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Ein erkennbar unbefestigter Trennstreifen zwischen einer Fahrbahn und einem Seitenweg dient regelmäßig nicht dem Verkehr und muss nicht frei von Hindernissen wie z. B. einem Baumstumpf sein, so dass er von Fahrzeugen gefahrlos zum Parken genutzt werden kann.
Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 08.10.2021 verkündete Urteil der 04. Zivilkammer des Landgerichts Detmold (04 O 292/20) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe:
2Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.
3Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen im Umfang einer Verkehrssicherungspflicht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
4Dem Kläger steht wegen des Vorfalls vom 0.0.2019 in Höhe des Hauses Nr. # auf der A Straße in B der mit Berufung allein noch geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG und §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nicht zu. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht für die Entstehung des vom Kläger geltend gemachten Schadens ursächlich ist.
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6Der Kläger dürfte allerdings aktiv legitimiert sein. Er hat das von ihm behauptete Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durch Vorlage eines entsprechenden Kaufvertrags näher substantiiert. Hinsichtlich der ebenfalls geltend gemachten Sachverständigenkosten hatte der Kläger zwar etwaige Ansprüche gegen die Beklagte zunächst an den Sachverständigen abgetreten, mit Schriftsatz vom 26.08.2021 aber eine durch ihn und den Sachverständigen unterzeichnete Vereinbarung über die Rückabtretung dieser Ansprüche vorgelegt. Zu beidem hat sich die Beklagte nicht weiter erklärt.
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8Letztlich kommt es auf die Frage der Aktivlegitimation aber nicht entscheidungserheblich an. Denn in jedem Fall hat die Beklagte nicht die sie im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls treffende Verkehrssicherungspflicht für die von der Zeugin C befahrene, neben der Fahrbahn der A Straße belegene unbefestigte Fläche verletzt.
9Nach gefestigter Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Dabei muss der Sicherungspflichtige allerdings nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben die Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen, wie etwa Unebenheiten, zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (Senatsurteil vom 23.04.2021 – 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 – 9 U 143/05, juris Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 – 9 U 43/04, juris Rn. 11).
10Dies ist der Fall, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer bei Beachtung der zu erwartenden Eigensorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, Urteil vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11, juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78, juris Rn. 9; Senatsurteil vom 23.04.2021 – 11 U 119/20, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2009 – 9 U 101/07, juris Rn. 18).
11Die maßgebliche Frage des Umfangs der Widmung der betroffenen Verkehrsfläche beantwortet sich nach dem äußeren Befund, den äußerlich erkennbaren Merkmalen unter Berücksichtigung der örtlich gegebenen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung. Lässt das äußere Erscheinungsbild einer Verkehrsfläche bei den Verkehrsteilnehmern bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Widmung inhaltlich beschränkt ist, so geht die Pflicht zur Verkehrssicherung über die Abwendung der diesem Verkehr drohenden Gefahren auch dann nicht hinaus, wenn die Fläche gelegentlich in einer die Widmung überschreitenden Weise benutzt wird und der Verkehrssicherungspflichtige dies duldet (BGH, Urteil vom 15.12.1988 – III ZR 112/87, juris Rn. 14; OLG Bremen, Urteil vom 13.05.1992 – 1 U 14/92, juris Rn. 3).
12Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist nicht von einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten auszugehen. Nach dem von den Parteien ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Detmold vom 18.06.2021 unstreitig gestellten Hergang des streitgegenständlichen Vorfalls hat die Zeugin C das von ihr geführte Fahrzeug zunächst in der A Straße in Höhe des Hauses Nr. # auf der neben der Fahrbahn gelegenen unbefestigten Fläche zum Zwecke des Parkens angehalten. Als sie das Fahrzeug kurz darauf zum Zwecke der Suche nach einem anderen Parkplatz nach vorne bewegte, kam es nach den Angaben des Klägers beim Überfahren des auf dieser Fläche befindlichen Baumstumpfes zu einer Beschädigung des Fahrzeugs. Die Beschaffenheit der Unfallstelle zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls ist insbesondere durch die von der Beklagten und der Zeugin C vorgelegten Lichtbilder dokumentiert. Danach ist davon auszugehen, dass die unbefestigte Fläche neben der Fahrbahn nicht dem Befahren mit Kraftfahrzeugen und damit auch nicht dem Parken gewidmet war. Auf zwei der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.08.2021 vorgelegten Lichtbildern (Blatt 110 und 111 der Akte), die die Örtlichkeit vor ihrer umfassenden Neugestaltung zeigen, ist erkennbar, dass die Fahrbahn der A Straße durch eine gepflasterte Gosse vom daran anschließenden Gehweg getrennt war. Auf dem an die Gosse grenzenden Teil des Gehwegs befanden sich die nach Fällung mehrerer Bäume im Jahr 2018 verbliebenen Baumstümpfe, die jeweils von unbefestigten Flächen unterschiedlicher Ausdehnung mit Erdreich und Grasbewuchs umgeben waren, während der Bereich zwischen den einzelnen Baumstümpfen bzw. den sie umgebenden unbefestigten Flächen – wie auch der der Fahrbahn abgewandte Teil des Gehwegs im Übrigen – asphaltiert war. Die eigentliche Unfallörtlichkeit befindet sich auf der Grundlage der Angaben der Zeugin C im Bildhintergrund hinter der dort zu sehenden Warnbake und ist insbesondere durch das von der Zeugin C vorgelegte und als Anlage P 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2021 genommene Lichtbild dokumentiert (Blatt 155 der Akte). Der dort erkennbare Baumstumpf befindet sich auf einer etwas längeren, unbefestigten und mit Gras bewachsenen Fläche, die von der Fahrbahn durch die gepflasterte Gosse und vom übrigen Gehweg durch Kantensteine getrennt ist. Bei dieser Gestaltung musste für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbar sein, dass diese Fläche nicht dem Befahren mit Kraftfahrzeugen zu dienen bestimmt ist.
13Bei dieser Fläche handelt es sich um einen Trennstreifen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 b) StrWG NRW. Trennstreifen dienen der Freihaltung eines der Sicherheit des Verkehrs dienenden oder zur Straßengestaltung erforderlichen Zwischenraums zwischen mehreren Fahrbahnen, zwischen Fahrbahn und Seitenwegen und manchmal – wie hier – auch der Aufnahme einer aus gestalterischen Gründen gewünschten oder zur Sicherheit des Verkehrs erforderlichen Bepflanzung; sie stehen in der Regel dem Gemeingebrauch nicht offen (vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 6 Rn. 50). Die mit Erdreich und Grasbewuchs versehenen Flächen, auf denen sich die Baumstümpfe befanden, hoben sich bereits optisch von der im Übrigen asphaltierten Fläche ab und waren – wie insbesondere die von der Zeugin C vorgelegten Lichtbilder zeigen – erkennbar nicht zum Befahren mit oder zum Abstellen von Fahrzeugen gewidmet. Daher konnten der Kläger und die Zeugin C, deren Verhalten sich der Kläger zurechnen lassen muss, auch nicht darauf vertrauen, dass der erkennbar unbefestigte Trennstreifen frei von Unebenheiten und Hindernissen sein würde.
14Bei der durch die Zeugin C befahrenen Fläche handelt es sich auch nicht um einen Seitenstreifen, der zwar gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 StVO nicht Bestandteil der Fahrbahn ist, aber gleichwohl unter bestimmten Voraussetzungen befahren werden kann. Denn Seitenstreifen sind nur neben der Fahrbahn verlaufende, mehr oder weniger befestigte Rand- oder Schutzstreifen des Straßenkörpers, nicht jedoch Grünstreifen, die durch ihre Anlage gerade der Verkehrsbenutzung entzogen sind, auch wenn der Bewuchs womöglich weitgehend zerstört ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.12.1992 – 5 Ss (OWi) 410/92 – (OWi) 163/92 I, juris Rn. 17; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 1 StVO Rn. 16).
15Auch aus dem Umstand, dass im Nahbereich der Unfallstelle Warnbaken oder Baumschutzbügel bei Baumstümpfen vorhanden waren, folgt nicht, dass unbefestigte Trennstreifen ohne derartige Vorrichtungen zum Befahren mit oder Abstellen von Kraftfahrzeugen benutzt werden können. Die insbesondere auf dem gegenüberliegenden Gehweg vorhandenen und auf dem von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern zu sehenden Baumschutzbügel (Blatt 112 der Akte) dienten ersichtlich dem Schutz der zwischenzeitlich gefällten Bäume vor Beschädigungen in Folge einer außerhalb des Widmungszwecks liegenden, missbräuchlichen Nutzung der Trennstreifen durch rangierende Kraftfahrzeuge. Es spricht nichts dafür, dass diese Bügel erst nach dem Fällen der Bäume errichtet wurden. Bei lebensnaher Betrachtung liegt es vielmehr auf der Hand, dass die Errichtung zum Schutz der noch stehenden Bäume und nicht des Verkehrs erfolgte. Das Vorhandensein solcher Schutzvorrichtungen erlaubt keinesfalls den Schluss, dass Flächen, auf denen weder solche Vorrichtungen noch Verbotsschilder angebracht sind, zum Abstellen von Kraftfahrzeugen benutzt werden können. Denn mit derartigen weitgehenden Schutzmaßnahmen wäre neben einer Beeinträchtigung des Straßenbildes ein erheblicher Kostenaufwand verbunden, der der Beklagten als Trägerin der Verkehrssicherungspflicht nicht zumutbar ist.
16Die auf den von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern erkennbare Warnbake (Blatt 110 und 111 der Akte) befand sich zudem vor der Einfahrt in eine Stichstraße und diente – worauf auch die Beklagte hingewiesen hat – dem Schutz der von der A Straße nach rechts abbiegenden Verkehrsteilnehmer. Sie sollte ein versehentliches Überfahren des unbefestigten Trennstreifens einschließlich des dort befindlichen Baumstumpfes vermeiden, nicht hingegen das – an dieser Stelle gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO ohnehin unzulässige – Parken auf dem Trennstreifen verhindern.
17Da aufgrund des baulichen Zustandes und des äußeren Erscheinungsbildes des Trennstreifens dessen Benutzung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen erkennbar nicht gestattet war, bestand für die Beklagte auch keine Verpflichtung, eine tatsächlich gleichwohl erfolgende derartige Benutzung zu berücksichtigen und etwaigen Gefahren vorzubeugen, die an den dort abgestellten Kraftfahrzeugen beim Aufsuchen, Befahren oder Verlassen des Streifens entstehen können (vgl. OLG Bremen, Urteil vom 13.05.1992 – 1 U 14/92, juris Rn. 6; LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 04.05.2012 – 2 O 669/11, juris Rn. 19). Die Beklagte war insbesondere nicht gehalten, den Baumstumpf zu entfernen oder vor ihm zu warnen. Damit kommt es auch nicht auf die Behauptung des Klägers an, der Baumstumpf sei aufgrund des hohen Grases nicht zu sehen gewesen.
18Der Umstand, dass regelmäßig Fahrzeuge auf den unbefestigten Flächen abgestellt werden, auf denen sich die Baumstümpfe befinden, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn allein dieses Verhalten von Verkehrsteilnehmern nach dem Fällen der Bäume vermag die dieser Nutzung entgegenstehende Widmung der Flächen nicht zu ändern.
19Hinweis: Die Berufung ist nach Erlass des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.