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Oberlandesgericht Hamm, 25 U 42/20

Datum:
08.04.2022
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 42/20
ECLI:
ECLI:DE:OLGHAM:2022:0408.25U42.20.00
 
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 110 O 16/19
Schlagworte:
Steuerberater, Lohnbuchführung, GmbH, Gesellschafter-Geschäftsführer, Sozialversicherung, Beschäftigung, Sperrminorität, Nebenpflicht, Schadensverhütungspflicht, konsolidierte Schadensbetrachtung
Normen:
§§ 249, 255, 273, 274, 280 Abs. 1 BGB, 7, 7a, 28h SGB IV
Leitsätze:

1. Der Steuerberater, der mit der Lohnbuchführung beauftragt ist, ist zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen auch in Bezug auf die Beitragspflicht weder berechtigt noch verpflichtet, hat aber im Rahmen der sich als Nebenpflicht aus dem Steuerberatervertrag ergebenden vertraglichen Schadensverhütungspflicht bei Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art zu raten, einen Rechtsanwalt aufzusuchen, oder eine Prüfung durch den Sozialversicherungsträger gemäß §§ 7a, 28 h SGB IV anzuregen.

2. Derartige Schwierigkeiten können sich bezüglich der Frage einer Beschäftigung i.S.v. § 7 SGB IV für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ergeben, sofern diese nach dem Gesellschaftsvertrag ihre Tätigkeit nicht - etwa aufgrund einer Sperrminorität - unabhängig von den anderen Gesellschaftern gestalten können.

3. Sozialversicherungsrechtliche Nachzahlungsbeträge der GmbH für die Gesellschafter-Geschäftsführer kommen als Schaden der Gesellschaft in Betracht. Etwaige Vorteile der Gesellschafter-Geschäftsführer sind für den im Rahmen der Schadensermittlung anzustellenden Gesamtvermögensvergleich nicht im Wege einer konsolidierten Schadensbetrachtung einzubeziehen. Auf ein vom Steuerberater geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht aus § 273 i.V.m. § 255 BGB ist auszusprechen, dass mögliche Bereicherungsansprüche der GmbH gegen ihre Gesellschafter-Geschäftsführer im Hinblick auf die geleisteten Nachzahlungen Zug um Zug abgetreten werden.

 
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 15.07.2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 105.846,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung angeblicher Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung empfangener Rückzahlungen sowie Abtretung von Rückzahlungsansprüchen wegen im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 31.12.2017 geleisteter Beiträge zur privaten Krankenversicherung gegen

- A bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN01

- K bezüglich der bei der W, Adresse02, zu Service-Nr. VN02

- C bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN03

jeweils unterhaltenen Krankenversicherung.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu erstatten, die ihr daraus entstehen, dass die Beklagte sie nicht darauf hingewiesen hat, dass sie zu der Frage der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlichen Rat einholen sollte, woraufhin der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert worden wäre, dass den Gesellschaftern eine Sperrminorität eingeräumt worden wäre, wobei die Erstattung der Schäden Zug um Zug zu erfolgen hat gegen Abtretung angeblicher Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung empfangener Rückzahlungen sowie Abtretung von Rückzahlungsansprüchen wegen im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 12.12.2018 geleisteter Beiträge zur privaten Krankenversicherung gegen

- A bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN01

- K bezüglich der bei der W, Adresse02, zu Service-Nr. VN02

- C bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN03

jeweils unterhaltenen Krankenversicherung.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 
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