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Auf die Beschwerde der A vom 26.1022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Warendorf vom 17.1.2022 in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich, soweit die Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin und das Anrecht der Antragsgegnerin bei der B e.V. betroffen ist, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B e.V. (Vers.-Nr. 000) für den Antragsteller bei der C auf dem vorhandenen Versicherungskonto Nr. 001 ein Anrecht in Höhe von 3.488,01 €, bezogen auf den 30.4.2021, übertragen. Die B e.V. wird verpflichtet, den Betrag von 3.488,01 € nebst 1,75% Zinsen seit dem 1.5.2021 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die C zu zahlen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der A (Vers.-Nr. 003) findet nicht statt.
Im Übrigen verbleibt es bei der Entscheidung zum Versorgungsausgleich im angefochtenen Beschluss.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.640,- € festgesetzt.
Gründe:
2I
3Mit Scheidungsverbundbeschluss vom 17.1.2022 hat das Amtsgericht die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Unter Berücksichtigung dreier geringfügiger Anrechte der Antragsgegnerin und eines geringfügigen Anrechts des Antragstellers hat es von diesen vier Anrechten nur das Anrecht der Antragsgegnerin bei der A (im folgenden: A) intern durch Übertragung von 6,24 Versorgungspunkten, bezogen auf den 30.04.2021 geteilt. Hierbei hat es angeordnet, dass die Teilung nach Maßgabe von § 44 der Satzung der Beschwerdeführerin erfolgen solle, jedoch mit der Maßgabe, dass für das neu zu begründende Anrecht die Rechnungsgrundlagen des auszugleichenden Anrechts gelten, eine Verzinsung mit dem Rechnungszins der auszugleichenden Versorgung zu erfolgen hat und dass der Ausgleichswert für den Zeitraum zwischen Ende der Ehezeit und Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung an der biometrischen Entwicklung der ausgleichspflichtigen Person teilhat.
4Gegen den am 24.1.2022 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der A vom 26.1.2022. Die Beschwerdeführerin rügt, die Maßgabenanordnungen im angefochtenen Beschluss seien überflüssig, da der errechnete und geteilte Barwert unter Berücksichtigung einer Verzinsung von 3,25% berechnet sei und die hieraus abgeleiteten Versorgungspunkte diesen Zinssatz beinhalteten und im übrigen statisch seien.
5Der Senat hat weitere Auskünfte eingeholt und darauf hingewiesen, dass er anstelle des Anrechts bei der Beschwerdeführerin mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 3.305,29 € und nach Abzug von Kosten interner Teilung in Höhe von anteilig 108,27 € verbleibenden 3.197,02 € das Anrecht der Antragsgegnerin bei der B e.V. mit einem Ehezeitanteil von 6.976,02 € und einem Ausgleichswert von 3.488,01 € extern teilen wolle. Der Antragsgegner hat die C als Zielversorgungsträger benannt, die ihr Einverständnis erklärt hat. Gegen die angekündigte Entscheidung hat keiner der Beteiligten Einwendungen erhoben.
6II
7Die zulässige Beschwerde der A ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
81. Es handelt sich um eine zulässige Teilanfechtung des Beschlusses zum Versorgungsausgleich, von welcher grundsätzlich nur das bei der Beschwerdeführerin bestehende Anrecht betroffen ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 794 Rn. 7; FamRZ 2016, 781 Rn. 11 und FamRZ 2016, 1062 Rn. 15). Von der Beschwerde sind allerdings im vorliegenden Fall sämtliche geringfügigen Anrechte i.S.d. § 18 VersAusglG betroffen, weil hier eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem vom Amtsgericht vorgenommenen Teilungsvorgang und den unterbliebenen Teilungen besteht (vgl. hierzu BGH FamRZ 2017, 1914 Rn. 13; FamRZ 2016, 794 Rn. 7). Insoweit hat der Senat über die Art und Weise der Anwendung des § 18 VersAusglG unter Ausübung eigenen Ermessens zu entscheiden (vgl. BGH FamRZ 2017, 97).
92. Bei der internen Teilung von Anrechten bei der Beschwerdeführerin ist eine Maßgabenanordnung nicht erforderlich, nachdem die Beschwerdeführerin klargestellt hat, dass sie bei der Umrechnung des Versorgungsguthabens in einen Barwert und Rückrechnung des hälftigen Ehezeitanteils in Versorgungspunkte geschlechtsneutrale Barwertfaktoren verwendet (vgl. BGH FamRZ 2017, 863). Nach § 44 der Satzung der A wird für die ausgleichsberechtigte Person auch ein Anrecht im selben Tarif begründet wie für die ausgleichspflichtige Person (vgl. hierzu BGH FamRZ 2022, 349 zu dem hiervon abweichenden § 44 der EZVK-Satzung, jedenfalls bis zur 17. Änderung vom 6.11.2019). Danach hat sich die A zu Recht gegen die Maßgabenanordnung im angefochtenen Beschluss beschwert.
103. Der Senat hält aufgrund eigener Ermessensausübung anstelle der vom Amtsgericht durchgeführten internen Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin die externe Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B e.V. für angezeigt.
11a) Gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Die Anrechte des Antragstellers bei der D Lebensversicherung (betriebliches Anrecht, Direktversicherung) mit einem Ausgleichswert von 1.744,37 € sowie der Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin (Zusatzversorgung, korrespondierender Kapitalwert von 3.197,02 €), bei der B e.V. (rückgedeckte Unterstützungskassenversorgung, Rentenversicherung, Ausgleichswert von 3.488,01 €) und bei der E VVaG (Beitragsorientierte Leistungszusage im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung, Ausgleichswert von 117,17 €) sind sämtlich nicht gleichartig.
12b) Gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Die Geringfügigkeitsgrenze auf Kapitalbasis beträgt gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG, bezogen auf das Ehezeitende, 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des SGB IV. Das sind im vorliegenden Fall 3.948,- €. Danach sind alle vorbenannten Anrechte geringfügig.
13c) Die Sollvorschrift des § 18 Abs. 2 VersAusglG räumt dem Familiengericht einen Ermessensspielraum ein. Nach Ansicht des BGH ist dabei zu berücksichtigen, dass der Nichtausgleich geringfügiger Anrechte eine Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz darstellt und damit, entgegen dem Wortlaut des § 18, die Ausnahme darstellen muss, jedenfalls dann, wenn die Zwecke der Vorschrift, nämlich das Vermeiden von erheblichem Verwaltungsaufwand und von Splitterversorgungen, durch eine Teilung nicht berührt sind (vgl. statt vieler BGH FamRZ 2015, 2125). Nach Ansicht des Senats wird dagegen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 17 VersAuslgG (BVerfG FamRZ 2020, 1078) das verfassungsrechtliche Gewicht des Halbteilungsgrundsatzes im Bereich geringfügiger Anrechte relativiert. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Höhe potentieller Transferverluste bei externer Teilung betrieblicher Anrechte im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG (bei einer doppelt so hohen Wertgrenze wie bei § 18 VersAusglG) nicht aufklärungsbedürftig (vgl. BVerfG, FamRZ 2020, 1078, 1084 (Rn. 79). Auch wenn hier, anders als bei § 18 VersAusglG, eine Teilung noch stattfindet, folgt aus dem Umstand, dass das Ausmaß hiermit verbundener Transferverluste nicht zu überprüfen ist, aus Sicht des Senats, dass nicht jede Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Außerdem hält das Bundesverfassungsgericht im Anwendungsbereich des § 17 VersAusglG das Entstehen von prognostischen Transferverlusten auf Rentenbasis bis zur Höhe von 10% aufgrund externer Teilung für verfassungsrechtlich hinnehmbar (aaO, 1084 (Rn. 78)). Das spricht nach Ansicht des Senats dafür, § 18 VersAusglG seinem Wortlaut entsprechend als Soll-Vorschrift anzuwenden, weil dem Gesetzgeber auch verfassungsrechtlich geringfügige Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz zuzugestehen sind.
14d) Die vorgenannten Überlegungen sprechen im Ausgangspunkt dafür, sämtliche beiderseitige geringfügige Anrechte nicht auszugleichen. Zu berücksichtigen ist aber, dass auf Seiten der Antragsgegnerin mehrere geringfügige Anrechte vorliegen und die Summe ihrer Ausgleichswerte auf Kapitalbasis die Grenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreitet. Das gilt selbst dann noch, wenn der Ausgleichswert des geringfügigen Anrechts des Antragstellers trotz mangelnder Gleichartigkeit saldiert würde (3.488,01 € + 3.197,02 € + 117,17 € - 1.744,37 € = 5.057,83 €).
15Da sich in diesem Fall die mehrfache Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG überproportional zulasten des Antragstellers auswirken würde, sind Anrechte der Antragsgegnerin zumindest soweit auszugleichen, dass ihre Summe die Geringfügigkeitsgrenze nicht mehr übersteigt (vgl. BGH FamRZ 2015, 2125; OLG Brandenburg, FamRZ 2017, 1831). Ist danach aber zumindest ein Anrecht auszugleichen, entspricht es nach Ansicht des Senats billigem Ermessen, das werthaltigste Anrecht zuerst zu teilen. Das ist, gemessen am Kapitalwert, das Anrecht bei der Unterstützungskasse e.V.. Im vorliegenden Fall spricht für die - externe – Teilung dieses Anrechts zusätzlich, dass dann weder beim Quellversorgungsträger noch bei dem hier gewählten Zielversorgungsträger, der C, Teilungskosten oder Verwaltungskosten anfallen, die auf die Beteiligten oder den Antragsteller umgelegt werden.
16Danach war das Anrecht bei der B, wie geschehen, extern zu teilen. Die Voraussetzungen des § 15 VersAusglG liegen vor (vgl. § 15 Abs. 4 VersAusglG).
17e) Die verbleibenden Anrechte sind allerdings auch auf dem Boden der dargelegten Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu teilen. Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der E mit einem Ausgleichswert von 117,17 € stellt sich als wirtschaftlich bedeutungslos dar (vgl. BGH FamRZ 2017, 97). Die verbleibenden beiderseitigen Anrechte weisen bei einer Saldierung auf Kapitalwertbasis eine Wertdifferenz von 1.860,81 € auf, die deutlich unterhalb der Wertgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG liegt. Jedenfalls bei interner Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin entstünde zudem für den Antragsteller eine Splitterversorgung. Das spricht im Rahmen der Ermessensausübung dafür, diese drei Anrechte insgesamt nicht auszugleichen.
184. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 81 FamFG und auf § 50 Abs. 1 FamGKG.
19Rechtsbehelfsbelehrung:
20Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).
21*Hinweis: Durch Beschluss vom 12.09.2022 wurde das Rubrum berichtigt