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1.) Für eine Streitigkeit zwischen einem Verlag und einer Stadt, die im Rahmen ihres – zum Teil werbefinanzierten - Internetauftrittes einen „Marktplatz“ vorhält, über welchen Onlinewerbung abrufbar war, ist der Zivilrechtsweg eröffnet.
2.) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3 a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu beurteilen. Bei dem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG
3.) Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichen Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen
4.) Ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vornimmt, ist anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls festzustellen.
(im Anschluss an: BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II – dort Rn. 17 ff).
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 26.06.2018 (3 O 262/17) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Rechtsweg zu den allgemeinen Zivilgerichten ist zulässig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2Die Parteien streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges.
3Die Klägerin ist ein Verlag, der unter anderem digitale Medien, wie etwa das digitale Nachrichtenportal „SNachrichten.de“ verbreitet. Die Beklagte verantwortet das Internetportal „e.de“, das jedenfalls am 15.05.2017 unstreitig in Teilen werbefinanziert war. Innerhalb des Onlineangebots war die Rubrik „N“ zugänglich, über die Onlinewerbung abrufbar war.
4Mit Klageschrift vom 21.08.2017 begehrt die Klägerin mit dem Hauptantrag, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, das Telemedienangebot „e.de“ vom 15.05.2017 zu verbreiten/verbreiten zu lassen und oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie auf dem „USB-Stick“ Anlage K 1 zur Klageschrift wiedergegeben. Hilfsweise begehrt sie, es der Beklagten zu untersagen, die als Anlage K 2 – 20 einzeln aufgeführten Beiträge zu verbreiten/verbreiten zu lassen und oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie auf dem „USB-Stick“ Anlage K 1 zur Klageschrift wiedergegeben. Zur Begründung des Antrags hat die Klägerin mit näheren Ausführungen geltend gemacht, dass die Beklagte durch die im Einzelnen beanstandeten redaktionellen Beiträge gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße. Sie sei eine Mitbewerberin der Klägerin und habe auch eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen und somit gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG verstoßen.
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Zivilrechtsweg eröffnet sei. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Schon aufgrund der Onlinewerbung der Beklagten konkurrierten die Parteien auf dem Werbemarkt. Mehrfach hat die Klägerin ausdrücklich klargestellt, dass streitbefangen allein die Frage sei, ob die Beklagte bezogen auf ihr kommunales Online-Portal die Grenzen wahre, die für staatliche Öffentlichkeitsarbeit vorgegeben seien. Insbesondere komme es darauf an, ob das Gebot der „Staatsfreiheit der Presse“ hinreichend beachtet werde. Damit stehe ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung in Streit. Dagegen stehe außer Frage, dass die Beklagte grundsätzlich ein kommunales Internetportal vorhalten dürfe.
6Die Beklagte hat sich mit näheren Ausführungen darauf berufen, dass letztlich die Frage, ob sie überhaupt ein auf die kommunalen Aufgaben und den Standort E ausgerichtetes redaktionell gestaltetes Internetangebot präsentieren dürfe, Gegenstand des Klagebegehrens sei. Damit richte sich der Klageantrag gegen eine Entscheidung, die von einem Hoheitsträger im Zusammenhang mit seiner Beschlussfassungs- und Organkompetenz getroffen worden sei. Da der Entschluss zu dieser staatlichen Tätigkeit ausschließlich auf öffentlich-rechtlichen Grundlagen beruhe, könne sich die Klägerin dagegen nur im Verwaltungsrechtsweg zur Wehr setzen. Das Klagebegehren basiere auf der unzutreffenden Annahme, dass jede Berührung des Gebots der Staatsferner der Medien eine Marktverhaltensregelung darstelle. Tatsächlich regelten die relevanten Normen nur die Reichweite des zulässigen Marktzugangs, so dass es sich um eine Marktzutrittsregelung handele. Ein Verstoß dagegen könne keinen Wettbewerbsverstoß begründen.
7Das Landgericht hat durch Beschluss vom 26.06.2018 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit von Amts wegen an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handele. Mit der Klage erstrebe die Klägerin eine Regelung in Bezug auf ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei es verwehrt zu überprüfen, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe und welche Grenzen insoweit zu setzen seien. Ihr obliege es nicht, den Marktzutritt der öffentlichen Hand zu kontrollieren. Das aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse stelle keine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG, sondern eine Marktzutrittsregelung dar. Werde – wie hier – um die Rechtmäßigkeit des Marktzutritts eines Hoheitsträgers gestritten, sei es nicht Aufgabe der Zivilgerichte, im Rahmen der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen über die Rechtmäßigkeit des Marktzutritts zu entscheiden. Die Prüfung, ob der Marktzutritt einer Kommune rechtlich zulässig sei, bleibe vielmehr den Verwaltungsgerichten am Maßstab des Kommunalrechts vorbehalten.
8Gegen den am 27.06.2018 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit der am 29.06.2018 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tag. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen dazu, dass es sich bei der Beurteilung redaktioneller Inhalte auf der kommunalen Online-Plattformen um eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit handele, für die der Zivilrechtsweg eröffnet sei. Insoweit betont sie nochmals, dass es allein um die Frage der Zulässigkeit der redaktionellen Inhalte gehe. Streitbefangen sei nicht, ob Kommunen das Recht zustehe, sich medial zu äußern, sondern die Ausgestaltung der Internetseite- und damit das Marktverhalten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle das Gebot der Staatsferne der Presse eine Marktverhaltensregelung dar.
9Die Klägerin beantragt nunmehr,
10den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 26.07.2018 aufzuheben und die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges festzustellen.
11Die Beklagte beantragt,
12die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
13Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und vertritt weiter die Auffassung, dass es im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich um die kommunalrechtlich und verfassungsrechtlich zu klärende Frage gehe, ob ein redaktionell gestaltetes Internetangebot die Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 1, 107 GO NRW erfülle.
14Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 19.07.2018 – auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - nicht abgeholfen.
15II.
16Die nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die hier zu beurteilende Streitigkeit als Zivilrechtsstreit zu qualifizieren. Damit war der angefochtene Beschluss aufzuheben und nach § 17a Abs. 3 S. 1 GVG die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges auszusprechen.
171.
18Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (so schon der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS OBG) NJW 1986, 2359; vgl. auch GBH NJW 2011, 1365, Wittschier in: Musielak/Voit, 15. Auflage § 13 GVG Rn. 5 m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, ist im Regelfall die Rechtsnatur des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs, wie er sich aus dem Klageantrag in Verbindung mit den vom Kläger zur Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen ergibt, wobei es auf die Rechtsauffassungen der Parteien nicht ankommt (GmS OBG JNW 2009, 1968; BGH NJW 1976, 1941, Wittschier a.a.O. Rn. 6 m.w.N.). Es ist nicht erforderlich, dass ein zivilrechtlicher Klageanspruch schlüssig dargetan ist. Maßgebend ist vielmehr, dass der Parteivortrag – seine Richtigkeit unterstellt – Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Das gilt insbesondere auch dann, wenn die zuständigkeits- und die anspruchsbegründenden Tatsachen zusammenfallen (BGH NJW 1996, 3012, Wittschier a.a.O. Rn. 6).
19Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor.
202.
21Die Klägerin begehrt mit dem Hauptantrag, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, das Telemedienangebot „e.de“ vom 15.05.2017 zu verbreiten/verbreiten zu lassen und oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie auf dem „USB-Stick“ Anlage K 1 zur Klageschrift wiedergegeben. Hilfsweise begehrt sie, es der Beklagten zu untersagen, die als Anlage K 2 – 20 einzeln aufgeführten Beiträge zu verbreiten/verbreiten zu lassen und oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie auf dem „USB-Stick“ Anlage K 1 zur Klageschrift wiedergegeben.
22Aus dem zur Begründung der Klage vorgebrachten Sachvortrag der Klägerin ergibt sich zudem eindeutig, dass damit keinesfalls ein generelles Verbot des Telemedienangebots „e.de“ erwirkt werden soll. Vielmehr geht es der Klägerin – die dies mehrfach ausdrücklich betont hat - darum, die im Einzelnen beanstandeten redaktionellen Beiträge auf der Internetseite zu unterbinden, weil die Beklagte nach ihrer Auffassung das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt hat. Zu beurteilen ist die Rechtsnatur des klägerischen Begehrens, wie es sich nach dem Antrag und dem Sachvortrag darstellt. Damit stellt aber unzweifelhaft ein generelles Verbot des Telemedienangebots „e.de“ nicht den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits dar.
233.
24Der klägerische Sachvortrag ergibt – seine Richtigkeit unterstellt – Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3 a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu beurteilen. Bei dem aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II – dort Rn. 17 ff).
25Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichen Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II – dort Rn. 35ff). Ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vornimmt, ist anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls festzustellen (BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II – dort Rn. 55f; BGH GRUR 2013, 301 Rn. 20 f – Solariniative). Die Klägerin beruft sich ausdrücklich darauf, dass die Beklagte gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt und sich damit erkennbar außerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt. Damit ist für die vorliegende Entscheidung nach dem klägerischen Vortrag auch eine geschäftliche Handlung der Beklagten zu unterstellen. Soweit die Parteien kostenlose Pressebeiträge mit Werbeanzeigen herausgeben, versuchen sie nach dem Klagevorbringen auch, gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen und stehen damit in einem Wettbewerbsverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17 – Crailsheimer Stadtblatt II – dort Rn. 59f). Insgesamt stützt die Klägerin ihr Begehren daher auf zivilrechtliche Normen.
264.
27Für die vorliegende Entscheidung kann aus den dargelegten Gründen offen bleiben, ob der Anspruch schlüssig dargelegt ist. Das gilt insbesondere, weil vorliegend die zuständigkeits- und die anspruchsbegründenden Tatsachen zusammenfallen (BGH NJW 1996, 3012, Wittschier a.a.O. Rn. 6). Ausreichend ist, dass sich unter Beachtung der jüngeren BGH-Rechtsprechung Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, die zivilrechtlich zu beurteilen sind und für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht.
28Die materielle Begründetheit des streitgegenständlichen Anspruchs hat der Senat nicht zu überprüfen.
29III.
30Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert der Beschwerde gegen Vorabentscheidungen ist nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers festzusetzen (vgl. u.a. BGH NJW 1998, 909; Lückemann in: Zöller, 32. Auflage § 17 a GVG Rn. 20 m.w.N.). Bei der Wertfestsetzung hat der Senat das von der Klägerin angegebene Interesse an einer Hauptsacheentscheidung in Höhe von 500.000,00 € zu Grunde gelegt, allerdings insoweit nur einen Anteil von 20 % für die vorliegende Entscheidung für angemessen erachtet.
31IV.
32Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 17a Abs. 4 S. 5 GVG) besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.