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Bereits die Festsetzung von Steuervorauszahlungen gegenüber dem Unterhaltsberechtigten löst einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen aus.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Gründe:
2I.
3Bei den Beteiligten handelt es sich um geschiedene Eheleute. 2016 vereinbarten sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von einmalig 30.000,- € in 2 Raten zahlt; die Raten waren in 2016 und in 2017 zu zahlen. Weiter vereinbarten die Beteiligten die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings. Die Antragstellerin unterzeichnete die Anlage U für 2016 und 2017.
4Für 2016 hatte die Antragstellerin eine Steuernachzahlung in Höhe von 4.796,81 € zu zahlen. Ohne die Versteuerung der durch den Antragsgegner gezahlten Unterhaltsleistungen hätte sie eine Steuererstattung in Höhe von 120,99 € erhalten. Den Differenzbetrag erstattete der Antragsgegner der Antragstellerin.
5Das zuständige Finanzamt setzte weiter gegenüber der Antragstellerin für 2017 Steuervorauszahlungen in Höhe von 4.264,- €, fällig zum 10.12.2017, fest. Vergeblich forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Freistellung von der Steuervorauszahlung gegenüber dem Finanzamt auf. Zunächst legte die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Steuervorauszahlungen Einspruch ein, nahm diesen aber später zurück und zahlte die festgesetzte Steuervorauszahlung an das Finanzamt.
6Erstinstanzlich hat die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, an sie 4.264,- € nebst Zinsen zu zahlen.
7Dem ist der Antragsgegner entgegengetreten und hat Antragszurückweisung beantragt.
8Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 4.264,- € nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach Auffassung des Gerichts bereits die Festsetzung einer Steuervorauszahlung ein gegenwärtiger Nachteil für den Unterhaltsberechtigten darstelle und ohne weitere Voraussetzungen ein Erstattungsanspruch gegeben sei.
9Hiergegen hat sich der Antragsgegner mit der Beschwerde gewendet und zunächst Antragszurückweisung beantragt.
10Die Antragstellerin hat den erstinstanzlichen Beschluss verteidigt.
11Nachdem der Antragsgegner eine Steuererstattung für 2017 in Höhe von 4.649,49 € erhalten hatte, leitete er diese an die Antragstellerin weiter, und die Beteiligten erklärten das Verfahren mit wechselseitigen Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt.
12II.
13Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde.
14Nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
15Dem Antragsgegner waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, da seine Beschwerde zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung unbegründet war.
16Der Maßstab der Kostenentscheidung richtet sich nach § 243 FamFG. In Unterhaltssachen – auch der Streit über den Nachteilsausgleich bei Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings betrifft eine Unterhaltssache (OLG Oldenburg, Beschluss vom 1.6.2010 – 13 UF 36/10, FamRZ 2010, 1693) – entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten. Dabei kann inhaltlich auf die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO zurückgegriffen werden. Die Kosten sind demjenigen Beteiligten aufzuerlegen, dem die Kosten voraussichtlich aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden wäre. Denn das Verhältnis von Unterliegen und Obsiegen ist auch bei der Kostenverteilung nach dem FamFG wesentliches Kriterium der Billigkeitserwägungen (vgl. § 243 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Es entspricht dabei billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzugeben, da er voraussichtlich in der Hauptsache unterlegen gewesen wäre.
17Die Verpflichtung zum Ausgleich der dem Unterhaltsberechtigten durch die Inanspruchnahme des begrenzten Realsplitting entstehenden Nachteile ist eine Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben innerhalb der unterhaltsrechtlichen Beziehung der Beteiligten. Der Unterhaltsverpflichtete ist verpflichtet, dem Unterhaltsberechtigten sämtliche Nachteile zu ersetzen, die aus der Inanspruchnahme der steuerlichen Möglichkeiten entstehen. Dazu können auch Nachteile infolge von Auswirkungen im Sozial- oder Sozialversicherungsrecht zählen oder die Kosten für einen Steuerberater. Mit der Festsetzung der Jahressteuer steht der steuerliche Nachteil für den Unterhaltsberechtigten und die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zum Ersatz desselben fest (OLG Oldenburg, Beschluss vom 1.6.2010 – 13 UF 36/10, FamRZ 2010, 1693). Von dieser steuerrechtlichen Feststellung zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob sich aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis eine Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zum Ausgleich eines Nachteils bereits dann ergibt, wenn der Unterhaltsberechtigte von seinem Finanzamt zur Zahlung einer Steuervorauszahlung herangezogen wird. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
18Der BGH (Urteil vom 23.3.1983 – IVb ZR 369/81, FamRZ 1983, 576) führte aus, dass die erhöhte steuerliche Belastung, von der der Kläger die Beklagte freizustellen hat, ihr nicht schon im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Zustimmungserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG erwächst, sondern erst mit der Festsetzung ihrer eigenen Steuer durch den ihr erteilten Steuerbescheid. Damit entschied der BGH aber nicht die im vorliegenden Fall entscheidende Frage. Denn die Antragstellerin begehrt – im Gegensatz zur Klägerin in dem vom BGH entschiedenen Fall – keine Erstattung ihrer steuerlichen Mehrbelastung zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer Zustimmungserklärung zur Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings, sondern aufgrund einer Festsetzung von Steuervorauszahlungen. Die Antragstellerin hatte eine Zahlung an das Finanzamt zu leisten. Damit kann aus der Entscheidung des BGH vom 23.3.1983 nicht die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage abgeleitet werden.
19Das OLG Bamberg (Beschluss vom 26.2.1987 – 2 UF 360/86, FamRZ 1987, 1047) ist der Auffassung, dass die Verpflichtung zum Nachteilsausgleich auch die vom Finanzamt festgesetzte Einkommenssteuervorauszahlung erfasst, soweit sie auf den Unterhaltsleistungen beruht. Auch wenn die Steuervorauszahlung stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, so entsteht dem Steuerpflichtigen dennoch tatsächlich eine steuerrechtliche Belastung in der festgesetzten Höhe. Maßgebend für die Frage, ob, wann und in welcher Höhe ein Steuernachteil entsteht, soll danach nicht die Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, sondern die Tatsache der Verpflichtung zur Leistung der Steuervorauszahlungen auf die empfangene Unterhaltszahlungen sein.
20Nach dieser Auffassung hat der Antragsgegner bereits mit Festsetzung der Steuervorauszahlung der Antragstellerin diesen Nachteil auszugleichen und der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Antragstellerin war zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung begründet.
21Auch das OLG Köln (Beschluss vom 4.2.1988 – 14 WF 277/87, FamRZ 1988, 951) ist der Auffassung, dass die vom Unterhaltsberechtigten zu erbringenden Steuervorauszahlungen grundsätzlich geeignet sind, in den Freistellungsanspruch gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten einbezogen zu werden. Allerdings soll der Freistellungsanspruch nicht allein auf die Existenz eines Vorauszahlungsbescheides gestützt werden können, vielmehr habe der Steuerpflichtige den Vorauszahlungsbescheid kritisch zu prüfen und gegebenenfalls Einspruch einzulegen. Auch soll der Unterhaltsberechtigte unverzüglich nach Erhalt des Vorauszahlungsbescheids den Unterhaltsschuldner auffordern, sich zur voraussichtlichen Durchführung des Realsplittings zu erklären. Wenn die Entscheidung des Unterhaltsschuldners offenbleibe, habe der Unterhaltsberechtigte diese Einwendung im Einspruchsverfahren gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.
22Der Zahlungsanspruch ist nach dieser Auffassung von der Erklärung des Antragsgegners abhängig, ob er die Inanspruchnahme des Realsplittings beabsichtigt. Jedoch sind Erklärungen zur Inanspruchnahme des Realsplittings gegenüber dem Finanzamt jederzeit abänderbar und eine etwaige Erklärung des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin jedenfalls nicht bindend.
23Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.1990 – 2 UF 9/90, FamRZ 1992, 67) hat die streitige Rechtsfrage erkannt, aber im Ergebnis dahinstehen lassen.
24Nach einer weiteren Entscheidung soll ein Anspruch auf Erstattung von Vorauszahlungen nur gegeben sein, wenn weitere Umstände hinzutreten: Der Unterhaltsschuldner müsse seine Absicht, das Realsplitting für das fragliche Jahr der Vorauszahlung durchzuführen, erklärt haben; den Unterhaltsgläubiger müssten die Zahlungen an das Finanzamt unter Berücksichtigung seiner sonstigen Einkommensverhältnisse fühlbar beeinträchtigen und er müsse vergeblich versucht haben, die Vorauszahlungen abzuwenden oder aussetzen zu lassen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27.2.2004 – 12 UF 166/03, FamRZ 2005, 519). Bei der Steuervorauszahlung soll es sich nur um einen gegenwärtigen Nachteil handeln, wenn diese nicht aus Mitteln aufzubringen sei, die für den Unterhalt benötigt werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 20.7.2006 – 1 UF 180/05, NJW-RR 2007, 219).
25Damit ist auch nach dieser Auffassung der Zahlungsanspruch des Unterhaltsberechtigten von einer nicht bindenden Erklärung des Unterhaltspflichtigen abhängig. Dies überzeugt nicht. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ein aus dem Unterhaltsverhältnis resultierender Zahlungsanspruch von den Vermögensverhältnissen abhängig sein soll. Es ist unerheblich, ob eine Verpflichtung aus dem Vermögen oder aus Mitteln aufzubringen ist, die für den Unterhalt benötigt werden (und welcher der Beteiligten von einer Zahlungsverpflichtung „mehr belastet“ wird).
26Nach Auffassung des OLG Oldenburg (Beschluss vom 1.6.2010 – 13 UF 36/10, FamRZ 2010, 1693), liegt bereits in der Festsetzung von Steuervorauszahlungen ein gegenwärtiger Nachteil für den Unterhaltsgläubiger, ohne dass weitere Voraussetzungen vorliegen müssen, wenn mit der Durchführung des Realsplittings im fraglichen Jahr gerechnet werden kann, für das Vorauszahlungen erhoben werden.
27Da – soweit dem Senat bekannt – mit der Inanspruchnahme der Realsplittings durch den Antragsgegner für 2017 aufgrund der bereits für das Jahr 2016 erfolgten Inanspruchnahme zu rechnen war, war auch nach dieser Auffassung bereits mit der Festsetzung der Steuervorauszahlung dieser Nachteil gegenüber der Antragstellerin auszugleichen und ihr geltend gemachte Zahlungsanspruch war zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung begründet.
28Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass die Festsetzung von Steuervorauszahlungen gegenüber dem Unterhaltsberechtigten einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Unterhaltspflichtigen auslöst. Denn der Nachteil, dass Steuervorauszahlungen festgesetzt werden, resultiert aus den steuerlichen Verhältnissen des Vorjahres. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihrer tatsächlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Finanzamt zu entgehen. Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens gegenüber dem Festsetzungsbescheid war nicht erfolgversprechend; es ist unklar, mit welchen Argumenten sich die Antragstellerin gegen den Festsetzungsbescheid hätte wenden sollen, da eine sachliche Unrichtigkeit des Festsetzungsbescheids von keiner Seite vorgetragen wird. Mit der Unterzeichnung der Anlage U durch die Antragstellerin war dem Antragsgegner die Inanspruchnahme des Realsplittings möglich und für die Antragstellerin nicht mehr beeinflussbar. Einer übermäßigen und frühzeitigen Inanspruchnahme hätte der Antragsgegner entgegenwirken können, indem er sich entsprechende Freibeträge für die Unterhaltszahlungen hätte eintragen lassen, so dass sich seine laufende Steuerschuld entsprechend ermäßigt hätte.
29Da die Antragstellerin vorgerichtlich die festgesetzten Steuervorauszahlungen an das Finanzamt leistete, wandelte sich ihr Freistellungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner in einen Zahlungsanspruch um. Ihr Zahlungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner bestand zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
32Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert.