Regelungen des Vertrages im Einzelnen verhandelt worden.
22Zudem sei die Klägerin durch § 11 des Vertrages auch nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt worden.
23Mit Urteil vom 27.10.2016 hat das Landgericht Bochum die Klage abgewiesen.
24Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte den Betrag von 32.253,90 € berechtigterweise als Vertragsstrafe in Höhe von 5 % der Auftragssumme von der restlichen Werklohnforderung der Klägerin abgezogen habe. Die Parteien hätten die Vertragsstrafe wirksam vereinbart. Die entsprechende Klausel benachteilige die Klägerin nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Abzustellen sei auf die Umstände des Einzelfalles. Zwar sei die Vertragsstrafe mit 1,0 % der Auftragssumme pro angefangener Kalenderwoche in der Anfangszeit recht hoch und übersteige auch den für kritisch gehaltenen Satz von 0,3 % pro Tag, sinke aber über den gesamten Zeitraum der Verzögerung, der zu betrachten sei, degressiv auf 0,17 % pro Tag. Die anfängliche Höhe sei zudem gerechtfertigt, um die Klägerin als Schuldnerin anzuhalten, ihre Leistung pünktlich zu erbringen. Damit sei die Klausel insgesamt nicht als unangemessen einzustufen.
25Die Vertragsstrafe sei auch nicht durch von der Beklagten zu vertretende Verzögerungen des Baufortschritts hinfällig geworden. Vielmehr hätte sich der Fertigstellungstermin durch diese Verzögerungen nach § 2 Ziffer 7 des Vertrages in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Ziffer 1 a) VOB/B nach hinten verschoben, und zwar auf den 15.07.2008. Dieser Termin sei von beiden Parteien übereinstimmend fixiert worden. Dem dahingehenden substantiierten Vortrag der Beklagten in ihrem Schreiben vom 19.05.2015 sei die Klägerin nicht entgegengetreten, sondern datiere selbst das Ende der von der Beklagten zu vertretenden Verzögerungen bereits auf den 19.10.2006. Die Abnahme sei jedoch erst am 24.11.2014 erfolgt, obwohl die Klägerin die Arbeiten nach Wegfall der hindernden Umstände unverzüglich wieder aufnehmen und die Beklagten hierüber unterrichten hätte müssen.
26Gegen dieses klageabweisende Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
27Sie behauptet, dass es sich bei dem Vertrag vom 06.04.2006 und insbesondere des dortigen § 11 um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, die von der Beklagten zur Mehrfachverwendung vorformuliert gewesen seien. Die Beklagte habe auch die erforderliche Absicht der Mehrfachverwendung gehabt, wie sie selbst vorgetragen habe. Zudem sei es ausreichend, wenn der Klauselersteller eine Mehrfachverwendungsabsicht gehabt habe, dies müsse nicht zwingend die Beklagte als Klauselverwenderin gewesen sein.
28Zudem habe es ein Aushandeln der vertraglichen Regelungen im Einzelnen nicht gegeben. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass sowohl die Tagessatzhöhe als auch die Obergrenze der Vertragsstrafe verhandelt worden sei. Beides sei nicht geschehen. Die Beklagte habe bloß vorgetragen, dass die gesamte Klausel zur Disposition gestanden habe. Damit habe sie ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügt.
29Die in § 11 des Vertrages geregelte Vertragsstrafe sei zudem unwirksam, da der gerade noch zulässige Tagessatz von 0,3 % deutlich überschritten werde. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass die Verzugspauschale in Höhe von 1 % pro angefangener Kalenderwoche zu zahlen ist, so dass die Klägerin bereits am ersten Tag des Verzuges eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 % der Auftragssumme zu zahlen hätte. Dies stelle offensichtlich eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar. Selbst wenn es sich bei § 11 des Vertrages um eine Individualvereinbarung handeln würde, wäre die Vertragsstrafe aus den vorgenannten Gründen unwirksam.
30Zudem sei die Vertragsstrafe gar nicht verwirkt. Die Klägerin habe die Versorgungstrasse fristgerecht bis zum 28.07.2006 fertig gestellt. Die Beklagte habe auch das gesamte Netz bis zum 01.08.2006 befüllt. Dies habe sie nur gekonnt, weil die Klägerin die Trasse bis zum 28.07.2006 fertig gestellt gehabt habe.
31Für den Anschluss Z habe die Beklagte den Fertigstellungstermin auf den 18.08.2006 und für den Anschluss T auf den 12.10.2006 verschoben. Für den Anschluss und die Durchgängigkeit des Datenkabels sei der Endtermin auf den 19.12.2006 fixiert worden. Aufgrund dessen könne die Vertragsstrafe nicht am 28.07.2006 verwirkt worden sein.
32Die Klägerin habe sich nicht in Verzug befunden, da die Beklagte sie nicht gemahnt habe. Ferner sei der Anspruch auf Vertragsstrafe entfallen, da der gesamte Zeitplan durch Umstände, die die Klägerin nicht zu vertreten gehabt habe, völlig umgeworfen worden sei.
33Das Landgericht habe festgestellt, dass von der Beklagten zu vertretende Verzögerungen bis zum 19.10.2006 vorgelegen haben. Daher hätten sich nach § 6 II Nr. 1 a VOB/B die Ausführungsfristen verlängert und der Fertigstellungstermin zugunsten der Klägerin nach hinten verschoben. Dabei habe das Landgericht fehlerhaft verkannt, dass eine Vertragsstrafenvereinbarung nicht ohne weiteres fortgelte, wenn sich ein Bauzeitraum gravierend verschiebe. Die Parteien hätten nämlich bei oder nach der Verzögerung keine weitere Vereinbarung über eine Vertragsstrafe getroffen. Dies hätten sie aber tun müssen, um die Vertragsstrafe wirksam zu erhalten oder neu zu vereinbaren.
34Die Klägerin beantragt,
35die Beklagte unter Abänderung des am 27.10.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum zu verurteilten, an sie 37.029,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.05.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.05.2015 und weitere Zinsen in Höhe von 831,02 € zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
39§ 11 des Vertrages sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern eine Individualvereinbarung. Die Beklagte habe den hiesigen Vertrag ausschließlich für das streitgegenständliche Bauvorhaben formuliert und zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, den Vertrag mehrfach zu verwenden. Dieses Bauvorhaben sei für die Beklagte einmalig gewesen, da sie hierfür Fördergelder erhalten habe. Der gesamte Vertrag sei individuell ausgehandelt worden und habe ernsthaft zur Disposition gestanden.
40Aber auch als Allgemeine Geschäftsbedingung sei die Vertragsstrafenregelung wirksam. Der BGH erachte selbst einen Tagessatz von 1 % für nicht zu hoch, sondern erst einen Tagessatz in Höhe von 1,5 %. Der BGH argumentiere damit, dass bei hohen Tagessätzen der noch für zulässig erachtete Höchstbetrag von 5 % zu schnell erreicht werde. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da die Regelung auf einzelne Wochen – und nicht auf Tage – abstelle. Der Höchstsatz von 5 % werde erst in der fünften Woche erreicht.
41Einer Mahnung habe es nicht bedurft. Die Klägerin sei schlicht durch die Nichteinhaltung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins in Verzug geraten. Verzögerungen, die durch die Beklagten zu vertreten gewesen seien, habe es nicht gegeben. Die Klägerin habe solche auch nicht substantiiert vorgetragen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Vertragsstrafenregelung an den neuen Termin angeknüpft, da sie terminneutral vereinbart worden sei.
42Die Klägerin habe die Versorgungstrasse auch nicht termingerecht fertiggestellt. Die Beklagte habe nicht zum 01.08.2006 das gesamte Netz befüllt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Anschluss des Teppichhauses T unstreitig erst im Oktober 2006 erfolgt sei.
43II.
44Die zulässige Berufung der Klägerin ist weit überwiegend begründet, lediglich hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen teilweise unbegründet.
45A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Werklohnanspruch in Höhe von 37.029,80 € aus §§ 631, 632 BGB, §§ 1, 2 VOB/B.
461.) Die Parteien schlossen unter dem 06.04.2006 einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB, in dem die Beklagte die Klägerin mit der Erstellung einer Fernwärmehaupttrasse in das Gewerbe- und Industriegebiet A in B beauftragte.
47Die Geltung der VOB/B (2002) haben die Parteien in § 2 Ziffer 7 des Vertrages vereinbart.
482.) Unstreitig hat die Klägerin ihre Bauleistung vollständig erbracht.
493.) Die Werklohnforderung der Klägerin ist auch fällig (§ 16 III VOB/B).
50a) Es liegt eine Abnahme des Werkes nach § 12 VOB/B vor. Unstreitig hat die Beklagte die Leistungen der Klägerin am 24.11.2014 als im Wesentlichen vertragsgemäß entgegengenommen.
51b) Die Klägerin hat am 17.12.2014 ihre Schlussrechnung an die Beklagte übersendet (§§ 14 I 1, 16 III 3 Nr. 1 S. 1 VOB/B). Gegen deren Prüfbarkeit hat die Beklagte im hiesigen Verfahren keine Einwendungen erhoben.
524.) Der Klägerin hat einen Restvergütungsanspruch in Höhe von 37.029,80 € brutto.
53a) Der ursprüngliche Restwerklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 52.290,63 € ist unstreitig durch Zahlung der Beklagten am 26.05.2015 in Höhe von 15.260,83 € nach § 362 I BGB erloschen.
54b) Der weitere Restvergütungsanspruch in Höhe von 37.029,80 € ist nicht gemäß §§ 387, 389 BGB durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus §§ 339, 341 BGB, 11 Abs. 1 VOB/B (2002) in Verbindung mit § 11 des Vertrages vom 06.04.2006 erloschen, da die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe hat.
55(1) Zwar haben die Parteien in § 11 des Vertrages zunächst eine Vertragsstrafe wirksam vereinbart.
56Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei § 11 des Vertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten oder um eine Individualvereinbarung handelt, da § 11 des Vertrages einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhält und damit auch als allgemeine Geschäftsbedingung eine wirksame Vertragsstrafe beinhaltet.
57Die Klägerin wird durch § 11 des Vertrages nicht unangemessen benachteiligt.
58Die Vertragsstrafe ist nach Zeitabschnitten der Höhe nach bestimmt (1,0 % pro angefangener Kalenderwoche), die Gesamthöhe ist auf 5 % der Auftragssumme begrenzt. Der einprozentige Satz pro Kalenderwoche und die vorgesehene Obergrenze von 5 % der Auftragssumme sind nicht unangemessen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rn 2580).
59Zwar ist die Verzugspauschale in Höhe von 1 % pro angefangener Kalenderwoche zu zahlen, so dass die Klägerin bereits am ersten Tag des Verzuges eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 % der Auftragssumme zu zahlen hätte. Dies ist jedoch nicht maßgeblich. Es kommt nämlich nicht so sehr auf die (isolierte) Höhe des Tagessatzes der Vertragsstrafe an, sondern auf die Höhe der Vertragsstrafe insgesamt sowie darauf, wie schnell der Höchstbetrag der Vertragsstrafe erreicht wird, also auf das Zusammenspiel zwischen Tagessatz, Gesamthöhe der Vertragsstrafe und Zeiteinheit, in der sich der zu zahlende Betrag jeweils erhöht.
60Dieses Zusammenspiel entscheidet darüber, ob die bei einer angemessen gestalteten Vertragsstrafenklausel mit jedem Tag des Verzuges steigende Dringlichkeit der Erledigung entstehen kann (vgl. BGH, BauR 2000, S. 1049, Tz 18). Denn in einer zu kurzen Zeitspanne – zum Beispiel von zehn Tagen – lässt sich bei einem größeren Bauvorhaben kaum etwas veranlassen, um die Folgen der Verspätung aufzufangen und die verspäteten Leistungen nachzuholen, so dass dem Auftragnehmer fast keine Möglichkeit bleibt zu reagieren und die Verwirkung der vollen Vertragsstrafe zu vermeiden (BGH, BauR 2000, S. 1049, Tz 18).
61Hier wird der Höchstbetrag der Vertragsstrafe erst nach vier Wochen erreicht, so dass die Klägerin als Schuldnerin hinreichend Gelegenheit hat, zu reagieren, um die Folgen der Verspätung aufzufangen und die verspäteten Leistungen nachzuholen und so die Verwirkung der vollen Vertragsstrafe zu vermeiden.
62Dass diese vierwöchige Frist angemessen ist, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die gesamte ursprünglich veranschlagte Bauzeit vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 06.04.2006 bis zum Fertigstellungstermin am 28.07.2006 lediglich knapp vier Monate betrug.
63Für zu kurz und damit unangemessen benachteiligend gehalten hat die Rechtsprechung bislang Fristen von 10 Tagen, innerhalb derer der Höchstbetrag der Vertragsstrafe erreicht wurde (vgl. BGH, BauR 2000, S. 1049, Tz 18). Da die Rechtsprechung eine Obergrenze von 5 % der Auftragssumme sowie einen Tagessatz von maximal 0,3 % für zulässig erachtet (vgl. BGH, NZBau 2013, S. 222, Tz 18 f.; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 7. Teil, Rn 66 f.), lässt sich daraus eine Mindestfrist von 17 Tagen errechnen, die dem Auftragnehmer als Reaktionszeit zur Verfügung stehen muss. Dies ist hier nach den obigen Ausführungen, wonach der Klägerin sogar 29 Kalendertage zur Verfügung stehen, der Fall.
64(2) Diese Vertragsstrafenvereinbarung ist jedoch hinfällig geworden, indem die Parteien den Termin, zu dem die Klägerin ihre Leistungen fertig stellen sollte, einvernehmlich verschoben haben, ohne zugleich eine Vereinbarung darüber zu treffen, dass die Vertragsstrafe auch für den Fall der Überschreitung des neuen Fertigstellungstermins gelten soll. Hierdurch haben die Parteien der ursprünglichen Vertragsstrafenregelung die Grundlage entzogen.
65Das Landgericht hat festgestellt, dass die Parteien den Fertigstellungstermin aufgrund von Verzögerungen bei den Bauarbeiten einvernehmlich nach hinten verschoben haben, und zwar auf den 15.07.2008. Diese Feststellung des Landgerichts greift die Klägerin mit ihrer Berufung nicht an, so dass der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hieran gebunden ist.
66Auf einen einvernehmlich verschobenen neuen Fertigstellungstermin bezieht sich eine Vertragsstrafe jedoch nur dann, wenn sie ausdrücklich auch für diesen verschobenen Termin - gesondert oder durch Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag - vereinbart worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2012, S. 1421, Tz 12; OLG Celle, IBR 2006, 245; OLG Dresden, IBR 2009, 574; OLG Zweibrücken, BauR 2008, 996) oder zumindest bei der Veränderung der Ausführungsfrist festgelegt worden ist, dass im Übrigen die vertraglichen Bestimmungen (insbesondere zur Vertragsstrafe) gleichwohl fortgelten sollen (BGH, BauR 2006, 1128; OLG Düsseldorf, BauR 2012, S. 1421, Tz 12).
67Anhaltspunkte für eine derartige Vereinbarung sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
68Die Formulierung der Vertragsstrafe in § 11 des Vertrages ist zwar terminneutral ohne kalendermäßige Bezeichnung formuliert worden.
69Die Beklagte hat sich jedoch eine Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht einmal einseitig vorbehalten.
70Auch sonst kommt ein auf die Fortgeltung der Vereinbarung gerichteter Wille nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil hat die Klägerin bereits in ihrem Schreiben vom 27.06.2006 darauf hingewiesen, dass sie an die Vereinbarung einer Vertragsstrafe aufgrund der Verzögerungen nicht mehr gebunden sei. Hierauf hat die Beklagte zwar mit ihrem Schreiben vom 29.06.2006 reagiert und der Behinderungsanzeige widersprochen, sich jedoch weder in diesem Schreiben noch in der Folgezeit zu der Vertragsstrafe geäußert.
71Die Terminverschiebung vom 28.07.2006 auf den 15.07.2008 beträgt fast zwei Jahre und ist damit im Verhältnis zu der ursprünglich vorgesehenen Bauzeit von vier Monaten auch als erheblich anzusehen.
72Selbst wenn man das Schreiben der Beklagten vom 19.05.2015, auf das das Landgericht in seinen Feststellungen Bezug genommen hat, zugrunde legt, laut dem die Parteien bei einer Besprechung am 18.07.2006 für verschiedene Teilleistungen der Klägerin Fertigstellungstermine für den 18.08.2006 (Anschluss Z), den 12.10.2006 (Anschluss Teppichhaus T) und den 19.12.2006 (Anschluss und Durchgängigkeit Datenkabel) vereinbart haben, beträgt die Terminsverschiebung für die Fertigstellung insgesamt mehrere Monate und ist damit im Verhältnis zu der ursprünglich vorgesehenen Bauzeit von vier Monaten als erheblich anzusehen.
73(3) Hinzu kommt, dass die Beklagte eine Überschreitung des Fertigstellungstermins durch die Klägerin nicht vorgetragen hat. Insoweit ist nicht auf das Datum der Abnahme, sondern auf das Datum der tatsächlichen Fertigstellung der seitens der Klägerin geschuldeten Leistungen abzustellen (vgl. Kniffka/Koeble, ebd., 7. Teil, Rn 75 f.). Auf den Zeitpunkt der Abnahme hat nämlich nicht allein die Klägerin als Unternehmerin Einfluss. Es kann aber nicht in der Hand des Bestellers liegen, einen Vertragsstrafenanspruch durch eine späte Abnahme zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
74Dabei bedeutet Fertigstellung im Sinne einer Vertragsstrafenklausel nicht mangelfreie Leistung, sondern, dass das Werk lediglich abnahmereif sein muss, d.h. dass unwesentliche Mängel einer Fertigstellung nicht entgegenstehen (Kniffka/Koeble, ebd., 7. Teil, Rn 75, m. w. Nachw.), solange sie die Nutzung des Bauwerks nicht wesentlich beeinträchtigen (OLG Hamm, BauR 2008, S. 1643; Kniffka/Koeble, ebd., 7. Teil, Rn 76).
75Die Beklagte trägt jedoch nicht vor, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin ihre Leistungen fertig gestellt hatte.
76Das Versorgungsnetz wurde unstreitig am 01.08.2006 befüllt. Zwar musste die Klägerin in der Folgezeit noch weitere Arbeiten ausführen, nämlich Datenkabel verlegen und einzelne Gebäude an das Fernwärmenetz anschließen. Die Kernleistung des Bauauftrages – die Herstellung der Fernwärmetrasse – war jedoch bis zum 28.07.2006 erbracht.
77Hinzu kommt, dass die Beklagte die Nichteinhaltung der ursprünglich vertraglich vereinbarten Fertigstellungsfrist bis zum 28.07.2006 zumindest mitverursacht hat, indem sie die Trassenfreigabe für den Abschnitt Y unstreitig erst in der 29. Kalenderwoche, die vom 17.07. bis zum 23.07.2006 lief, an die Klägerin übersandte.
78Unstreitig ist ferner, dass die Beklagte die Hausanschlussstation für das Bauvorhaben T erst am 19.09.2006 lieferte, so dass die Klägerin die Hausanschlussleitung erst anschließend fertigstellen konnte.
79(4) Da die Beklagte die Voraussetzungen für ihren Anspruch auf Vertragsstrafe darzulegen und zu beweisen hat, ist sie auch dafür, dass die Klägerin eine Überschreitung des Fertigstellungstermins zu vertreten hat, darlegungs- und beweispflichtig. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 11 des Vertrages, wonach die Klägerin (nur dann) eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, wenn die vereinbarte Fertigstellungsfrist aus Gründen, die die Klägerin zu vertreten hat, überschritten wird.
80Anhaltspunkte für ein Vertretenmüssen der Klägerin ergeben sich jedoch weder aus den Feststellungen des Landgerichts noch aus dem Vortrag der Beklagten.
81B. 1.) Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen in Höhe von 728,60 € sowie in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 aus §§ 286 I, 288 I, II BGB.
82Bei der Werklohnforderung handelt es sich um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 II BGB. Beide Parteien sind Unternehmer im Sinne des § 14 BGB.
83Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 13.03.2015 zur Zahlung von insgesamt 52.290,63 € aufgefordert. Eine Zahlungsfrist hat die Klägerin nicht gesetzt, so dass die Beklagte mit Erhalt der Mahnung in Verzug geraten ist. Insoweit macht die Klägerin Zinsen ab dem 17.03.2015 geltend. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
84Daraufhin hat die Beklagte unter dem 26.05.2015 einen Teilbetrag in Höhe von 15.260,83 € gezahlt. Für den Zeitraum vom 17.03.2015 bis zum 26.05.2015 errechnen sich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (der zum damaligen Zeitpunkt bei -0,83 % lag, vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 288 BGB, Rn 16) für 70 Kalendertage ein Zinsbetrag in Höhe von 728,60 € (= 52.260,63 € x 7,17 % x 70 / 360).
85(5) Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, ausgehend von einem Streitwert in Höhe des ihr zustehenden Anspruches von 52.290,63 €, da die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigte zu einem Zeitpunkt beauftragt hat, als sich die Beklagte mit dem vorgenannten Betrag bereits in Verzug befunden hat.
86Eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach § 13 RVG beträgt 1.622,40 €. Zuzüglich Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- € ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.642,40 € netto.
87III.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
89Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.